Kunstfreiheit vor Genderproblematik?

  • Vor allem frage ich mich, warum gerade die Mädchen als weit sangesaffinere Gruppe als so völlig uninteressant für eine altersgerechte Spitzenausbildung betrachtet werden.

    Allerdings eine gute Frage...

    Diese Chöre sollten ihren Anchronismus ablegen und sich für alle entsprechenden begabten Kinder öffnen, was neben der Abschaffung diskriminierender Kriterien auch erhebliche Vorteile für die Verankerung der klassischen Musik bei jungen Leuten, das Image dieser Schulkonzepte und keine Nachwuchssorgen mit sich brächte.

    Es wäre allerdings ein gutes Zeichen, wenn gerade so traditionsbezogene Chöre sich an dieser Stelle öffnen würden - auch wenn es logistisch ein bißchen Flexibilität erfordert.
    Ob man so eine Öffnung unbedingt juristisch einklagen muss? Ich merke, daß ich da unsicher werde/bin.

    Die englischen Stimmen ermuntern die Sinnen
    daß Alles für Freuden erwacht

  • Es gab ja vor 25 Jahren bei den Wiener Philharmonikern eine ähnliche Diskussion. Da gab es natürlich noch weniger Rechtfertigung für einen "men only club" und die Drohung mit Entzug der öffentlichen Förderung hat da auch ein ganz untraditionelles Umdenken ermöglicht. Prinzipiell finde ich, dass es sehr gut argumentiert werden muss, wenn man gewisse Personengruppen ausschließt. Wie gesagt: verbieten finde ich illiberal, aber Förderentscheidungen kann man schon davon abhängig machen, ob eine Körperschaft einem aktuellen Menschenbild anhängt oder nicht. Schließlich zahlen die "aktuellen Menschen" ja auch die Steuern.

    Im Zweifelsfall immer Haydn.

  • Tradition darf doch kein Freibrief für Diskriminierung sein! Tradition dürfte überhaupt der am meisten missbrauchte Begriff sein mit dem man alles mögliche außer Kritik stellen möchte.

    Der Vorwurf der Diskriminierung oder ein Ausgleich für angebliche Diskriminierung ist heute sicher ein weit häufiger missbrauchter Begriff als Tradition, wenn man etwas außer Kritik stellen möchte (und natürlich noch hilfreicher, wenn man öffentliche Töpfe anzapfen will).
    Ich verstehe das Argument mit der öffentlichen Förderung auch nicht ganz. Wer weder Kinder hat noch Chormusik hören will, trägt über Steuern auch zur Bezahlung solcher Institutionen bei und hat genauso viel oder wenig über deren Organisation und Führung mitzureden wie ein Chormusikfreund, wobei letzterer natürlich Spender oder Förderer werden kann. Aber normalerweise ist der Einfluss des Steuerzahler bis auf die üblichen Mitwirkungsmöglichkeiten durch Wahlen etc. "entkoppelt", wie bei allen anderen Steuerverwendungen auch. Das kann man mit guten Gründen schlecht finden, dann muss man aber weit tiefgreifende Änderungen vornehmen als männliche Gleichstellungsbeauftragte und Mädchen in Knabenchören.

    Die normale "Lösung" wäre, hervorragende gemischte Kinderchöre zu gründen und zu sehen, ob die vielleicht mittelfristig die reinen Knabenchöre verdrängen würden, weil sie wegen der vielen begabten Mädchen eh besser wären. Oder sie würden eben parallel existieren. Wo ist das Problem? Warum soll es nicht beides geben, sondern Jahrhunderte Tradition über den Haufen geworfen werden?

    Tout le malheur des hommes vient d'une seule chose, qui est de ne pas savoir demeurer en repos dans une chambre.
    (B. Pascal)

  • Die normale "Lösung" wäre, hervorragende gemischte Kinderchöre zu gründen und zu sehen, ob die vielleicht mittelfristig die reinen Knabenchöre verdrängen würden, weil sie wegen der vielen begabten Mädchen eh besser wären.

    Bis das greift, dauert es ein bis zwei Generationen. Daher bin ich dagegen, das so lange schleifen zu lassen. Und natürlich muss man nicht alles in Anspruch nehmen, was vom Staat gefördert wird, aber es sollte prinzipiell so weit, wie es geht, möglich sein. Wenn 52% der Kinder aufgrund ihres Geschlechts ausgeschlossen werden, ist das definitiv nicht der Fall.

    Im Zweifelsfall immer Haydn.

