Leni Riefenstahl und der Rausch der Macht

  • Leni Riefenstahl und der Rausch der Macht

    Leni Riefenstahl *1902 in Berlin - +2003 in Pöcking

    Soweit die äußeren Lebensdaten. Einfach und eindeutig. Das war's dann aber vielleicht auch schon. Für viele gilt die Riefenstahl als eine der genialsten und innovativsten Filmemacherinnen des letzten Jahrhunderts (dem würde ich mich absolut anschließen), für andere als Apologetin des Nazi-Regimes (dem würde ich mich in Teilen auch anschließen).

    Begonnen hat sie ihre Karriere als Tänzerin, wurde dann in den sogenannten Bergfilmen von Arnold Fanck als Schauspielerin berühmt und konnte 1932 ihren ersten Film als Regisseurin, Autorin (Entwurf), Produzentin, Cutterin und Hauptdarstellerin 'Das blaue Licht' vorlegen, was damals in einem Männerdominierten Bereich schon eine ganze Menge war.

    Kurz danach kam sie in Berührung mit den Nationalsozialisten, v.a. mit Hitler selber, der ihr dann 1933 den Auftrag zur Dokumentation des Nürnberger Parteitages gibt. Unzufrieden mit dem Ergebnis dreht sie dann ein Jahr später ihren berühmt-berüchtigten 'Triumph des Willens' um den Parteitag 1934 festzuhalten. 1935 folgt ein relativ kurzer Film über die Wehrmacht in Nürnberg, dann der zweiteilige Olympia-Film von 1936 und der zwischen 1940 und 1944 begonnene, erst 1954 fertiggestellte Spielfilm 'Tiefland'. Ein Film über den Polenfeldzug 1939 scheitert, Kurzfilme über Thorak und Breker werden kaum erwähnt und eigentlich erst 2002, im Jahr ihres 100sten Geburtstages kann sie wieder einen Film vollenden, 'Impressionen unter Wasser', ein Dokumentarfilm, den sie aus vorhandenem Material zusammenschneidet.

    Nach 1945 war sie als eine der Nazi-Propagandistinnen verfemt, musste sich in ca. 50 Prozessen immer wieder verteidigen, verlegte sich auf die Fotografie und in hohem Alter auf Unterwassererforschungen.

    Wohl ab den 80iger Jahren fand verstärkt eine Rehabilitierung statt, die v.a. von Amerika und auch der Pop-Kultur ausging. (Jagger, Coppola, Madonna, Fassbinder, Lucas, Michael Jackson etc.)

    Soweit weitere Lebenstationen.

    Was die Beschäftigung mit ihr so unendlich erschwert, ist der absolute Mangel an irgendeiner kritischen Selbstreflexion ihrerseits. Bis zu ihrem Lebensende verfocht sie die These, dass sie eigentlich nur Kunst gemacht hätte und darüber hinaus mehr oder weniger gezwungen wurde. Und nach 1934/35 hätte sie sowieso (Versprechen Hitlers) nichts mehr für die Partei drehen müssen. 'Polen', 'Thorak', 'Breker' hat sie dabei bewusst vergessen wie so viele andere Dinge auch.

    Andererseits hat sie gerade in ihren Dokumentarfilmen so viele neue 'Sichtweisen' (im wahrsten Sinne des Wortes) aufgegriffen bzw. erfunden, künstlerisch so viele neue Wege beschritten, Kamera/Schnitt und Thema in eine suggestive Einheit gezwungen, Bildern mehr als Worten vertraut, dass sie rein filmtechnisch gesehen, als jemand, die wirklich Film als eigenständige Sprache verstanden hat, zu den bedeutendsten Filmkünstlern des letzten Jahrhunderts gezählt werden muss.

    Wäre da nicht die politische Aussage, die sie gerade (aber nicht nur da) mit ihren Reichsparteitagsfilmen propagierte!

    Nun kann man über ihre Intentionen, ihren Charakter ziemlich viel spekulieren. Und das muss man auch, v.a., weil sie selber eigentlich immer nur eine sehr geschönte Biographie von sich selber preisgegeben hat. (Vielleicht noch am wenigsten in dem 2002 entstandenen Interview mit Sandra Maischberger.)

    Riefenstahl ist für mich ein Musterbeispiel für das Verhältnis von Kunst und Politik und Kunst und Moral. Dabei habe ich natürlich mein eigenes Deutungsmuster für ihren Charakter, für ihre Verstrickung mit dem Dritten Reich, für all die Aussagen nach 1945. Aber ich habe auch die Bewunderung für sie als Filmkünstlerin, für jemanden, die Film wirklich als eine eigene, besondere Sprache verstanden hat.

    Sie ist und bleibt für mich eine/einer der Kunstschaffenden, die wie z.B. Wagner oder Eisenstein aus unterschiedlichsten Gründen einer Ideologie, einer Idee verfielen, die menschenverachtend war, die aber als 'reine' Künstler/Künstlerin Grandioses vollbracht haben.

    Nun bin ich gespannt auf eure Erwiderungen.

