<= so oder so (u. SRY f. d. Floskel!) - eine derart ausgeklügelte Regiearbeit wie die von Kratzer geht dann eben auch nicht ohne Risiko (resp. Flüchtigkeitsfehler: die Uhr in Kathi Wagners Büro "ging falsch")!
Tannhäuser-Premiere in Bayreuth im klimatisierten Lichtspielhaus
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(resp. Flüchtigkeitsfehler: die Uhr in Kathi Wagners Büro "ging falsch")!
Hut ab, was dir auffällt.
Aber vielleicht sollte das auch ein diskreter Hinweis des Regisseurs an die Festspielleitung sein, dass Bayreuth immer noch nicht auf dem neuesten Stand ist.
Wolfram
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Chose bis zum Schluss eingeschmissen.
Die läppische Tanzerei der Venus während Tannhäusers "Dir, Göttin der Liebe, soll mein Lied ertönen! Gesungen laut sei jetzt dein Preis von mir!" kam mir zu unbeholfen umgesetzt rüber. Allerdings keinen Schimmer, was man das sonst machen könnte. Die Flugblätter dann dagegen sehr okay. Dass lediglich Tannhäuser eingeknastet wurde, erkläre ich mir daraus, dass Wartburg-Gesellschaft, Übertretung von Sex-Tabus sehr viel drakonischer sanktioniert.
Inszenierte Ouvertüren sind so gar nicht mein Ding, aber hier fand ich den Vorspann großartig, witzig, aber v.a. sinngebend und zur Musik größtenteils passend
Finde ich auch.
Schön dagegen die Referenz an Schlingensief mit dem Hasen als Gallionsfigur auf dem Wagendeck.
Wenn man beimn Reinziehn Biogas und Schlingensief nicht checkt, isses m.E. nicht schlimm.
Zudem habe ich den Pilgerchor nicht verstanden. Ich rechnete eigentlich damit, dass nun die Zuschauer aus ihrem 'Tempel' wieder zurückkommen würden
Diese Frage speicherte sich Brägen vorm Reinziehn von Akt 3 ab. Der versucht sich diese Chose bisher wie folgt zu erklären:
Pilgerndes Festspielpublikum schmierte inzwischen auf herumtrottelnden Penner-Level ab; lauert als latente Drohung auf fast jeden.
Die heruntergekommenen Streuner bekamen vermutlich von irgend so einer Missionsküche nicht genug zum Fressen, sonst würden sie nicht alles nach verrotteten Resten durchschnüffeln. Damit verkleinert Tobias Kratzers Inszenierung die Tannhäuser-Chose eben nicht zur veganen Magerkost von sog. Künstleroper, was Elisabeths blutsuppentriefender Suizid mit unterstreicht. Das Fahrrad vom 1. Akt vermutlich mit abmontierten Rädern, nicht 100 % auf DVD erkennbar. Stark kam der zerfetzte Tannhäuser-Klavierauszug rüber. Wie Interne Kritik des Schlusses der Oper durch die Inszenierung. Oder wird sogar damit generell Möglichkeit von Kunst-Chose angezweifelt.. .. -
Pilgerndes Festspielpublikum schmierte inzwischen auf herumtrottelnden Penner-Level ab; lauert als latente Drohung auf fast jeden.
Möglich, aber dann würde Kratzer nun plötzlich noch 'n Schuss Sozialanklage mit reinschieben. Aber ich glaube nicht, dass es ihm darum geht.
Wenn Pilger I. Akt und die aus dem III. identisch sind, muss es für mich einen anderen Grund geben. Ich weiß nur nicht welchen. Zudem sahen sie nicht wie bedrohte Mittelschicht aus.Stark kam der zerfetze Tannhäuser-Klavierauszug rüber.
Fand ich auch. Großartiger Moment. Wagner als Heilsbringer und Erlösungsfigur in der Luft zerrissen', weil es eben nicht funktioniert hat.
Wolfram
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Ich war von Beginn an, ob der Inszenierung, hin und weg.
