Leni Riefenstahl und der Rausch der Macht
Leni Riefenstahl *1902 in Berlin - +2003 in Pöcking
Soweit die äußeren Lebensdaten. Einfach und eindeutig. Das war's dann aber vielleicht auch schon. Für viele gilt die Riefenstahl als eine der genialsten und innovativsten Filmemacherinnen des letzten Jahrhunderts (dem würde ich mich absolut anschließen), für andere als Apologetin des Nazi-Regimes (dem würde ich mich in Teilen auch anschließen).
Begonnen hat sie ihre Karriere als Tänzerin, wurde dann in den sogenannten Bergfilmen von Arnold Fanck als Schauspielerin berühmt und konnte 1932 ihren ersten Film als Regisseurin, Autorin (Entwurf), Produzentin, Cutterin und Hauptdarstellerin 'Das blaue Licht' vorlegen, was damals in einem Männerdominierten Bereich schon eine ganze Menge war.
Kurz danach kam sie in Berührung mit den Nationalsozialisten, v.a. mit Hitler selber, der ihr dann 1933 den Auftrag zur Dokumentation des Nürnberger Parteitages gibt. Unzufrieden mit dem Ergebnis dreht sie dann ein Jahr später ihren berühmt-berüchtigten 'Triumph des Willens' um den Parteitag 1934 festzuhalten. 1935 folgt ein relativ kurzer Film über die Wehrmacht in Nürnberg, dann der zweiteilige Olympia-Film von 1936 und der zwischen 1940 und 1944 begonnene, erst 1954 fertiggestellte Spielfilm 'Tiefland'. Ein Film über den Polenfeldzug 1939 scheitert, Kurzfilme über Thorak und Breker werden kaum erwähnt und eigentlich erst 2002, im Jahr ihres 100sten Geburtstages kann sie wieder einen Film vollenden, 'Impressionen unter Wasser', ein Dokumentarfilm, den sie aus vorhandenem Material zusammenschneidet.
Nach 1945 war sie als eine der Nazi-Propagandistinnen verfemt, musste sich in ca. 50 Prozessen immer wieder verteidigen, verlegte sich auf die Fotografie und in hohem Alter auf Unterwassererforschungen.
Wohl ab den 80iger Jahren fand verstärkt eine Rehabilitierung statt, die v.a. von Amerika und auch der Pop-Kultur ausging. (Jagger, Coppola, Madonna, Fassbinder, Lucas, Michael Jackson etc.)
Soweit weitere Lebenstationen.
Was die Beschäftigung mit ihr so unendlich erschwert, ist der absolute Mangel an irgendeiner kritischen Selbstreflexion ihrerseits. Bis zu ihrem Lebensende verfocht sie die These, dass sie eigentlich nur Kunst gemacht hätte und darüber hinaus mehr oder weniger gezwungen wurde. Und nach 1934/35 hätte sie sowieso (Versprechen Hitlers) nichts mehr für die Partei drehen müssen. 'Polen', 'Thorak', 'Breker' hat sie dabei bewusst vergessen wie so viele andere Dinge auch.
Andererseits hat sie gerade in ihren Dokumentarfilmen so viele neue 'Sichtweisen' (im wahrsten Sinne des Wortes) aufgegriffen bzw. erfunden, künstlerisch so viele neue Wege beschritten, Kamera/Schnitt und Thema in eine suggestive Einheit gezwungen, Bildern mehr als Worten vertraut, dass sie rein filmtechnisch gesehen, als jemand, die wirklich Film als eigenständige Sprache verstanden hat, zu den bedeutendsten Filmkünstlern des letzten Jahrhunderts gezählt werden muss.
Wäre da nicht die politische Aussage, die sie gerade (aber nicht nur da) mit ihren Reichsparteitagsfilmen propagierte!
Nun kann man über ihre Intentionen, ihren Charakter ziemlich viel spekulieren. Und das muss man auch, v.a., weil sie selber eigentlich immer nur eine sehr geschönte Biographie von sich selber preisgegeben hat. (Vielleicht noch am wenigsten in dem 2002 entstandenen Interview mit Sandra Maischberger.)
Riefenstahl ist für mich ein Musterbeispiel für das Verhältnis von Kunst und Politik und Kunst und Moral. Dabei habe ich natürlich mein eigenes Deutungsmuster für ihren Charakter, für ihre Verstrickung mit dem Dritten Reich, für all die Aussagen nach 1945. Aber ich habe auch die Bewunderung für sie als Filmkünstlerin, für jemanden, die Film wirklich als eine eigene, besondere Sprache verstanden hat.
Sie ist und bleibt für mich eine/einer der Kunstschaffenden, die wie z.B. Wagner oder Eisenstein aus unterschiedlichsten Gründen einer Ideologie, einer Idee verfielen, die menschenverachtend war, die aber als 'reine' Künstler/Künstlerin Grandioses vollbracht haben.
Nun bin ich gespannt auf eure Erwiderungen.
Wolfram