Phantasy for Violin with Piano Accompaniment, Op. 47 (1949) - Arnold Schoenbergs Spätstil

  • Phantasy for Violin with Piano Accompaniment, Op. 47 (1949) - Arnold Schoenbergs Spätstil

    Werkeinführung

    Die Phantasy für Geige mit Klavierbegleitung wurde auf Anliegen des Geigers Adolph Koldofsky komponiert, der sie (anscheinend mit alternativem Schluss) auch uraufführte (und der für Schoenberg den idealen Interpret darstellte).

    Schoenberg komponierte erst komplett die Geigenstimme, dann im Nachhinein die Klavierbegleitung, was sich auch im Titel niederschlug (wobei ich glaube, dass man das nicht unbedingt hört, so man es nicht eh schon weiß).

    Sehr erhellend (wie fast immer) die Schoenberg-Website:

    Zitat von Therese Muxeneder

    Die Werkgattung Fantasie rangierte in Schönbergs Lehrbuch „Formbildende Tendenzen der Harmonie“ unter den "sogenannten freien Formen", bestimmt durch opulentes Figurenwerk, instrumentale Improvisation und spontanen Ausdruck. Mit den klassischen und nachklassischen Genreusancen hat Schönbergs dodekaphone Fantasie insoviel gemein, als die Virtuosität der spielerischen Anlage durchaus mit Schuberts Violinfantasie C-Dur und die formale Disposition mit Mozarts Fantasie c-Moll KV 475 verglichen werden kann. Wie in der Forschung bereits ausgeführt wurde, ist die kaleidoskopartige Abfolge der sich wechselseitig unterbrechenden Teile in Mozarts Fantasie gleichsam als Folie auf Schönbergs Werk applizierbar. Die architektonische Anlage und auf dodekaphoner Grundlage basierende harmonische Regionen lassen in Schönbergs Fantasie denn auch ein originär Dur-Moll-tonales Denken vermuten, worauf auch die Gewichtung rhythmisch-metrischer Satzbestandteile hindeutet, zudem werden Umrisse einer einsätzigen Reprisenstruktur innerhalb eines Sonatenzyklus’ ablesbar.

    Die Fantasie ist grobschematisch in vier Teile gegliedert: ein motivbildender Bereich mit Überleitung (der Hauptgedanke des Werks ist sechstaktig), ein mit dem langsamen Satz einer Sonate vergleichbaren Lento-Abschnitt, Scherzando und Coda (jeweils mit Überleitung). Einen klassischen Wienerischen Ton kann die Fantasie keinesfalls verleugnen, wird doch die Ausdrucksästhetik des Werks stellenweise etwa durch tänzerische Dreier-Rhythmik genährt, wie sie im Geigenklang vergleichbarer Satzpartien von Schubert bis Mahler aufscheint. Die spieltechnische Vielfalt des fragilen Satzgefüges reicht von Doppelgriffen in äußerst weitem Ambitus, Glissando-, Pizzicato-, Flageolett- bis zu diffizilen Tremolo-Effekten und dynamisch differenzierten Akkord-Arpeggien.


    Schoenbergs Spätstil

    Aus dem Thread zum Trio für Geige, Bratsche und Cello (1946):

    wie würdest du die Violinfantasie in diesem Kontext einstufen?


    Gute Frage.

    Die Phantasie ist 1949 entstanden und ist Schoenbergs letzte vollständige Original-Komposition mit Opusnummer. Die Drei Lieder für tiefe Stimme, Op. 48 wurden schon 1933 komponiert; Opus 49 (1948) sind Drei Volksliedbearbeitungen für gemischten Chor, a cappella; Opus 50 ist in drei Chorstücke A (1949), B (1950) und C (1950) aufgeteilt, von denen C unvollendet blieb. 1951 starb Schoenberg.

    Zwischen dem Streichtrio (1946) und der Phantasie ist Schoenbergs einziges Opus die Kantate A Survivor from Warsaw für Sprecher, Männerchor und Orchester, Op. 46 (1947), wahrscheinlich eine seiner bekanntesten Kompositionen (wenn nicht gar "die"? ... nach der Verklärten Nacht?).

    Ich würde sagen, dass mit dem Streichtrio (das mit zwanzig Minuten Dauer übrigens die längste aller genannten Kompositionen darstellt!) Schoenbergs "ultra-abstrakte" Spätphase anfängt. Das vorherige Opus, Prelude für gemischten Chor und Orchester, Op. 44 (1945) ist ein zwölftöniges Präludium mit Fuge, also noch mit einer sehr deutlichen "thematischen" Komponente. (Ist übrigens in meiner Schoenberg-Top-10 - leider nur sehr selten aufgeführt und/oder eingespielt. Dauert nur knapp über fünf Minuten.)

