Robert Schumann: Konzert für Violoncello und Orchester a-moll, op. 129

  • So sympathisch mir die Suche nach der einen, für mich richtigen Aufnahme auch ist, so verfehlt halte ich sie andererseits dann doch.

    Das Cellokonzert von Schumann ist eines der zentralen Werke der Gattung und wurde von jedem Großen der Cellosolisten eingespielt. Vom schon sehr alten Casals gibt es eine für Liebhaber durchaus eindrucksvolle schroff-dramatische Aufnahme. Piatigorsky, Starker, Gendron, Tortelier etc.: Allen kann man mit Gewinn zuhören. Rostropovich ist ein Gigant, auch beim Cellokonzert und ich halte seine Aufnahme mit Bernsteinfür großartig. Sie ist aber auch ein wenig bigger than life und wirkt in ihren Ansatz womöglich nicht mehr für jeden Hörer zeitgemäß. Mir ist das völlig egal. Kunst zum Niederknien. Es veranlasst mich aber, darauf hinzuweisen, dass das Konzert sehr unterschiedlich verstanden bzw. gespielt oder gehört werden kann:

    Der Mensch in der Natur kann ein romantischgeprägter Ansatz sein. Hier befindet der Mensch sich einerseits in der schönen Natur, kämpft er aber auch leidenschaftlich gegen Schicksalsgewalten an. Andererseits schreibt Schumann in einem Brief: „Auch dieses Concert ist ein durchaus heiteres Stück.“ Darauf bezugnehmend ist bei Konold (Konzertführer Romantik) zu lesen: „Schumanns Hinweis auf den heiteren Charakter seines Cellokonzerts wird bis heute von den meisten Interpreten durch verschleppte Tempi und sentimentales Rubato ad absurbum geführt, ebenso die formale Anlage nicht verstanden.“

    Die oben erwähnte Aufnahme von Alban Gerhardt ist cellistisch ein Traum. Rein technisch spielt Gerhardt für meine Ohrennahe an der Perfektion, weshalb es für mich unter diesem Aspekt ein Genuss ist, Gerhardt zuzuhören. Nur tue ich mich schwer zu sagen, was Gerhardt ausdrücken will. Ein wirklicher Eindruck stellt sich nicht ein. Kämpferisch ist es nicht, heiter aber auch nicht. Insgesamt gesehen daher ein zwiespältiger Eindruck. Der Vergleich mit Casals ist hochinteressant. Casals geht es nicht mehr um Technik, sondern um Dringlicheres - so höre ich es. Gerhardt hingegen geht dem, was hinter den Noten ist, aus dem Weg. Völlig legitim und auf seine Artbewundernswert. Es kommt eben darauf an, was man sucht.

    Auf ähnlicher Linie übrigens ein Live-Auftritt von Müller-Schott in Hamburg vor vielen Jahren: Technisch bewundernswert, aber kein Wille, aufs Ganze zu gehen. Da stellt sich schon die allgemeine Frage: Weshalb trauen sich Manche heute nicht mehr, romantische Werkeromantisch, d. h. leidenschaftlich zu spielen? Seine Aufnahme gefällt mir übrigens gut.

    Maisky unter Bernstein geht für meine Ohren andererseits zu weit. Extrem romantische, breite Soße. Von Heiterkeit ist nichts zu spüren. Höre ich danach Gerhardt, fühle ich mich wie befreit.

    Von den moderneren Aufnahmen finde ich die von Mörk phänomenal. Für meinen Geschmack trifft er die goldene Mitte und seinen Celloton mochte ich schon immer. Coin/Herreweghe empfehle ich zudem sehr gern. Schließlich habe ich die Aufnahme von Altstaedt in guter Erinnerung. Die habe ich aber nur einmal gehört.

    Sol Gabettas Celloaufnahmen mag ich insgesamt schon, im Vergleich gibt es aber stets welche, die mir mehr liegen. Auch bei Schumann springt der Funke nicht über.

    Die zuletzt verlinkte Aufnahme von Hornung bei Youtube ist von der ersten Liga ein gutes Stück entfernt, meine auch ich. Das Cello klingt merkwürdig gedeckt. Weiß nicht, ob das an der Aufnahmetechnik liegt oder am Cello. Das Orchester spielt ebenfalls nicht ganz vorn mit.

  • mit der Kritik am Klang des Hornung-Mitschnitts aus Turin habt ihr leider sehr recht. Der ist technisch schlicht total vermasselt.