  • Hallo zusammen,

    ich finde es lustig zu sehen, wie viele Leute sich grundsätzliche Gedanken machen, wenn ein pragmatischer Umgang mit der Problematik auch möglich wäre (und hier meine ich nicht den Staats- und Domchor Berlin).

    Ich habe zwischen 9 und 21 in einem westdeutschen Knabenchor gesungen, der in der Tradition der Crucianer stand. Und ja, ich kann bei einem Knabenchor ein anderes (obertonreicheres) Singen hören als bei einem gemischten Kinderchor oder einem Mädchenchor. Da hat es ganz viele Untersuchungen von Musikwissenschaftlern gegeben, dass ein derartiger Unterschied klanglich zu erkennen ist. Wenn dieses Klangbild von der musikalischen Leitung angestrebt wird. D.h., nicht jeder Chorleiter muss diesem obertonreichen klassischen Knabenchor-Klangideal folgen, noch ist dies in Deutschland aber vermutlich führend.

    Und: in meiner Knabensopran-Zeit (bis Mitte der 1980'er Jahre) hatten wir drei junge Mädchen, die sich ideal in das Klangbild eingepasst haben, weil die damaligen Chorleiter dafür gesorgt haben, dass der Chorklang dem klassischen Knabenchor-Ideal entsprach. Als die Mädchen allerdings junge Frauen wurden, mussten sie damals recht bald den Chor verlassen, weil sie einfach anders geklungen haben. Das ging damals auch ganz unproblematisch, weil das von allen Beteiligten eingesehen worden ist.

    Und genau das ist auch das Problem beim Staats- und Domchor aus meinem Verständnis: die Mutter und Anwältin hat mit ihrer Klage bewiesen, dass sie sich nicht an das Comment in einem Chor halten will: künstlerische Entscheidungen werden von der Leitung getroffen, nicht von den Leuten mit der besseren juristischen Vertretung.

    Ich finde die Tradition der englischen oder deutschen Knabenchöre ganz wundervoll und finde diese auch weiterhin förderungswürdig. Keine Institution sollte aus meiner Sicht gezwungen werden, künstlerische Entscheidungen juristisch prüfen lassen zu müssen .... Und das ist halt der Unterschied zwischen dem Berliner Knabenchor und den Wiener Philharmonikern: für deren Männerclub Dasein gab es keine künstlerischen Gründe. Höchstens Bequemlichkeit.

    Ich denke, dass es in Berlin genügend qualitätvolle Mädchenchöre gibt, in der das Mädchen mitsingen könnte ...

    Zur Frage der Generationen bei Knabenchören kann ich nur noch hinzufügen: normalerweise singt kein Junge heutzutage länger als 5 Jahre in den Knabenstimmen eines Chors mit ....

    Gruß Benno

    Überzeugung ist der Glaube, in irgend einem Puncte der Erkenntniss im Besitze der unbedingten Wahrheit zu sein. Dieser Glaube setzt also voraus, dass es unbedingte Wahrheiten gebe; ebenfalls, dass jene vollkommenen Methoden gefunden seien, um zu ihnen zu gelangen; endlich, dass jeder, der Überzeugungen habe, sich dieser vollkommenen Methoden bediene. Alle drei Aufstellungen beweisen sofort, dass der Mensch der Überzeugungen nicht der Mensch des wissenschaftlichen Denkens ist (Nietzsche)

  • Da hat es ganz viele Untersuchungen von Musikwissenschaftlern gegeben, dass ein derartiger Unterschied klanglich zu erkennen ist.

    Wenn das so ist, Ulrica behauptete ja etwas anderes, dann bin ich natürlich in diesem Fall für die künstlerische Freiheit. Aber ich bin einfach nicht kompetent, das zu beurteilen.

    Im Zweifelsfall immer Haydn.

  • Einer meiner weltlichen Chöre hatte Gastrecht in einem röm.- kath. Proberaum. Und natürlich haben wir uns revanchiert, indem wir gelegentlich in einem katholischen Gottesdienst mit musikalischen Beiträgen den Sonntagvormittag auflockerten. Wo ist da das Problem? Beim früh aufstehen? :etsch1:
    Muß man zum Singen eines Requiems katholisch sein? Bach nur noch in evangelischen Kirchen? Was ist mit Calvinisten? Und französische Orgelmusik? :ironie1: Wie wärs mit der Ausschreibung von Jobs für eine neu zu schaffende Gesinnungspolizei, aufzustellen vor den Kirchen, die auf eine eventuelle Zugangsberechtigung prüfen und Platzverweise aussprechen wenn nicht vorhanden :boese1:

    Das verstehe ich ja alles ... und mir ist es auch nicht fremd, dass Religion dem überwiegenden Teil der Gesellschaft am Ar... vorbei geht und es ihnen egal wäre, ob sie ein katholisches "Dies Irae" oder protestantische Choräle der Reformationszeit zur Rechtfertigungstheologie sängen.

