BACH, Johann Sebastian: Clavierübung Teil I/ Opus 1/ Die sechs Partiten für Cembalo

  • Das funktioniert schlecht. Das heutige Klavier ist das Maß aller Dinge. Die zusätzlichen Gestaltungsmöglichkeiten über die Anschlagsdynamik sind unverzichtbar. Jedenfalls nach meiner bescheidenen Meinung.

    Helli

  • Das heutige Klavier ist vor allem ein anderes Instrument. Geschrieben wurden die Partiten natürlich für Cembalo und ihre Darstellung auf diesem Instrument ist daher per se adäquat.

    Im Zweifelsfall immer Haydn.

  • Das funktioniert schlecht. Das heutige Klavier ist das Maß aller Dinge. Die zusätzlichen Gestaltungsmöglichkeiten über die Anschlagsdynamik sind unverzichtbar. Jedenfalls nach meiner bescheidenen Meinung.

    naja... wenn das das Maß aller Dinge ist: Auf der Orgel gäbe es noch VIEL MEHR Gestaltungsmöglichkeiten :wink: :D
    (ich versuch mir's grad vorzustellen: Z.B. mit vier Werken à ca. 25 Register plus Koppeln plus Schweller im Brustwerk... :jaja1: )

    ok, andere, aber mehr. Genauso wie's auf dem modernen Klavier andere gibt als auf Cembalo andere als auf Clavichord (nein: entgegen vielfältiger Behauptung nicht notwendigerweise mehr. Andere. Ein paar fallen dort nämlich auch weg). So gesehen: Wie wär's mit Streichquartett? Posaunenchor? Vokal in Stile Jaques Loussiers? Oder gleich Orchestrierung a la Stokowski? (Der war eh' der Meinung, daß Bach et alias keine Ahnung von Instrumentierung hatten...) Mit solchen Urteilen verirrt man sich gerne schnell im Sumpf... ;) :D

    So ist das mit den Hörgewohnheiten... Die verführen zur Verabsolutierung. Hin und wieder. Kartoffeln schmecken nur als Pommes mit Ketchup. Meine Meinung! :D

    viele Grüße

    Bustopher


    Wenn ein Kopf und ein Buch zusammenstoßen und es klingt hohl, ist denn das allemal im Buche?
    Georg Christoph Lichtenberg, Sudelbücher, Heft D (399)

  • Man mag Stücke wie die Partiten als auf jedem Tasteninstrument darstellbar sehen, da zu Bachs Zeit in der Praxis Clavichord und Cembalo sicher gleichermaßen vorkamen. Orgelpositiv o.ä. in der Theorie auch, aber da sehe ich diese Stücke nicht unbedingt angemessener dargestellt (während man bei einigen Stücken aus dem WTK besser für die Orgel plädieren kann.)
    Für eine "richtige" Orgel hätte Bach sowieso normalerweise anders komponiert, nämlich mit Pedal.
    Ich gebe zu, dass mir Clavichord auf Aufnahmen fast nie gefällt. Aber die Partiten sind schon meistens extrovertiert und virtuos, daher scheint mir (wie bei CÜ 2 und 4) das Cembalo das geeignetere Instrument (allenfalls bei der a-moll könnte ich mir Clavichord, Lautenwerk etc. ganz gut vorstellen).

    Tout le malheur des hommes vient d'une seule chose, qui est de ne pas savoir demeurer en repos dans une chambre.
    (B. Pascal)

  • Hi,

    mein Einwurf weiter oben war überspitzt formuliert und rein subjektiv. Immerhin ist es Musik von Bach, die klänge auch überzeugend, wenn sie von einem gemischten Chor aus Lachmöwen und Basstölpeln dargeboten würde.

    Der Klang des Clavichords von Herrn Winters sagt mir zu, der von Herrn von Delft nicht: Zu dünn und spitz, aber das kann auch an der Aufnahme liegen.

    Mich würde eine Aufnahme interessieren, bei der eine historische Stimmung benutzt wird, habe aber noch keine gefunden (aber auch noch nicht viel gesucht).

    Helli

  • Viele oder die meisten Cembalo-Aufnahmen der letzten 50 Jahre dürften eine "historische" Stimmung verwenden, oder? Nur gibt es da auch unterschiedliche.