    Beim Streichtrio fällt es mir schon sehr schwer, "Themen" auszumachen. Das ist alles fragmentiert, kleinstmotivisch, in Fetzen gerissen - "abstrakt" eben.

    Hab mir eben die Phantasie mit Partiturvideo auf YouTube reingezogen, Oliver Colbentson (Geige) und Erich Appel (Klavier): https://www.youtube.com/watch?v=63wGrqg0v7M

    Die Phantasie ist irgendwie immer "abstrakter", als ich sie in Erinnerung hab. Ich glaube, das liegt auch daran, dass Schoenberg hier (gefühlt) viel mehr "versehentliche" Konsonanzen zulässt als im Streichtrio. Schon in Takt 15/16 der Phantasie gibt es eine Stelle, die ich einfach wunderschön finde. Der langsame Teil ab Takt 40 ist für mich eine der "klangwirksamsten" Stellen bei Schoenberg überhaupt.

    Nichtsdestotrotz gibt es aber jede Menge "brutale", "abstrakte", Motivfetzen um sich schleudernde Stellen, beispielsweise gleich der Anfang. Die Abschnitte im 9/6- bzw. 6/8-Takt erinnern mich an entsprechende Abschnitte im Streichtrio - da klingt die Musik irgendwie "neutral", weder brutal zerfetzt noch expressiv-zart. Zwar auch nicht wirklich "thematisch", aber da hört man, finde ich, noch am ehesten den Schoenberg der Mittelphase heraus (vgl. bspw. das Intermezzo im III. Streichquartett (1927)).

    Formal ist die Phantasie "trotz" ihres Titels (siehe Therese-Muxeneder-Zitat oben) jedenfalls deutlicher "klassisch" gegliedert als das Streichtrio. Man hört die Abschnitte in der Phantasie sehr gut (während ich sie im Streichtrio nur anhand der Partiturvermerke erkennen kann) - und das, obwohl die Phantasie mit circa neun Minuten nicht mal halb so lange dauert!

    Mein Fazit: Streichtrio auf jeden Fall schon nochmal ne Ecke "schwieriger", die Phantasie aber auch nicht ohne und ein würdiges sogutwie-letztes Werk für Schoenbergs späte Schaffensphase. :) (Wobei mir schon klar ist, warum das Streichtrio Amfortas noch deutlich mehr "fetzt"...)

    Aufnahmen

    Ihr seid dran :wink:

  • Erstemal großes Dankeschön für deinen Subbotnik zur Erstellung dieses geilen Threads

    (Wobei mir schon klar ist, warum das Streichtrio Amfortas noch deutlich mehr "fetzt"...)

    :D :D :D
    Ich mag Schönbergs Phantasy for Violin with Piano Accompaniment auch sehr, aber sein Streichtrio noch mehr.

    die Phantasie aber auch nicht ohne und ein würdiges sogutwie-letztes Werk für Schoenbergs späte Schaffensphase.

    Ein Hör-Eindruck auf Grund deiner Eröffnung:

    Ich dachte mir bisher formalen Momente in op. 47 ausgeprägter. Deine Eröffnung trägt dazu bei, diesen Eindruck in Frage zu stelllen, was ich sehr fruchtbar finde.
    https://www.youtube.com/watch?v=63wGrqg0v7M
    Mir kommt das Thema nach der quasi Einleitung ab Takt 34 (cantabile) 02:32 mir quasi ausgestalteter rüber, als was im Streichtrio sich findet, also erinnert mich an Themen früherer Schönberg-Mucke, vielleicht 1. Satz seines Violinenkonzerts. Falls dann diese Lento-Passage (Takt 40, 02:56) sowas wie Seitensatz ?( oder 2. Thema ?( wäre, dann finde ich, das im Verhältnis zu seiner früheren Mucke (also vor Streichtrio) wiederum vergleichsweise verknappt, also im Verhältnis ja doch "rgendwie immer "abstrakter".
    Selbst wenn du op. 47 - im Bezug zum Streichtrio - als "deutlicher "klassisch" gegliedert beschreibst; was ich auch so finde.
    Möglicherweise könnten einen dann die Themen/Motive von Takt 34 und vor allem Takt 40 kraft ihres im Verhältnis zu Schönbergs früherer Mucke verkürzten Modus, einen rüberkommen als sowas wie zarte, ferne Erinnerung/Reminiszenz an frühere Lebens/Schaffensmomente .......

