Symphonien - was sind sie, was müssen sie bieten und weshalb lieben wir sie so?

  • nicht die Form der Symphonie strahlte auf Wagners Opern aus, sondern der Anspruch des Erhabenenen, Einzigartigen und Bedeutsamen.

    ein musikgeschichtliches Statement, an das ich mich erinnere, lautet "mit der Eroica bestritt Beethoven der Oper, die höchste musikalische Gattung zu sein". Wagner hätte demgemäß eine Rolle rückwärts gemacht.

    ich glaube nicht, daß Wagners Werke nur im "Anspruch des Erhabenen, Einzigartigen und Bedeutsamen" das Erbe und die Vollendung der Sinfonie sein wollen. Auch wenn sie nicht direkt "Sonatenform" verwenden, so sind sie doch in der dichten Durcharbeitung und in der quasi logischen Entwicklung an der Sinfonie Beethovens orientiert.

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    Es wäre lächerlich anzunehmen, daß das, was alle, die die Sache kennen, daran sehen, von dem Künstler allein nicht gesehen worden wäre.
    (J. Chr. Lobe, Fliegende Blätter für Musik, 1855, Bd. 1, S. 24).


    Wenn du größer wirst, verkehre mehr mit Partituren als mit Virtuosen.
    (Schumann, Musikalische Haus- und Lebensregeln).

  • Hi,

    ich bin ja kein Fachmann. Aber. Ich finde ja, dass sich Mozarts späte Symphonien wie früher Beethoven anhören und Beethovens frühe Symphonien wie Mozart. Auch höre ich dort Überlappungen mit Haydn. Ebenso finde ich, dass Mahler 1 Verbindungen zu Beethoven hat, besonders, wenn man die Rott-Symphonie dazwischen hört (zu Bruckner finde ich irgendwie keinen Zugang).

    Helli

  • "mit der Eroica bestritt Beethoven der Oper, die höchste musikalische Gattung zu sein". Wsagner hätte demgemäß eine Rolle rückwärts gemacht.

    Nicht unbedingt, denn für Beethoven war es eben die Symphonie, in welcher er genau das verwirklichte. Die Beethovensymphonie strebt eindeutig nach "mehr" als die Oper aus der Zeit. Die Oper war enorm aufwändig und daher sehr bedeutsam, aber nicht unbedingt "weltverbesserisch" und an der Philosophie der Zeit orientiert.

    Im Zweifelsfall immer Haydn.

  • Nicht unbedingt, denn für Beethoven war es eben die Symphonie, in welcher er genau das verwirklichte. Die Beethovensymphonie strebt eindeutig nach "mehr" als die Oper aus der Zeit. Die Oper war enorm aufwändig und daher sehr bedeutsam, aber nicht unbedingt "weltverbesserisch" und an der Philosophie der Zeit orientiert.

    ich muß mich sehr schlecht ausgedrückt haben, denn etwas derartiges hatte ich gemeint.

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    Es wäre lächerlich anzunehmen, daß das, was alle, die die Sache kennen, daran sehen, von dem Künstler allein nicht gesehen worden wäre.
    (J. Chr. Lobe, Fliegende Blätter für Musik, 1855, Bd. 1, S. 24).


    Wenn du größer wirst, verkehre mehr mit Partituren als mit Virtuosen.
    (Schumann, Musikalische Haus- und Lebensregeln).

  • Ich hatte mich an der "Rolle rückwärts" gestoßen.

    Wagners "Rolle rückwärts" würde darin bestehen, daß Wagner den der Oper genommenen Vorrang erneut der Oper zukommen lassen will - indem er diese "sinfonisiert".

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    Es wäre lächerlich anzunehmen, daß das, was alle, die die Sache kennen, daran sehen, von dem Künstler allein nicht gesehen worden wäre.
    (J. Chr. Lobe, Fliegende Blätter für Musik, 1855, Bd. 1, S. 24).


    Wenn du größer wirst, verkehre mehr mit Partituren als mit Virtuosen.
    (Schumann, Musikalische Haus- und Lebensregeln).

  • Ich kann nur immer und immer wieder sagen: ja, aber das hat wenig Aussagekraft.

    Um zu verdeutlichen, was ich meine: Wir stehen vor einer Zwergspitzmaus und einem Elefanten. Putto sagt: das ist doch bitte fast dasselbe! Beide haben zwei Augen, zwei Ohren, vier Extremitäten und beide sind Säugetiere. Ich sage: ja, das stimmt, beide sind sehr eng verwandt, aber während man bei der ersten fürchten muss, irrtümlich auf sie draufzutreten, ist es bei zweitem genau umgekehrt. Es ist daher schwierig, Zwergspitzmaus und Elefant in ihrer Wirkung auf uns zu vergleichen - obwohl sie sich ja so ähnlich sind.

    Im Zweifelsfall immer Haydn.

  • Wagner hätte demgemäß eine Rolle rückwärts gemacht

    jep.

    Auch wenn sie nicht direkt "Sonatenform" verwenden, so sind sie doch in der dichten Durcharbeitung und in der quasi logischen Entwicklung an der Sinfonie Beethovens orientiert.

    Mit dem nicht unwesentlichen Unterschied, daß er das formale Gerüst des Dramas nutzt, sich also der Aufgabe entzieht, größere Formen aus quasi innermusikalischer Logik zu bestreiten oder erwachsen zu lassen.

