Ludolf Nielsen - ein dänischer Komponist der Spätromantik

  • Ludolf Nielsen - ein dänischer Komponist der Spätromantik

    Liebe Capricciosi,

    im Tamino-Forum war ich dafür "bekannt", dass ich versucht habe, viele Romantiker und Spätromantiker der Skandinavischen Länder etwas mehr wieder in das Bewusstsein des Musikhörer zu bringen. So versuche ich auch hier eine hoffentlich viel diskutierte Reihe zu beginnen. Den Anfang soll mein Geheimtipp und Lieblingskomponist unter den Nordmännern machen - Ludolf Nielsen!

    Zur Person: Ludolf Nielsen wurde am 29. Januar 1876 im kleinen Bauerndorf Nørre Tvede bei Næstved auf der Insel Seeland geboren. Seine Eltern bewirtschaften einen recht großen Bauernhof, und obwohl diese keinen Bezug zur Musik hatten, fanden sich doch eine Vielzahl an Musikinstrumenten im Haus, an denen Klein-Ludolf seine ersten musikalischen Versuche machte. Bald entschieden sich die Eltern, dem ambitionierten Jungen Unterricht in der nahen Stadt Næstved geben zu lassen. So erhielt Ludolf 1884 den ersten Unterricht spielte schon bald bei verschiedenen Gelegenheiten in der Umgebung die Fidel. 1892 wird Ludolfs Traum wahr, er zieht nach Kopenhagen und erhält professionellen Unterricht in Klavier, Geige und Theorie vom renommierten Geiger Ludvig Holm erhält. Ein Jahr später entsteht seine erste bekannte Komposition – eine Elegie für Klavier und Violine in As-Dur. Das Klavierstück „Aften i skoven“ ( Abend im Wald ) folgt und offenbart bereits Nielsens Vorliebe an Naturlauten und traditionellen Tanzrhythmen. 1895 ist das Glück erneut auf seiner Seite und er bekommt einen Freiplatz am angesehenen Konservatorium, sodass er bei Otto Malling Harmonielehre, bei J.D. BondensenTheorie, bei Albert Orth Klavier und bei Valdemar Tofte (ein Schüler Joseph Joachims) Violine studieren kann. Ein Jahr später folgt eine Anstellung als Bratschist im Tivoli Orchester.
    1898 schließt er seine Ausbildung am Konservatorium ab und debütiert im Havnsøe Quartett als Bratschist. 1899 wird sein erstes Werk „Angelusklokker“ - ein Lied, öffentlich aufgeführt. Zudem erhält er die Gelegenheit sein Orchesterwerk „I Ørkenen“ - In der Wüste – mit dem Tivoliorchester zu proben. Das Werk, welches orientalische Einflüsse zeigt, offenbart bereits Nielsens geniale Instrumentierungskunst und Melodieführung. Nach offenbar recht unbedeutenden drei Jahren gelingt Nielsen 1902 der Durchbruch mit seiner sinfonischen Dichtung „Regnar Lodbrog“, welche im Tivoli mit großem Erfolg uraufgeführt wurde. Zudem wird er Bratscher im Bjørvig Quartett. Es folgen ereignisreiche Jahre. So erlebt 1903 seine 1. Sinfonie ihre Uraufführung in der Dänischen Konzertvereinigung. Von Winter 1903 bis Anfang 1904 unternimmt Nielsen eine Studienreise nach Leipzig, wo Breitkopf & Härtel sein erstes Streichquartett veröffentlichen (ohne Entlohnung um es mal anzumerken, aber Breitkopf wurde fast weltweit vertrieben). Weitere Ereignisse des Jahres sind seine Anstellung als Solobratschist und vertretender Dirigent beim Tivoliorchester. 1905 beginnt Nielsen mit historischen

    Streichinstrumenten aufzutreten und gewinnt zudem mit seiner Konzertouvertüre einen vom Komponisten Asger Hamerik ausgelobten Musikpreis für die beste Dänische Ouvertüre.