    „Ein Komponist, der weiß, was er will, will doch nur was er weiß...“ Helmut Lachenmann

  • Ich dachte mir bisher formalen Momente in op. 47 ausgeprägter. Deine Eröffnung trägt dazu bei, diesen Eindruck in Frage zu stelllen, was ich sehr fruchtbar finde. [...] Mir kommt das Thema nach der quasi Einleitung ab Takt 34 (cantabile) 02:32 mir quasi ausgestalteter rüber, als was im Streichtrio sich findet, also erinnert mich an Themen früherer Schönberg-Mucke, vielleicht 1. Satz seines Violinenkonzerts. Falls dann diese Lento-Passage (Takt 40, 02:56) sowas wie Seitensatz ?( oder 2. Thema ?( wäre, dann finde ich, das im Verhältnis zu seiner früheren Mucke (also vor Streichtrio) wiederum vergleichsweise verknappt, also im Verhältnis ja doch "rgendwie immer "abstrakter".
    Selbst wenn du op. 47 - im Bezug zum Streichtrio - als "deutlicher "klassisch" gegliedert beschreibst; was ich auch so finde.
    Möglicherweise könnten einen dann die Themen/Motive von Takt 34 und vor allem Takt 40 kraft ihres im Verhältnis zu Schönbergs früherer Mucke verkürzten Modus, einen rüberkommen als sowas wie zarte, ferne Erinnerung/Reminiszenz an frühere Lebens/Schaffensmomente .......


    Ich versuche mich mal an einer formalen Gliederung (beim nochmaligen Reinziehen) in Synthese von Trio-Gliederung durch Schoenberg und traditioneller "viersätziger Sonatenform":

    Teil 1
    Takt 1 (0:05, 7:06) - Grave (1. Thema)
    Takt 25 (1:57, 9:49) - Più mosso, furioso (2. Thema)

    Episode 1
    Takt 34 (2:31, 10:45) - Meno mosso (Ueberleitung)

    Teil 2
    Takt 40 (2:56, 11:14) - Lento (langsamer Satz)

    Episode 2
    Takt 52 (3:46, 12:05) - Grazioso (Ueberleitung)
    Takt 64 (4:26, 12:57) - Grave (Durchführung von 1. Thema)
    Takt 72 (4:53, 13:26) - Più mosso (Durchführung von 2. Thema und langsamem Satz)

    Teil 3
    Takt 85 (5:36, 14:10) - Scherzando (Scherzo 1)
    Takt 93 (5:43, 14:20) - Poco tranquillo (Trio)
    Takt 117 (6:10,14:47) - Scherzando (Scherzo 2)

    Episode 3
    Takt 135 (6:29, 15:11) - Meno mosso (Ueberleitung)

    Teil 4
    Takt 154 (6:59, 15:57) - Grave (Koda, stark verkürzte Reprise von 1. und 2. Thema)

    (Dauer: 7:53, 9:56)

    Ist schon ein bisschen "konstruiert"... aber als erste Interpretation vielleicht ganz tauglich? :wink: Jedenfalls empfinde ich die Phantasie wie du auch als "ausgestalteter" als das Trio.

    Zeitangaben beziehen sich auf:

    Colbentson/Appel https://www.youtube.com/watch?v=63wGrqg0v7M , Yehudi Menuhin/Glenn Gould https://www.youtube.com/watch?v=AABQYAPK_Ek

  • Zwei unterhalten sich über das Werk : https://www.youtube.com/watch?v=AABQYAPK_Ek
    Dem habe ich nichts hinzuzufügen .

    Die Konversation ist echt super. Yehudi Menuhins Beschreibung trifft es eigentlich auch für mich ganz gut: "Es klingt, als würden in einem Theaterstück alle Figuren willkürliche Silben von sich geben anstatt zu sprechen, aber man erkennt auch ohne Worte trotzdem die "Liebesszene" etc. wieder." Empfinde ich eigentlich ähnlich; auch, dass in der Phantasie im besonderen (und bei Schoenberg im allgemeinen) oftmals die Tonfolgen und/oder Harmonien "willkürlich" klingen. Das nehme ich vermehrt bspw. auch im III. Streichquartett so wahr. (Wie steht ihr dazu?) Aber im Gegensatz dazu dann solch "klangzauberische" Stellen wie Takt 15/16 oder der "langsame Satz" der Phantasie... oder Einiges im Concerto für Klavier und Orchester... oder die Schnittstelle zwischen Teil 1 und Episode 1 im String Trio etc....

    Die Interpretation ist allerdings für meinen Geschmack ziemlich dröge-langsam (25 % länger als die oben verlinkte mit Colbentson/Appel, ich habe im vorigen Post die Spielzeiten nachgetragen). Man hört auch ziemlich gut, was Menuhin schildert: Ueberzeugung hinter den Gesten, aber nicht hinter den Tonfolgen. Im 1. "Thema" spielt er relativ "clumsy" (was er ja vorher schon dem Stück zugeschrieben hatte); direkt die dritte Note des Themas trifft er falsch (interessanterweise genau eine Oktave zu hoch - vielleicht auch ein Fehler in seinem Druck?). Ab dem 2. Thema legt er aber zu und spielt auch die wilden Stellen für mich sehr überzeugend. Gould für seinen Teil ertränkt oft mit Staccato beschriebene Stellen im Pedal und spielt relativ "weichlich" (als ob er Menuhin nicht zu nahe treten wollte oder so :) ). Auf jeden Fall aber ein unschätzbares Zeitdokument!

