Leni Riefenstahl und der Rausch der Macht


  • Menno, Claude Lanzmanns Shoa ist so wenig Kunst wie Krystyna Zywulskas "Tanz, Mädchen- Vom Warschauer Getto nach Auschwitz" oder Wiesław Kielars "Anus Mundi"......
    Zwar nervt mich etwas, dass Lanzmann Shoa ausgerechnet mit Riefenstahls mieser Nazi-Propaganda, ob ihrer vermeintlichen „ästhetischen“ Qualitäten, in einem Atemzug genannt werden, aber „für mich“ find ich in diesem Fall wiederum okay...

    Dafür hast Du das "für mich" vergessen, wenn Du behauptest, dass Dokumentationsfilme keine Kunst seien. Für Vertov scheint es mir keine Diskussion zu sein, dass seine propagandistischen Dokus Kunst sind, die dokumentarischen Arbeiten von Riefenstahl und Lanzmann sind es für mich aber auch, und in ihrer entgegengesetzten Anlage zeigen sie auch die Entwicklung der Kunst im Laufe des Jahrhunderts schön auf, insbesondere mit welchen Mitteln man Wirkung erzeugen will, wo Hemmungen auftreten, wie das Konzeptuelle in den Vordergrund tritt und so. Dass es quasi um das gleiche Thema geht und die beiden mit allen Mitteln in entgegengesetzte Richtungen Effekt erzielen wollen, macht die Gegenüberstellung besonders reizvoll.

    This play can only function if performed strictly as written and in accordance with its stage instructions, nothing added and nothing removed. (Samuel Beckett)
    playing in good Taste doth not confit of frequent Passages, but in expressing with Strength and Delicacy the Intention of the Composer (F. Geminiani)

  • Dafür hast Du das "für mich" vergessen, wenn Du behauptest, dass Dokumentationsfilme keine Kunst seien.

    Nix wurde vergessen.
    Im Gegentum.
    Wurde auch begründet, dass das nicht als bloße Behauptung bzw. Vorstellung rüberkommt, aber diese Chose muss jetzt nicht nochmal durchgekaut werden.

    Für Vertov scheint es mir keine Diskussion zu sein, dass seine propagandistischen Dokus Kunst sind

    Nur weil Filmemacher das behauptet bzw. für ihn es keine Diskussion ist, muss es nicht richtig sein.
    Ich könnte auch jeden Scheiß, also z.B. schwachsinnnig-alltäglichen Werbemüll, als Kunst deklarieren, ohne dass es der Fall ist.

    die dokumentarischen Arbeiten von Riefenstahl

    die propagandistischen Arbeiten Riefenstahls.

    „Ein Komponist, der weiß, was er will, will doch nur was er weiß...“ Helmut Lachenmann

  • Ich kann jeden Scheiß, also z.B. schwachsinnnig-alltäglichen Werbemüll, als Kunst deklarieren, ohne dass es der Fall ist.

    Ich sehe das genau anders herum: Wenn jemand das Ergebnis eines schöpferischen Prozesses (z.B. das Erfinden eines Werbeslogans) "Kunst" nennt, dann kann man nicht beweisen, dass es keine Kunst ist. Man kann es mit allerlei Adjektiven versehen, gut, schlecht, komplex, simpel, einfältig, banal, witzig, originell, langweilig usw., und das ist schon schwer genug, wenn es begründet sein soll. Ich verstehe auch nicht, was an der Frage "Kunst oder keine Kunst" so wichtig sein sollte, dass sie die häufige Empörung auf allen Seiten rechtfertigt.

  • Ich sehe das genau anders herum:

    ist ja okay

    Wenn jemand das Ergebnis eines schöpferischen Prozesses (z.B. das Erfinden eines Werbeslogans) "Kunst" nennt,

    Schöpferrischer Prozess reicht nicht aus. Ist zu abstrakt. Alles mögliche fällt unter "schöpferischen Prozess"

    dann kann man nicht beweisen, dass es keine Kunst ist

    Es kann sehr wohl unterschieden werden.
    Zur Abwehr von Scud-Raketen ein entsprechendes Schutzsystem/Schutzschirm zu entwickeln, erfordert "schöpferischen Prozess" in Technik.
    Eine Firma abwickeln oder Preiskalkulation erfordern auch "schöpferischen Prozess"..
    Keiner käme ernsthaft auch die Idee, sowas als Kunst zu bestimmen.

    Ich verstehe auch nicht, was an der Frage "Kunst oder keine Kunst" so wichtig sein sollte, dass sie die häufige Empörung auf allen Seiten rechtfertigt.

    Wo gibt es in diesem Thread Empörung ?(

    „Ein Komponist, der weiß, was er will, will doch nur was er weiß...“ Helmut Lachenmann

  • Nur weil Filmemacher das behauptet bzw. für ihn es keine Diskussion ist, muss es nicht richtig sein.

    Ich meinte, dass es meiner Ansicht nach bezüglich Vertov keine Diskussion geben dürfte. Ob Vertov selbst bezüglich seiner Filme die Frage, ob sie Kunst seien, behandelt hat, weiß ich jetzt nicht. Entscheidender ist aber wohl die Rezeption, und eher die heutige als die damalige. Schließlich wurde Film generell lange kaum als Kunst ernstgenommen, Fritz Langs Filme waren auch nur Unterhaltung, an der man als Kritiker beweisen konnte, dass man einen guten Geschmack hat, weil man diesen Mist nicht goutiert. Metropolis wurde erst in der Postmoderne zum Klassiker, und steht jetzt neben den Riefenstahl-Klassikern als bedeutender Film - der Begriff "Kunst" ist dann vielleicht gar nicht so wichtig.