    :wink: Wolfram

    "Wieder versuchen. Wieder scheitern. Besser scheitern." (Samuel Beckett)

    "Rage, rage against the dying of the light" (Dylan Thomas)

  • Lieber Wolfram,

    Im wesentlichen kann ich Deinen Ausführungen nur zustimmen. Mit einigen von Leni Riefenstahls Schöpfungen haben sich seinerzeit Studenten und ich in Seminaren (zu Film überhaupt und Nazikunst im speziellen) auseinandergesetzt, weil ihr Schaffen natürlich ein ein ebenso charakteristisches wie faszinierendes Problem darstellt. Man muß die Rezepte des Teufels genau kennen, um ihre Gefährlichkeit zu durchschauen und ihre künstlerische Qualität richtig zu beurteilen. Die besondere Schwierigkeit bei Riefenstahl ist zudem, daß Positives und Negatives so untrennbar ineinander verschmolzen ist, daß keine simple Analyse ausreicht. Denken wir daran, daß ihr Olympia-Film auch im Ausland vielfach bestens ankam und das primär nicht aus rein ideologischen Gründen.
    Würdigt man ihre entwicklungsgeschichtliche Position in der filmkünstlerischen Entwicklung des 20.Jahrhunderts, dann ist auch zu berücksichtigen, daß Arnold Fanck als Mentor und Förderer eine weit größere Rolle zukommt als es früher schien.
    Was ihre Persönlichkeitsstruktur betrifft, so steht wohl fest, daß sie ihrem künstlerischen Ehrgeiz alles andere unterordnete, wobei sie sie oft extrem rücksichtslos verfuhr (auch gegen sich selbst: Was sie als Schauspielerin in den Berg- und Schneefilmen aushalten mußte, war schon sagenhaft, aber es hat sie nicht beirrt). Sicher hatte sie auch manche Skrupel, die sie aber stets verdrängte. Ich vermute, daß sie starke (Minderwertigkeits-)Komplexe nährte, die sie überkompensierte (auch ihr quantitativer und hemmungsloser Männerverbrauch deutet auf so etwas hin). Nicht zweifelhaft scheint mir auch, daß sie es verstand, im persönlichen Verkehr zu faszinieren. Bei vielen verging diese Faszination bald, aber bei manchen hielt sie an.
    Man muß sie in weiterem Sinn mit Persönlichkeiten wie Francois Villon oder Caravaggio vergleichen, bei denen wir auch zwischen moralischem Entsetzen und Anerkennung des Genies hin- und hergerissen sind. Natürlich gibt es auch in der Musik etliche Beispiele, wenn auch selten so extreme. Ich denke an die Auseinandersetzungen z.B. über Elly Ney und andere.
    Als Filmschaffende hat sie jedenfalls die Gattung wesentlich geprägt. Manche Sequenzen aus dem "Blauen Licht" oder den Nazifilmen werden Klassiker bleiben. Darüber hinaus ist freilich festzuhalten, wie leicht sich suggestive Bildsprache mißbräuchlich verwenden läßt.

    ______________________

    Homo sum, ergo inscius.

  • Lieber Waldi, ich sehe ihre Persönlichkeitsstruktur ähnlich, würde es vielleicht noch verschärfen.

    Ich denke, dass sie, brennend vor Ehrgeiz, durch die persönliche Protektion von Hitler die Chance sah, ihre künstlerischen Visionen und ihre Experimentierlust, die Bereitschaft ungewohnte Herausforderungen anzunehmen, vollständig erreichen zu können. Und für dieses Ziel war sie wahrlich bereit, alles auszublenden (was wohl so vielen Menschen immer und überall erstaunlich leicht fiel und fällt) und geradezu 'über Leichen zu gehen'. Interessant ist übrigens in diesem Zusammenhang ihre Schilderung eines Gesprächs mit Hitler und Goebbels nach dem Parteitag 1933, als die NSDAP sie wohl nicht genügend unterstützt hatte und der Film ihren Ansprüchen nicht genügte. Sie hatte wohl überhaupt keine Bedenken, die Parteiführung anzuschwärzen (Goebbels scheint dann einiges abbekommen zu haben). Sie muss ihre Macht dabei genossen haben und hat sich ja auch weiterhin darin gesonnt. Moralische Skrupel hatte sie auch wohl überhaupt nicht, was vielleicht erklärt, dass sie eine 'Verurteilung' nach 1945 in keiner Weise nachvollziehen konnte, weil sie es einfach nicht verstand. Was sie aber begriff, war, dass sie einen Schutzschild brauchte und daher bog sie sich ihre eigene Biographie entsprechend zurecht und glaubt mit Sicherheit auch daran.

    Aber wie bei so vielen Künstlern (nicht nur im III. Reich), die moralisch mehr als bedenklich gehandelt haben, bleibt immer deren Kunst. Und da hat sie wahrlich Großartiges geleistet, weil sie in geradezu unglaublicher Weise die Filmsprache im Dokumentarbereich weiterentwickelt hat. Allerdings muss ich gestehen, dass ich, um das würdigen zu können, mich schon sehr auf filmtechnische Aspekte konzentrieren muss. Sobald ich mir überlege, welche Aussage sie damit erreichen wollte bzw. erreicht hat, kann ich selbst einen scheinbar unpolitischen Film wie 'Olympia' nur sehr bedingt 'genießen'.

    :wink: Wolfram

    "Wieder versuchen. Wieder scheitern. Besser scheitern." (Samuel Beckett)

    "Rage, rage against the dying of the light" (Dylan Thomas)

  • Tja, die Macht der Bilder...

    Riefenstahl gehört ohne Frage zu den fähigsten Regisseuren [geschlechtsunabhängig] der Filmgeschichte und zeigt ein Gefühl für Bildkomposition, Montage und Konzeption, die eine Intelligenz und Präzision höchster Perfektion offenbart. Sie müßte zu den ganz Großen zählen, weil ihre Werke ihre Wirkung nicht verfehlen...

