Esa-Pekka Salonen - Vermittler der musikalischen Moderne?

  • Esa-Pekka Salonen - Vermittler der musikalischen Moderne?

    Liebe Capricciosi,


    Esa-Pekka Salonen ist - wenn auch eher selten in Deutschland - einer der gefragtesten Dirigenten unserer Zeit und tatsächlich auch der, der in meiner Sammlung am häufigsten vertreten ist. Doch von vorne: Salonen, geboren 1958 in Helsinki, studierte wie alle finnischen Dirigenten an der Sibelius-Akademie in der gleichen Stadt. Neben Horn und Dirigieren studierte er auch Komposition - seine Werke werden heute viel aufgeführt - mit Recht! Ein kurzfristiger Einspringjob beim Philharmonia Orchestra katapultierte ihn über Nacht in die erste Riege der Dirigenten und mit der Karriere ging es steil bergauf! 1985-1994 - erster Gastdirigent des Philharmonia Orchestras, 1985-1995 Chefdirigent beim schwedischen Radio-Sinfonie-Orchester, 1992-2009 Music Director der LA Philharmonic, 2008-2020 Chefdirigent des Philharmonia Orchestras, ab 2020 wird er Nachfolger von Michael Tilson-Thomas der San Francisco Symphony.
    In seinen innovativen Programmen setzt er einen Fokus auf Werke des 20. und 21. Jahrhunderts. In thematische Reihen wie "Vienna - City of Dreams" widmete er sich großflächig auch dem expressionistischen und atonalen Schaffen der Wiener Komponisten. Weiterhin finden sich in seinem Repertoire auch zahlreiche Werke zeitgenössicher finnischer Komponisten wie Magnus Lindberg oder Kaija Saariaho. Durch seine - wie ich finde - elektrisierenden Aufführungen, erleichtert er dem Publikum, die beim ersten Hören sperrigen Werke, spannend und intensiv zu erleben.

    Doch er ist nicht nur ein erstklassiger Dirigent moderner Werke. Seine Mahler-Aufnahmen und Aufführungen (ich hörte mal die 6. live mit ihm in London - einfach großartig!) haben Hand und Fuß, die 3. Sinfonie mit dem LA Philharmonic halte ich sogar für die beste überhaupt - da kommen meiner Meinung nach weder Bernstein noch andere andere ran. Auch nordische Musik findet sich in seinem Repertoire. Umbedingt erwähnenswert sind die wenigen Sibelius-Aufnahmen mit dem Orchester des schwedischen Rundfunks (z.T. auf youtube), die ich für einen ganz großen Wurf halte - präziser habe ich die Schlussakkorde der 5. noch nicht gehört. Seine Carl Nielsen-Aufnahmen halte ich hingegen für Schwach, ebenso die mit Werken Silvestre Revueltas. Aufmerksam auf Salonen bin ich durch seine preisgekrönte Aufnahme des Sacre mit dem LA-Philharmonic geworden. Sicher eine sehr starke Aufnahme - doch eine alte Philharmonia-Aufnahme ist noch besser. Aber genug davon - was haltet ihr von Salonen?

    Beste Grüße
    Christian

  • Aber genug davon - was haltet ihr von Salonen?


    Der landet bei meinem persönlichen Ranking von lebenden Dirigenten unter den ersten fünf. Habe ziemlich viele Aufnahmen mit ihm, natürlich auch Mahler 3. Auch eine meiner liebsten Aufnahmen dieses Werkes. Habe ihn leider bisher nur einmal live erleben dürfen, u.a. mit Mussorgskys Bilder. Auch der Komponist Salonen spricht mich an.

    doch eine alte Philharmonia-Aufnahme ist noch besser.


    Du meinst sicher dieser hier:

    Toleranz ist der Verdacht, der andere könnte Recht haben.

  • Vielen Dank für diesen Thread! :top:
    Kürzlich erschienen und wohl nur bei den Wiener Philharmonikern (online und im Shop am Kärntner Ring) sowie in Wien auch bei Gramola am Graben erhältlich ist diese CD:

    Wiener Philharmoniker Special Annual Edition 2019
    Esa-Pekka Salonen / Wiener Philharmoniker / Marianne Crebassa, Mezzosopran
    Luciano Berio: Folk Songs
    Béla Bartók: Der wunderbare Mandarin

    https://www.wienerphilharmoniker.at/shop/produkt/p…d/9003643980600

    Herzliche Grüße
    AlexanderK

  • Auch von mir ein Danke für den Thread!

    Der landet bei meinem persönlichen Ranking von lebenden Dirigenten unter den ersten fünf. Habe ziemlich viele Aufnahmen mit ihm, natürlich auch Mahler 3. Auch eine meiner liebsten Aufnahmen dieses Werkes. Habe ihn leider bisher nur einmal live erleben dürfen, u.a. mit Mussorgskys Bilder. Auch der Komponist Salonen spricht mich an.

