Ein schwuler Opernführer: Casta Diva

  • Ein schwuler Opernführer: Casta Diva

    Im Herbst soll im Berliner Querverlag der weltweit erste schwule Opernführer erscheinen: Casta Diva, mit Beiträgen von mehr als 30 Autoren (Journalisten, Wissenschaftler, Regieassistenten, andere ...)

    Es ist nicht lange her - es war im Januar - da gab´s in diesem Forum eine Debatte über Oper und Homosexualität, die durch einen homophoben Artikel auf katholisches.info ausgelöst wurde.

    Wesentlich interessantere Beiträge zum Thema darf man in diesem Buch erwarten. Damit es eine angemessene Ausstattung erhält, ist vor einer Woche eine Crowdfunding-Aktion bei startnext ins Leben gerufen worden.

    https://www.startnext.com/casta-diva?fbc…oogcyz-G3VbYtdE

    Dort gibt es auch ein paar Informationen dazu.

    Bin mal gespannt auf die Resonanz.

  • Bin mal gespannt auf die Resonanz.

    Du wird der übliche Unsinn herauskommen. Man findet genau das, was man finden will. Eben waren bei Wagner die meisten Figuren antisemitisch angelegt. Jetzt sind sie halt schwul. Alberich, Mime, Parsifal und Fafner sind eh klar. Beckmesser auch. Klingsor natürlich. Und so weiter.


    Thomas

  • bei d r e i ß i g AutorInnen wird schon büschen was lesenswertes bei sein ;)

    Das TV gibt mehr 'Unterhaltung' aus, als es hat - in der bürgerl. Gesetzgebung nennt man das 'betrügerischen Bankrott' Werner Schneyder Es ging aus heiterem Himmel um Irgendwas. Ich passte da nicht rein. Die anderen aber auch nicht. FiDi über die Teilnahme an seiner ersten (und letzten) Talkshow

  • Ja warum denn nicht, kann ja interessant werden und ich lerne gerne etwas dazu. :clap: :jaja1:

    Liebe Grüße von Eurem Streiferl / Peter aus Wien. :wink:

  • Ich könnte mir auch vorstellen, dass dieser Führer einiges Lesenswertes bietet, vor allem dann, wenn das Thema mit einem gewissen Augenzwinkern also nicht allzu bierernst abgehandelt wird. Das Promotionvideo deutet ja auch in diese Richtung.

    Zum Thema eine kleine Anekdote.
    Während meiner Zeit als junger Wissenschaftler in New York war ich auch begeisterter Operngänger und fast jede Woche in der Met. Mit einem Kollegen aus dem Nachbarlabor bin ich dann darüber ins Gespräch gekommen und wir stellten unsere gemeinsame Passion für das Thema Oper fest. Wir sind abends auch mal ein Bier trinken gegangen, wo der Kollege dann gewisse Annäherungsversuche machte. Ich musste ihm dann erklären, dass ich 100% straight bin und total aufs andere Geschlecht fixiert. Er konnte das anfangs gar nicht fassen, da er davon ausging, dass jemand, der die Oper so intensiv liebt, unbedingt gay sein müsse. Es hat sich dann eine gute Freundschaft mit vielen gemeinsamen Opernbesuchen daraus entwickelt.

    Toleranz ist der Verdacht, der andere könnte Recht haben.

  • Ich könnte mir auch vorstellen, dass dieser Führer einiges Lesenswertes bietet, vor allem dann, wenn das Thema mit einem gewissen Augenzwinkern also nicht allzu bierernst abgehandelt wird. Das Promotionvideo deutet ja auch in diese Richtung.

    Zum Thema eine kleine Anekdote.

    Stimmt, das Video ist witzig gemacht. Mit allzu verbissenenen Beiträgen ist wohl nicht zu rechnen ... ;)

    Die Anekdote aus deiner Zeit in New York ist großartig ... :thumbup: Danke

  • Ich halte das Buch für eine gute Idee. Homosexualität ist ja noch immer in gewissen Kreisen ein Tabuthema, da kann es doch gar nicht schaden, mal die Opernliteratur in dieser Hinsicht unter die Lupe zu nehmen. Vor allem in Anbetracht dessen, dass ich der Meinung bin, dass der Prozentsatz der homosexuellen Menschen im Publikum der klassischen Musik deutlich höher ist als der Durschnittsprozentsatz, wenn man dafür 10% annimmt. (jedenfalls ist es in Wien so, oder zumindest in meiner Umgebung)

    Insofern bin ich mit Thomas:

    Man findet genau das, was man finden will.

    nicht einer Meinung, denn dieser Kritikpunkt trifft - leider - auf so gut wie jede Studie zu. Das ist für mich kein Grund, die Idee eines noch gar nicht erschienenen Buches negativ zu betrachten. Man kann dieses Buch sicher sehr kompetent und lesenswert schreiben oder eben nicht. Mal schauen, was da herauskommt.

