Bewertung von Konzerten - live vs. Konserve
Die folgenden Zitate sind dem Thread über Teodor Currentzis, der ja stark polarisiert, entnommen:
Vielleicht wartest Du erst mal das Konzert am 25. Juni in Wien ab. Wenn Dir dann immer noch "völlig schleierhaft" ist, "was man an diesem gehypten Jungstar finden kann", ist das eine Meinung, mit der man sich auseinandersetzen kann. Vor dem Konzert schon solche Beurteilungen in die Welt zu setzen, kann ich nur dann ernst nehmen, wenn Du ihn - was ich nicht weiß - schon aus anderen eigenen Live-Erlebnissen her kennen solltest.
Es kann ja durchaus sein, dass Currentzis live Qualitäten entwickelt, die sich in seinen Studioaufnahmen nicht vermitteln. Ich werde seine Karriere sicherlich gerne weiter verfolgen und versuchen, ihn beizeiten auch mal live zu sehen.
Du hast recht, ich habe ihn noch nie live gehört, aber es gibt ja Mitschnitte, mit Hilfe derer man sich eine Meinung bilden kann. Davon abgesehen wäre es aber eine interessante Frage, inwieweit das Live-Erlebnis für die Beurteilung eines Dirigenten oder Orchesters eine Rolle spielt. Bei Sängern spielt es für mich klar eine Rolle, viele Sänger wirken live einfach anders (Beispiel: Falk Struckmann). Aber bei reiner Instrumentalmusik? Da kommt es doch nur auf den Höreindruck an und nicht auf das, was daneben so veranstaltet wird (könnte man auch Show nennen). Oder versteh ich Dich hier falsch? Bzw wurde diese konkrete Fragestellung schon einmal hier im Forum abgehandelt? Ich fände sie nämlich wirklich interessant.
Stimmt, das wäre eine interessante Frage.
Meines Wissens nicht, jedenfalls nicht als eigener Thread. Aber ich kann mich irren.
Na dann, leg los
Wenn ich jetzt mal ganz ehrlich bin, interessiert mich das Thema nicht soo sehr, dass ich dafür einen eigenen Thread eröffnen möchte..
Schade. Mach das doch mal, denn letztlich glaube ich, dass, egal ob Solisten oder Orchester, es immer einen Unterschied zwischen live und Studio gibt und zwar einen nicht ganz unerheblichen. Wenn du da anderer Meinung bist, würde sich eine Diskussion bestimmt lohnen.
Generell geht es darum, inwieweit ein Urteil, das auf mindestens ein Live-Erlebnis zurückgeht, ebenso "Relevanz" hat wie eines, das sich nur aus dem Hören von Aufnahmen speist. Ich denke, dass bei Sängern durchaus eine große Diskrepanz zwischen den beiden Urteilen bestehen kann. Insbesondere in der Oper nimmt man ja auch die schauspielerische Leistung wahr, was für manche Sänger vorteilhaft ist, für manche kontraproduktiv. Das betreffend dürfte ja Konsens bestehen.
Aber wie verhält es sich bei Konzerten mit ausschließlich Instrumentalmusik?
Natürlich könnte man einwenden, dass selbstverständlich große Unterschiede bestehen: Der Mitschnitt des Konzertes besitzt eine möglichst optimale Klangabalance, da ja mehrere Mikrophone oberhalb des Orchesters verteilt sind, so die Klänge möglichst gut eingefangen werden und im Optimalfall richtig abgemischt werden. Wenn man hingegen live einen Platz mit schlechter oder einfach nur unvorteilhafter Akustik hat, hört man vielleicht generell schlechter oder bestimmte Instrumentengruppen (Blechbläser, Schlagzeuger, ...) lauter als die anderen, oder man wird durch die unruhigen Sitznachbarn genervt etc. Das sind natürlich alles Faktoren, die zu einem anderen Hörerlebnis somit zu einer anderen Beurteilung führen.
Aber kann man wirklich live zu einem ganz anderen Urteil als durch einen Mitschnitt kommen? Ich habe Currentzis noch nicht live gehört, aber ich kann mir nicht vorstellen, dass ich nach der ersten Livebegegnung Ende Juni 2019 schlagartig zu einem Currentzis-Fan mutiere. Ich denke, wenn man sich auf den Aufnahmen durch gewisse Faktoren gestört fühlt, werden sich diese bei der Livebegegnung kaum in Luft auflösen. Daher denke ich nicht, dass die Live-Begegnung bestimmte Kritikpunkte bestimmt ausräumen wird. (Aber ich lasse mich überraschen!)
Einen unbestreitbaren Vorteil / Nachteil haben Aufnahmen aber: Man kann sich ganz gezielt dieselbe Nummer 20mal anhören, um auch wirklich alle Feinheiten mitzubekommen. Das mache ich aber nie, weil ich Musik nicht "sezieren" möchte, das macht mir keinen Spaß mehr und ist wohl auch nicht im Sinne der Musik; gerade diese Unwiederholbarkeit macht ja für mich einen Reiz aus! Allerdings ist es mir einmal passiert, dass mir ein Sänger (es war der Wassermann in der Rusalka) live sehr gut gefallen hatte und ich dann am Radiomitschnitt derselben Vorstellung zwei Stellen entdeckt habe, die mir überhaupt nicht gefallen haben. Das führe ich darauf zurück, dass ich mich am Mitschnitt allein auf die Stimme konzentriert habe, während hingegen live auch noch andere Faktoren dazugekommen sind. Oder ich hatte live genau an diesen zwei Stellen nicht aufgepasst, auch möglich. (der Wassermann ist ja eine lange und wichtige Rolle, da habe ich mich live nicht die ganze Zeit auf seinen Gesang konzentriert).
Inwieweit sich Studioaufnahmen und Live-Mitschnitte unterscheiden, kann ich aber fast gar nicht beurteilen. Ich höre Musik am liebsten live (was in Wien glücklicherweise um wenig Geld möglich ist), und wenn ich Aufnahmen höre, bevorzuge ich Live-Mitschnitte. Studioproduktionen haben für mich immer den Hauch etwas Künstlichen, etwas Zusammengeflickten, etwas, das einfach nicht "natürlich" ist. Aber vielleicht ist das nur eine Art Spinnerei von mir.
Worum es ganz konkret in diesem Thread gehen soll, weiß ich selbst noch nicht. Wie seid Ihr zu dem Thema eingestellt? Findet Ihr, dass man nicht nur von Sängern, sondern auch von Instrumentalmusik live einen ganz anderen Eindruck haben kann als auf einer Konserve? Was möchtet Ihr dazu festhalten?