    Geht mir auch so, sowohl was den Dirigenten betrifft, als auch den Komponisten. Salonen ist gottseidank immer wieder gern gesehener Gast des BRSO in München. Eines der Konzerte ist mir besonders in Erinnerung geblieben, in dem er unter anderem die 5. Symphonie von Sibelius und die "Eleven Gates" von Anders Hillborg dirigiert hat, wie auch auf folgender Aufnahme:

    Eines meiner Lieblingsstücke des mich ebenfalls sehr ansprechenden Komponisten aus Schweden. Was den Komponisten Salonen betrifft, da denke ich meistens sofort an "Insomnia" und natürlich an das spektakuläre "Wing on Wing", geschrieben anlässlich der Eröffnung der Walt Disney Concert Hall in LA:

    https://www.amazon.de/Wing-Insomnia-…g=UTF8&qid=&sr= (Bild geht nicht...)

    Darüber hinaus sagen mir aber auch sein Klavierkonzert oder die Tondichtung "Nyx" zu, erst recht das neue Cellokonzert für Yo-Yo Ma.

    Zum Dirigenten: Neben der bereits erwähnten Nielsen GA (eindeutig unter den Referenzaufnahmen) und dem "Sacre" aus LA gibt es auch eine seltene, aber herausragend gute Zusammenarbeit mit den Berliner Philharmonikern, und zwar "Romeo und Julia" von Prokofjew. Es interessiert mich schon seit Jahren, warum es zwischen den beiden überhaupt nicht gefunkt hat und Salonen einfach nicht mehr eingeladen wird ?( :

    Top ist auch seine Lemminkäinen-Suite, kurioserweise eine seiner wenigen Sibelius Aufnahmen auf CD. Andere Favoriten meinerseits sind die Aufnahmen der Lutoslawski-Symphonien, "Naive and Sentimental Music" von John Adams, seine Strawinsky Aufnahmen bei Sony, die Turangalila-Symphonie oder auch die Bernard Herrmann Aufnahme von Filmmusiken:


    Salonen bringt nicht nur eine an Pierre Boulez erinnernde "Objektivität" und Analytik mit, sondern immer auch eine tolle Intensität, was besonders bei Carl Nielsen positiv auffällt.

    Auf YouTube finden sich wie von Skandinavius erwähnt einige Sibelius Filme mit dem Schwedischen-Radio-Symphonieorchester aus 2000. Den "Kullervo" von Sibelius mit Peter Mattei als Solisten kann man noch anschauen, und es lohnt sich:

    https://www.youtube.com/watch?v=sqJnsukYv_E

    In gleichem Zyklus hochgeladen ist auch eine herrliche 5. von Sibelius:

    https://www.youtube.com/watch?v=lW-fEnOozfA

    Die anderen Symphonien finden sich glaube ich auch noch irgendwo in der Tube.

    „Music is a nexus. It's a conduit. It's a connection. But the connection is the thing that will, if we can ever evolve to the point if we can still mutate, if we can still change and through learning, get better. Then we can master the basic things of governance and cooperation between nations.“ - John Williams

  • die 3. Sinfonie mit dem LA Philharmonic halte ich sogar für die beste überhaupt - da kommen meiner Meinung nach weder Bernstein noch andere andere ran

    Interessant - obwohl ich dutzende von Mahler-Zyklen und Einzelaufnahmen habe, kenne ich diese noch nicht. Überhaupt ist Esa-Pekka Salonen in meiner Sammlung kaum vertreten. Das muss ich dann wohl mal ändern.

    Der Traum ist aus, allein die Nacht noch nicht.

  • Salonen bringt nicht nur eine an Pierre Boulez erinnernde "Objektivität" und Analytik mit, sondern immer auch eine tolle Intensität, was besonders bei Carl Nielsen positiv auffällt.

    Mit Salonen kenne und habe ich nur die Einzel-CD mit der Nielsen-Sinfonie Nr.2 und der Aladdin-Suite ... letztere ist aber der absolute Hammer.

    8o Ich habe mir die Nielsen-Sinfonien-GA mit VC (SONY) gerade für nen Hammerpreis von 10,74 bestellt !

    ______________

    Gruß aus Bonn

    Wolfgang

  • Dazu kommen noch die CD mit den Sinfonien Nr.3&4 von Franz Berwald, sowie "Sensemaya-Music of Silvestre Revueltas". Leider gehen da die Bilder nicht mehr richtig einzustellen. Das sind meine Favoriten, plus die beiden schon erwähnten Sibelius-CDs.

