Auf der Suche nach einem Zugang zu Chinesischer Kunstmusik

  • Es ist ein bißchen OT, weil es hier ja dezidiert um chinesische Musik gehen soll, aber motiaans youtubelink betreffs indonesische Gamelanmusik hat mich doch ziemlich an die Wand geblasen. Ein bißchen so: was ich bei Minimalisten a la Reich, Glass seinerzeit gesucht aber nicht recht gefunden habe das ist hier in Vollendung da, auch emotional gesehen, nicht so kalt. ... Wenn da jemand entsprechende CD Tips hätte :D


    Aber diese Gamelanmusik: wow :clap:
    LG :)

    Ich habe einige CDs der Victor Ethnic Sound Series aus den Achtzigern des letzten Jahrhunderts, jetzt neu veröffentlicht unter JVC World Sound. Es sind keine Studioaufnahmen. Es wurde unmittelbar in Dörfern auf Bali mit sehr natürlichem und audiophilem Klangbild aufgenommen.

    Ein Ableger des Gamelan ist Jegog. Die Schlaginstrumente hierbei sind aus Bambus, was ein angenehm weiches Klangbild ergibt.


    Gruß
    Josquin

  • Nun habe ich ein wenig Gelegenheit gehabt in das - vor allem von putto - Verlinkte hineinzuhören. Ich muss leider sagen, dass mich die Pipa-Soli nicht vom Hocker reißen, und zwar unabhängig von der schlechten Soundqualität der Videos. Ich finde immer nich das Video aus der MET, das ich eingangs verlinkte, auch musikalisch am Ansprechendsten. Und zwar, weil es hier abgestimmte und zumindest zwischendurch spannungsreiche Ensemblemusik zu hören gibt. Zwar finde ich das Ensemble aus dem Heterophonie-Video, das du, putto, verlinkt hast, an sich auch ansprechend. Aber der Klang der Tonspur ist wirklich furchtbar. Und ich habe nicht den Eindruck, dass diese Instrumente irgendwie spezifisch gestimmt wären. Oder gehört das etwa so?

    Ich fürchte, auf youtube werde ich für meinen Teil nicht fündig werden...

    ...auf Pfaden, die kein Sünder findet...

  • Nun, für mich ist das Hauptproblem die Verwestlichung der chinesischen Musik, die eine Verfälschung ist und mit allen Zwischenstufen von der Pflege der "Originale" bis zum Chinarestaurant-Begleit-Kitsch reicht. Was einen ohne längere Einarbeitung musikalisch am meisten anspricht, ist da eher insofern von Interesse, als es Auskunft über den spezifischen westlich geschulten Hörergeschmack sagt. Du fühlst Dich von Kitsch abgestoßen, sofern Du ihn erkennen kannst, aber ebenso von dem, was möglichst nahe am Original befindlich ist, das Dir einfach zu fremd und unverständlich ist. Am wohlsten fühlst Du Dich irgendwo in der Mitte, ausreichend verwestlicht, um Dich anzusprechen, aber nicht so weit, dass Dir die Verfälschung/Verkitschung auffällt.

    Ich habe Dein Eingangsvideo nicht komplett angehört und mich bislang auf die ersten beiden werkeinleitenden Texte der Moderatorin und sonst kurze Stichproben beschränkt. Zunächst sagt sie über die Besetzung, dass es sich um die Seiden-Hälfte des Bambus-Seiden-Ensembles handelt. Das ist offenbar nicht ideal für eine Einführung in chinesische Musik. Zum zweiten spricht sie dann von einem Duo für Erhu und Zheng, um dann immerhin einige Sätze später zuzugeben, dass das Stück original für Zheng solo ist. Dir hätte vermutlich das Original weniger gegeben, da die alten Zheng-Stücke ähnlich wie die alten Pipa-Stücke sind, die Dich (noch) nicht erreichen. Durch Einsatz der Erhu wird die Melodie natürlich leichter auffassbar.

    Ich bin ja wahrlich kein Experte - mir kommt das aber ein wenig "poliert" vor, entschärft, was ich in dem MET-Video höre. Zabki schrieb:
    >>Spannend finde ich, wie sehr durchgeformt und diszipliniert die Tonbildung gehandhabt wird, auf einer Ebene, die "bei uns" eher dem subjektiven Ausdruck zugerechnet wird.<<
    Hört man die alten Originale auf Pipa resp. Zheng solo, kann man diesen Umgang sicher besser kennenlernen als in einer "volkstümlichen" Variante mit Erhu dazu (Zheng war "das" Gelehrteninstrument, Erhu eher Straßenmusik).