    Tout le malheur des hommes vient d'une seule chose, qui est de ne pas savoir demeurer en repos dans une chambre.
    (B. Pascal)

  • Der Klang des Clavichords von Herrn Winters sagt mir zu, der von Herrn von Delft nicht: Zu dünn und spitz, aber das kann auch an der Aufnahme liegen.

    Naja: Clavichord hat bauartbedingt u.U. nur einen vergleichsweise winzigen Resonanzboden. Da kommt nicht mehr raus...

    Viele oder die meisten Cembalo-Aufnahmen der letzten 50 Jahre dürften eine "historische" Stimmung verwenden, oder?

    weiß nicht... vor einem halben Jahrhundert hat man durchaus auch noch auf "modernen" Cembali mit Metallrahmen und Rasten in moderner Stimmung gespielt.

    viele Grüße

    Bustopher


    Wenn ein Kopf und ein Buch zusammenstoßen und es klingt hohl, ist denn das allemal im Buche?
    Georg Christoph Lichtenberg, Sudelbücher, Heft D (399)

  • Hat man noch. Aber die meisten heute verfügbaren Tonaufnahmen ab etwa der Generation von Leonhardt (um 1930 geboren) dürften schon auf historischen/rekonstruierten Cembali entstanden sein. D.h. wenn man heute bei Dussmann zufällig eine Cembaloaufnahme dieser Werke aus dem Regal zieht, ist es sehr wahrscheinlich nicht Landowska oder Walcha.

    Tout le malheur des hommes vient d'une seule chose, qui est de ne pas savoir demeurer en repos dans une chambre.
    (B. Pascal)

  • Sowas mag ich auf dem modernen Flügel gar nicht hören - ist ja wie Dowland auf ner Les Paul ... Bei mir stehen vier Aufnahmen rum (Ross, Pinnock, Dubreuil und eine bei Brilliant gelabelte [müsste ich jetzt nachschauen, wer da spielt; vermutlich Belder?]), die ich alle als “sehr gut” erinnere, aber tatsächlich lange, lange nicht gehört habe. Mache ich vielleicht mal wieder.

    Danke also für den Faden!

    Adieu
    Algabal

    Keine Angst vor der Kultur - es ist nur noch ein Gramm da.

  • Ja, die Brilliant Aufnahme müsste Belder sein. Von Pinnock gibt es sogar zwei (eine ältere bei Archiv, eine jüngere bei Hänssler). Ich besitze leider noch keine, obwohl ich eigentlich Pinnockfan bin.

    Im Zweifelsfall immer Haydn.

  • Mich würde eine Aufnahme interessieren, bei der eine historische Stimmung benutzt wird, habe aber noch keine gefunden (aber auch noch nicht viel gesucht).

    ich finde das hörpsychologisch kompliziert: man kann ja eine alte Stimmung benutzen, hat dann aber den Verfremdungseffekt, daß die Musik tiefer tönt als das allermeiste, was die Ohren somst zu hören kriegen - und DEN Effekt hatte die Musik DAMALS gewiss nicht.

    Die englischen Stimmen ermuntern die Sinnen
    daß Alles für Freuden erwacht

  • Lieber Philmus,

    ich habe kein absolutes Gehör, daher denke ich, dass ich den Unterschied der "Basisfrequenz", also 440 Hz +-30 Hz, nicht so wirklich höre.

    Mir geht es um etwas anderes - durch die Lage der Wolfsquinte klangen die Tonarten auch tatsächlich verschieden. Da ich nicht annehme, dass ein Cembalo oder Clavichord immer wieder neu auf die Grundtonart umgestimmt wurde, spielt es eine wesentliche Rolle, ob ein Stück in C-Dur oder fis-Moll steht.

    Mit einem Midi-File könnte ich das selber bewerkstelligen, aber dann ist die "Interpretation" grottig, und der Klang wahrscheinlich auch.

