Anne Riegler: Kindermusical "Joseph"

  • Anne Riegler: Kindermusical "Joseph"

    Guten Tag ihr Lieben,

    Mit etwas Verspätung kann ich von "meinem" Projekt erzählen, für das ich nun zum zweiten Mal Geld durch die Capriccio-Kulturförderung erhalten habe (nochmals vielen Dank!). "Meinem" steht in Anführungszeichen, weil es kein Alleingang war, wie 2016 die CD. Diesmal war ich Teil der Kindermusical-Produktion, die meine Eltern als Kirchenmusikdirektoren in Bad Neustadt an der Saale alle zwei Jahre groß aufziehen. Sie gehen damit meistens an die Grenze dessen, was man mit Kindern an Professionalität erreichen kann, wenn man in einer Mehrzweckhalle einen Tag für den Aufbau und einen weiteren für Proben zur Verfügung hat [Blockierte Grafik: https://www.clavio.de/media/019.1085/full?d=1543166726]

    Zwar hab ich schon oft bei vergangenen Musicals Klavier gespielt, dieses war aber trotzdem besonders für mich: Ich habe es nämlich komponiert. Damit habe ich mich auf Neuland begeben, denn in der Vergangenheit habe ich bisher nur für Klavier solo Stücke geschrieben. Durch meinen Vater, der ebenfalls Musicals komponiert hat, hatte ich ein tolles Vorbild. Zum Glück hat meinen Eltern das Musical gefallen, das ich ihnen im Sommer 2018 vorgespielt habe, und so entstand eine ganz besondere Zusammenarbeit innerhalb der Familie, die fast ein Jahr dauerte.

    Zum ersten Mal haben wir die Ideen für Kulissen und Bühnenbild mit einem Profi besprochen und realisiert, ein deutscher Bühnenbildner, den ich während meines Studiums in New York kennengelernt hatte, und der inzwischen wieder in Deutschland lebt. Bei mehreren Treffen mit einem äußerst engagierten, ehrenamtlichen Musical-Team wurden ein Teil der Kulissen im Gemeindehaus gebaut. Manches hat auch die Theaterwerkstatt Meiningen übernommen. Die tollen Kostüme hat allesamt eine Schneiderin kostenlos für uns entworfen und genäht, ebenso wie eine Parfümerie die Solisten kostenlos geschminkt hat.

    Die Kinder der drei Kinderchöre meiner Eltern haben im Januar 2019 mit den Proben begonnen, sie haben jeweils einmal die Woche für 60 Minuten Probe. Dazu kamen ein paar Zusatztermine für den ganzen Chor und viele Zusatztermine für die Solisten :D Ich konnte leider nicht oft zu den Proben kommen, weil ich just an diesem Tag einen Lehrauftrag habe, den ich schwer verschieben kann.

    Im Juli 2019 war es dann soweit, und die zwei Aufführungen standen an. Wir zittern immer etwas, ob auch Publikum kommt - wenn dem Himmel plötzlich einfällt, ein Gewitter loszuschicken oder 40° im Schatten, kann es schwierig werden... Zum Glück war die erste Aufführung schon sehr voll, und bei der zweiten herrschte (nach einem blitzschnellen, wirklich schönen Zeitungsartikel: Uraufführung in Bad Neustadt: Ein Bravo reicht beileibe nicht - Main-Post) so viel Andrang, dass aus Feuerschutzgründen leider sogar Leute nach Hause gehen mussten.

    Wer einen Blick hineinwerfen möchte, kann dies nun tun (die Videos sind mit entsprechendem Einverständnis der Eltern als "nicht gelistet" in Youtube hochgeladen):

    Eine kurze Übersicht
    https://youtu.be/Qe2hM4Fql4M

    Das gesamte Musical
    https://youtu.be/47SjU7ibgxw

    Inzwischen steht fest, dass das Stück 2020 im Carus-Verlag erscheinen wird, worüber ich mich sehr freue! Aktuell warte ich auf die erste Korrekturfahne...
    2020 wird es wieder eine Uraufführung in kleinerem Rahmen geben: Für einen Familiengottesdienst habe ich ein gut 20-minütiges Stück für Kinderchor und Klavier über die Schöpfungsgeschichte geschrieben, es heißt "Der achte Tag".