    ...aber leider ist genau das das Problem: ihre Filme verfehlen ihre Wirkung nicht.

    Ich gebe ganz offen zu, daß ich mit bestimmten Sichtweisen - Weltbildern - ein riesengroßes Problem habe, weil ich Überzeugungen die Meinen nenne, die konträr zu anderen Überzeugungen stehen. Sei es, weil man so geprägt wurde - sei es, weil man sich selbst damit beschäftigt hat: ich befürworte einen Film, der durchaus eine Sichtweise zu einen Geschehen mitbringt, dieses kommentiert oder kritisch hinterfragt oder es auch als "innere Wahrheit" darstellt. Doch Überzeugung muß auch auf fruchtbaren Boden fallen, und da kann es ganz schnell mit einer filmischen Erfahrung daneben gehen, wenn diese "innere Wahrheit" nicht mit der eigenen Überzeugung konform geht.

    Es gibt tatsächlich einige Filme, die Aspekte aufweisen, die mir wie ein Schlag in die Fresse vorkommen. Wer z.B. Die Geburt einer Nation (1915) von Griffith gesehen hat, der weiß, daß im zweiten Teil des Films die Gründung des Ku-Klux-Klans so dargestellt wird, daß sich die weißen Südstaatler gegen die Horden skrupelloser Nordstaaten-Schwarzer wehren müssen, weil diese Besitz, Leib und Leben der Südstaatler aufs Übelste bedrohen. Diese Sichtweise machte den Film schon damals in den 1910er Jahre sehr umstritten, und Griffiths beschwichtigende Erklärung, daß er einfach einen spannende Geschichte erzählen wollte, das konnte und wollte damals niemals ernsthaft als Ausrede abzeptieren.

    Ein anderer Fall ist für mich der Bronson-Film Ein Mann sieht rot (1974). Bronsons Filmfamilie fällt einem gemeinen Überfall dreier New Yorker Verbrecher zum Opfer, und die Ermittlungen verlaufen im Nichts. Bronson wird mit der Brutalität der Großstadt konfrontiert, und er kommt auf den Geschmack, Kriminelle in die Falle zu locken und sie zu erschießen, wenn sie ihn bedrohen. Die Polizei sucht nach ihm und stellt ihn letztendlich, doch durch die Intervention der Stadtgrößen darf er unbehellig in eine andere Stadt ziehen; seine Taten hatten die Straftaten in der New York deutlich gesenkt.

    Was ich damit sagen möchte: beide Filme sind sehr gut konstruiert und exzellent umgesetzt, doch ihre vermeindliche "Botschaft" wirkt in ihrer Darstellung realer Verhältnisse so dermaßen verfälschend, daß einem richtig übel werden kann; aber die Überzeugungskraft, die der Darstellung des Geschehens innewohnt, ist geradezu perfide. Beide Filme haben keine kritische Distanz zu ihren Sujets, und das macht sie zu Paradebeispielen jener Werke, die man als Propaganda bezeichnen kann.

    Leni Reifenstahl hat insgesamt sieben Filme fertiggestellt, aber ihre große Zeit umfaßte die sechs Jahre von 1932 bis 1938. Ein Spielfilm, drei Dokumentationen und eine Kurzfilm-Dokumentation inszenierte sie in der Zeit, wovon nur der Spielfilm - Das blaue Licht (1932) - kaum etwas mit der nationalistischen Ideologie zu tun hat; Olympia war indirekt stark durchzogen, die restlichen Dokus dagegen komplett erfüllt davon.

    Ich selber habe vor Jahren Triumph des Willens (1935) gesehen. Und ich empfinde diesen Film genauso zwiespältig wie die beiden anderen eben genannten Filme - mit dem Unterschied, daß dies hier die Dokumentation eines realen Ereignisses ist, keine erfundene Geschichte. Das ist Propaganda in Reinkultur: überwältigend, ans Gemüt gehend, perfekt konstruiert und überzeugend umgesetzt. Bilder von ästhetischer Glorifizierung mischen sich mit der ungefilterten Botschaft nationalistischen Gedankenguts. Die Geschenisse sind ritualisiert, es wird ein Bild von Eintracht und Kameradschaft aufgebaut, die durch Hitlers Reden eine verführerische Salbung erhält. Und Riefenstahl gelingt es, den ganzen Parteitag als ein großes "völkisches" Ereignis zu präsentieren.

    Der Film hat einen sorgfältigen Aufbau: er beginnt über den Wolken, zeigt die Landung von Hitlers Flugzeug in Nürnberg und die Stadt in den schönsten Motiven, den Jubel der Massen, wenn Hitler durch die Strassen zum Hotel fährt, die Rituale der Soldaten, der Hitlerjugen, die diversen Reden usw. usf. Jede Kameraeinstellung ist präzise kadriert, der Schnitt optimal auf Wirkung getrimmt, die Musik trotz ihres Marschcharakters mit viel Sentiment versehen. Jede Geste, jeder Satz, jedes Bild ist berechnend und kalkuliert - Zufall gehört hier nicht hin. Ja, formal gesehen ist das exzellent umgesetzt und verfehlt die Wirkung nicht.