    Viele Grüße sendet Maurice

    Musik bedeutet, jemandem seine Geschichte zu erzählen und ist etwas ganz Persönliches. Daher ist es auch so schwierig, sie zu reproduzieren. Niemand kann ihr am Ende näher stehen als derjenige, der/die sie komponiert hat. Alle, die nach dem Komponisten kommen, können sie nur noch in verfälschter Form darbieten, denn sie erzählen am Ende wiederum ihre eigene Geschichte der Geschichte. (ist von mir)

  • Eines meiner Lieblingsstücke des mich ebenfalls sehr ansprechenden Komponisten aus Schweden. Was den Komponisten Salonen betrifft, da denke ich meistens sofort an "Insomnia" und natürlich an das spektakuläre "Wing on Wing", geschrieben anlässlich der Eröffnung der Walt Disney Concert Hall in LA:

    https://www.amazon.de/Wing-Insomnia-…g=UTF8&qid=&sr= (Bild geht nicht...)


    Dazu kommen noch die CD mit den Sinfonien Nr.3&4 von Franz Berwald, sowie "Sensemaya-Music of Silvestre Revueltas". Leider gehen da die Bilder nicht mehr richtig einzustellen. Das sind meine Favoriten, plus die beiden schon erwähnten Sibelius-CDs.

     

    "Musik ist für mich ein schönes Mosaik, das Gott zusammengestellt hat. Er nimmt alle Stücke in die Hand, wirft sie auf die Welt, und wir müssen das Bild zusammensetzen." (Jean Sibelius)

  • Zuerst - ich freue mich, dass dieser Thread schon so große Resonanz hat. Besonders freut mich natürlich auch, dass Salonen hier offenbar eine große Fangemeinde hat. Überrascht bin ich über den großen Zuspruch zu seiner Nielsen-GA, die ich im Einführungsbeitrag ja als schwächere Aufnahme bezeichnet habe. Meine Lieblings-GA ist die alte unter Michael Schønwandt, die ebenso zupackend ist, aber eben dänischer in der Aufführungsweise und deutlich in der Tradition großer Nielsen-Interpreten. Besonders die zweite Sinfonie finde ich unter Salonen sehr schwach - bezeichnend der 1. Satz - das Orchester findet kaum zusammen! Schade. Auch bei Revueltas bevorzuge ich z.B. Dudamel, der deutlich mehr aus den Werken herausholt. Salonen ist da etwas kühler und analytischer.
    Bzgl. Sacre und Philharmonia meinte ich diese Aufnahme. Einen fetzigeren Feuervogel habe ich tatsächlich auch noch nicht gehört. Gerade im Infernal Dance entwickeln seine Temporückungen solch eine mitreißen Sogwirkung, dass man nur jedes Mal begeistert sein kann. Die Markevitsch-Aufnahme ist natürlich auch grandios!

    Tatsächlich werden hier auch einige Aufnahmen vorgestellt, die ich noch nicht in der Sammlung habe. Aber zum Glück ist ja bald Weihnachten!
    Von seinen Kompositionen sprachen mich bisher die Kompositionen Foreign Bodies und sein Violinkonzert am meisten an. Das Violinkonzert ist eine verrückte Komposition, sicher irre schwer, aber auch sehr fetzig. Ich mags. Foreign Bodies ist eine rhythmisch stark geprägte Komposition, fast schon Maschinenmusik. Kurze floskelhafte Rhythmuspattern, überlagernd und sich neu formend, machen die Musik für sehr großes Orchester sehr reizvoll.

    LG Christian

  • Die Markevitsch-Aufnahme ist natürlich auch grandios!

    Das freut mich, dass Du das auch so siehst!! :cincinbier:

    Esa-Pekka Salonen habe ich nicht nur mit dem Philharmonia Orchestra, sondern auch verschiedentlich als Gastdirigent des NDR-Sinfonieorchesters live in Hamburg erlebt - sowohl früher in der Laeiszhalle als auch nunmehr in der Elbphilharmonie. Und jedes Mal dachte ich: Warum fragt man ihn nicht, ob er Chefdirigent des NDR-Orchesters werden möchte? Zumal die Stelle ja vor kurzem frei wurde.

    Salonen hat mit dem NDR-Orchester geradezu gezaubert. Das war so etwas wie eine blinde Übereinstimmung. Und ganz besonders ergreifend waren 2008 die beiden Aufführungen von Salonens Klavierkonzert mit Yefim Bronfman als Solist. Wenn ich mich recht erinnere, waren die beiden Hamburger Konzerte die ersten Aufführungen nach der Uraufführung mit denselben Protagonisten in den USA. Wer dieses grandiose Werk noch nicht kennt, sollte sich schleunigst diese CD besorgen:

    Sehr beeindruckend war auch die Uraufführung des Klavierkonzerts Nr. 2 von Haukur Tómasson mit Vikingur Ólafsson am Klavier und dem NDR Elbphilharmonie Orchester unter der Stabführung von Salonen am 10. Februar 2017 in der Elbphilharmonie. Ich war so begeistert, dass ich am nächsten Tag bei der Folgeaufführung gleich wieder im Saal war. Zumal der "Feuervogel", den Salonen jeweils nach der Pause gab, vom Aller-, Aller-, Allerfeinsten war.