    Das Komponieren macht mir wirklich viel Spaß, und nun überlege ich, welche biblische Geschichte sich noch gut für ein Kindermusical eignet. So einfach ist das gar nicht - sie braucht eine Handlung (Hiob ist also nicht gut geeignet...), die spannend und rund ist, auf der Bühne darstellbar und für Kinder gut zu verpacken (die Offenbarung ist also auch nicht so gut geeignet... =O ). Ideen sind willkommen. Die Geschichte von Joseph und seinen Brüdern ist da tatsächlich ideal, ich hatte wirklich Glück, dass mein Vater die noch nicht "verbraten" hatte :P Die Themen sind alle sehr aktuell (Neid, Streit in der Familie, persönliche Verfehlungen, Hinterlist, Verzeihung - sogar Hungersnot und Flüchtlinge), sie ist nicht allzu grausam und sehr spannend. Nur Frauen kommen leider, wie so oft, nicht besonders gut weg.

    Viele Grüße
    Stilblüte / Anne

  • Vielen Dank für deinen Bericht. Ich finde es sehr erfreulich, daß du es sogar im Druck untergebracht hast.

    In die Aufführung konnte ich nur kurz hineinschauen - ich hoffe, ich komme demnächst dazu, es komplett zu sehen.

    "Interpretation ist mein Gemüse." Hudebux

    "Derjenige, der zum ersten Mal anstatt eines Speeres ein Schimpfwort benutzte, war der Begründer der Zivilisation." Jean Paul

    "Manchmal sind drei Punkte auch nur einfach drei Punkte..." jd

  • Vielen Dank für deinen Bericht. Ich finde es sehr erfreulich, daß du es sogar im Druck untergebracht hast.

    Gratulation auch von meiner Seite her. Ich persönlich bin kein Musical-Fan, aber kann mir die Arbeit dafür sehr gut vorstellen. Und dann das Drumherum, was man als Außenstehender erst überhaupt nicht mitbekommt oder sieht.

    Als weiteres Thema wären vielleicht eine Weihnachtsgeschichte und die Heiligen Drei Könige nachspielbar. Diese beiden Themen kamen mir zumindest gleich in den Sinn.

    Viele Grüße sendet Maurice

    Musik bedeutet, jemandem seine Geschichte zu erzählen und ist etwas ganz Persönliches. Daher ist es auch so schwierig, sie zu reproduzieren. Niemand kann ihr am Ende näher stehen als derjenige, der/die sie komponiert hat. Alle, die nach dem Komponisten kommen, können sie nur noch in verfälschter Form darbieten, denn sie erzählen am Ende wiederum ihre eigene Geschichte der Geschichte. (ist von mir)

  • Danke für eure Antworten! Die Weihnachtsgeschichte ist so eine Sache - einerseits braucht man da jedes Jahr etwas Neues (der Markt ist also endlos) andererseits wurde die Geschichte musikalisch schon hundertfach "durchgekaut". Der Verlag hat kürzlich erst bei meinem Vater eine Weihnachtsgeschichte "bestellt".

    Für die Kinder ist es immer ein riesiges Erlebnis, Teil einer solchen Aufführung zu sein. Sie können die Texte der Lieder und Dialoge oft jahrelang auswendig, manchmal noch Jahrzehnte später als Erwachsene (wie ich aus eigener Erfahrung berichten kann ;-)). So lässt sich in einem Musical sehr viel Schönes und Nützliches miteinander verbinden.
    Wobei "Musical" in dem Fall ein weitgefasster Begriff ist - mit den Musicals in Hamburg hat das musikalisch nicht so viel zu tun. Manche Komponisten nennen solche Stücke auch "Singspiel" oder "Kinderoper" oder so. Ich hab mir noch keine genauen Gedanken darüber gemacht. "Singspiel" finde ich sehr schön, denn "Oper" ist mir im gesellschaftlichen Bild zu verstaubt.

  • Super, schön mitzubekommen, daß hier wirklich was aufgebaut wird. Motiviert mich dem Verein treu zu bleiben !