    Doch zeigt sich hier sehr deutlich, daß eine gewaltige Manipulationsmaschine abläuft, die wenig Affinität beinhaltet. Die Massenszenen erstarren zu geometrischen Figuren, das Volk erscheint als jubelnde Enthusiasten, denen Ehre und Pflicht wichtiger ist als Wahrhaftigkeit. Es geht nur um Gefolgschaft ohne Verstand, um Pflicht ohne Herz. Da steht eine Distanz zwischen Botschaft und Umsetzung, die jedem denkenden Menschen eine unnachgiebige Kälte zeigt. Der Militarismus ist hier der oberste Zweck des Daseins, und es ist die größte Erfüllung, dabei zu sein.

    Wie beeindruckend die Bilder auch sind, der Aufwand der Massen, das Schreien der Leute, die "Einigkeit" von Führer und Volk - was in mir bleibt ist eine Bestürzung größten Ausmaßes. Denn im Grunde funktioniert dieser Film wie eh und je, hat nicht ein µ seiner Wirkung verloren. Er kann heute noch ebenso verführen wie damals, und gerade in unseren heutigen Zeiten habe ich immer öfter das Gefühl, daß ein Film wie Triumph des Willens eine neue Anhägerschar erreichen kann, die ihn als Vorbild für eine neue "Revolution" entartet.

    Aber man sollte sich auch darüber im Klaren sein, daß Riefenstahl viel gelernt hat, aber nie etwas neu erfunden hat; sie ist vielmehr eine brillante Kompilatorin. Viele Kadrierungen haben Eisenstein und Fanck als Vorbild, der Schnitt - über weite Strecken ohnehin funktional - verdankt seine demagogische Feinheiten dem sowjetischen Stummfilm. Riefenstahls wirklicher Verdienst ist die Anwendung der Dialektik des Spielfilms auf dem Dokumentarfilm. Nie hatte bis dato eine Dokumentation so eine geschlossene betörende Wirkung ausgestrahlt - selbst ihr eigener Vorgängerfilm Der Sieg des Glaubens (1933) fällt da noch ab. So kann man Triumph des Willens als Osmose aller filmischen und erzählenden Mittel bezeichnen, mit dem man eine populistische Gehirnwäsche am Besten verbreiten kann.

    Ein zweischneidiges Schwert, welches sehr scharf geblieben ist. Hier ist jeder Zoll gespickt mit Fallen, und der ganze Mensch ist beim Sehen gefordert. Das macht vielleicht die wichtigste Lektion in Bezug Riefenstahl aus: daß Kunst sich verstricken kann in einer Ideologie, daß sie ihr dienen kann ohne Widerspruch, daß sie sich pervertieren lassen kann. Und ich glaube nicht daran, daß man Form von Inhalt so weit trennen kann, daß es unabhängig betrachtbar wird. Nicht beim Film.

    "Interpretation ist mein Gemüse." Hudebux

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    "Manchmal sind drei Punkte auch nur einfach drei Punkte..." jd

  • Riefenstahl gehört ohne Frage zu den fähigsten Regisseuren [geschlechtsunabhängig] der Filmgeschichte und zeigt ein Gefühl für Bildkomposition, Montage und Konzeption, die eine Intelligenz und Präzision höchster Perfektion offenbart. Sie müßte zu den ganz Großen zählen, weil ihre Werke ihre Wirkung nicht verfehlen...

    Ich selber habe vor Jahren Triumph des Willens (1935) gesehen. Und ich empfinde diesen Film genauso zwiespältig wie die beiden anderen eben genannten Filme - mit dem Unterschied, daß dies hier die Dokumentation eines realen Ereignisses ist, keine erfundene Geschichte. Das ist Propaganda in Reinkultur: überwältigend, ans Gemüt gehend, perfekt konstruiert und überzeugend umgesetzt. Bilder von ästhetischer Glorifizierung mischen sich mit der ungefilterten Botschaft nationalistischen Gedankenguts. Die Geschenisse sind ritualisiert, es wird ein Bild von Eintracht und Kameradschaft aufgebaut, die durch Hitlers Reden eine verführerische Salbung erhält. Und Riefenstahl gelingt es, den ganzen Parteitag als ein großes "völkisches" Ereignis zu präsentieren.

    Vor Jahren mal den Film "Triumph des Willens" reingezogen. Einmal war bereits zuviel.
    Nicht bloß, weil der Film den Anspruch einer Doko für sich einnimmt, sondern weil diese Chose als ungefilterten Botschaft nationalistischen Gedankenguts verkackt, ist das keinesfalls Kunst.
    Denn dieses propagandistische Machwerk bildet, trotz seiner technischer Finessen, deshalb keine Kunst :thumbdown: , weil gar kein Zweck an sich selber.
    Es macht sich bloß dienstbar als Propaganda für Faschismus bzw. Nazibarbarei. So auch der Olympia-Film. Und diese miese Beflissenheit unterm Bann vom Nazigreul schlug möglicherweise alle "offiziellen", wohlfeilen Artefakte; von denen dann keines verdient im Rang von Kunst rüberzukommen... .

    „Ein Komponist, der weiß, was er will, will doch nur was er weiß...“ Helmut Lachenmann

  • Ich finde es ja eher erfrischend und erkenntnisfördernd einmal ein weltanschaulich andersrum wertendes Kunstwerk/wasauchimmer rezipieren zu können, und -in diesem Fall - einmal Hitler und Co nicht mit finsterem Blick und Horrorfilmmusik unterlegt präsentiert zu bekommen.