Inszenierte Ouvertüren sind so gar nicht mein Ding, aber hier fand ich den Vorspann großartig, witzig, aber v.a. sinngebend und zur Musik größtenteils passend. Die Verwendung von Videos sollte übrigens viel häufiger praktiziert werden. Wagnersches Gesamtkunstwerk und so. Nun also das Hinzufügen einer weiteren Kunstrichtung. Zudem wurde für mich noch einmal deutlich, wie sehr Wagner auch 'Filmmusik' komponiert hat.
Großartig und wunderbar umgesetzt diese Idee des verzweifelten Versuchs eines Eindringens neuer künstlerischer und gesellschaftlicher Ideen in den Heiligen Gralstempel Bayreuth (da ging dann auch der stark religiös geprägte Text auf)! Ebenso der Pilgerchor nun aus Zuschauern bestehend, die zum Grünen Hügel pilgern in Erwartung einer quasireligiösen Erlösung. Ein wenig unfreundlich der Verweis auf die 'Biogasanlage'. Ich bin mir nicht sicher, ob sich so etwas gehört. Herzhaft gelacht habe ich trotzdem. Schön dagegen die Referenz an Schlingensief mit dem Hasen als Gallionsfigur auf dem Wagendeck.
Wie ja die Inszenierung überhaupt anspielungs- und detailreich ist und immer wieder einen Diskurs über die Rolle Bayreuths als eine zentrale Stätte von 'Hochkultur' einfordert. Dazu wunderbar passend der II. Akt mit der zwar nie reaktionär wirkenden, aber um so mehr in sich ruhenden Hofgesellschaft und den (noch?) in schwarzweiß gefilmten Einblicken in die Aktivitäten des 'gegnerischen' Lagers. Passend dazu das Auftreten von Venus und Co. Natürlich im Libretto nicht vorgesehen, aber konsequent bei einer Inszenierung, die sowieso in weiten Teilen eine ganz andere Geschichte erzählt. Eine Geschichte, die für mich aber nie aufgepfropft war, sondern eine Lesart unter vielen darstellt.
Enttäuscht war ich vom III. Akt, der doch relativ bieder daherkam, was vielleicht auch an den Vorgaben durch Musik und Text liegen mag. Menschlich war das Spiel und der Gesang sehr ergreifend, aber insgesamt hätte ich mir eine radikalere Schlussversion gewünscht. Zudem habe ich den Pilgerchor nicht verstanden. Ich rechnete eigentlich damit, dass nun die Zuschauer aus ihrem 'Tempel' wieder zurückkommen würden. Aber letztlich ist Bayreuth auch Werkstatt. Vielleicht fällt dem Regisseur da in den nächsten Jahren noch mehr ein.
Wolfram
Die Inszenierung war ziemlich furchtbar, denn sie hatte mit Tannhäuser, dem eigentlichen mittelalterlichen Stoff, rein gar nichts zu tun.
Gergievs Dirigat und einige Sängerleistungen waren nicht inspirierend. Das empfand ich phasenweise als enttäuschend, denn Gergiev scheint auch nicht viel geprobt zu haben. Allerdings waren die Pfiffe gegen ihn unberechtigt, wohl politisch motiviert.
Ich habe den Tannhäuser in Dresden gesehen und gehört. Im Vergleich zur Bayreuther Darbietung waren das Welten, obwohl Klaus Florian Vogt eingesprungen ist und am Bühnenrand stand, während ein Laie seinen Part auf der Bühne spielte. Dort war im ersten Akt eine Honigmelonenartige Szenerie, am Venusberg, während der zweite Akt in dunkel gehalten wurde. Der dritte fiel etwas ab in der Inszenierung, war aber auf jeden Fall besser als Bayreuth.
Bayreuth braucht neue Ideen und mehr Sinn und Orientierung an den tatsächlichen Erzählungen der Opern entlang. Mich hätte wirklich interessiert, was Neo Rauch aus dem Tannhäuser-Gebilde gemacht hätte. -
denn sie hatte mit Tannhäuser, dem eigentlichen mittelalterlichen Stoff, rein gar nichts zu tun.