  • Die Interpretation ist allerdings für meinen Geschmack ziemlich dröge-langsam

    Peter Serkin hat nicht nur Messiaen aufgenommen , sondern auch viel Schoenberg , das Klavierkonzert z.B. mit Boulez und Ozawa . Die LP mit dem CSO & Ozawa enthielt auch die Phantasy , eingespielt mit Arnold Steinhardt . Auf CD wohl nur gut versteckt in der Ozawa-Box erhältlich . Könnte Dir besser gefallen als Gould/Menuhin .

    https://www.youtube.com/watch?v=ZoboLn9J8mg
    https://www.youtube.com/watch?v=NM14Mf8l4CI

    Good taste is timeless "Ach, ewig währt so lang " "But I am good. What the hell has gone wrong?" A thing of beauty is a joy forever.

  • Ich versuche mich mal an einer formalen Gliederung (beim nochmaligen Reinziehen) in Synthese von Trio-Gliederung durch Schoenberg und traditioneller "viersätziger Sonatenform":


    so klasse Anregungen! Danke!

    sehe, daß es ja in Adornos "Der getreue Korrepititor" ein Kapitel zu op. 47 gibt (S. 162)

    ---
    Es wäre lächerlich anzunehmen, daß das, was alle, die die Sache kennen, daran sehen, von dem Künstler allein nicht gesehen worden wäre.
    (J. Chr. Lobe, Fliegende Blätter für Musik, 1855, Bd. 1, S. 24).


    Wenn du größer wirst, verkehre mehr mit Partituren als mit Virtuosen.
    (Schumann, Musikalische Haus- und Lebensregeln).

  • Schönberg, Violinfantasie op 47 - Formübersicht nach Th. W. Adorno

    (in: Der getreue Korrepetitor, S. 162ff.)

    Habe mal Adornos Formangaben schematisch exzerpiert.


    I. Hauptteil

    1. Intonation T. 1 Grave, Rezitativ (Vordersatz - Nachsatz)

    2. Intonation T. 7, scharfer Kontrast, sehr anderer Ton, imaginärer Klang, etwas Neues

    3. Intonation T. 10 (oder noch zur 2. Intonation rechnen), gestaltenreich, neue Ansätze in T. 14 u. T. 17

    4.(3.) Intonation T. 25 Più mosso, furioso, Überleitung, neuer kontrastierender Charakter, ganz frisch zu nehmen


    II. Hauptteil "Adagio"

    1. Intonation T. 34 Meno mosso

    2. Intonation T. 40 Lento = Adagio-Tiefpunkt

    3. Intonation T. 45


    III. Hauptteil T. 52 Grazioso, kapriziöse Interpolation/Intermezzo


    [IV.] Hauptteil

    [1. Teil] T. 64 Grave, sehr ferne Reminiszenz an den Anfang, Choral, 8taktig

    [2. Teil] T. 72 Più mosso, pathetischer Charakter gilt weiter, ab T. 82 überraschendes gehemmtes Phantasieren, a capriccio, T. 84 Liquidation, Hauptzäsur der gesamten Form


    [V.] Hauptteil, Scherzando, Musik muß mehr in Fluß kommen als bisher, ohne Hemmendes zu vergessen

    1. Teil T. 85 Scherzando, 8taktige Periode dient dem Tanzcharakter

    2. Teil T. 93 Poco tranquillo, Episode, kein wirklich neues Tempo

    3. Teil T. 117 Scherzando, Scherzandoreprise, Calando ab T. 125 wahrt Scherzandocharakter

    4. Teil T. 135 Meno mosso, erheblich langsamer, spielerischer Charakter


    [VI.] Hauptteil Grave, Coda

    T. 154 Wiederaufnahme Anfang; T. 161 entspricht Gestalt des Furioso T. 25


    ---------------------------------------------------------------------------------------------------

    Adorno benutzt zur Bezeichnung der obersten Hierarchieebene die Begriffe "Hauptabsatz", "Hauptteil", für die nächste Hierchieebene "Intonation", "Teil"

    Einige formale oder charakterisierende Bemerkungen Adornos sind mitangegeben.

    ---
    Es wäre lächerlich anzunehmen, daß das, was alle, die die Sache kennen, daran sehen, von dem Künstler allein nicht gesehen worden wäre.
    (J. Chr. Lobe, Fliegende Blätter für Musik, 1855, Bd. 1, S. 24).