    Dass in der Opernliteratur zahlreiche homosexuell gedachte Figuren auftreten, ist für mich sehr klar, siehe Hagen, Hunding (?), Mime, Alberich, Claggart, Peter Grimes, Balstrode, Aschenbach, ... (und sicherlich auch bei anderen Komponisten als Wagner und Britten - mir sind diese Beispiele jetzt spontan eingefallen). Jochanaan ist für mich nicht ganz klar. Man könnte ja auch untersuchen, ob die Freundschaft zwischen Eugen Onegin und Lenski eigentlich eine sexuelle Beziehung ist, aber das denke ich nicht. Auch im Kunstlied gibt es ja Homosexualität (siehe Schubert: Jägers Liebeslied). Also spricht mE gar nichts dagegen, mal die Opern unter diesem Aspekt zu untersuchen. Ich bin neugierig auf das Ergebnis und werde mir das Buch vielleicht auch kaufen!

    "Missbrauch in der Oper" wäre auch mal ein Thema (falls noch nicht irgendwo abgehandelt, keine Ahnung), da könnte man gleich mit Elektra, Rigoletto und Peter Grimes anfangen.

    Wegen der im Mai 2023 in Kraft getretenen Forenregeln beteilige ich mich in diesem Forum nicht mehr (sondern schreibe unter demselben Pseudonym in einem anderen Forum), bin aber hier per PN weiterhin erreichbar.

  • Also ich sehe hier leider eher die Verfestigung von Klischees.
    Wenn ein männlicher Opernliebhaber "eigentlich unbedingt gay" sein muss, ein Fußballer unbedingt straight (und bei der Fußballerin wieder andersrum), wenn es extra Opern/Museums/Stadtführer usw. für Frauen, Homosexuelle, über 60 oder unter 20jährige gibt, ist doch die Botschaft gerade nicht, dass solche Merkmale so egal wie die Augenfarbe oder die Lieblingsfarbe sein sollten.
    Wenn man Freundschaften nicht mehr ohne sexuellen Unterton denken kann und alle historischen oder literarischen "Paare" (bei Hagen, Hunding und Mime verstehe ich es zwar überhaupt nicht, aber Carlos - Posa wäre eine Bsp.) entsprechend interpretiert, ist das keine Befreiung, sondern eine Verarmung der Möglichkeiten und Einschränkung des Horizonts usw.

    Tout le malheur des hommes vient d'une seule chose, qui est de ne pas savoir demeurer en repos dans une chambre.
    (B. Pascal)

  • Das versteh ich jetzt wiederum überhaupt nicht, wieso soll das zu einer Verfestigung eines Klischees führen? Ja, es ist bekannt, dass alleinstehende Opernfans oft homosexuell sind, das heißt aber noch lange nicht, dass das auf alle zutrifft. Und anstatt die Sache zuzudecken mit "Wenn wir drüber reden, führt das zu einer Verfestigung von Klischees etc etc", sollte man offensiv werden und sagen "Ja, unter den Opernfans gibt es vergleichsweise viele Homosexuelle - völlig wurscht, ob das positiv oder negativ ist -, und deshalb schauen wir uns jetzt an, inwiefern sich Homosexualität in Opern niederschlägt.". Tabuthemen werden nicht weniger tabu, wenn man sie weiterhin tabuisiert. Und naja, selbstverständlich ist die Sexualität ein anderes Merkmal als die Augen- oder die Lieblingsfarbe, einfach deswegen, weil sie bei der Partnerwahl eine sehr wichtige Rolle spielt.
    Wer sagt denn, dass alle Freundespaare homosexuell interpretiert werden? Falls Du damit meinen vorigen Beitrag meinst, hast Du mich missverstanden.

    Wegen der im Mai 2023 in Kraft getretenen Forenregeln beteilige ich mich in diesem Forum nicht mehr (sondern schreibe unter demselben Pseudonym in einem anderen Forum), bin aber hier per PN weiterhin erreichbar.

  • Ja, es ist bekannt, dass alleinstehende Opernfans oft homosexuell sind, das heißt aber noch lange nicht, dass das auf alle zutrifft.