    Ich hatte mir bei Riefenstahls hochgeschätzten Werken Triumph des Willens und Olympia auch viel erwartet und war dann enttäuscht weil gelangweilt, Sportveranstaltungen langweilen mich leider ebenso wie Politikerreden, toll fand ich freilich die Eröffnungssequenzen, die aber im Falle von Olypia gar nicht von ihr sein sollen. Somit kann ich leider nicht so ganz nachvollziehen, warum sie als weit größere Regisseurin gehandelt wird als etwa Sagan (Mädchen in Uniform), Thiele (Die Drei von der Tankstelle), Charell (Der Kongress tanzt), Forst (Maskerade) u.a. Nun, Dokumentationen kann man schwer gegen Spielfilme halten, aber Flaherty gibt mir auch viel mehr als Riefenstahl. Nun, ich werde es mal wieder probieren ...

    Von der Auffassung, dass Kunst nur dann solche ist, wenn sie politisch auf der "richtigen Seite" steht, halte ich gar nichts. Ich mag ja auch gerne Kunstwerke vergangener Epochen, die großteils Herrschaftslob ist, die Überlegenheit der eigenen Kultur/des eigenen Volks zelebriert etc., von einem Kunstwerk zu erwarten, dass es einen in der persönlichen Weltsicht bestärkt, ist mir zu egozentrisch ...

    This play can only function if performed strictly as written and in accordance with its stage instructions, nothing added and nothing removed. (Samuel Beckett)
    playing in good Taste doth not confit of frequent Passages, but in expressing with Strength and Delicacy the Intention of the Composer (F. Geminiani)

  • Ich finde es ja eher erfrischend und erkenntnisfördernd einmal ein weltanschaulich andersrum wertendes Kunstwerk/wasauchimmer rezipieren zu können,

    Erkenntnisfördend (bei Kunstwerken) kommt mir vor allem solche Kunstchose rüber, in der möglichst wenig bis gar nix Weltanschauliches reingenudelt wurde.

    Nazi-Propaganda ist allenfalls erkenntnisfördend, um versuchen zu checken, welche Methoden sich Faschismus, Populisten, Nazis bzw. autoritärer Staat für ihre übelsten Zwecke bedienen. Ist dann aber in erster Line no Gegenstand von Ästhetik, sondern von Politik bzw. Historie. Derartige Chose hat also keine ästhetischen Bedeutung für sich selbst, sondern allenfalls als Mittel.

    Von der Auffassung, dass Kunst nur dann solche ist, wenn sie politisch auf der "richtigen Seite" steht, halte ich gar nichts.

    Höchst einverstanden. Ich halte davon auch nichts. Und weil eben Riefenstahls Propaganda-Chosen sich Positionierung auf "richtige Seite" totalst zu eigen machen, ist das => keine Kunst :thumbdown:

    Ich mag ja auch gerne Kunstwerke vergangener Epochen, die großteils Herrschaftslob ist, die Überlegenheit der eigenen Kultur/des eigenen Volks zelebriert etc.,

    Wenn nahezu ausschließlich in Herrschaftslob oder Überlegenheitspose verstrickt, dann kackt damit Kunstcharakter zwangsläufg ab oder erreicht nicht mal irgendwelchen,

    von einem Kunstwerk zu erwarten, dass es einen in der persönlichen Weltsicht bestärkt, ist mir zu egozentrisch ...

    So isses. Beim Reinziehn sollt man sich auf den Gegenstand einlassen.

    „Ein Komponist, der weiß, was er will, will doch nur was er weiß...“ Helmut Lachenmann

  • Film/Literatur ohne Spuren von Ideologie gibt es aber wohl kaum bis gar nicht, d.h. Erkenntnis in Hinblick auf Geisteshaltungen und Lebenswelten wird man oft aus solchen Kunstwerken gewinnen können.

    Dass Riefenstahls Olympia in besonders großem Maße propagandistisch im Sinne von manipulativ wäre im Vergleich zur übrigen Filmproduktion, würde ich mal anzweifeln (bei Triumph des Willens ist das natürlich anders). Über weite Strecken sehe ich da tatsächlich "nur" eine Sportveranstaltung.

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  • Wenn nahezu ausschließlich in Herrschaftslob oder Überlegenheitspose verstrickt, dann kackt damit Kunstcharakter zwangsläufg ab oder erreicht nicht mal irgendwelchen

    Was ist denn "nahezu ausschließlich" Herrschaftslob? Das übliche Herkules-Deckenfresko, in dem der Fürst sich als Herkules gefeiert fühlt, wo rangiert das bei Dir und warum? Oder die zahllosen Bildnisse honoriger Personen, in denen sie, oft mit passenden Attributen versehen, weitgehend alleiniger Bildinhalt sind, ist das für Dich "zu wenig anderes"? Welches "andere" wünschst Du Dir?

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  • sight and sound - Kritiker- und Kuratorenumfrage beste Dokumentationen

    https://www.bfi.org.uk/sight-sound-ma…m=4ce2b6a21d217

    200 Kritiker/Kuratoren
    Schränkt man auf "vor 1945" ein, kommt folgende Rangfolge:
    1) Der Mann mit der Kamera (Vertov, 1929)
    2) Nanook, der Eskimo (Flaherty, 1922)
    3) Las Hurdes - Land ohne Brot (Bunuel, 1933)
    4) Listen to Britain (Jennings, 1942)
    5) Man of Aran (Flaherty, 1934)
    6) Triumph des Willens (Riefenstahl, 1935)

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  • Film/Literatur ohne Spuren von Ideologie gibt es aber wohl kaum bis gar nicht, d.h. Erkenntnis in Hinblick auf Geisteshaltungen und Lebenswelten wird man oft aus solchen Kunstwerken gewinnen können.