    Wenn du größer wirst, verkehre mehr mit Partituren als mit Virtuosen.
    (Schumann, Musikalische Haus- und Lebensregeln).

  • Peter Serkin hat nicht nur Messiaen aufgenommen , sondern auch viel Schoenberg , das Klavierkonzert z.B. mit Boulez und Ozawa . Die LP mit dem CSO & Ozawa enthielt auch die Phantasy , eingespielt mit Arnold Steinhardt . Auf CD wohl nur gut versteckt in der Ozawa-Box erhältlich . Könnte Dir besser gefallen als Gould/Menuhin .

    https://www.youtube.com/watch?v=ZoboLn9J8mg
    https://www.youtube.com/watch?v=NM14Mf8l4CI

    Gerade angehört. Geile Aufnahme, von den drei bisher verlinkten für mich die beste, vielen Dank. :) Kleinlich würde ich noch anmerken, dass Steinhardt oft staccatissimo-Noten ziemlich breit spielt... Aber die Ausgestaltung der Interpretation ist insgesamt echt der Hammer. Das Lento super-langsam, kristallin, Schneeflocken in einer eiskalten Nacht... Nackenschauer.

  • ein paar Anmerkungen anläßlich der Formübersichten.

    Beim "langsamen Satz" ("Adagio " bei Adorno) rechnet Adorno den ja ab T. 34 Meno mosso und das Lento dazu, Melione +Schönberg Webseite nehmen nur das Lento. Hier wäre ich geneigt, A. zu folgen. Das Lento ist so plötzlich da, hebt nicht irgendwie an, und der Charakter wäre wohl sehr ungewöhnlich für einnen Adagioanfang, eher für Innenteile. Ich kann mir das meno mosso + das Lento ganz gut vorstellen in Analogie zu zwei Varitionen einer Variationenfolge, die beide langsam sind, aber das auf ganz gegensätzliche Weise: Meno mosso = human,vokal, cantabel, Lento = überhuman, "claire de lune", klanglich. (Meno mosso aber zurückhaltend, nicht beethovensch voll ausgesungen, davor warnt A.m.E. mit recht).

    Für die Zusammengehörigkeit spricht auch das ausgiebige Verebben am Schluß des Lento, bei dem mehr aufzuhören scheint als nur das Lento selbst.

    Erwas unterbelichtet bleibt mir das mittlere Grave (Tempo I, T. 64). Das scheint mir zentral (A. spricht auch von Mitte kurz, aber der sich aufdrängende Gedanke von Achsensymmetrie wäre ihm sicher gar nicht recht. wg.statisch-architektonischem Prinzip).

    auch das A. von Choral spricht, scheint mir unglücklich. klar, man versteht, was er meint, den strengen gleichförmigen Harrmoniegang, aber ich höre eher ein monodisches, energisches Lamento, vgl. auch die 2tönigen markanten Geigenmotive- so unchoralisch.

    diesen Teil als "Durchführung" (Melione) würde ich auch mit ? versehen. In der traditionellen Form Exposition - Durchführung - Reprise wäre doch die Durchführung eher locker gefügt, Exp. + Repr. vergleichsweise "fest".bei den drei Grave-Teilen sehe ich eher genau das Umgekehrte - locker - fest -locker.

    "sehr ferne Reminiszens" (Adorno zum mittleren Grave) - bei "sehr fern" würde ich zustimmen, aber was Rückwärtsgewandtes kann ich da nicht finden. Im Gegenteil, gesteigerte Präsens, das Entziehende des Anfangsgrave ist weg

    ---
    Es wäre lächerlich anzunehmen, daß das, was alle, die die Sache kennen, daran sehen, von dem Künstler allein nicht gesehen worden wäre.
    (J. Chr. Lobe, Fliegende Blätter für Musik, 1855, Bd. 1, S. 24).


    Wenn du größer wirst, verkehre mehr mit Partituren als mit Virtuosen.
    (Schumann, Musikalische Haus- und Lebensregeln).

  • Vielen Dank für dein interessantes Feedback. :)

    Ich glaube, die Analyse anhand "viersätziger Sonatenform" ist schon ziemlich "konstruiert". Ich finde, die Gliederung in "Teile" und "Episoden" analog zum Streichtrio eignet sich besser.

    Es lohnt vielleicht, zu erwähnen, dass zwischen Schoenbergs erstem Streichquartett (1905) und der Phantasy 44 Jahre liegen. Im ersten Streichquartett war die "Viersätzigkeit in der Einsätzigkeit" noch etwas ganz Neues; 1949 wird sie Schoenberg, denke ich, komplett ins Unterbewusstsein (sein musikalisches "Fleisch und Blut") übergegangen sein. Ich glaube nicht, dass er sich beim Komponieren dachte, "okay, und an dieser Stelle beginnt jetzt der langsame Satz". (Womit ich weder dir noch Adorno unterstellen will, dass das euer Ausgangspunkt sei.)