Wobei zu ergänzen wäre, sogar wenn man sich diese Chose lediglich audio reinzieht, es leicht feststellbar ist, dass Wagner Tannhäuser bzw. dessen Stoff kaum was mit Mittelalter am Hut hat, von einigen Äußerlichkeiten vielleicht mal abgesehen..
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Wobei zu ergänzen wäre, sogar wenn man sich diese Chose lediglich audio reinzieht, es leicht feststellbar ist, dass Wagner Tannhäuser bzw. dessen Stoff kaum was mit Mittelalter am Hut hat, von einigen Äußerlichkeiten vielleicht mal abgesehen..
Das wäre wohl noch eine ganz eigene Diskussion. Ich glaube, dass Wagners Tannhäuser sehr viel mit Mittelalter am Hut hat. Wenn sich mit der Mittelalterrezeption des 19. Jahrhunderts beschäftigen möchte, findet man im Tannhäuser viel, viel Stoff dafür, davon bin ich überzeugt. Zumal Wagner ja zu den Komponisten gehört, die das Ambiente, in dem sie ihre Geschichte erzählen, sehr genau mitkomponieren.
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Schon alleine Venus hat als römische Göttin mit dem mittelalterlichen Minnesang nichts zu tun. Und die Gleichsetzung von Tannhäuser mit Heinrich von Ofterdingen ist rein wagnerisch.
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Wenn sich mit der Mittelalterrezeption des 19. Jahrhunderts beschäftigen möchte, findet man im Tannhäuser viel, viel Stoff dafür, davon bin ich überzeugt. Zumal Wagner ja zu den Komponisten gehört, die das Ambiente, in dem sie ihre Geschichte erzählen, sehr genau mitkomponieren.
Es gab im 19. Jahrhundert ja nicht bloß Mittelalter-Nerds. Die Oper Tannhäuser und vor allem die Titelpartie trägt Züge der sog. Jungdeutschen, des Vormärz, was sich daran zeigt, dass Tannhäuser im 2. Akt heftig gegen Sexfeindschaft, verklemmte Verachtung von Eros durch die Wartburggesellschaft anstänkert. Und das hat überhaupt nix mit Mittelalter-Nostalgie-Feeling zu tun. Und Tobias Kratzer bringt diesen Bestandteil im Tannhäuser durch Wagners Motto "Frei im Wollen, frei im Thun, frei im Genießen" cool rüber.
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Das wäre wohl noch eine ganz eigene Diskussion.
Liebe Leute,
bevor das hier in eine allgemeine oder auch spezielle Regietheater-Debatte mündet:
Dafür haben wir genügend Threads.
Hier geht's um die Kratzer-Inszenierung BT 19.
Please! -
"@audiamus"
Danke für deinen Hinweis. Doch "Sei ausser Sorg ." (Wagner, Tannhäuser), off-topic wegen.
Denn die letzten Postings kamen mir gleichfalls wie coole konzentrische Kreise um Gergiev-Kratzer-Tannhäuser rüber. Und das meinige hat direkten Bezug auf Kratzers Regie. Gelle ?
Ja, klar. Es gibt in C.glücklicherweise lustigen RT-Thread. Leider momentan etwas verwaist.
Doch unterhaltsamer RT-Talk kommt besonders fruchtbar rüber , wenn selbiger nah am Gegenstand andockt. Germanys Next Top Model dafür ist z. ZT. der jüngste Bayreuth-Tannhäuser. -
Die Inszenierung war ziemlich furchtbar, denn sie hatte mit Tannhäuser, dem eigentlichen mittelalterlichen Stoff, rein gar nichts zu tun.
Ohne hier eine Regietheaterdiskussion eröffnen zu wollen: Die Inszenierung hat mit dem mittelalterlichen Stoff wohl rein gar nichts zu tun, die Musik von Wagner mit dem Mittelalter allerdings auch nichts.
Wolfram
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Sorry, Audiamus, deinen Hinweis hatte ich noch nicht gelesen.