    Bin nicht sicher, ob andere Religionen da strikter sind. Ich vermute es aber stark und meine, dass ein gläubiger Jude oder Moslem nicht "Christ ist erstanden" sänge ... "Christ ist erstanden" ist sozusagen das kürzeste christliche Glaubensbekenntnis. Ist er auferstanden, so ist er Gottes Sohn und alles andere stimmt auch. Wenn er nicht Gottes Sohn ist, dann ist er auch nicht auferstanden.

    Gruß
    MB

    :wink:

    "Den Geschmack kann man nicht am Mittelgut bilden, sondern nur am Allervorzüglichsten." - Johann Wolfgang von Goethe

  • Ich habe nie verstanden oder auch nur hören können, was für ein Unterschied zwischen Buben- und Mädchenstimmen im Alter vor dem Stimmbruch sein soll [...].

    Und ja, ich kann bei einem Knabenchor ein anderes (obertonreicheres) Singen hören als bei einem gemischten Kinderchor oder einem Mädchenchor. Da hat es ganz viele Untersuchungen von Musikwissenschaftlern gegeben, dass ein derartiger Unterschied klanglich zu erkennen ist.

    Und was stimmt nun?

    :wink:

    Es grüßt Gurnemanz

    ---
    Der Kunstschaffende hat nichts zu sagen - sondern er hat: zu schaffen. Und das Geschaffene wird mehr sagen, als der Schaffende ahnt.
    Helmut Lachenmann

  • zumal es keine vergleichbaren Ausbildungskonzepte für Mädchenchöre für Kinder im fraglichen Alter gibt

    Das stimmt doch einfach nicht! Allein in Bayern gibt es 56 musische Gymnasien - die Domspatzen und die Windsbacher sind da nur zwei davon. Das gibt es auch exklusiv für Mädchen: das Theresia-Gerhardinger-Gymnasium in München z.B. (eine Verwandte von mir war dort...). In anderen Bundesländern heißt das Musikgymnasium. Und notabene gibt es seit mindestens drei Jahrzehnten auch schulunabhängige Mädchenchöre mit adäquater Ausbildung.
    Also sollte man vielleicht erst einmal differenzieren, um was es überhaupt geht: Um die Ausbildung oder um die Mitgliedschaft in einem bekannten Chor mit bekanntem Namen: Die Motive dafür sind jeweils andere.

    Ich bin sicher nicht die einzige, die aus dem Schulunterricht berichten kann, dass es, falls mal gemeinsam gesungen werden sollte, hauptsächlich die Mädchen mitgemacht, die Buben aber kaum die Bappn (den Mund ) aufgekriegt haben. Also, wenn da schon meistens die Lust dazu fehlt........

    Stimmt. Nur: Mit dieser Logik müßten auf zehn (zwanzig? dreissig?) professionelle Sängerinnen ein einsamer professioneller Sänger kommen. Völlig neue Perspektiven für die Besetzung des Falstaff... :rolleyes:
    Es gibt halt einen Unterschied zwischen einer geschichteten Stichprobe (z.B. dem Geschlecht von Schülern an musischen Gymnasien oder von Sängern in Chören) und der Allgemeinbevölkerung. Letzteres ist hier nicht relevant.

    Ansonsten könnte man auch andersherum argumentieren, daß nämlich in fast jedem Amateurchor mindestens die Hälfte der Männer wirklich gut singen kann, und von den Frauen neunzig Prozent nur solala...
    :ironie1:

    Ich habe mir immer eingebildet?, es gäbe durchaus einen Unterschied, und das auch für den Sinn von Knabenchören gehalten. Wirklich nur Einbildung? Wie kann man das testen?

    Im Doppelblindversuch. Aufnahme der selben Werke unter dem selben Leiter im selben Raum mit unterschiedlichen Ensembles...
    Weiß nicht, ob das schon mal jemand unternommen hat.


    Oder geht es dir nur um den Namen? Thomanerchor: gemischt. Wiener Sängerknaben: Nur Jungs?