    Ich denke, die viersätzige Sonatenform ist grob gut spürbar: Hauptgedanke(n), langsamer Abschnitt, Abschnitt im Dreiertakt, Reprise. Was darüber hinausgeht, ist, denke ich, relativ "akademisch".

    Ich habe mal meine Gliederung als Balkendiagramm mit ungefährer Dauer der Abschnitte in Sekunden veranschaulicht: https://www.meta-chart.com/share/phantasy (Die Legende wird aus irgendeinem Grund "falschrum" dargestellt.)

    Wenn man beispielsweise sieht, dass das 1. "Thema" dreieinhalb mal so lang ist wie das 2. "Thema", kann man schon bezüglich der verwendeten Begriffe ins Grübeln kommen. Die "Durchführung" des 2. Themas ist länger als die "Exposition" desselben. Der erste Scherzo-Abschnitt dauert nur ca. 9 Sekunden, das Trio 33 Sekunden, der zweite Scherzo-Abschnitt 19 Sekunden. Ergibt es wirklich Sinn, hier eine Scherzo-Trio-Scherzo-Form verorten zu wollen? Wie gesagt: in Schoenbergs Unterbewusstsein bestimmt; in der eigenen Hörerfahrung vielleicht eher weniger.

    In diesem Sinne: Ich kann gut nachvollziehen, wenn man das "Meno mosso" in viel größerer Nähe zum "Lento" als zum vorhergehenden "Più mosso, furioso" sieht. Dennoch finde ich es fruchtbar, das "Meno mosso" eher als "Episode" (Ueberleitung) denn als "eindeutig dem langsamen Abschnitt zuordenbar" zu betrachten (zumal der "Lento"-Abschnitt ca. doppelt so lang ist wie das "Meno mosso").

    auch das A. von Choral spricht, scheint mir unglücklich. klar, man versteht, was er meint, den strengen gleichförmigen Harrmoniegang, aber ich höre eher ein monodisches, energisches Lamento, vgl. auch die 2tönigen markanten Geigenmotive- so unchoralisch.


    Vollste Zustimmung meinerseits.

    diesen Teil als "Durchführung" (Melione) würde ich auch mit ? versehen. In der traditionellen Form Exposition - Durchführung - Reprise wäre doch die Durchführung eher locker gefügt, Exp. + Repr. vergleichsweise "fest".bei den drei Grave-Teilen sehe ich eher genau das Umgekehrte - locker - fest -locker.

    "sehr ferne Reminiszens" (Adorno zum mittleren Grave) - bei "sehr fern" würde ich zustimmen, aber was Rückwärtsgewandtes kann ich da nicht finden. Im Gegenteil, gesteigerte Präsens, das Entziehende des Anfangsgrave ist weg


    Auch hier kann ich dich gut nachvollziehen. Anstatt "Durchführung" würde ich lieber einfach "Variation" sagen. Anstatt mich auf "locker gefügt" und "fest gefügt" zu fokussieren, würde ich eher "in anfänglicher Gestalt" und "als Kontrast dazu stark variiert" sagen. Dann ist man vielleicht nicht mehr in der absolut klassischen Sonatenform, "spürt" dieser aber noch nach.

    Sehr wortreich, und doch beschleicht mich das Gefühl, dass ich deinen Anmerkungen irgendwie "ausgewichen" bin...? :)


  • Bearbeiten geht wohl nicht mehr - Versuch 2:

    Teil 1
    Takt 1 (0:05, 7:06) - Grave (1. Gedanke)
    Takt 25 (1:57, 9:49) - Più mosso, furioso (2. Gedanke)

    Episode 1
    Takt 34 (2:31, 10:45) - Meno mosso (Langsame Ueberleitung)
    Takt 40 (2:56, 11:14) - Lento (Langsamer 3. Gedanke)
    Takt 52 (3:46, 12:05) - Grazioso (Ueberleitung im Dreiertakt)

    Teil 2
    Takt 64 (4:26, 12:57) - Grave (Verarbeitung/Variation von 1. Gedanken)
    Takt 72 (4:53, 13:26) - Più mosso (Verarbeitung/Variation von 2. und 3. Gedanken)

    Episode 2
    Takt 85 (5:36, 14:10) - Scherzando (4. Gedanke im Dreiertakt, A-Teil)
    Takt 93 (5:43, 14:20) - Poco tranquillo (4. Gedanke, B-Teil)
    Takt 117 (6:10,14:47) - Scherzando (Entwickelnde Variation von 4. Gedanken)
    Takt 135 (6:29, 15:11) - Meno mosso (Ueberleitung im Dreiertakt)

    Teil 3
    Takt 154 (6:59, 15:57) - Grave (Koda, verkürzte Reprise von 1. und 2. Gedanken)

    Die "Teile" beziehen sich auf den 1. und 2. Gedanken, die "Episoden" sind "Binnensatzmaterial".