    Es soll ja in dem Video auch das "Angriff von allen Seiten"-Stück kommen, das ist eines der Handvoll bekannten alten Pipa-Stücke. Ich bin jetzt zu faul, das zu suchen, aber hier wäre eine direkte Gegenüberstellung mit dem Original sicher lehrreich - ich vermute aber, dass das Interesse, sich dem auszusetzen, endenwollend ist, und habe kein Interesse, für die "originalchinesische" Musik zu werben, wenn's ohnehin niemand hören will.
    :/

    This play can only function if performed strictly as written and in accordance with its stage instructions, nothing added and nothing removed. (Samuel Beckett)
    playing in good Taste doth not confit of frequent Passages, but in expressing with Strength and Delicacy the Intention of the Composer (F. Geminiani)

  • Die Pekingopersachen fand ich eher schmerzhaft, wie auch die japanischen Ballettgeschichten, da merk ich wieder daß meine Faszination für diese Kulturen eher auf bildender Kunst aufbaut und auf religiös / philosophischen Denkmodellen. Manchmal auf Literatur. Sicher nicht auf der Musik. Dazu bin ich nicht gebaut, leider.

    Chinesische Tusche-Malerei hat mich sofort angesprochen, für die Musik habe ich doch einige Jahre gebraucht und an die Peking-Oper traue ich mich immer noch nicht heran.

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  • Die Frage nach der Stimmung kam ja auf wegen der Ensemble-Musik und der Heterophonie. In der Heterophonie spielen alle dieselbe Melodie aber mit je individuellen Abweichungen/Auszierungen. Das ist ein großer Gegensatz zum westlichen Veschmelzungsideal, wo alle in einem z.B. Dreiklang aufgehen. Entsprechend ist auch der Klang der Instrumente weniger auf runde Einheitlichkeit getrimmt. Chinesische Instrumente wurden auch erst im 20. Jahrhundert dahingehend bearbeitet, dass sie "sauber" zusammenklingen durch "Verbesserungen" mit Grifflöchern/Bünden etc. - man muss also davon ausgehen, dass in älterer Ensemblemusik die Instrumente nicht genau dieselbe Tonhöhe "trafen", sondern die individuellen Instrumente erkennbar blieben wohl auch dadurch, dass sie nicht zusammen "stimmten" - es gibt so etwas auch bei asiatischem Möchsgesang, wo alle absichtlich nicht genau gleich hoch singen, sodass die Vielfalt der beteiligten Stimmen besser zum Tragen kommt. Zudem spielen Glissandi und Geräusche eine viel größere Rolle als in Europa. Wer das perfekte Stimmen der Tonhöhen und sauberen Klang sucht, ist also gewissermaßen schon auf dem Holzweg.

    Allerdings ist freilich diese hier von mir propagierte Suche nach dem "Original" und der "historischen Aufführungspraxis" eine typisch westliche Angelegenheit. In China ist man sowohl schlampig mit der Angabe der Herkunft der Stücke (siehe MET-Video) als auch gibt es wohl keine historische Aufführungspraxis im Sinne von Rückbau der Instrumente. Was wir zu hören bekommen ist alles zumindest ein wenig verwestlicht.

    Üblich sind z.B. Erhu-Recitals mit Klavierbegleitung, ob die sich mit den Forschungen der chinesischen Musikologie zur traditionellen pentatonischen Skala beschäftigen, halte ich auch für fraglich.

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  • Die CD, die motiaan eingestellt hat, kommt mir sehr attraktiv vor!
    Das erste Stück ist übrigens das von mir erwähnte "Angriff von allen Seiten"-Pipa-Solo.

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  • Es gibt übrigens auch für westliche Ohren sehr gut "hörbare" chinesische Opern, vielleicht nicht immer alles, aber Abschnitt-weise allemal.

    Wenn man ganz "originale" "Gelehrten-Musik" hören möchte, die auch sehr gut hörbar ist, und "intellektuellen Anspruch" nicht missen möchte, ist die Gu Qin-Zither ein "muss".