    Die Oper war enorm aufwändig und daher sehr bedeutsam, aber nicht unbedingt "weltverbesserisch" und an der Philosophie der Zeit orientiert.

    Fidelio?
    Okay, nicht unbedingt beispielhaft für erfolgreiches Opernschaffen der Beethovenzeit...

    Die englischen Stimmen ermuntern die Sinnen
    daß Alles für Freuden erwacht

  • Um zu verdeutlichen, was ich meine: Wir stehen vor einer Zwergspitzmaus und einem Elefanten. Putto sagt: das ist doch bitte fast dasselbe! Beide haben zwei Augen, zwei Ohren, vier Extremitäten und beide sind Säugetiere. Ich sage: ja, das stimmt, beide sind sehr eng verwandt, aber während man bei der ersten fürchten muss, irrtümlich auf sie draufzutreten, ist es bei zweitem genau umgekehrt. Es ist daher schwierig, Zwergspitzmaus und Elefant in ihrer Wirkung auf uns zu vergleichen - obwohl sie sich ja so ähnlich sind.

    Na geh, eine Haydn-Sinfonie ist immer noch ein in jeder Hinsicht "großes" Werk: große Besetzung, große Dauer, großes Gewicht. Mahler hat es halt noch etwas übertrieben, aber verglichen mit dem, was es sonst noch an Kunstmusik gibt, sind die beiden nun mal sehr ähnlich.

    This play can only function if performed strictly as written and in accordance with its stage instructions, nothing added and nothing removed. (Samuel Beckett)
    playing in good Taste doth not confit of frequent Passages, but in expressing with Strength and Delicacy the Intention of the Composer (F. Geminiani)

  • Na geh, eine Haydn-Sinfonie ist immer noch ein in jeder Hinsicht "großes" Werk: große Besetzung, große Dauer, großes Gewicht.

    Also was jetzt? Wagenseil oder nicht? Große Besetzung haben wir bei Haydn auch erst ab den Parisern, welche dann auch deutlich beliebter sind als die Symphonien der 70er Jahre, welche für Esterhaza entstanden.

    Im Zweifelsfall immer Haydn.

  • Mit dem nicht unwesentlichen Unterschied, daß er das formale Gerüst des Dramas nutzt, sich also der Aufgabe entzieht, größere Formen aus quasi innermusikalischer Logik zu bestreiten oder erwachsen zu lassen.

    Genau das: "größere Formen aus quasi innermusikalischer Logik zu bestreiten oder erwachsen zu lassen" ist ja das Besondere an Sinfonie/Sonate/Streichquartett, das suchen wir darin, und deshalb lieben wir das ... ältere Konkurrenz am ehesten das spätbarocke Konzert, das ja auch ähnlich populär ist.

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  • Also was jetzt? Wagenseil oder nicht? Große Besetzung haben wir bei Haydn auch erst ab den Parisern, welche dann auch deutlich beliebter sind als die Symphonien der 70er Jahre, welche für Esterhaza entstanden.

    Ich empfinde Haydns späte Sinfonien als "große Werke" und nicht als Mäuschen, wohl auch, weil mir auch Wagenseil auf den Plattenteller kommt.

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  • Genau das: "größere Formen aus quasi innermusikalischer Logik zu bestreiten oder erwachsen zu lassen" ist ja das Besondere an Sinfonie/Sonate/Streichquartett

    Du meinst, jeder, der Symphonien mag, mag auch Streichquartette - wegen der innermusikalischen Logik?

    Im Zweifelsfall immer Haydn.

  • Mit dem nicht unwesentlichen Unterschied, daß er das formale Gerüst des Dramas nutzt, sich also der Aufgabe entzieht, größere Formen aus quasi innermusikalischer Logik zu bestreiten oder erwachsen zu lassen.

    wenn der spätere Wagner davon spricht, das Drama sei "die ersichtlich gewordenen Taten der Musik", so ist damit ascheinend doch der Anspruch verbunden, daß die Musik aus sich selbst ihre Form erzeugt, die durch das "Drama" quasi faßlich, verständlich wird.

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    Es wäre lächerlich anzunehmen, daß das, was alle, die die Sache kennen, daran sehen, von dem Künstler allein nicht gesehen worden wäre.
    (J. Chr. Lobe, Fliegende Blätter für Musik, 1855, Bd. 1, S. 24).


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  • Du meinst, jeder, der Symphonien mag, mag auch Streichquartette - wegen der innermusikalischen Logik?

    Nö, viele brauchen auch die üppige Besetzung.

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  • Ich frage mich aber schon, ob momentan die Sinfonien Mahlers oder die späten Sinfonien Mozarts populärer sind.

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  • Ich empfinde Haydns späte Sinfonien als "große Werke" und nicht als Mäuschen, wohl auch, weil mir auch Wagenseil auf den Plattenteller kommt.

    Relativ groß ja. Größer als Wagenseil (Zwergspitzmaus) aber deutlich kleiner als ein Elefant (Mahler), vielleicht ein Reh. ;)

    Ich meinte aber nicht nur die Größe des Orchesterapparats sondern auch den Bedeutungswandel (deshalb anderes Genre). Zu "Genre" steht in der Wikipedia u.a. dieses :

    "Gattung bezieht sich auf das Ausdrucksmedium, Stil auf die Formensprache, Epoche auf die räumlich-zeitliche Zuordnung, und Genre auf den thematisch-motivischen Inhalt der Kunst."

    Im Zweifelsfall immer Haydn.

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