  • Sehr wortreich, und doch beschleicht mich das Gefühl, dass ich deinen Anmerkungen irgendwie "ausgewichen" bin...?

    aber nein ... und danke für die Dauern-Graphik! kann man gut verwenden zur Plausibilitätskontrolle.

    ein online Artikel zur Phantasy:

    Larry Polansky
    History and the Word: Form and Tonality in Schoenberg's Phantasy for Violin with Piano Accompaniment
    http://www.ex-tempore.org/polansky/polansky.htm

    hieraus entnehme ich einen weiteren Formvorschlag von Leonard Stein (Assistent Schönbergs seit 1939), zit. nach einer LP-Beilage:

    1 Main Section (A): Grave-dramatic in character (mm. 1-31)
    2 First Episode (B): Meno Mosso (ms. 32), Lento (ms. 40), Grazioso (ms. 52) - [Tempo I = Grave (ms. 64)], mostly lyrical.
    3 Second Episode (C): Scherzando (ms. 85)- form and character of a scherzo.
    4 Main Section (condensed) (Ins. (133) 135) and coda (A2) (ms. 154?)

    ("Tempo I" in First Episode war offensichtl. vergessen worden, von mir ergänzt)

    Stein nimmt offenbar Meno mosso T. 135 schon als Beginn seines letzten Abschnittes "Main section".
    er nimmt "Main section" offenbar irgendwie funktional, nicht primär substanziell.

    mache jetzt einen eigenen Versuch, der der Einteilung nach fast identisch mit dem von L. Stein ist,
    Den Hauptunterschied besteht darin, daß ich die Episoden bei Stein überhaupt nicht als solche sehe, ich würde diese eher als "Hauptteil" kennzeichnen:

    ich habe den Eindruck, was die Grobgliederung betrifft, so konvergieren die Ansätze auch mt Melione2.


    ich möchte von "Phasen" (Phasen = "Zuständlichkeiten", ) sprechen.

    (diese Betrachtungsweise maßgeblich angeregt durch August Halm, namentl. Brucknerbuch)

    d.h. ich gehe in keiner Weise von Sonatenform/Sonatenzyklus aus,

    dabei soll zunächst durchaus "festlegend" verfahren werden, Ambiguitäten, überleitende Faktoren etc. werden zunächst ausgeklammert.

    das sähe dann so etwa aus:


    Phase I :

    Grave (T. 1) - Piu mosso, furioso (T. 25)

    "Probierphase"

    "Improvisando", geht aus sich hinaus, von sich weg, aber etwas passivisch. Neues "stellt sich ein".
    die einzelnen "Intonationen" (um Adornos Ausdruck zu übernehmen) beruhen auf variierter Wiederholung relativ kurzer, teils nur 2töniger Gesten

    das Piu mosso, furioso nimmt das als energischen Impuls auf, quasi verdichtend


    Phase II :

    Meno mosso (T. 34) - Lento (T. 40) - Grazioso (T. 52) - Tempo I (Grave) (T. 64)

    "Kontrastphase"

    Organisationsprinzip ist der Gegensatz (einschl. Gegensatz von Gegensätzen).

    zwei in sich und gegeneinander kontrastierende Paare:

    1. Paar:

    Meno mosso (T. 34)
    - human, vokal, cantabile, dabei etwas zurückhaltend, nicht voll ausgesungen

    Lento (T. 40)
    - überhuman, unirdisch, claire de lune, e lontano

    2. Paar:

    Grazioso (T. 52)
    - (braucht man wohl nicht weiter zu beschreiben)

    Tempo 1 (Grave) (T. 52) - Piu mosso (T. 72)
    - monodisches, energisches Lamento

    (ich folge hier Adorno und fasse das Piu mosso ganz als Modifikation auf, nicht als Abteilung.
    vgl. die Takte 78 - 81, im Zuschnitt ganz ähnlich bis zur nahezu wörtlichen Übereinstimmung mit den Takten 67 - 71)
    die T. 76 - 81 variieren den Anfang, wobei das bewegtere Tempo beibehalten und die Strenge gemildert bis zum völligen Verschwinden ist.

    das 2. Paar ist das Zentrum der Phantasy in Hinsicht der maximalen Präsenz, und steht so im schärfsten Gegensatz namentlich zum Lento im 1. Paar, in dem quasi maximale Ferne komponiert ist. Die Gegensätzlichkeit ist hier am drastischsten.

    aus "plötzlich improvisatorischem Aufrauschen" (Adorno) entspringt


    Phase III :

    Scherzando (T. 85) - Poco tranquillo (T. 93) - Scherzando (T. 117) - Meno mosso (T. 135)

    "Verwandtschaftsphase"

    Miteinander verwandten Charaktere folgen aufeinander (also im Gegensatz zum Kontrastprinzip von Phase II)
    Man könnte von einem Supercharakter "Scherzoso" für die ganze Phase III sprechen.