    Nicht nur Mucke und Schreibe. No Kunstwerk ist frei von ideologischer Komplizenschaft mit Welt und deren Einrichtung.
    Aber Kunst versucht gleichzeitig aus dieser Verstrickung sich zu verpissen. In derartiger Spannung funzt halt Kunstchose.

    Dass Riefenstahls Olympia in besonders großem Maße propagandistisch im Sinne von manipulativ wäre im Vergleich zur übrigen Filmproduktion, würde ich mal anzweifeln (bei Triumph des Willens ist das natürlich anders). Über weite Strecken sehe ich da tatsächlich "nur" eine Sportveranstaltung.

    Hab von Olympia ganz anderen Eindruck, weil aktenzeichen-x-y-like mir reingezogen. Und auch als bloße Sporrtdoku wärs auch nix Kunst, weil eben im Doku-Zweck eingeknechtet. Doch im Falle Riefenstahls m.E. schlau den Faschisten zusätzlich dienstbar..

    Oder die zahllosen Bildnisse honoriger Personen, in denen sie, oft mit passenden Attributen versehen, weitgehend alleiniger Bildinhalt sind, ist das für Dich "zu wenig anderes"?

    Wenn sowas alleiniger Bildinhalt/gehalt, dann wärs keine Kunst, sondern lediglich Scheiße.. Bedeutenden Pinselquälereien sprengen m.E. aber bloße Herrscherattitüden.....

    Welches "andere" wünschst Du Dir?

    Menno, woher soll ich denn das wissen ?(
    "Io non sono che un critico."

    Luigi Nonos Al gran sole hat Rang, weil Skript und Mucke nicht in den Weltanschaulich-Gänseleber-Genudeltem sich erschöpft....

    „Ein Komponist, der weiß, was er will, will doch nur was er weiß...“ Helmut Lachenmann

  • Nicht nur Mucke und Schreibe. No Kunstwerk ist frei von ideologischer Komplizenschaft mit Welt und deren Einrichtung.
    Aber Kunst versucht gleichzeitig aus dieser Verstrickung sich zu verpissen. In derartiger Spannung funzt halt Kunstchose.

    Na, ich weiß nicht ...

    Zitat

    Wenn sowas alleiniger Bildinhalt/gehalt, dann wärs keine Kunst, sondern lediglich Scheiße.. Bedeutenden Pinselquälereien sprengen m.E. aber bloße Herrscherattitüden.....

    Also ich tue mir schwer, bei van Eyck, van Dyck, etc. in ihren Bildnissen, die ja zu den berühmtesten gehören, eine "Sprengung des Bildinhalts" zu sehen. Eher Überhöhung/Transzendenz - und genau das macht Riefenstahl ja auch in ihren Dokus, und auch Flaherty bspw., der seine dokumentierten Fischer extra zum Haifischfang ausbilden lässt, damit es was hergibt.

    This play can only function if performed strictly as written and in accordance with its stage instructions, nothing added and nothing removed. (Samuel Beckett)
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  • Erkenntnisfördend (bei Kunstwerken) kommt mir vor allem solche Kunstchose rüber, in der möglichst wenig bis gar nix Weltanschauliches reingenudelt wurde.

    Nazi-Propaganda ist allenfalls erkenntnisfördend, um versuchen zu checken, welche Methoden sich Faschismus, Populisten, Nazis bzw. autoritärer Staat für ihre übelsten Zwecke bedienen. Ist dann aber in erster Line no Gegenstand von Ästhetik, sondern von Politik bzw. Historie. Derartige Chose hat also keine ästhetischen Bedeutung für sich selbst, sondern allenfalls als Mittel.

    Höchst einverstanden. Ich halte davon auch nichts. Und weil eben Riefenstahls Propaganda-Chosen sich Positionierung auf "richtige Seite" totalst zu eigen machen, ist das => keine Kunst :thumbdown:

    Wenn nahezu ausschließlich in Herrschaftslob oder Überlegenheitspose verstrickt, dann kackt damit Kunstcharakter zwangsläufg ab oder erreicht nicht mal irgendwelchen,

    So isses. Beim Reinziehn sollt man sich auf den Gegenstand einlassen.

    Als persönliche Ansicht: OK - dann aber auch nicht diskutierbar.

    Als Arbeitshypothese: Untauglich. Seeeehr dünnes Eis. Falsifizierbar.