Wolfram
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Kratzers Tannhäuser ist - nicht einzig in Perspektive von RT-Phoben - doch RT.
=> bildet Talk darüber im Thread gleichzeitig RT-Talk. -
Kratzers Tannhäuser ist - nicht einzig in Perspektive von RT-Phoben - doch RT.
=> bildet Talk darüber im Thread gleichzeitig RT-Talk.Richtig. Allerdings rutscht die 'Mittelalterdiskussion' dann doch zu sehr in Grundsätzliches ab und gehört schon eher z.B. in einen reinen RT-Thread.
Wolfram
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Die Frage, wieviel Mittelalter im Tannhäuser steckt, würde auch dort gut passen: WAGNER: Tannhäuser – Inbrunst im Herzen
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um Meta-Talk mal weiter hochzupeitschen:
Lasst doch diesen Thread möglichst "polyvalent" (Lucien Favre, Dortmundtrainer) rüberwachsen: inklusive Mittelalter. RT-Talk ist diese Chose seit Thread-Erstellung sowieso. -
Naja, eigentlich ging es mir eher um den kleinen und allgemeinen Hinweis, dass alle Opern (seit Monteverdi), die sich mit historischen Stoffen beschäftigen, diese Historie aus ihrer jeweiligen Sicht, musikalisch wie szenisch, geschildert haben und von daher der Verweis auf ein konkretes Mittelalterbild im Falle des aktuellen Tannhäusers eigentlich nicht zutreffend ist. Und warum man dann nicht 'locker' heute mit der Thematik umgehen kann. Das gehört sicherlich in einen RT-Thread, wurde dort aber bestimmt schon abgehandelt.
Wolfram
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Die Oper Tannhäuser und vor allem die Titelpartie trägt Züge der sog. Jungdeutschen, des Vormärz, was sich daran zeigt, dass Tannhäuser im 2. Akt heftig gegen Sexfeindschaft, verklemmte Verachtung von Eros durch die Wartburggesellschaft anstänkert. Und das hat überhaupt nix mit Mittelalter-Nostalgie-Feeling zu tun.
Oh doch, das hat überhaupt sehr viel mit Mittelalter-Nostalgie-Feeling zu tun!
Die Inszenierung hat mit dem mittelalterlichen Stoff wohl rein gar nichts zu tun, die Musik von Wagner mit dem Mittelalter allerdings auch nichts.
Erster Halbsatz: Ganz genau, völlig klar. Zweiter Halbsatz: Da bin ich mir eben nicht so sicher. Ich glaube schon, dass die Musik von Wagner etwas mit dem Mittelalter zu tun hat (Fußnote, weil irgendwer mich bestimmt wieder falsch verstehen möchte: Natürlich nicht in dem Sinne, das die Musik klingen würde wie original mittelalterliche), gerade bei ihm, bei dem Musik und Text und Szene so eng miteinander verwoben sind. Da sind wir mitten drin in der Mittelalter-Rezeption des 19. Jahrhunderts.
Wie gesagt, das wäre eine ganz eigene Diskussion, eine, bei der es um Wagner und um seine Partitur gehen würde. Mit der szenischen Umsetzung dieser Partitur hat das überhaupt nichts zu tun, deshalb auch weder mit Katzers Inszenierung in Bayreuth noch mit der Haltung zum Regietheater. -
Naja, eigentlich ging es mir eher um den kleinen und allgemeinen Hinweis, dass alle Opern (seit Monteverdi), die sich mit historischen Stoffen beschäftigen, diese Historie aus ihrer jeweiligen Sicht, musikalisch wie szenisch, geschildert haben und von daher der Verweis auf ein konkretes Mittelalterbild im Falle des aktuellen Tannhäusers eigentlich nicht zutreffend ist.
Ganz genau, und deshalb kann es unheimlich interessant und erhellend sein, nach den Geschichtsbildern der Autoren und ihres Publikums zu fragen und danach, wie sich dieses Geschichtsbild konkret im Text und in der Musik wiederfindet.
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