    Helli

  • wenn man heute bei Dussmann zufällig eine Cembaloaufnahme dieser Werke aus dem Regal zieht, ist es sehr wahrscheinlich nicht Landowska oder Walcha.

    das ganz sicher nicht ! :D

    motiaan : ich bin eigentlich fast überzeugt, dass die meisten (wenn nicht alle) Cembali auf neueren Aufnahmen einschlägig temperiert sind. Es steht halt nur nicht darauf. Das gehört mittlerweile bei den Cembalisten zum Selbstverständnis. Viele Orgeln sind heute übrigens auch historisch gestimmt. (Bei mir steht die nächste nur 10 km weit weg)

    viele Grüße

    Bustopher


    Wenn ein Kopf und ein Buch zusammenstoßen und es klingt hohl, ist denn das allemal im Buche?
    Georg Christoph Lichtenberg, Sudelbücher, Heft D (399)

  • Typischerweise dürfte je neuer eine Aufnahme ist, desto mehr drinstehen. Bei Mortensen/CÜ1 steht nur der Cembalobauer und das Vorbild sowie a=415 Hz. Bei Koopman (WTK II) steht gar nix. Dito bei meiner Ross-Ausgabe (in dem Bach 2000 Klotz). Bei Dantone (WTK II) steht Hersteller, Vorbild, 2 Manuale, 3 Register, 415 Hz Kirnberger.

    Tout le malheur des hommes vient d'une seule chose, qui est de ne pas savoir demeurer en repos dans une chambre.
    (B. Pascal)

  • zur Frage der Stimmungen ("Temperaturen") ein neuer Faden hier.

    ---
    Es wäre lächerlich anzunehmen, daß das, was alle, die die Sache kennen, daran sehen, von dem Künstler allein nicht gesehen worden wäre.
    (J. Chr. Lobe, Fliegende Blätter für Musik, 1855, Bd. 1, S. 24).


    Wenn du größer wirst, verkehre mehr mit Partituren als mit Virtuosen.
    (Schumann, Musikalische Haus- und Lebensregeln).

  • wenn ich motiaan richtig verstanden habe, war es nicht der Kammerton, sondern die Art der Temperatur, also Mersenne, Valotti, Werckmeister #, Kirnberger # etc.

    viele Grüße

    Bustopher


    Wenn ein Kopf und ein Buch zusammenstoßen und es klingt hohl, ist denn das allemal im Buche?
    Georg Christoph Lichtenberg, Sudelbücher, Heft D (399)

  • Mich würde eine Aufnahme interessieren, bei der eine historische Stimmung benutzt wird, habe aber noch keine gefunden (aber auch noch nicht viel gesucht).

    ich bin eigentlich fast überzeugt, dass die meisten (wenn nicht alle) Cembali auf neueren Aufnahmen einschlägig temperiert sind.

    Kann man blind davon ausgehen - es nützt ja wenig, historische Spielweisen zu rekonstruieren, wenn die Stimmung gleichmäßig temperiert wäre... :hammer1:

    Als Leonhardt sich von Skowroneck sein erstes Cembalo bauen ließ (1962), war der Zeitpunkt gekommen, die alten Eierschneider auf den Müllhaufen der Geschichte zu werfen. Gut zehn Jahre danach hat kein ernsthafter Cembalist seine Zeit an Instrumenten verbracht, die nicht auf historischen Vorbildern basierten. Das hat natürlich auch die Stimmungen betroffen, die man eingehend studiert hat.

    Da ich nicht annehme, dass ein Cembalo oder Clavichord immer wieder neu auf die Grundtonart umgestimmt wurde, spielt es eine wesentliche Rolle, ob ein Stück in C-Dur oder fis-Moll steht.

    Oh doch, die werden umgestimmt. Bei Konzerten vielleicht nicht häufig, aber bei Aufnahmen ganz sicher. Natürlich besteht der Witz darin, bei Partiten bzw. Suiten eine Stimmung für alle Sätze einzubehalten, aber bei Werken in unterschiedlichen Tonarten kann man nicht immer voraussetzten, daß die gleiche Stimmung vorliegt. Es ist eine Ermessenssache, die jeder Interpret für sich klären muß.

    "Interpretation ist mein Gemüse." Hudebux

    "Derjenige, der zum ersten Mal anstatt eines Speeres ein Schimpfwort benutzte, war der Begründer der Zivilisation." Jean Paul

    "Manchmal sind drei Punkte auch nur einfach drei Punkte..." jd

  • Hier eine Diskografie sämtlicher Einspielungen der Partiten - z.Z. immerhin um die 420 Eintragungen.

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