    1907 zieht Nielsen - frisch Verheiratet mit der Gymnastik- und Tanzlehrerin Ellen Paul- Petersen - in den Kopenhagener Stadtteil Hellerup. Zudem erhält er das Anckersche Legat, welches im drei Jahre Finanzzuschüsse garantiert und ihn somit unabhängig macht. Er nutzt dies und unternimmt eine Studienreise die ihn von Dresden über Nürnberg, München, Wien, Insbruck, Rom bis nach Tunesien führen sollte. Eine Typhus-Erkrankung lässt ihn nur bis Rom kommen. 1908 zieht er in die heute teuerste Wohngegend von Kopenhagen. Am 25. April 1910 wird seine zweite Sinfonie ( auch Glückssinfonie ) in der Dänischen Konzertvereinigung unter Victor Bendix mit Erfolg aufgeführt. Sie ist seiner Frau gewidmet und wurde sogar im Ausland aufgeführt. Das Jahr 1914 bringt einen großen Einschnitt in Nielsens Leben. Der erste Weltkrieg bricht aus und sorgt angeblich für eine Schaffenskrise, wie Nielsen-Biograph Jens Cornelius immer wieder schreibt. Dies ist nicht ganz richtig - wichtige Werke entstehen, die - vielleicht durch den Krieg, aber vielleicht auch durch einen Ortswechsel in ein idyllisches Fischerhaus an der Westküste - impressionistische Züge erhalten. Seine ambitioniertesten Werke der Zeit, die dritte Sinfonie sowie die chorsinfonischen Dichtung „Der Turm von Babel“ wurden jedoch nicht der versprochene Erfolg. Allerdings fand seine Oper Isbella am Königlichen Theater eine wohlwollende Aufnahme. Nach recht ereignisarmen Jahren im geduldigen Warten auf Aufführungen, führte im

    Oktober 1920 das berühmte Budapester Quartett sein 3. Streichquartett in Kopenhagen auf, welches autobiografisch durch den Tod seiner Eltern geprägt ist. 1922 hatte Nielsen seinen größten und letzten Erfolg. Das Ballett Lackschmi wurde durch seine farbenprächtig exotische Musik und der fantastischen Ausstattung ein großer Erfolg in Kopenhagen und wurde bis in die 60er Jahre noch regelmäßig in Estland als Repertoirestück gespielt. Obgleich die impressionistische Orchestersuite Skovvandring (Waldwanderung) ebenfalls ein Erfolg war, konnte sie diesen nicht einholen. Immer mehr steht Ludolf zu der Zeit am Schatten Carl Nielsens, der derführende Komponist Dänemarks geworden ist.

    1926 wird er musikalische Berater beim Dänischen Rundfunk – einen Posten den er bis zum Jahr 1932 beibehält. In diesem Jahr ist er ineinen Taxiunfall verwickelt, der es ihm unmöglich macht weiter zu arbeiten, weshalb er wohl mehr oder weniger rausgeschmissen wird. Er erkennt zudem immer mehr, dass kaum einer mehr an seiner Musik

    interessiert ist und schreibt Hörspielmusik und leichtere Musik (unter dem Pseudonym Carl
    Heinrich), die sich auf alte Werke beziehen oder in einem künstlich naiven Stil geschrieben sind. Als starker Raucher stirbt Nielsen am 16.Oktober 1939 aufgrund einer Schilddrüsenerkrankung. Er wird unter großer Anteilnahme auf dem Friedhof in Hellerup begraben. Er hinterlässt rund 200 Kompositionen aus allen Sparten. Seine Frau
    überlebt ihn um 22 Jahre und wird nebem ihm beigesetzt.