    Ach was. In meinem Geburtsort gibt es seit ewigen Zeiten eine "Knabenkapelle". Schon seit ich noch ein Kleinkind war, sind da auch Mädchen drin; mittlerweile machen sie die Hälfte der Mitglieder aus. Bislang haben noch keine Eltern auf Umbenennung geklagt. Aber das kann ja noch kommen...

    Übrigens haben die Wiener Sängerknaben auch einen Mädchenchor. Das wäre vielleicht der goldene Kompromiss, der auch Mädchen ermöglicht, an geachteten Institutionen ihren Weg zu machen.

    Nicht nur die Wiener. Das gibt es z.B. auch beim Aachener Domchor (der älteste Knabenchor Deutschlands), den Kölner Domchor (dort ist der Mädchenchor das zweitälteste der vier Vokalensembles) oder die Mädchencantorei Basel als Pendent zur Knabenkantorei.
    Nur so als oberflächlichen Blick in die Angebotskiste.

    Bis das greift, dauert es ein bis zwei Generationen. Daher bin ich dagegen, das so lange schleifen zu lassen. Und natürlich muss man nicht alles in Anspruch nehmen, was vom Staat gefördert wird, aber es sollte prinzipiell so weit, wie es geht, möglich sein. Wenn 52% der Kinder aufgrund ihres Geschlechts ausgeschlossen werden, ist das definitiv nicht der Fall.

    Hallo Leute?! Ich habe den Eindruck, daß in diesem Thread irgendwie überwiegend Ideologisches breitgetreten wird, ohne tiefere Kenntnis der aktuellen Chorszene für Kinder und Jugendliche. Es GIBT da hervorragende Chöre, sowohl gemischt, als auch als reine Mädchen- oder als reine Knabenchöre. Geht einfach mal zum Europäischen Jugendchor Festival nach Basel (wo notabene die reinen Mädchenchöre ein leichtes Übergewicht über die reinen boys choires haben) oder zu Europa Cantat Junior (nächstes Jahr in Vilnius). Oder auch nur zu Eurer nächstgelegen Staatsoper: Die haben in der Regel alle einen Kinderchor, und wenn's nur projektmäßig sein sollte. Die Behauptung, daß es für Mädchen keine Optionen gäbe, in qualitativ hochwertigen Chören zu singen resp. dort eine entsprechende Ausbildung zu erhalten, ist einfach falsch. Fake News. Durch mantraartige Wiederholung wird's nicht richtiger. Da müssen wir nicht "zwei Generationen warten, bis das greift", das gibt es bereits für reine Mädchenensembles seit mindestens einer Generation und für gemischte Ensembles auch schon deutlich länger. Das ist auch kein Thema bei der Deutschen Chorjugend als Dachverband von ca. 3500 einschlägigen Ensembles, der beim Thema "Ausschluß" (von wem auch immer) ansonsten sehr aktiv ist. Und wenn jemand ganz hoch hinaus will, bewirbt er sich beim Deutschen Jugendkammerchor: steht prinzipiell allen offen, wenn ES singen kann...

    Also für mich geht's hier rein um einen bekannten Marken-Namen, nichts weiter. Alles andere ist Vorwand und Behauptung.
    Es sei denn, man könnte Singen nur in einschlägig bekannten Knabenchören lernen.

    viele Grüße

    Bustopher


    Wenn ein Kopf und ein Buch zusammenstoßen und es klingt hohl, ist denn das allemal im Buche?
    Georg Christoph Lichtenberg, Sudelbücher, Heft D (399)

  • Hallo in die Runde,

    ich kann die Untersuchungen zum Obertonreichtum der Knabenchöre leider auf die Schnelle im Netz nicht finden, ich meine, das sei eine Forschung der späten 1980'er Jahre gewesen, die vermutlich nie im Netz gelandet ist. In diesem Interview (immerhin von Roderich Kreile, einem Knabenchor-Leiter) kommt das aber noch einmal vor:

    '... Die Dresdner aus dieser Zeit würden das wohl von sich weisen, wenn man sagt, die Thomaner und die Kruzianer klangen gleich. Hier wird immer an das Mauersbergersche Klangideal einer Silbermann-Orgel erinnert – also eine gewisse Rauigkeit, ein sehr starker Obertonreichtum und ein sehr kräftiges Singen. Aber das zeichnete beide Chöre aus.
    Die Thomaner, sagten Sie damals, hätten sich vor allem in den 90er Jahren mit Georg Christoph Biller verändert.