    Hab mir den ersten Satz angehört - mir fehlt hier nur eins und das ist der typisch frei-resonierende Cello Klang, bei dem keine Note dumpf klingt, sondern die Grösse des Instruments eine grosse Klangresonanz produziert.

    Die zuletzt verlinkte Aufnahme von Hornung bei Youtube ist von der ersten Liga ein gutes Stück entfernt, meine auch ich. Das Cello klingt merkwürdig gedeckt. Weiß nicht, ob das an der Aufnahmetechnik liegt oder am Cello. Das Orchester spielt ebenfalls nicht ganz vorn mit.


    Wie man sehen kann, sind nur 4 Mikrofone in Reihe am Bühnenrand aufgestellt, eines davon vor dem Solisten. Keine unübliche Technik, aber zusätzliche Stützmikrofone für Holzbläser, Pauke und besonders die weit entfernt stehenden Kontrabässe (hört die jemand?!) wären dringend angeraten.
    Besonders dicker Hund: Sobald das Orchester etwas lauter wird, ist alles übersteuert. Und das bessert sich auch nicht bis zum Ende.
    Nein, das ist nicht auszuhalten. Anhand dieser gründlich verstümperten Aufnahme etwas über den Klang des Cello(spiel)s aussagen zu wollen, halte ich für nicht sinnvoll.

    <X Khampan

  • Von den moderneren Aufnahmen finde ich die von Mörk phänomenal.

    Welche eigentlich? Meines Wissens gibt es mindestens zwei. Ich besitze eine ältere CD (mit den Kölner unter Hans Vonk), die schon wegen der anderen Programmpunkte (VK mit FP Zimmermann, Manfredouvertüre) höchst empfehlenswert ist:

    Im Zweifelsfall immer Haydn.

  • Bei diesem Thema möchte ich ein Statement auf Capriccio vor einigen Jahren in Erinnerung rufen:

    Gerade das Schumann- Cellokonzert wird ja gerne sozusagen als "Fantasie" über dieses Cellokonzert vergewaltigt, ohne die Tempoangaben und die Dynamik zu beachten.
    [...]
    Ich muß leider sagen, daß wir alle heute im Falle vom Schumann-Konzert hörmäßig versaut sind.
    Und es gibt bis heute keine Aufnahme, welche wirklich völlig genau Schumann folgt.

    ich bin sehr geneigt, mich dem zu 100% anzuschließen, aber das hat nichts zu bedeuten.

    ---
    Es wäre lächerlich anzunehmen, daß das, was alle, die die Sache kennen, daran sehen, von dem Künstler allein nicht gesehen worden wäre.
    (J. Chr. Lobe, Fliegende Blätter für Musik, 1855, Bd. 1, S. 24).


    Wenn du größer wirst, verkehre mehr mit Partituren als mit Virtuosen.
    (Schumann, Musikalische Haus- und Lebensregeln).

  • Vielen Dank, @Knulp, das ist interessant, was Du schreibst.

    Nein, das ist nicht auszuhalten. Anhand dieser gründlich verstümperten Aufnahme etwas über den Klang des Cello(spiel)s aussagen zu wollen, halte ich für nicht sinnvoll.

    Ich kann verstehen, dass diese Aufnahme für Dich als Mann vom Fach unerträglich ist, aber für den uneingeweihten Hörer kann ich sie nicht als unerträglich empfinden. Sie ist durchaus eine, die man in Betracht ziehen kann.

    Ich weiss ausserdem nicht, ob die reduzierte Resonanz des Cello Klangs wirklich nur an der Aufnahmetechnik liegt. Im Vergleich ist diese Tendenz zB auch hier im Brahms zu erkennen (habe nur in den Brahms hineingehört) - sie ist da, aber sehr viel weniger als bei Schumann auf YT :


    Ich finde allerdings diesen Brahms, soweit ich ihn mir angehört habe sehr gelungen. Der Eindruck, dass Hornung bei der Klangerzeugung hart an der Arbeit ist, wird bei mir auch hier erweckt, passt aber sehr gut zu Brahms, finde ich, besser als zu Schumann. Die reduzierte Resonanz scheint also vielleicht ein Merkmal von Hornung zu sein und mir je nach Werk mehr oder weniger zu gefallen.

  • Welche eigentlich? Meines Wissens gibt es mindestens zwei. Ich besitze eine ältere CD (mit den Kölner unter Hans Vonk), die schon wegen der anderen Programmpunkte (VK mit FP Zimmermann, Manfredouvertüre) höchst empfehlenswert ist:


    Diese hatte ich oben auch schon empfohlen.....gefällt mir auch am besten .