    Hier etwas über das Instrument:
    "https://en.wikipedia.org/wiki/Guqin"

    Hier das Konzert eines echten Meisters, in guter Tonqualität:
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    Hier eine Übersicht über berühmte Gu Qin-Spieler:
    "https://en.wikipedia.org/wiki/Contemporary_guqin_players"

    :wink:

    amamusica

    Ein Blümchen an einem wilden Wegrain, die Schale einer kleinen Muschel am Strand, die Feder eines Vogels -
    all das verkündet dir, daß der Schöpfer ein Künstler ist. (Tertullian)

    ...und immer wieder schaffen es die Menschen auch, Künstler zu sein.
    Nicht zuletzt mit so mancher Musik. Die muß gar nicht immer "große Kunst" sein, um das Herz zu berühren...


  • Hier das Konzert eines echten Meisters, in guter Tonqualität:"

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    Sehr schönes Video, vielen Dank!

    Helli

  • Ich habe einige CDs der Victor Ethnic Sound Series aus den Achtzigern des letzten Jahrhunderts, jetzt neu veröffentlicht unter JVC World Sound. Es sind keine Studioaufnahmen. Es wurde unmittelbar in Dörfern auf Bali mit sehr natürlichem und audiophilem Klangbild aufgenommen.

    Ein Ableger des Gamelan ist Jegog. Die Schlaginstrumente hierbei sind aus Bambus, was ein angenehm weiches Klangbild ergibt.


    Gruß
    Josquin

    Ich beteilige mich mit angemessener Zerknirschung an der kleinen Kaperung dieses threads zugunsten der indonesischen Musik.

    Ich hatte das wirklich unvergeßliche Erlebnis einer mehrstündigen Gamelan-Aufführung 1979 in Ubud auf Bali, wo u.a. auch der berühmte Affentanz (Kecak) aufgeführt wurde. Etwas Fremderes und gleichzeitig Faszinierenderes hatte ich bis dato noch nicht gehört, was aber natürlich auch mit dem unglaublich opulenten visuellen Eindruck zu tun hatte.

    Eine schöne akustische Erinnerung habe ich in meinem Regal in Gestalt dieser CD:

    Hier ein Eindruck vom Affentanz (der übrigens in den 30igern von dem deutschen Balimigranten Walter Spies konzipiert wurde und daher eigentlich kein traditionelles indonesisches Stück ist):

    https://www.youtube.com/watch?v=2WHx2ITKtUg

    Eine Aufnahme aus Ubud:

    https://www.youtube.com/watch?v=qIq8LNbYKT8

  • Noch ein Hinweis zu dem Gu Qin-Konzert:
    Da steht "He is joined by special guests Sarah Tao He (erhu) and Guo Yazhi (suona). (42 min., 38 sec.)"

    Bei der Flöte handelt es sich allerdings nicht um die in der Tat etwas gewöhnungsbedürftige "Suona", (geeignet, um sich in lärmendem Umfeld kraftvoll, egal wie "schräg", durchzusetzen), sondern um die "Xiao".
    "https://de.wikipedia.org/wiki/Xiao_(Fl%C3%B6te)"

    Dieses Stück ist das bekannte Stück "Er quan yin yue" des blinden Erhu-Spielers Ah-Bing, das 1950 von Volksmusik-Sammlern aufgenommen wurde, im Arrangement für Erhu, Guqin und Xiao.
    Diese Melodie zu kennen ist ein absolutes "Muss".

    Die Hintergründe über das Stück sind hier sehr gut beschrieben, samt der Originalaufnahme von 1950!
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    Dieses Stück gibt es in schlichten, sehr schönen Varianten, und natürlich auch in unbeschreiblich kitschigen Varianten, oder auch "üppigerem" China-Orchester-Sound, der auch sehr gelungen sein kann, wie hier mit dem China Central Chinese Orchestra.
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    Mehr zu chin. Musik und chin. Musikinstrumenten wie gesagt in diesem Thread: Traditionelle Musik weltweit ..., zB Post #98

    Etwas zu chin. Oper hier: Traditionelle Musik weltweit ... ab Post #18

    :wink:

    amamusica

    Ein Blümchen an einem wilden Wegrain, die Schale einer kleinen Muschel am Strand, die Feder eines Vogels -
    all das verkündet dir, daß der Schöpfer ein Künstler ist. (Tertullian)

    ...und immer wieder schaffen es die Menschen auch, Künstler zu sein.
    Nicht zuletzt mit so mancher Musik. Die muß gar nicht immer "große Kunst" sein, um das Herz zu berühren...


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