    Kreile: Hören Sie Biller einmal selbst singen. Er hat einen schönen voluminösen Bariton. Das hat auf den Thomanerchor abgefärbt und sich in den letzten Jahren als ein rundes Klangbild stabilisiert. Ich habe ein leichteres Klangideal mit einem höheren Obertonreichtum, und so klingt der Kreuzchor jetzt. Es ist auch gut so, dass sich die Knabenchöre unterscheiden.'

    Gruß Benno

    Überzeugung ist der Glaube, in irgend einem Puncte der Erkenntniss im Besitze der unbedingten Wahrheit zu sein. Dieser Glaube setzt also voraus, dass es unbedingte Wahrheiten gebe; ebenfalls, dass jene vollkommenen Methoden gefunden seien, um zu ihnen zu gelangen; endlich, dass jeder, der Überzeugungen habe, sich dieser vollkommenen Methoden bediene. Alle drei Aufstellungen beweisen sofort, dass der Mensch der Überzeugungen nicht der Mensch des wissenschaftlichen Denkens ist (Nietzsche)

  • Hallo Leute?! Ich habe den Eindruck, daß in diesem Thread irgendwie überwiegend Ideologisches breitgetreten wird, ohne tiefere Kenntnis der aktuellen Chorszene für Kinder und Jugendliche. Es GIBT da hervorragende Chöre, sowohl gemischt, als auch als reine Mädchen- oder als reine Knabenchöre.

    Das kann schon sein, aber auf Tonträgern sind eben sehr, sehr häufig die Windsbacher, Thomaner oder Dresdner zu hören. In der Wiener Staatsoper singen die Wiener Sängerknaben (obwohl sich dort ja was getan hat!). Ich denke schon, dass das nicht unwichtig ist für die öffentliche Sichtbarkeit.

    Im Zweifelsfall immer Haydn.

  • In der Wiener Staatsoper singen die Wiener Sängerknaben (obwohl sich dort ja was getan hat!). Ich denke schon, dass das nicht unwichtig ist für die öffentliche Sichtbarkeit.

    Ich denke, da muß man differenzieren:

    Wenn Zauberflöte auf dem Plan steht, singen dort drei Knaben. Fakt (wenigstens in Wien. Woanders sind das auch schon mal drei Frauen...). Wo singen sie sonst noch?

    Wenn La Bohème auf dem Plan steht, singt der Kinderchor der Opernschule. Ebenfalls Fakt. Jungen UND Mädchen.

    In der aktuellen Spielzeit wirkt der Kinderchor der Opernschule mit in

    Carmen
    Werther
    Arabische Prinzessin
    Bernstein "MASS" im Konzerthaus und Musikverein
    La Boheme
    Hänsel und Gretel
    Matinee der Opernschule
    Konzerte des Begabtenförderungprogramms "SoloS"
    Nussknacker
    Was ist los bei den Enakos (UA)
    Andrea Chenier
    Tosca
    Berlioz: La Damnation de Faust (im Konzerthaus mit Mo. Jordan)
    Cavalleria Rusticana
    I Pagliacci
    Der Rosenkavalier
    Turandot
    Parsifal
    Macbeth
    Frau ohne Schatten
    Britten: "War Requiem" im Konzerthaus
    Otello

    Mir scheint das mit der Bedeutung der Knabenchöre (eigentlich reden wir da doch nur von einem halben Dutzend...) eine kräftige Verzerrung der Wahrnehmung zu sein. Wenn die schon hier im Forum so manifest ist, daß wir uns darüber auseinandersetzen müssen...


    Das kann schon sein, aber auf Tonträgern sind eben sehr, sehr häufig die Windsbacher, Thomaner oder Dresdner zu hören.

    Da sind wir uns aber doch hoffentlich einig, daß erfolgreiche Vermarktung ein anderes Thema ist, als Chancengleichheit oder Diskriminierung...?

    viele Grüße

    Bustopher


    Wenn ein Kopf und ein Buch zusammenstoßen und es klingt hohl, ist denn das allemal im Buche?
    Georg Christoph Lichtenberg, Sudelbücher, Heft D (399)

  • Letztlich hat Ecclitico das Thema aufgebracht:

    Insofern verstehe ich diese Einlassung nicht:

    Gruß
    MB

    Mein Gott Maui, diese Manipulation ist so billig, da rege ich mich nicht mal drüber auf. Man könnte vielleicht mal einen Fehler zugeben. Aber lassen wir das, ist reine Zeitverschwendung. Du bist jetzt der zweite User auf meiner Ignorierliste, nur als Info. Das bezieht sich auch auf PNs. Ich werde dich aber weiter lesen, lustig bist du ja. Den anderen lese ich nicht mal.

