Temperaturen ("Stimmungen" bzw. Stimmsysteme) - historische, moderne.

  • Besaitete Tasteninstrumente lassen sich mit vertretbarem Aufwand prinzipiell auch umstimmen (Bach: Viertelstunde, sagt Forkel).

    Forkel spricht allerdings nicht vom Umstimmen, sondern möglicherweise vom morgendlichen Nachstimmen (meine ich woanders gelesen zu haben, aber das war vielleicht nur eine ergänzende Ausmalung von Forkels Angabe).

    wobei mitteltönige Stimmungen auf besaiteten Tasteninstrumenten tatsächlich wohl sehr schnell umzustimmen sind, man braucht ja normalerweise nur einen Ton und dessen Oktaven "anzufassen", diesen zudem nicht zu temperieren, sondern in reinem Verhältnis zu stimmen, also z.B.:

    (dis = reine Terz über h) ==> (es = reine Terz unter g).

    aber Kirnberger? was will man da überhaupt machen?

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    Es wäre lächerlich anzunehmen, daß das, was alle, die die Sache kennen, daran sehen, von dem Künstler allein nicht gesehen worden wäre.
    (J. Chr. Lobe, Fliegende Blätter für Musik, 1855, Bd. 1, S. 24).


    Wenn du größer wirst, verkehre mehr mit Partituren als mit Virtuosen.
    (Schumann, Musikalische Haus- und Lebensregeln).

  • Forkel spricht allerdings nicht vom Umstimmen, sondern möglicherweise vom morgendlichen Nachstimmen (meine ich woanders gelesen zu haben, aber das war vielleicht nur eine ergänzende Ausmalung von Forkels Angabe).

    das ist nicht unbedingt eine Einschränkung. Umstimmen bedeutet ja nicht komplett neu stimmen, wie bei Neubesaitung: Ob man jetzt 20 Cent hin oder herstimmt, macht jetzt nicht sooo einen großen Zeitunterschied.

    viele Grüße

    Bustopher


    Wenn ein Kopf und ein Buch zusammenstoßen und es klingt hohl, ist denn das allemal im Buche?
    Georg Christoph Lichtenberg, Sudelbücher, Heft D (399)

  • hier noch CPE Bachs Ausführungen zur Temperatur in seinem "Versuch"

    "Beyde Arten von Instrumenten [Cembali und Clavichorde] müssen gut temperirt seyn, indem man durch die Stimmung der Quinten, Quarten, Probirung der kleinen und grossen Tertien und gantzer Accorde, den meisten Quinten besonders so viel von ihrer größten Reinigkeit abnimmt, daß es das Gehör kaum mercket und man alle vier und zwantzig Ton-Arten gut brauchen kan. Durch Probirung der Quarten hat man den Vortheil, daß man die nöthige Schwebung der Quinten deutlicher hören kan, weil dieQuarten ihrem Grund-Tone näher liegen als die Quinten. Sind die Claviere so gestimmt, so kan man sie wegen der Ausübung mit Recht für die reinste Instrumente unter allen ausgeben, indem zwar einige reiner gestimmt aber nicht gespielet werden. Auf dem Claviere spielet man aus allen vier und zwantzig Ton-Arten gleich rein und welches wohl zu mercken vollstimmig, ohngeachtet die Harmonie wegen der Verhältnisse die geringste Unreinigkeit sogleich entdecket. Durch diese neue Art zu temperiren sind wir weiter gekommen als vor dem, obschon die alte Temperatur so beschaffen war, daß einige Ton-Arten reiner waren als man noch jetzo bey vielen Instrumenten antrift. Bey manchem andern Musico würde man vielleicht die Unreinigkeit eher vermercken, ohne einen Klang-Messer dabey nöthig zu haben,wenn man die hervorgebrachten melodischen Töne harmonisch hören solte. Diese Melodie betrügt uns oft und läßt uns nicht eher ihre unreinen Töne verspüren, bis diese Unreinigkeit so groß ist, als kaum bey manchem schlechtgestimmten Claviere."
    (S. 10)


    sicher wünscht man sich, CPE Bach hätte sich noch etwas genauer ausgedrückt, aber mir scheint doch klar, daß er eine der gleichschwebenden Temperatur nahekommende Art der Temperierung (ich sage absichtlich nicht "eine Temperatur") im Sinn hat - jedenfalls nichts Kirnbergerisches.

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    Es wäre lächerlich anzunehmen, daß das, was alle, die die Sache kennen, daran sehen, von dem Künstler allein nicht gesehen worden wäre.
    (J. Chr. Lobe, Fliegende Blätter für Musik, 1855, Bd. 1, S. 24).


    Wenn du größer wirst, verkehre mehr mit Partituren als mit Virtuosen.
    (Schumann, Musikalische Haus- und Lebensregeln).

  • Umstimmen bedeutet ja nicht komplett neu stimmen, wie bei Neubesaitung: Ob man jetzt 20 Cent hin oder herstimmt, macht jetzt nicht sooo einen großen Zeitunterschied.

    wie auch immer - Forkel und CPE Bach erwähnen nichts, was auf Umstimmen hindeuten würde.

    Es gibt doch diesen Bericht, wonach der alte Bach einem Schüler das ganze WTK (1 ?) vorgespielt haben soll. Ist es plausibel, daß da zwischendurch umgestimmt wurde? Zumal die chromatische Ordnung des WTK es mit sich bringt, daß ständig sehr entfernt verwandte Tonarten direkt aufeinander folgen.

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    Es wäre lächerlich anzunehmen, daß das, was alle, die die Sache kennen, daran sehen, von dem Künstler allein nicht gesehen worden wäre.
    (J. Chr. Lobe, Fliegende Blätter für Musik, 1855, Bd. 1, S. 24).


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    (Schumann, Musikalische Haus- und Lebensregeln).

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