    Alternativ: 80% der Objekte in Museen/Schlössern/Kirchen o.ä. und ein nicht vernachlässigbarer Anteil der Werke aus den ephemeren Künsten sind dann keine Kunst (mehr).
    z.B. Johannespassion (egal von wem): Ganz böse. Propaganda. Antisemitisch. Und anyhow "auf der richtigen Seite" entstanden.
    z.B. Goya, Erschießung der Aufständischen ("El 3 de mayo en Madrid: Los fusilamientos de patriotas madrileños"): keine Propaganda?
    z.B. Ernst Lubitsch, "Sein oder Nichtsein": auch keine Propaganda?
    OK - herausgesuchte Beispiele. Für die Kategorie "Propaganda" ist es aber absolut unerheblich, wer historisch überlebt hat (und ob die Position historisch noch relevant ist). Man kann über den Inhalt geteilter Meinung sein oder ihn auch in toto völlig daneben finden. Ob aber etwas Kunst ist, hängt weder am Inhalt noch an den Motiven der Entstehung. Auch nicht daran, ob es bierernst ist oder Satire, oder ob der Inhalt für die Entstehungszeit eine Mehrheitsmeinung repräsentiert oder aus der Opposition kommt. Das geht nicht ohne Einzelfallbetrachtung. Da sind nur problematische Aussagen möglich, keine Apodikta und keine Assertoria. Nur totalitäre Ordnungssysteme und deren Anhänger sehen das anders. Im anderen Fall müssten wir Wagener, Lully, Bach (Johannespassion...) et alias bezüglich ihrer Kunsttauglichkeit tatsächlich neu verhandeln.

    viele Grüße

    Bustopher


    Wenn ein Kopf und ein Buch zusammenstoßen und es klingt hohl, ist denn das allemal im Buche?
    Georg Christoph Lichtenberg, Sudelbücher, Heft D (399)

  • Erkenntnisfördend (bei Kunstwerken) kommt mir vor allem solche Kunstchose rüber, in der möglichst wenig bis gar nix Weltanschauliches reingenudelt wurde.

    Da kannst Du aber auch gleich sämtliche Kirchenmusik (darunter alle Bachkantaten) wie auch vermutlich das meiste von deinem geliebten Nono auf den Index setzen. ;)

    zwischen nichtton und weißem rauschen

  • Lieber Josquin Dufay, grundsätzlich stimme ich dir zu. Nur kann ich, was Film angeht (oder auch andere Künste) Form von Inhalt trennen, bzw. für mich eine andere Sichtweise entwickeln (höre gerade Shostakovich ;) ).

    'Birth of a Nation' ist da ein wirklich gutes Beispiel. Zunächst, bei der Erstbegegnung, habe ich mich ganz erwartungsfroh darauf eingelassen, zuckte dann doch irgendwann zusammen und fand den Film dann im Verlauf inhaltlich ob der Ku-Klux-Klan-Thematik etc. zum K..... Und dann kann ich mich zum Glück von der Sogkraft solcher Filme lösen und ihn formal betrachten.

    Ähnlich erging es mir mit 'Triumph des Willens', wobei ich mich da schon vor Beginn vom Inhalt gelöst hatte und eigentlich nur daran interessiert war, wie sie es wohl schaffen würde einen an sich so langweiligen Ablauf verführerisch zu gestalten. Und das schafft sie ja durchaus. Nun denke ich sind wir alle in der Lage die Absicht hinter jeder Einstellung klar zu erkennen, so dass eine politische 'Umpolung' bei uns nicht funktioniert. Inwieweit diese bei solch alten 'Machwerken' noch funktioniert - ich weiß es nicht, bin mir da nicht sicher. Aber das müssten wir mal diskutieren.

    Andererseits denke ich, dass man auch aus 'Triumpf des Willens' doch einiges erfahren kann. Nicht nur über die Verführbarkeit von Massen bis hin zu Pop- und Rock-Konzerten oder Fußballspielen, wie letzten Endes einfach das gehen kann, sondern auch über die eigene Anfälligkeit. Vor Jahren habe ich mal auf der 'Führertribüne' des Zeppelinfelds in Nürnberg gestanden und gedacht, was ich wohl empfunden hätte, wenn ich inmitten von Hunderttausenden da unten gestanden hätte. Letztlich geht das alles doch sehr einfach und sehr schnell und ich bin mir nicht sicher, ob wir wirklich dagegen gefeit sind. Und das können solche Filme wie 'Triumpf' oder 'Olympia' mit seiner seelenlosen Huldigung des Körperkultes uns heute vielleicht immer noch lehren.

    Also immer wieder die Frage an einen selber, warum man das anschaut oder eben auch nicht. Ist es der Inhalt, ist es die Form, ist es eine Mischung, spricht einen ein Teilaspekt an, erkennt man sich wieder etc.? Und warum bricht man vielleicht solch einen Film ab oder will ihn gar nicht sehen?

    Kunstwerke werfen uns auf uns selber zurück. Auch die zweifelhaftesten.

    :wink: Wolfram

    "Wieder versuchen. Wieder scheitern. Besser scheitern." (Samuel Beckett)

    "Rage, rage against the dying of the light" (Dylan Thomas)

  • Können Dokumentationen unpolitisch sein? Kann Kunst das überhaupt?

    'Der Mann mit der Kamera' (faszinierender Film nebenbei) mit Sicherheit nicht. Und gehen solche Kunstwerke nicht immer davon aus, dass sie auf der 'richtigen Seite' stehen? Natürlich spielt bei der Beurteilung immer die eigene Position eine Rolle. Aber wird sie dem Kunstwerk als solchem gerecht? Geht es nicht auch darum, wie ich mein angestrebtes Ziel erreiche, welche Mittel (am besten innovative) ich dafür einsetze?

    Sind wir nicht auch gefordert, zu abstrahieren? Das wollte der Künstler, die Künstlerin erreichen - hat er, sie das? Und wenn er/sie das geschafft hat (wenn möglich mit neuen Ideen), dann ist es doch per se zunächst einmal eine gute Leistung, oder? Wie ich persönlich damit umgehe, steht doch auf einem anderen Blatt, oder?