  • Ich muss das jetzt nicht verstehen, was Du meinst und auf welch seltsamen Wegen Du auf Deine (nicht wirklich) merk-würdigen Bemerkungen kommst? Vielleicht bist Du ja einfach höchstbegabt und betrachtest MinD/Mensa als Breitensportgruppe, so dass Du gar nicht nachvollziehen kannst, dass andere Deinen Gedankensprüngen einfach nicht so schnell folgen können - schon gar nicht im schriftlichen Medium. (So richtig glauben mag ich das allerdings nicht ...)

    Hoffentlich hast Du stets genug Gesprächspartner, die Du auf Augenhöhe mit Dir wähnst.

    Gruß
    MB

    :wink:

    "Den Geschmack kann man nicht am Mittelgut bilden, sondern nur am Allervorzüglichsten." - Johann Wolfgang von Goethe

  • Bin nicht sicher, ob andere Religionen da strikter sind. Ich vermute es aber stark und meine, dass ein gläubiger Jude oder Moslem nicht "Christ ist erstanden" sänge ... "Christ ist erstanden" ist sozusagen das kürzeste christliche Glaubensbekenntnis. Ist er auferstanden, so ist er Gottes Sohn und alles andere stimmt auch. Wenn er nicht Gottes Sohn ist, dann ist er auch nicht auferstanden.

    Ganz ehrlich? Mich interessieren andere Religionen nicht. Genauso wenig wie die diversen christlichen. Es wird immer jemanden geben, der mit der Peitsche alle Ungläubigen aus dem Tempel vertreibt und am Schluß alleine da steht. Aber denen muß ich kein Forum geben.

    Keine Toleranz der Intoleranz.

  • Ganz ehrlich? Mich interessieren andere Religionen nicht. Genauso wenig wie die diversen christlichen. Es wird immer jemanden geben, der mit der Peitsche alle Ungläubigen aus dem Tempel vertreibt und am Schluß alleine da steht. Aber denen muß ich kein Forum geben.

    Keine Toleranz der Intoleranz.

    Das heißt, Toleranz ist Deine Religion und Du bist Andersgläubigen gegenüber intolerant. Habe ich Dich da richtig verstanden?

    Gruß
    MB

    :wink:

    "Den Geschmack kann man nicht am Mittelgut bilden, sondern nur am Allervorzüglichsten." - Johann Wolfgang von Goethe

  • Zurück zum Thema:

    Man muß den Klang eines Knabenchors nicht mögen, aber er ist anders als bei einem gemischten Chor. Das ist letztlich eine künstlerische Entscheidung und kein überholtes Brauchtum.

    Gemischte Chöre im üblichen Sinne sind eine Veranstaltung Erwachsener. Das klingt selbstverständlich anders....(?)

    Ich weiß nicht, wie es ist, wenn ausgebildete Alkte, vielleicht sogar tiefe Alte das machen. Im Laienchorbereich finde ich es schwierig.

    Mit Ausbildung kannst du an die Sache mit bewusstem Technikeinsatz herangehen und einen Klang gezielt produzieren und vor allem immer korrigieren, wenn was auf die Stimme geht. Im Laienchor ist den Sängerinnen oft gar nicht bewusst, dass der Klangunterschied so frappant ist. Meistens drücken sie in der Tiefe, was sehr ungesund ist. Das ist auf Dauer ruinös und ich halte gar nichts davon, die Frauen zwangszuverdonnern.

    Schwierig für den Chorklang: Die Oberstimme wird halt ab c1 aufwärts (klingend) nicht strahlend wie bei Tenören, sondern bleibt eher gedeckt. Der Bereich zwischen c1 und a1, wo die Tenöre glänzen, ist beim Alt eben nur untere bis gute Mittellage. Mit Glanz wird es da schwierig. Es fehlt das aufhellende Element, welches dem engen Tonsatz und der Ansammlung mittlerer bis tiefer Stimmen zumindest klanglich auf die Beine hilft. Das ist - sorry - ein mattes Gebrumm und hat nichts mit Männerchorklang zu tun.