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  • Hallo Anne,

    Endlich konnte ich auch Zeit finden, um mir das näher anzuschauen und anzuhören. Singspiel würde ich auch am besten finden. Generell finde ich keinen Zugang zu solchen Werken, aber es ist großartig gemacht und gelungen. Ich bin mir sicher, dass die Teilhabe der Kinder eine wunderbare Erfahrung ist. Mein Vorschlag für ein Thema ist eine meiner absoluten Lieblingsgeschichten, Jonah und der Wal. Eine tolle Geschichte über das Gottvertrauen, das sich in der Person des Jonah nach viel hin und her offenbart. Aber auch die Aktionen und Reaktionen von Jonahs Umgebung geben interessanten Stoff für ein Stück.

    Übrigens: Deine Falling Fifths finde ich himmlisch. Blühe schön weiter in deiner Kreativität! :)

    Liebe Grüße, Frank

    Gruß, Frank

    Eigentlich bin ich ganz anders, aber ich komme so selten dazu.

  • Nun war ich schon lange nicht mehr hier und bin eben wieder auf das Forum und diesen Faden gestoßen. Ich möchte nun kurz erzählen, wie es weitergegangen ist!

    Seit Februar 2021 ist das Stück endlich veröffentlicht. So sieht es aus: https://www.carus-verlag.com/musiknoten-und…en-kam-v-1.html
    Eigentlich sollte die Veröffentlichung schon im Sommer / Herbst 2020 stattfinden, aber durch Corona, Kurzarbeit und die allgemeine Weltkrise hat sich das Ganze doch etwas verzögert...

    Tatsächlich war mit dem Korrekturlesen der Druckfahnen noch unglaublich viel Arbeit verbunden, die ich (unentgeltlich) zu leisten hatte. Mehrere Durchgänge von Partitur, Chorpartitur und Einzelstimmen, die Blätter waren oft genauso rot wie schwarz... Seit der Veröffentlichung hab ich nicht mehr genauer reingeschaut, bin aber sicher, dass nun die allermeisten Fehler (hoffentlich gar alle) behoben sind :D Vor allem wurde ein sehr hochwertiges, gut lesbares Druckbild mit angenehmer und strapazierfähiger Haptik erreicht, was mir sehr wichtig war; ebenso wie ein ansprechendes (nicht comic-haftes) Cover. Am Ende bin ich also sehr zufrieden :) Ein paar nette Rezensionen gibt es wohl schon, aber soweit ich weiß, hat niemand das Stück seit der Uraufführung nochmal aufgeführt, weil schon bald darauf Corona sämtliche Chorarbeit unmöglich gemacht hat.
    Die Kinderchöre, die das Stück zur Uraufführung gebracht haben, dürfen seit einigen Monaten wieder proben. Sie wollen noch immer Joseph singen - Erinnerung an bessere Zeiten!

    In der Zwischenzeit (2019) ist noch eine kleinere Kinderkantate für den Gottesdienst entstanden, die ich über die Schöpfungsgeschichte geschrieben habe. Sie heißt "Der achte Tag" und wurde letztes Jahr "so halb" uraufgeführt, kurz vor dem zweiten Corona-Lockdown im Herbst. Mit einzelnen Kindern an Mikrofonen in abgespeckter Fassung. Außerdem habe ich zwei Lieder danach nochmal umgeschrieben, weil ich nicht ganz zufrieden war. Es handelt sich um ein Stück für den Gottesdienst (dauert so 20-25 Minuten) für Kinderchor + Klavier, ohne Spielszenen und Sprechertexte.

    Nun harren wir alle der Dinge, die da kommen. Wann wohl wieder eine Großveranstaltung wie ein Kindermusical aufführbar und durchführbar sein wird? Keiner weiß es. Wir werden sehen.

    Ich grüße alle sehr herzlich!

    Stilblüte / Anne

  • Liebe Anne, vielen Dank für Deinen Bericht! Es freut mich, daß Du Dein Stück endlich veröffentlichen konntest; das Coverbild gefällt mir gut.

    Nun drücke ich Dir fest die Daumen, daß es wieder zu Aufführungen kommen wird!

    :wink:

    Es grüßt Gurnemanz

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    Der Kunstschaffende hat nichts zu sagen - sondern er hat: zu schaffen. Und das Geschaffene wird mehr sagen, als der Schaffende ahnt.
    Helmut Lachenmann

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