Joseph Haydn: Symphonie F-Dur Hob.I:67 – mehr als ein Fall für das Skurrilitäten-Kabinett?
Heute hörte ich meine drei Aufnahmen der Sinfonie und erfreute mich am Haydn‘schen Witz, da dachte ich, ich könnte mal kurz überfliegen, was bei Capriccio dazu steht. Nichts! Ganz erstaunlich, handelt es sich doch bei der 67. Sinfonie um eine, die wegen ihrer Besonderheiten zu kennen lohnt. Hiermit sei die Lücke beseitigt.
Erfreulicherweise werden die Wikipedia-Einführungen immer besser, so dass ich für das nähere musikalische Geschehen guten Mutes auf diese verweisen kann: https://de.wikipedia.org/wiki/67._Sinfo…e_note-Walter-5
Kurz gesagt: Die Sinfonie beginnt und man wähnt sich sofort im Finale. Was hat der Beethoven später ackern müssen, um endlich sein „astra“ zu erreichen. Haydn macht vor, dass es all der Vorbereitungen nicht bedarf. Es ist Mitternacht! Hurra! Schieß die Raketen ab! Nimm dir 'ne Kiezmische!
Zum zweiten Satz heißt es bei http://www.haydn-sinfonien.de/text/chapter5.2.html: „Im 18. Jahrhundert ganz singulär dürfte der Schluß des langsamen Satzes der Sinfonie 67 sein, wo Haydn mit der Vorschrift „col legno“ von den Streichern die Verwendung der Stange des Bogens fordert und den Satz spukhaft im Pianissimo verklingen läßt.“ Ja, in der Tat. Wenige Sekunden nur dauert der Spuk, aber die haben es in sich. Was geschieht denn jetzt, fragt sich der unvorbereitete Hörer und versteht es nicht.
Der dritte Satz verblüfft vo rallem mit dem Trio. Zwei gedämpfte Violinen diagolisieren. Never ever ist das Wiener Klassik, wenn man es isoliert hört.
Michael Walter (Haydns Sinfonien. Ein musikalischer Werkführer, Seite 64 ff.) resümiert treffend (zitiert nach Wikipedia, dort nähere Nachweise unter Fußnote 5): „Haydn hat – und eben dies macht den geistreichen „Witz“ des Werkes aus – hier mit hoher Kunstfertigkeit eine Anti-Sinfonie geschrieben, die vollständig gegen den Strich gebürstet ist, was aber so kunstvoll geschieht, wie es eben nur Haydn konnte. Und auch nur er konnte es sich leisten, denn die Sinfonie setzt die Kenntnisse der „normalen“ Sinfonien Haydns voraus, so daß jener Hörer, der diese Sinfonien kannte, sich darüber amüsieren durfte, wie sehr Haydn seine eigene sinfonische Artistik ironisieren konnte. Wer die Sinfonie nicht vor dem Hintergrund der Sinfonien Haydns der frühen siebziger Jahre hört, wird sie allerdings für unverständlich und eigenartig halten müssen.“
Gehört habe ich heute die Aufnahmen von Hogwood (1994), Fischer (1995) und Antonini (2017). Alle hörenswert, wobei ich speziell die Darbietung Antoninis sehr geschärft fand. Ich bewundere Profis immer wieder dafür, dass sie ohne den Anschein eines Problems von einer Stimmung in eine andere wechseln können. Bei Antonini hingegen gelingt das meines Erachtens nicht, beinträchtigt die Schärfe die lieblichen Stellen, wobei ich diese Kritik nur sehr leise äußern möchte, weil auch hier das Positive deutlich überwiegt und ich die Aufnahme für sehr hörenswert halten.
Mir geht es aber nicht so sehr um Aufnahmen, sondern um eine Antwort auf die im Titel gestellte Frage:
Handelt es sich nur um eine Sinfonie für Kenner in dem Sinne, dass dieser die Besonderheiten wahrnehmen, studieren und sich über sie amüsieren kann? Oder ist das alles auch hörenswert?
Diese Frage zu stellen, heißt zu gestehen: Ich befürchte, es handelt sich doch in erster Linie um einen musikalischen Scherz. Ein, zwei Mal bringt das Spaß, beim dritten Mal führt man die Besonderheiten einem Freund vor (oder spricht im Forum darüber), dann ist es vorbei damit, weil das Übrige für sich nicht zu gewinnen vermag, hat es sich ausgelacht und nichts bleibt, außer die Lagerung der tönernen Konserven im Skurrilitäten-Kabinett. Oder?