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  • Ich meinte, dass es meiner Ansicht nach bezüglich Vertov keine Diskussion geben dürfte. Ob Vertov selbst bezüglich seiner Filme die Frage, ob sie Kunst seien, behandelt hat, weiß ich jetzt nicht. Entscheidender ist aber wohl die Rezeption, und eher die heutige als die damalige. Schließlich wurde Film generell lange kaum als Kunst ernstgenommen, Fritz Langs Filme waren auch nur Unterhaltung, an der man als Kritiker beweisen konnte, dass man einen guten Geschmack hat, weil man diesen Mist nicht goutiert.

    Ich hab kaum Schimmer von Filmtheorie. => Ich mach mir diese Erläuterung deshalb einfach so zu eigen.

    Metropolis wurde erst in der Postmoderne zum Klassiker, und steht jetzt neben den Riefenstahl-Klassikern als bedeutender Film - der Begriff "Kunst" ist dann vielleicht gar nicht so wichtig.

    Durch Kunstbegriff kommen Unterschiede zwischen Metropolis bzw. Die Nibelungen einerseits und Riefenstahl andererseits deutlich rüber. Und das muss sich dabei nicht auf das Fiktionale der Lang-Filme versteifen.
    Nebenbei. Zur Rekonstruktion von Langs Nibelungen wärs mir in Nachhinein geil gewesen, dass ein Notenquäler vom Format Johannes Kalitzkes (am besten er selber !) die Filmmucke dazu neu verzapft hätte.
    https://www.youtube.com/watch?v=RuW90loQhKk
    https://www.youtube.com/watch?v=Apcp0RZDYnQ

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  • Nebenbei. Zur Rekonstruktion von Langs Nibelungen wärs mir in Nachhinein geil gewesen, dass ein Notenquäler vom Format Johannes Kalitzkes (am besten er selber !) die Filmmucke dazu neu verzapft hätte.

    Sowas kann ich nicht ausstehen - zudem gibt es zu den Nibelungen doch die originale Filmmusik von Huppertz, ein Glücksfall!

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  • Ich verstehe auch nicht, was an der Frage "Kunst oder keine Kunst" so wichtig sein sollte, dass sie die häufige Empörung auf allen Seiten rechtfertigt.

    habe hier etwas nachgehakt.

    (wollte keinen Superfaden "Was ist Kunst" eröffnen, in verlinkten war dort aber viel die Rede davon).

    ---
    Es wäre lächerlich anzunehmen, daß das, was alle, die die Sache kennen, daran sehen, von dem Künstler allein nicht gesehen worden wäre.
    (J. Chr. Lobe, Fliegende Blätter für Musik, 1855, Bd. 1, S. 24).


    Wenn du größer wirst, verkehre mehr mit Partituren als mit Virtuosen.
    (Schumann, Musikalische Haus- und Lebensregeln).

  • Sowas kann ich nicht ausstehen - zudem gibt es zu den Nibelungen doch die originale Filmmusik von Huppertz, ein Glücksfall!

    Huppertz Filmmucke glitt mir dabei völlig ab. Sie nervte mich sogar. => Ton ausgestellt und versucht eigene Mucke dabei zu imaginieren.. Schade, das es damals noch nicht Kalitzkes Filmmucke zu "Schatten" gab.

    „Ein Komponist, der weiß, was er will, will doch nur was er weiß...“ Helmut Lachenmann

  • Schließlich wurde Film generell lange kaum als Kunst ernstgenommen, Fritz Langs Filme waren auch nur Unterhaltung, an der man als Kritiker beweisen konnte, dass man einen guten Geschmack hat, weil man diesen Mist nicht goutiert.

    Steile These. Allein in Deutschland gab es eine Reihe von ernstzunehmenden Kritikern (z.B. Kracauer, Eisner), die sich schon in 20iger Jahren mit Film nicht nur als Unterhaltungsware beschäftigt haben. Und wer von diesen Kritikern hat in Zusammenhang mit Lang, Murnau, Papst, Lubitsch etc. von 'Mist' gesprochen?

    Metropolis wurde erst in der Postmoderne zum Klassiker, und steht jetzt neben den Riefenstahl-Klassikern als bedeutender Film - der Begriff "Kunst" ist dann vielleicht gar nicht so wichtig.

    Lang nur auf Metropolis zu reduzieren, wird ihm nicht gerecht und wird nicht dem (Stumm-) Film als solchen gerecht. Das hat man schon damals differenzierter gesehen.

    :wink: Wolfram

    "Wieder versuchen. Wieder scheitern. Besser scheitern." (Samuel Beckett)

    "Rage, rage against the dying of the light" (Dylan Thomas)

  • Nebenbei. Zur Rekonstruktion von Langs Nibelungen wärs mir in Nachhinein geil gewesen, dass ein Notenquäler vom Format Johannes Kalitzkes (am besten er selber !) die Filmmucke dazu neu verzapft hätte.

    zudem gibt es zu den Nibelungen doch die originale Filmmusik von Huppertz, ein Glücksfall!

    Da muss ich euch beiden recht geben. Es ist ein Glücksfall, dass die Originalmusik überlebt hat, was relativ selten für die damalige Zeit ist. Denn nur dadurch rundet sich, ob man sie ertragen kann oder nicht, das Werk im Sinne des Autoren, sprich Regisseurs.

    Andererseits wäre Kalitzke wirklich spannend und könnte dem Werk noch einen ganz anderen Drive geben.

    :wink: Wolfram

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