    Ist das denn wirklich so? Mir ist das so noch nie aufgefallen und ich gehe auch seit Jahren wirklich oft in die Oper. Meistens sehe ich den Mitmenschen auch so gar nicht an, ob sie (a) alleinstehend sind und (b) auf welches Geschlecht sie abfahren. Vielleicht besteht hier Forschungsbedarf, um diese These irgendwie wissenschaftlich dingfest zu machen? 8o

    Ansonsten sehe ich das eher so wie Kater Murr in Beitrag #8.

  • Wen zitierst du da? Hat hier niemand behauptet ;)

    Hier nicht. Ich zitierte den New Yorker Kollegen aus der Anekdote von Wieland.

    Bzgl. der Freundespaare ist das hier OT, aber es gibt praktisch keine Literatur der letzten 3000 Jahre, die nicht auf "gay subtext" untersucht worden ist (und wie schon andeutet wurde, wer suchet, der findet, ebenso wie vor 70 oder 90 Jahren überall freudianische Versatzstücke als Subtext zu Tage traten), und ja, das führt, besonders in den Vulgärvarianten der Magazine oder des Internets, mitunter dazu, dass platonische Freundschaften unter den Generalverdacht gestellt werden, dass es sich hier fast immer um in Rezeption und Tradition puritanisch "gereinigte" homosexuelle Beziehungen handeln müsste. Als Gag oder Gedankenspiel vielleicht ganz nett, aber ebenso unseriös wie der umgekehrte Fall der verklemmten (Um)deutung von höchstwahrscheinlich homosexuellen Beziehungen in "Männerfreundschaften".

    Tout le malheur des hommes vient d'une seule chose, qui est de ne pas savoir demeurer en repos dans une chambre.
    (B. Pascal)

  • es gibt praktisch keine Literatur der letzten 3000 Jahre, die nicht auf "gay subtext" untersucht worden ist (und wie schon andeutet wurde, wer suchet, der findet, ebenso wie vor 70 oder 90 Jahren überall freudianische Versatzstücke als Subtext zu Tage traten)

    Dass seit einiger Zeit überall freudianische Subtexte gesucht und gefunden werden und Begriffe wie Verdrängung oder Projektion heute zum Allgemeinwissen zählen, ist aus meiner Sicht ein gesellschaftlicher Fortschritt.

    Seit über 400 Jahren steht bei der Oper das Begehren zwischen Frau und Mann im Mittelpunkt. Erst seit relativ kurzer Zeit taucht gleichgeschlechtliches Begehren unverblümt auch in zeitgenössischen Opern auf. Da kann man sich natürlich fragen: Hm, das gab´s doch aber auch schon früher. Kann es nicht sein, dass es - nicht zuletzt aus Gründen der Zensur - auch in der Musikgeschichte in verschlüsselter Form schon immer existiert hat?

    Ich fand die Anekdote von Wieland vor allem deswegen so großartig, weil es tatsächlich nur wenige heterosexuelle Männer gibt, die so souverän damit umgehen können, wenn sie von einem anderen Mann begehrt werden. Und wenn sich daraus dann noch eine langjährige Freundschaft entwickelt - klasse.

  • Jetzt sind sie halt schwul. Alberich, Mime, Parsifal und Fafner sind eh klar. Beckmesser auch. Klingsor natürlich. Und so weiter.

    Soll damit etwa angedeutet werden , die Rheintöchter ....allerdings , bei längerem Überlegen - Wellgunde und Woglinde vielleicht , aber Floßhilde bestimmt nicht . Oder ?

    Good taste is timeless "Ach, ewig währt so lang " "But I am good. What the hell has gone wrong?" A thing of beauty is a joy forever.

  • Dass die Vulgärvarianten einer hundert Jahre alten Pseudo- oder gutmütiger formuliert Protowissenschaft (der Freudschen Psychoanalyse) heute zu Binsenweisheiten geronnen sind, halte ich für bestenfalls ambivalent. Ebenso deren Anwendung auf alle möglichen Kulturerzeugnisse (ich frage mich, welchen Erkenntnisgewinn man sich von einer Anwendung der Phrenologie des 19. Jhds. auf griechische Statuen oder der antiken Säftelehre auf moderne Kochkunst versprechen würde...). Aber das ist hier nun wirklich nicht das Thema. Viel Erfolg mit dem Buchprojekt!