    «Denn Du bist, was Du isst»
    (Rammstein)

  • Überrascht bin ich über den großen Zuspruch zu seiner Nielsen-GA, die ich im Einführungsbeitrag ja als schwächere Aufnahme bezeichnet habe. Meine Lieblings-GA ist die alte unter Michael Schønwandt, die ebenso zupackend ist, aber eben dänischer in der Aufführungsweise und deutlich in der Tradition großer Nielsen-Interpreten. Besonders die zweite Sinfonie finde ich unter Salonen sehr schwach - bezeichnend der 1. Satz - das Orchester findet kaum zusammen! Schade.

    Es gibt kaum eine wirklich "verhauene" GA der Nielsen-Sinfonien. Jeder hat so seine Favoriten, auch ich finde die Einspielung unter Schönwandt hervorragend, aber es gibt durchaus Alternativen zu den einzelnen Sinfonien. Etwa bei der Vierten Leonard Bernstein und Herbert von Karajan (beide nicht im Rahmen der GA, die haben beide nicht gemacht).


    Auch bei Revueltas bevorzuge ich z.B. Dudamel, der deutlich mehr aus den Werken herausholt. Salonen ist da etwas kühler und analytischer.

    Man beachte mal, dass Salonens Revueltas um einige Jahre VOR Dudamel eingespielt worden ist. Als sie damals erschienen war, war das ganz großes Kino gewesen - und ist es heute immer noch. Gerade die Latein-Amerikaner liegen nur selten den europäischen Dirigenten, wenn es nicht gerade ein Spanier oder Portugiese ist. Für einen so exzellenten Dirigenten und Komponisten wie Salonen war das sicher auch ein gewisser Reiz gewesen. Daher ziehe ich hier meinen Hut vor ihm.

    Viele Grüße sendet Maurice

    Musik bedeutet, jemandem seine Geschichte zu erzählen und ist etwas ganz Persönliches. Daher ist es auch so schwierig, sie zu reproduzieren. Niemand kann ihr am Ende näher stehen als derjenige, der/die sie komponiert hat. Alle, die nach dem Komponisten kommen, können sie nur noch in verfälschter Form darbieten, denn sie erzählen am Ende wiederum ihre eigene Geschichte der Geschichte. (ist von mir)

  • Überrascht bin ich über den großen Zuspruch zu seiner Nielsen-GA, die ich im Einführungsbeitrag ja als schwächere Aufnahme bezeichnet habe. Meine Lieblings-GA ist die alte unter Michael Schønwandt, die ebenso zupackend ist, aber eben dänischer in der Aufführungsweise und deutlich in der Tradition großer Nielsen-Interpreten. Besonders die zweite Sinfonie finde ich unter Salonen sehr schwach

    Naja, es gibt meistens bessere Einzelaufnahmen im Vergleich. Bei der 2. Symphonie finde ich Blomstedt und zuletzt vor allem Oramo (!) auch wesentlich besser. Eine Gesamtaufnahme ist eben selten rundum gelungen, v.a. bei Individualisten wie Nielsen (oder auch Sibelius). Aber im Gesamtpaket und aufgrund der wirklich starken Darbietung der Symphonien 4-6 sowie dem toll und viel zu selten gespielten Violinkonzert mit Lin ist diese Nielsen-Box von Salonen meiner Meinung nach beinahe unschlagbar und ein Muss für Liebhaber ;)

    Foreign Bodies ist eine rhythmisch stark geprägte Komposition, fast schon Maschinenmusik. Kurze floskelhafte Rhythmuspattern, überlagernd und sich neu formend, machen die Musik für sehr großes Orchester sehr reizvoll.

    Ja das fetzt, mag ich auch sehr :D
    Hier und vielleicht auch an einigen anderen Stellen ist ein gewisser Einfluss von Postminimalismus zu spüren, insbesondere John Adams natürlich. Vielleicht solltest Du mal mehr von letzterem hören, wenn dir Foreign Bodies gefällt (Slonimsky's Earbox, Guide to Strange Places, Absolute Jest z.B.) :thumbup:

    „Music is a nexus. It's a conduit. It's a connection. But the connection is the thing that will, if we can ever evolve to the point if we can still mutate, if we can still change and through learning, get better. Then we can master the basic things of governance and cooperation between nations.“ - John Williams

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