    Schwierig, wenn nicht sogar schädlich aber auch für die Sängerinnen. Denn die Musik spielt sich für die ersten Tenöre im Männerchor ja durchaus nicht immer ab c1 und oberhalb ab. In der tiefen Lage sind die Damen in Gefahr, gegen die stimmgewaltigen 1. Bässe, die meist im besten Komfortbereich singen, mit Überdruck zu singen. Das Ergebnis sind brustige, zu offene und gepresste Töne. Keine Freude für den Zuhörer, und für die Sängerinnen wohl auch nicht das Erlebnis einer sich im Wesentlichen natürlich und ungezwungen entfaltenden, aufblühenden eigenen Stimme. Wo man den Sängerinnen und Sängern sonst sagt, in der tiefen Lage so schlank und aufgehellt wie möglich zu singen, passiert in diesem Fall das Gegenteil: Die Damen geben Gas und mit kopfiger Aufhellung ist nichts

    Ich halte das für fahrlässig den Sängerinnen gegenüber, deren Stimmen man verhunzt. Bei Dir mag das aufgrund deiner Ausbildung anders sein, im Laienchorbereich ist es m. E. sehr grenzwertig und eigentlich schon darüber hinaus.

    Das ist alles richtig, aber bei mir ist es anders. Ich mache das schon einige Jahre lang ohne Schaden. Im Gegenteil, der Focus auf der Tiefe trägt dazu bei, mich bei meiner stimmlichen Haupttätigkeit, den Sologesang, zu unterstützen. Wichtig ist, dass ich nicht nur das mache. Genauso muss ich nach viel Wagner und Verdi immer wieder mal Bach und Händel zur Hand zu nehmen. Hilfreich für den Männerchorgesang ist auch, dass ich eine starke Tiefe habe, also bemerkbar bin. Den optimalen Tenor - Sound in dessen Höhe könnte ich allerdings nur mit Hochführen der "Bruststimme" erreichen, was ich nicht will. Ich mache eine Art sanften Falsettstrahl, der sich irgendwie zwischen die anderen 1. Tenöre legt und sich mischt. Ich finde es sehr interessant, so zu experimentieren, aber das ist, zugegeben, eine ziemlich konzentrierte Sache und ich brauche eine Weile,neue Stücke so in die Stimme zu kriegen. Für Laiensängerinnen ist das sicher nix.
    Ich war schon bei der Gründung des Chores dabei, aber andere Frauen aus gemischten Kirchenchören sind nicht gefolgt.Für ein Mädchen im Knabenchor wäre das Soziale wahrscheinlich schwieriger als mein recht entspannt - humorvolles Verhältnis zu den Sängern. Sind halt Erwachsene.

    Im Zuge der Gleichberechtigung kannst du allenfalls fordern, dass Mädchen- und gemischte Chöre genauso gefördert werden wie Knabenchöre. Dieser Forderung würde ich mich übrigens anschließen. Sie ist zwingend.

    Volle Zustimmung

    . Wenn aber tatsächlich kein Unterschied zwischen Knaben- und Mädchenstimmen besteht, wird die Sache für mich höchst fragwürdig.

    Wie gesagt, ich höre keinen der sich rein aus der Stimmenkonstellation von Mädchen und Jungen erklärt.

    Dass der Staat Steuern für welchen Verein auch immer einsammelt ist total anachronistisch

    Stimmt

    Ja, klar. Atheisten können mit Wonne christlich-geistliche Musik mitsingen, keine Frage.

    Meine ziemlich dauerhafte Sopranpartnerin z. B. versteht sich als neuheidnisch, aber ich sehe selten jemanden so oft in Kirchen rumgeistern :D .Sie singt die christlichen Texte wie die Katholischste von allen. Ich finde das immer wieder faszinierend.

    Die normale "Lösung" wäre, hervorragende gemischte Kinderchöre zu gründen und zu sehen, ob die vielleicht mittelfristig die reinen Knabenchöre verdrängen würden, weil sie wegen der vielen begabten Mädchen eh besser wären. Oder sie würden eben parallel existieren. Wo ist das Problem? Warum soll es nicht beides geben, sondern Jahrhunderte Tradition über den Haufen geworfen werden?

    Mittels einer Doku - Sendung über den Alltag der Thomaner (oder Kreuzchor, so ganau weiß ich es nicht mehr) hat sich mir einiges aus dem Alltag dieser Ausbildung erschlossen. Dass z. B. mit allen eine Einzelstimmbildung wie für Solisten intensiv durchgeführt wírd, bedarf einer aufwändigen Infrastruktur in einer Schule. Das ist jedoch sehr essentiell, auch um viele über den Stimmbruch zu bringen und bei der Stange zu halten. Sowas z. B. weiß ich von einem Mädchen- oder gemischten Kinderchor nicht. Das wäre ohne Internatsschulung u.ä. in einem normalen Chor nicht leistbar.