    :wink: Wolfram

    "Wieder versuchen. Wieder scheitern. Besser scheitern." (Samuel Beckett)

    "Rage, rage against the dying of the light" (Dylan Thomas)

  • z.B. Ernst Lubitsch, "Sein oder Nichtsein": auch keine Propaganda?

    Böses Beispiel ^^ . Nein, sehr gutes sogar.

    Ich denke, wir sind uns in dem Fall alle einig, dass dieses Kunstwerk die richtige Haltung vertritt. Aber darum geht es doch nicht. Denn das macht es deswegen nicht besser oder schlechter als andere, deren Haltung wir nicht gut finden können. Es ist Propaganda (ok, für die richtige Seite), aber ist es auch gut gemacht, kann es sein Ziel erreichen oder ist es nur gut gedacht - schlecht gemacht? Das ist doch der entscheiden Punkt.

    :wink: Wolfram

    "Wieder versuchen. Wieder scheitern. Besser scheitern." (Samuel Beckett)

    "Rage, rage against the dying of the light" (Dylan Thomas)

  • Alternativ: 80% der Objekte in Museen/Schlössern/Kirchen o.ä. und ein nicht vernachlässigbarer Anteil der Werke aus den ephemeren Künsten sind dann keine Kunst (mehr).
    z.B. Johannespassion (egal von wem): Ganz böse. Propaganda. Antisemitisch. Und anyhow "auf der richtigen Seite" entstanden.

    Diese Alternative nicht erforderlich. JP ist mit ihrer antisemitischen Schlagseite und ihrer möglichen Verfilzung mit religiösen Kult dennoch kunsttauglich.

    z.B. Goya, Erschießung der Aufständischen ("El 3 de mayo en Madrid: Los fusilamientos de patriotas madrileños"): keine Propaganda?

    Warum soll das keine Propaganda sein?
    Interessanter die Frage, ob, im Gegensatz zu Riefenstahls Triumph, Goyas Pinselquälerei lediglich Propaganda bildet, was ich bei Goya bezweifeln würde.

    z.B. Ernst Lubitsch, "Sein oder Nichtsein": auch keine Propaganda?

    Bisher mir nicht reingezogen. ?(

    Für die Kategorie "Propaganda" ist es aber absolut unerheblich, wer historisch überlebt hat (und ob die Position historisch noch relevant ist).

    Wurde nicht in Frage gestellt.

    Ob aber etwas Kunst ist, hängt weder am Inhalt noch an den Motiven der Entstehung. Auch nicht daran, ob es bierernst ist oder Satire, oder ob der Inhalt für die Entstehungszeit eine Mehrheitsmeinung repräsentiert oder aus der Opposition kommt.

    Wurde auch nie bestritten.

    Das geht nicht ohne Einzelfallbetrachtung.

    So issses.

    Da sind nur problematische Aussagen möglich

    Was verstehst du unter problematische Aussagen. ?(
    (Nebenbei: Naturwissenschaft, Technk kommt ohne „Aussagen“ und deren Anwendung nicht aus.
    Was soll an Gravitation problematisch sein ?)

    Im anderen Fall müssten wir Wagener, Lully, Bach (Johannespassion...) et alias bezüglich ihrer Kunsttauglichkeit tatsächlich neu verhandeln.

    Die Chosen sind doch kunsttauglich, was muss denn da verhandelt werden. ?(

    Da kannst Du aber auch gleich sämtliche Kirchenmusik (darunter alle Bachkantaten) wie auch vermutlich das meiste von deinem geliebten Nono auf den Index setzen.

    Nee, nee Überhaupt nicht. Glaub mir. Es wurde lediglich auf Besonderheit von Kunstquälereien ohne weltanschauliches Reingenudeltes hingewiesen, aber nicht dass damit gleichzeitig 2 meiner Lieblinge, also Bach oder Nono (siehe auch Hinweis auf Al gran sole) in die Tonne zu treten wären oder dass z.B. Versequälereien mit reingepumpten Messages kunstuntauglich seien: ein Pro7-Next-Modell dafür T.S. Eliots Four Quartets; darin er seine katholische Mystik + Platonismus fleißig mixer-gleich reinpumte, aber dennoch geile Versequälerei dabei rausquoll. ..

    „Ein Komponist, der weiß, was er will, will doch nur was er weiß...“ Helmut Lachenmann

  • Nee, nee Überhaupt nicht. Glaub mir. Es wurde lediglich auf Besonderheit von Kunstquälereien ohne weltanschauliches Reingenudeltes hingewiesen, aber nicht dass damit gleichzeitig 2 meiner Lieblinge, also Bach oder Nono (siehe auch Hinweis auf Al gran sole) in die Tonne zu treten wären oder dass z.B. Versequälereien mit reingepumpten Messages kunstuntauglich seien: ein Pro7-Next-Modell dafür T.S. Eliots Four Quartets; darin er seine katholische Mystik + Platonismus fleißig mixer-gleich reinpumte, aber dennoch geile Versequälerei dabei rausquoll. ..

    Dann nochmal konkret gefragt: Ist nun Kunst mit weltanschaulichem (zB christlichem, kommunistischem...) Hintergrund für Dich "erkenntnisfördernd" oder nicht? Und ziehst Du Musik, die ohne explizite weltanschauliche Agenda auskommt "bekenntnisorientierten" Werken vor? Letzteres hast Du sinngemäß hier gesagt.

    zwischen nichtton und weißem rauschen

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