    Soviel zum Leben Ludolf Nielsens. Seine Werke sind - abgesehen von seinen wundervollen Liedern und der Opern - ganz gut auf Tonträgern eingefangen. Neben seinen drei Sinfonien, von denen die dritte mit ihren mahlerischen Zügen sicher die beste ist, gehören sein prachtvoll-archaisches Werk "Der Turm von Babel" und die Suite "Waldwanderung" zu den Werken, die Ludolf Nielsen eigentlich in die erste Reihe skandinavischer Komponisten zählen lassen sollten. Sein 3. Streichquartett mit impressionistischen bis atonalen Elemente erfreut mich in letzter Zeit größerer Beliebtheit und wurde u.a. vom Ten-Hagen-Quartett in Repertoire aufgenommen.
    Im folgenden werde ich auch gerne ein paar Werke von ihm genauer vorstellen!

    Beste Grüße
    Christian

  • Vielen Dank für die kompetente Einführung zu Ludolf Nielsen, dessen Sinfonien ich schon lange besitze und kenne. Allerdings habe ich sie mir schon lange nicht mehr angehört.

    Ich kenne vor allem die DaCapo-Einspielungen , aber auch die Zweite von CPO.

    Viele Grüße sendet Maurice

    Musik bedeutet, jemandem seine Geschichte zu erzählen und ist etwas ganz Persönliches. Daher ist es auch so schwierig, sie zu reproduzieren. Niemand kann ihr am Ende näher stehen als derjenige, der/die sie komponiert hat. Alle, die nach dem Komponisten kommen, können sie nur noch in verfälschter Form darbieten, denn sie erzählen am Ende wiederum ihre eigene Geschichte der Geschichte. (ist von mir)

  • Mir ist von einigen Jahren eine CPO CD mit Musik dieses Komponisten über den Weg gelaufen, allerdings ohne bleibenden Eindruck zu hinterlassen. Daher hab ich die Bekanntschaft auch nicht vertieft. Mir reichte der "richtige" Nielsen. :versteck1:

  • Lieber Lothar,

    schade, dass Du das so siehst! Obgleich Carl sicherlich der modernere Komponist ist (was ich in meiner Bachelorarbeit aber auch ein wenig zu korrigieren wusste), so ist LN nicht weniger interessant. Dies liegt sicher auch an der CPO Aufnahme. Ole Schmidt arbeitet in Sinfonie 2 viele Themen nicht richtig heraus, die Balancen zwischen Themen und "Begleitung" stimmt häufig nicht. Zumal mit der Berceuse ein nicht wirklich wertvolles Kleinwerk neben der ebenfalls enthaltenen, sehr hochwertigen Nocturne lyrique, eingespielt ist. Der CPO Aufnahme ist in verschiedener Hinsicht suboptimal, die Dacapo Aufnahmen mit Dirigent Frank Cramer weitaus besser. Auf YouTube finden sich nahezu alle seine Werke der Aufnahmengruppe. Gerade mit der 3. Sinfonie lässt sich der Eindruck der CPO Scheibe sicher korrigieren :)
    LG
    Christian

  • Ich möchte das mal so sagen: Es ist bei dem Ludolf Nielsen wie mit dem Joseph Joachim Raff oder Friedrich Gernsheim : Sie haben "schöne Werke" geschrieben, aber der letztendlich "bleibende Eindruck" hat sich doch in Grenzen gehalten. Dafür haben sie am Ende zu wenig eigene "Duftmarken" hinterlassen. Das meine ich überhaupt nicht böse, aber gegen Carl Nielsen oder Johannes Brahms kommen sie halt nicht an.

    Viele Grüße sendet Maurice

    Musik bedeutet, jemandem seine Geschichte zu erzählen und ist etwas ganz Persönliches. Daher ist es auch so schwierig, sie zu reproduzieren. Niemand kann ihr am Ende näher stehen als derjenige, der/die sie komponiert hat. Alle, die nach dem Komponisten kommen, können sie nur noch in verfälschter Form darbieten, denn sie erzählen am Ende wiederum ihre eigene Geschichte der Geschichte. (ist von mir)

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