    Tout le malheur des hommes vient d'une seule chose, qui est de ne pas savoir demeurer en repos dans une chambre.
    (B. Pascal)

  • Bzgl. der Freundespaare ist das hier OT, aber es gibt praktisch keine Literatur der letzten 3000 Jahre, die nicht auf "gay subtext" untersucht worden ist


    Das ist genau so, wie wenn kleine Kinder neue Wörter lernen. Sie verwenden sie in allen passenden und unpassenden Zusammenhängen, bis sie ein Gespür dafür haben, wann und wie die Wörter zu verwenden sind.

    Die Suche nach "gay subtext" ist vielleicht einfach dasselbe Verhaltensmuster. Ganz menschlich, fast schon liebenswert.

    Ich könnte mir auch vorstellen, dass dieser Führer einiges Lesenswertes bietet, vor allem dann, wenn das Thema mit einem gewissen Augenzwinkern also nicht allzu bierernst abgehandelt wird.


    Diese Heransgehensweise gefällt mir spontan sehr gut!

    Gruß
    MB

    :wink:

    "Den Geschmack kann man nicht am Mittelgut bilden, sondern nur am Allervorzüglichsten." - Johann Wolfgang von Goethe

  • Ich finde mich spontan von dem Video nicht angesprochen. Es steckt voller Klischees und Verallgemeinerungen:

    "Schwule Männer haben eine besondere Beziehung zur Oper."

    Ich kenne, spontan geschätzt, 80 schwule Männer so gut, dass ich mir ein Urteil darüber erlauben könnte, welchen Zerstreuungen sie regelmäßig nachzugehen pflegen. Davon sind, mich eingeschlossen, exakt drei opernaffin und, über die Hand gezählt, ein halbes Dutzend weitere opportunitätenorientierte Opernkunden. Es mag sein, dass das überdurchschnittlich viel ist. Aber es reicht nicht, um zu sagen, dass "der Schwule" eine besondere Beziehung zur Oper habe.

    Alles, was hier (und anderswo) darüber zu lesen ist, ist m.E. wohlmeinendes Klischee: Die Schwulen sind ja so kulturinteressiert und kultiviert und haben überhaupt viel Geschmack und Interesse an schönen Dingen. Am Ende ist das ein kolonialistischer Blick: der sichtbare schwule Operngänger ist genauso Sympathieträger wie die elegant sich im Wasser bewegenden Pinguine im Glaswandbecken des örtlichen Zoologischen Gartens.

    Ja, es gibt einen bestimmten Typus von klassikaffinen Schwulen, und von denen sind auch meiner Erfahrung nach überdurchschnittlich viele eher beim Musiktheater als beim Konzert zu Hause. Und wir alle kennen sicherlich vom Sehen den Typus "Operntunte", der ja auch aus dem Video, das soprano verlinkt hat, in dreifacher Ausführung zu uns spricht. Aber das sind nicht die Schwulen. Sondern es sind die Schwulen, die gerne in die Oper gehen.

    Trotzdem könnte das Büchlein, so es denn entstehen sollte (wenn ich es richtig sehe, handelt es sich noch um ein Fundraising-Projekt), unterhaltsam sein. Aber ich fürchte: eher nicht aufklärerisch. Weil es da nichts aufzuklären gibt: Es gibt nichts spezifisch schwules an der Oper.

    ...auf Pfaden, die kein Sünder findet...

  • Barry Kosky sagt sinngemäß in dem Vorwort, von dem jetzt Auszüge auf der Website veröffentlicht wurden, dass die Oper per se queer sei, sich aber freilich nicht ausschließlich an Schwule oder Lesben richte, sondern an alle, die ein Faible für die „wunderbare Welt der Anomalien“ haben. Insofern steckt da ein aufklärerischer wie auch unterhaltsamer Anspruch dahinter.

    https://www.startnext.com/casta-diva/blo…NdZGYhYNsU#pnav

  • Fragt sich, ob nicht überhaupt der Mensch "queer" wäre, würden nicht zahllose gesellschaftliche Normen auf ihm lasten.

    puh, seit neuestem gehts ja, aber Jahrhundertausende lang war die Bestandserhaltung der Menschheit wohl unqueerer sexuellen Orientierung anvertraut ...

    ---
    Es wäre lächerlich anzunehmen, daß das, was alle, die die Sache kennen, daran sehen, von dem Künstler allein nicht gesehen worden wäre.
    (J. Chr. Lobe, Fliegende Blätter für Musik, 1855, Bd. 1, S. 24).


    Wenn du größer wirst, verkehre mehr mit Partituren als mit Virtuosen.
    (Schumann, Musikalische Haus- und Lebensregeln).

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