Wagner: Die Meistersinger von Nürnberg - Bayreuth 2019
Die folgenden Beiträge wurden aus dem Faden zu den Meistersingern 2017 in einen eigenen Thread umgewandelt. Braccio für die Moderation
Bayreuth, 27. August. 2019 - Die Meistersinger von Nürnberg
Knapp 30° vor dem Festspielhaus, drinnen entsprechend mehr. Warum männliche Zuschauer noch ein Jackett tragen, wenn sie es weder vor noch während der Aufführung benutzen, ist eigentlich unerfindlich.
Wir saßen Loge ganz rechts und hatten von daher schon ein bisschen mehr Beinfreiheit, aber irgendwann goutieren die müden Knochen auch das nicht mehr. Trotzdem fast ein idealer Platz, verglichen mit dem dichten Gedränge vor uns. Aber irgendwie hatte ich das Gefühl, dass die Musik hier doch ein wenig gedämpft ankam.
Langsames Dunkelwerden, gespannte Erwartung, leider von den üblichen Hustern gestört. Aber statt des Erklingens des Vorspiels aus 'mystischen Dunkel' öffnen des Vorhangs und schriftliche Mitteilungen auf einem Gaze-Vorhang. Schade eigentlich, aber zu dieser Inszenierung passend. So gilt also hier ein 'Entweder-Oder'. Und dann verzichte ich lieber auf den Effekt, denn die Regiearbeit von Barry Kosky ist wirklich fantastisch. Einerseits verfolgt er ja den Strang, dass hier die 'Meistersinger' mit dem ganzen Drum und Dran eben eine Wagnersche Kopfgeburt sind, andererseits stellt er das Thema der Beurteilung und Verurteilung von Kunst zur Diskussion. Und beides ist (fast) konsequent durchgespielt, passend zu Geschichte und Musik. Einzig auf der Festwiese empfand ich beim angestrengten 'Herumgehampel' des Chores oftmals einen gewissen Mangel an Inspiration.
Kosky hat v.a. den II. Akt sehr gegenüber der Premiere verändert. Wo zunächst eine grüne Wiese den Bühnenboden schmückte, sind es nun Versatzstücke, sprich Mobiliar, aus 'Wahnfried'. Das fand ich konsequenter durchdacht. Aber es ist v.a. der Schluss dieses Aktes, der mich immer wieder zutiefst erschüttert.
https://www.youtube.com/watch?v=gCGZJdCuFIQ
(ab 53.30)
Nun mal zur musikalischen Seite. Der Dirigent Philippe Jordan dehnte mir manchmal zu sehr die Tempi, was aber sicherlich auch der Inszenierung geschuldet war. Ansonsten habe ich die unaufgeregte, jedes Pathos vermeidende Lesart sehr genossen, v.a. auch sein differenziertes, feinfühliges Musizieren.
Bei den Sänger will ich mal mit denjenigen anfangen, die mich weniger begeistert haben. (Wobei ich ein Problem habe. Ich habe den aktuellen Besetzungszettel verloren und bin mir bei manchen Sängern nicht sicher, ob die im Programmheft ausgedruckten auch wirklich gesungen haben. )
Die Meistersinger fand ich vokal nicht unbedingt überzeugend, im Spiel dagegen schon. Egal wer's war, die Magdalene gefiel mir nicht. Zu grobschlächtig und irgendwie nicht auf Festspielniveau. Daniel Schmutzhard als Fritz Kothner allerdings durchaus, der gute und überzeugende Momente hatte.
Veit Pogner war Günther Groissböck, der schönklingend sang, mir allerdings manchmal zu wenig prägnant erschien.
Daniel Behle war erneut David. Leider brauchte er einige Zeit, um sich richtig freizusingen, aber auch dann entsprach er nicht dem, was ich von einem David vokal erwarte. Gerade das Erreichen der Höhe empfand ich als prekär. Da würde ich mir 'voix mixte' vorstellen oder sogar Kopfstimme. So ging einerseits die Jugendlichkeit der Person verloren, aber auch eine vokale Raffinesse.
Camilla Nylund gab die Eva. Auch hier wieder schöne Momente, aber insgesamt fehlten mir hier das Zarte und Jugendliche. Ein gewisser Hauch von Matronenhaftigkeit umwehte sie. Aber immerhin sang sie den Triller auf der Festwiese, schön und korrekt eingeleitet. Und der ist so wichtig!
Kommen wir zu Klaus Florian Vogt. Er war nie mein Fall und ist auch heute noch nicht. Allerdings habe ich ihn auch noch nie so gut gehört. Die Stimme hat sich verändert. Sie ist in der Zwischenzeit kerniger und männlicher geworden. Gefallen tut sie mir immer noch nicht, aber immerhin. Vogt konnte man eigentlich immer sehr gut verstehen (nicht ganz unwesentlich bei den Meistersingern, aber vorgestern keine Selbstverständlichkeit). Trotzdem habe ich immer das Gefühl, dass er nicht immer unbedingt die richtigen Töne trifft, dass es im bei der nötigen Emphase z.B. im dritten Vers des Preisliedes fehlt.
Als Beckmesser sprang kurzfristig Martin Gantner ein und ihn fand ich richtig gut. Mit deutlicher Diktion, gut geführter Stimme, sicherer Höhe, engagiertem Spiel war er wirklich mehr als nur ein Ersatz.
Und dann Michael Volle als Hans Sachs. Ich muss ja sagen, er begeisterte mich schon im Video und der Eindruck hat sich live voll bestätigt. Solch ein kluges und überzeugendes Spielen und Singen! Volle legt den Sachs sehr lyrisch an, war mir manchmal in der Phrasierung vielleicht zu umständlich und langsam, was aber durch die Regie kommt, sang aber sehr gut verständlich und ausdrucksvoll, bildete die Höhen gut und schaffte es auch noch, den Schlussmonolog mit allen vokalen Schwierigkeiten voll auszusingen. Einen einzigen Moment der Schwäche gab es, als er Stolzing als 'meine Jungfer' anstatt 'mein Junker' ansprach, was natürlich eher komisch war und nur für seine Kondition und kluge Rolleneinteilung spricht. Denn wenn das die einzige Schwäche war...
Fazit:
Musikalisch keine 'astreine' Aufführung, aber durch die Inszenierung und natürlich auch durch die Gesamtatmosphäre auf dem Grünen Hügel eigentlich ein toller Abend. Leider wurden wir durch das Hauspersonal nach Schluss des Beifalls sofort und ziemlich vehement aus dem Haus getrieben. Das Aufbauen des Tristan war da wichtiger als dem Zuschauer nochmal die Zeit für ein gewisses Nachklingen zu lassen.
Wolfram
PS: Zum Schlussapplaus erschienen auch sämtliche Bühnenarbeiter. Was für eine tolle Geste, denn die hatten ihn wirklich verdient.