    Das Poco tranquillo ist geschmeidiger, weniger widerborstig als das Scherzando, walzerartig (beachte "dolce"), das Meno mosso ein leichtes capriccioso.

    Der relativen Einheitlichkeit entspricht die Bewegungsart, nach Adorno "ist die Musik jetzt in Fluß, ohne das Hemmende zu vergessen".

    Die Bestimmtheit der Charaktere ist dabei nicht geringer als die der Charaktere in Phase II, man könnte die Phasen II und III beide als "definitorische Phasen" bezeichnen.


    Phase IV :

    Tempo 1 (Grave) (T. 142)

    "Konzentrierphase"

    offenbare Wiederkehr des Anfangs, aber das improvisando hat eine ganz entgegengesetzte Entwicklungstendenz:
    das Endgrave ist nicht passivisch ausbreitend, sondern aktivisch konzentrierend, auf den Punkt bringend. das frühere Piu mosso ist jetzt gemildert und ohne Tempowechsel integriert.

    ---
    Es wäre lächerlich anzunehmen, daß das, was alle, die die Sache kennen, daran sehen, von dem Künstler allein nicht gesehen worden wäre.
    (J. Chr. Lobe, Fliegende Blätter für Musik, 1855, Bd. 1, S. 24).


    Wenn du größer wirst, verkehre mehr mit Partituren als mit Virtuosen.
    (Schumann, Musikalische Haus- und Lebensregeln).

  • jetzt noch ein paar Anmerkungen zu Ambiguitäten:

    eine diesbezügl. interessante Stelle ist die Situation am Ende von Phase I Piu mosso und am Anfang von Phase II Meno mosso. Hier könnte man m.E. von einer "Verkettung" der Phasen sprechen: das Piu mosso furioso neigt in seiner Prägnanz und Abgeschlossenheit schon zu Phase II, während das zurüchkhaltende, etwas vorsichtige Meno mosso auf Phase I zurückzuweisen scheint.

    Insofern kann ich die Bezeichjnung des Menomosso als "Episode" von Melione2 nachvollziehen. Meine Gliederung würde ich miteiner Betrachtung der jeweiligen Übergänge stützen, was ich hier nicht ausführen will.

    in gewisser Hinsicht ein Gegenstück dazu ist das Meno mosso am Schluß von Phase III. Man könnte darauf verweisen, daß die Folge Scherzando - Poco tranquillo - Scherzando doch sehr in sich abgeschlossen ist, und so das Meno mosso quasi ausgegliedert erscheint. insofern kann ich auch hier der Bezeichnung als "Episode" in Melione1 nachvollziehen.

    ich sehe übriges gerade, daß Melione in seiner Einführung zum Streichtrio-Faden die Phantasy sehr anders eingeschätzt hat als das Trio.

    Dem kann ich aus meiner jetzigen Sicht nur beipflichten. Die phantasy kommt mir jetzt - außer in den Eckteilen - geradezu klassizistisch vor (natürlich ist es eine Fantasie, aber die gibts klassisch auch). Die Charaktere sind so, daß man versucht ist, in Kolischs Abhandlung "Tempo und Charakter bei Beethoven" mal nachzusehen, ob die da drin stehen.

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    Es wäre lächerlich anzunehmen, daß das, was alle, die die Sache kennen, daran sehen, von dem Künstler allein nicht gesehen worden wäre.
    (J. Chr. Lobe, Fliegende Blätter für Musik, 1855, Bd. 1, S. 24).


    Wenn du größer wirst, verkehre mehr mit Partituren als mit Virtuosen.
    (Schumann, Musikalische Haus- und Lebensregeln).

  • bin soeben auf einen alten Faden gestoßen, in dem hier über op. 47 gesprochen wird, namentlich ein relativ ausführliches Refaerat des Kapitels zu op. 47 in Adornos "Der getreue Korrepititor".

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    Es wäre lächerlich anzunehmen, daß das, was alle, die die Sache kennen, daran sehen, von dem Künstler allein nicht gesehen worden wäre.
    (J. Chr. Lobe, Fliegende Blätter für Musik, 1855, Bd. 1, S. 24).


    Wenn du größer wirst, verkehre mehr mit Partituren als mit Virtuosen.
    (Schumann, Musikalische Haus- und Lebensregeln).

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