    Wenn man hier vergleichen will, muss das Training auch gleich sein.

    Da wundert es mich nicht, dass die auch mit den Männerstimmen hervorragende Sänger gebleiben sind Am intensivsten habe ich Stimmbildung in meinem damaligen Frauenchor erlebt mit zwei Stimmbildnerinnen

    Und: in meiner Knabensopran-Zeit (bis Mitte der 1980'er Jahre) hatten wir drei junge Mädchen, die sich ideal in das Klangbild eingepasst haben, weil die damaligen Chorleiter dafür gesorgt haben, dass der Chorklang dem klassischen Knabenchor-Ideal entsprach. Als die Mädchen allerdings junge Frauen wurden, mussten sie damals recht bald den Chor verlassen, weil sie einfach anders geklungen haben. Das ging damals auch ganz unproblematisch, weil das von allen Beteiligten eingesehen worden ist.

    Na also, spricht eher für keinen unveränderlichen Unterschied in einem bestimmten Alter. Dass das nach den Mutationen (auch Mädchen haben eine, nur merkt man die nicht so)völlig anders läuft, ist bekanntlich naturgegeben. Die jungen Männer werden für gemischte Chorsätze geholt. Die Frauen singen eben dann anders.

    Wenn das so ist, Ulrica behauptete ja etwas anderes, dann bin ich natürlich in diesem Fall für die künstlerische Freiheit. Aber ich bin einfach nicht kompetent, das zu beurteilen.

    Hier ging es um Obertonreichtum. Der stellt sich in der Regel durch Gesangsausbildung ein, also für einsprechend disponierte Stimmen beiderlei Geschlechts grundsätzlich erreichbar.

    Mit dieser Logik müßten auf zehn (zwanzig? dreissig?) professionelle Sängerinnen ein einsamer professioneller Sänger kommen

    Es sind bei den Solisten auch wesentlich mehr Frauen....

    ich kann die Untersuchungen zum Obertonreichtum der Knabenchöre leider auf die Schnelle im Netz nicht finden, ich meine, das sei eine Forschung der späten 1980'er Jahre gewesen, die vermutlich nie im Netz gelandet ist. In diesem Interview (immerhin von Roderich Kreile, einem Knabenchor-Leiter) kommt das aber noch einmal vor:

    Roderich Kreile - unter dem ich im Phlih. Chor München gesungen habe, bevor er nach Leipzig wechselte), hat hier sehr kluge Dinge gesagt, aber ich schließe daraus nicht, dass nur Jungen besonders obertonreich singen können.

    Fazit: Überzeugende Gründe für den Hype speziell um Knabengesang fehlen nach wie vor. Mir bekannte Fachliteratur sagt dazu auch nichts Spezielles.

    :wink: :wink:

    Wer kämpft, kann verlieren, wer nicht kämpft, hat schon verloren (Bert Brecht)

    ACHTUNG, hier spricht Käpt´n Niveau: WIR SINKEN!! :murg: (Postkartenspruch)

  • Fazit: Überzeugende Gründe für den Hype speziell um Knabengesang fehlen nach wie vor. Mir bekannte Fachliteratur sagt dazu auch nichts Spezielle

    Liebe Ulrica,

    ich würde sagen, Du darfst dem Fazit ein 'Mich' voranstellen. Die Tradition sieht vor, dass Knabenchöre auf obertonreichen Gesang geprägt werden.

    Ich wäre der letzte, der sagt, dass man Knabengesang hypen muss. Aber ich liebe dennoch den Klang traditioneller Knabenchöre.

    Und aus meiner Sicht vor allem: ich sehe dennoch keinen Grund, künstlerische Entscheidungen [ein Mädchen mit seinen speziellen gesanglichen Fähigkeiten nicht in einem Knabenchor mitsingen zu lassen] juristisch über den Haufen werfen zu wollen.

    Sängerischer Gruß, Benno

    Überzeugung ist der Glaube, in irgend einem Puncte der Erkenntniss im Besitze der unbedingten Wahrheit zu sein. Dieser Glaube setzt also voraus, dass es unbedingte Wahrheiten gebe; ebenfalls, dass jene vollkommenen Methoden gefunden seien, um zu ihnen zu gelangen; endlich, dass jeder, der Überzeugungen habe, sich dieser vollkommenen Methoden bediene. Alle drei Aufstellungen beweisen sofort, dass der Mensch der Überzeugungen nicht der Mensch des wissenschaftlichen Denkens ist (Nietzsche)

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