  • Wenn man sie noch findet, gab es die Mork/Zimmermann-CD in einem Set mit den Sinfonien unter Sawallisch, unschlagbar günstig und beinahe durchweg Top-Aufnahmen.

    -> <-

    Ketzerischerweise stehen mir beide Streicherkonzerte Schumanns nicht nahe, aber Gerhardt ist allein wg. der teils selten (ein)gespielten Kopplungen empfehlenswert.

    Tout le malheur des hommes vient d'une seule chose, qui est de ne pas savoir demeurer en repos dans une chambre.
    (B. Pascal)

  • Wenn man sie noch findet, gab es die Mork/Zimmermann-CD in einem Set mit den Sinfonien unter Sawallisch, unschlagbar günstig und beinahe durchweg Top-Aufnahmen.

    -> <-

    Bei Deinem Link wird merkwürdigerweise, sobald man auf die Marketplace-Angebote klickt, statt des Orchestermusik-Sets das Kammermusik-Set aus derselben Jubiläumsedition angezeigt?

    Hier scheint es die Orchestermusik-Box unter einer anderen ASIN zu geben:

    Außerdem noch enthalten in dieser netten Box von 2010 sind:
    - Das Klavierkonzert mit Christian Zacharias, das Konzertstück für vier Hörner und die "Manfred"- und "Genoveva"-Ouvertüren, ebenfalls mit dem RSO Köln dirigiert von Hans Vonk.
    - Die Ouvertüren "Die Braut von Messina" und "Hermann und Dorothea" mit dem Philharmonia Orchestra dirigiert von Riccardo Muti.
    - Introduction und Allegro appassionato op.92 mit Daniel Barenboim und dem Philharmonia Orchestra dirigiert von Dietrich Fischer-Dieskau.


  • LG palestrina

    Lieben Dank noch mal für diesen Tipp!

    Werde ich mir nun definitiv anschaffen. Wäre dann (erst) meine dritte Einspielung des Cellokonzerts. Wie gesagt: Maximilian Hornungs Interpretation gefiel mir bislang noch am besten. Gibt es ja aber leider (noch?) nicht als Studioaufnahme.

    Da ich nun aber auch das 2. Cellokonzert von Camille Saint-Saëns entdeckt habe und mir auch davon mal eine Einspielung anschaffen wollte, stieß ich nun wieder auf die o. a. Empfehlung. :thumbup: Ich überlege nun, ob ich mir nur die mp3-Version oder die CD (Hybrid SACD) anschaffen soll. Kenne mich diesbezüglich nicht aus. Da es sich ja aber um eine alte Aufnahme handelt, lohnt es sich womöglich, sich Gedanken darüber zu machen: Was meint ihr? Lohnt sich die SACD? Und kann mir jemand sagen, ob sich das Booklet lohnt? Ist ja in einer mp3-Version nicht immer enthalten. Ich bevorzuge ja seit einiger Zeit eher mp3-Aufnahmen. Auch aus Platzgründen - und weil es generell praktischer ist.

    EDIT:
    Habe nun festgestellt, dass hier ja das 1. Cellokonzert enthalten ist. Ich hatte heute Morgen noch das 2. gehört und genau das wollte ich mir eigentlich anschaffen. Nichtsdestotrotz werde ich mir dieses Album wahrschienlich dennoch anschaffen.

    "Welche Büste soll ich aufs Klavier stellen: Beethoven oder Mozart?" "Beethoven, der war taub!" (Igor Fjodorowitsch Strawinsky)



  • Diese Aufnahme wurde hier noch nicht erwähnt:

    Stephen Isserlis 1996

    Christoph Eschenbach & Deutsche Kammerphilharmonie

    Fantastisch ! Ich mag den Klang bei Streichern selber ein wenig mehr "in der Saite", wie bei Lynn Harrell oder Truls Mork, aber wer es etwas luftiger und dabei extrem resonant mag, der liegt hier richtig. Technisch keine Mängel und musikalisch sehr fein.

  • Rosamunde:

    Danke für den Hinweis!

    Höchste Zeit, sich mal wieder mit diesem wunderbaren Cello-Konzert zu beschäftigen ... <3

    "Welche Büste soll ich aufs Klavier stellen: Beethoven oder Mozart?" "Beethoven, der war taub!" (Igor Fjodorowitsch Strawinsky)



Jetzt mitmachen!

Du hast noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registriere dich kostenlos und nimm an unserer Community teil!