Erich Wolfgang Korngold. Zwischen allen Stühlen.

  • Es heißt aber das Volk Jakobs/Israels und nicht das "jüdische Volk". Das impliziert Gefolgschaft, keine Rasse o.ä. Tatsache ist: Konversionen von ganzen Völkern zum Judentum haben stattgefunden (Chasaren z.B.), während viele Hebräer keine Juden waren, etwa die Ammoniter oder Phönizier. Man sollte sehr, sehr vorsichtig sein, wenn man hier die Herkunftskarte spielt, nicht?


    richtig, so etwas wie "Rasse" ist dieses "Volk" nicht, und man kann durch Konversion Mitglied dieses Volkes werden, auf der andern Seite verliert man diese Mitgliedschaft nicht, wenn man das Bekenntnis ändert oder aufgibt. Es handelt sich also nicht nur um Bekenntnissache, sondern Herkunft kann aus dem Komplex eliminiert werden. Diese Doppelung sieht gerade der moderne Staat Israel so:

    Das Rückkehrgesetz (hebräisch חוק השבות chok ha-schwut) ist ein israelisches Gesetz von 1950, das Personen jüdischer Herkunft oder jüdischen Glaubens sowie deren Ehepartnern die Einwanderung nach Israel erlaubt.

    https://de.wikipedia.org/wiki/R%C3%BCckkehrgesetz

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    Es wäre lächerlich anzunehmen, daß das, was alle, die die Sache kennen, daran sehen, von dem Künstler allein nicht gesehen worden wäre.
    (J. Chr. Lobe, Fliegende Blätter für Musik, 1855, Bd. 1, S. 24).


    Wenn du größer wirst, verkehre mehr mit Partituren als mit Virtuosen.
    (Schumann, Musikalische Haus- und Lebensregeln).

  • richtig, so etwas wie "Rasse" ist dieses "Volk" nicht, und man kann durch Konversion Mitglied dieses Volkes werden

    Es ist einfach ein Unding, den deutschen Volksbegriff auf das Judentum anzuwenden. Das traf niemals zu und wird auch nie zutreffen. Die Zurückhaltung bei Konversionen ergab sich schlichtweg aus der prekären Situation der Juden als Minderheiten in Europa und anderswo und Angst vor Repressalien. Mit einer Religion ist aber auch eine Alltagskultur verbunden. Wuchs man also in so einer Kultur auf, bleibt sie natürlich Teil von einem, egal, welche Glaubensinhalte man später im Leben für zutreffend erachtet. Es ist auch unmöglich dem Konstrukt "Jude", wie es von der Mehrheitsgesellschaft geprägt wurde, zu entkommen. Der frühere österreichische Bundeskanzler sagte sinngemäß, er als Atheist habe mit dem Judentum nichts zu schaffen, aber wenn ihn die Gesellschaft nun einmal zum Juden mache, dann müsse er das akzeptieren.
    Und schließlich der Staat Israel krankt ganz besonders an dieser nicht zu versöhnenden Diskrepanz zwischen Religion und Volk, welche die Gesellschaft fragmentiert.

    Im Zweifelsfall immer Haydn.

  • Es ist einfach ein Unding, den deutschen Volksbegriff auf das Judentum anzuwenden. Das traf niemals zu und wird auch nie zutreffen.

    völlig einverstanden, dem "deutschen" (üblichen?) Volksbegriff fehlt ja gerade wieder die Komponente der Religion. Aber die Religion ist eben nur eine Komponente des Begriffs, eine andere ist die Herkunft.

    diese Besonderheit versuche ich doch deutlich zu machen.

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    Es wäre lächerlich anzunehmen, daß das, was alle, die die Sache kennen, daran sehen, von dem Künstler allein nicht gesehen worden wäre.
    (J. Chr. Lobe, Fliegende Blätter für Musik, 1855, Bd. 1, S. 24).


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    (Schumann, Musikalische Haus- und Lebensregeln).

  • diese Besonderheit versuche ich doch deutlich zu machen.

    Das Judentum ist aber in dieser Frage doch gar nicht so besonders. Es gibt zahlreiche Religionsbekenntnisse, bei denen es eine ethnische Komponente gibt, die aber nicht essentiell für das Bestehen ist. Am ehesten kann man das Judentum, will man es nicht auf die Religion beschränken, als Kultur bezeichnen, aber selbst das würde ich angesichts der israelischen Realität als fragwürdig einstufen.

    Im Zweifelsfall immer Haydn.


  • Das Judentum ist aber in dieser Frage doch gar nicht so besonders. Es gibt zahlreiche Religionsbekenntnisse, bei denen es eine ethnische Komponente gibt, die aber nicht essentiell für das Bestehen ist. Am ehesten kann man das Judentum, will man es nicht auf die Religion beschränken, als Kultur bezeichnen, aber selbst das würde ich angesichts der israelischen Realität als fragwürdig einstufen.


    das mag sein. In Diskussionen auf Zeitungsforen finde ich allerdings oft völliges Unverständnis für diese Eigenheit, insofern würde ich von "Besonderheit" im Verhältnis zum vielfach verbreiteten Verständnis sprechen.

    Was deine früheren Beispiele angeht:

    Eine ethnische Komponente hätten dann auch die griechische, russische, etc.. Orthodoxie, die äthiopischen, koptischen und armenischen Kirchen.


    so möchte ich doch in Zweifel ziehen, daß es sich um Parallellerscheinungen zum Judentum handelt. Mögen diese christlichen Konfessionen auch innerhalb einer Ethnie besonders verbreitet sein, so denke ich doch, daß die Eigenschaft "Christ sein" durch nichts als die Taufe vermittelt wird, wie es m.W. bei mehr oder weniger allen christl. Varianten der Fall ist.

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    Es wäre lächerlich anzunehmen, daß das, was alle, die die Sache kennen, daran sehen, von dem Künstler allein nicht gesehen worden wäre.
    (J. Chr. Lobe, Fliegende Blätter für Musik, 1855, Bd. 1, S. 24).


    Wenn du größer wirst, verkehre mehr mit Partituren als mit Virtuosen.
    (Schumann, Musikalische Haus- und Lebensregeln).

  • Ich glaube, wird sollten hier diese Diskussion wirklich beenden.

    ok. Finde irgendwie keine rechte Stelle, wohin man die verlagern könnte.

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    Es wäre lächerlich anzunehmen, daß das, was alle, die die Sache kennen, daran sehen, von dem Künstler allein nicht gesehen worden wäre.
    (J. Chr. Lobe, Fliegende Blätter für Musik, 1855, Bd. 1, S. 24).


    Wenn du größer wirst, verkehre mehr mit Partituren als mit Virtuosen.
    (Schumann, Musikalische Haus- und Lebensregeln).

  • Um die Zeit herum, als Erich Wolfgang Korngold seinen Welterfolg "Die tote Stadt" schrieb, komponierte er auch eine Bühnenmusik zu Shakespeares "Much ado about nothing"/"Viel Lärm um nichts". Er fertigte dazu auch eine Orchestersuite an und richtete für Rudolf Kolisch einige Stücke für Violine und Klavier ein.
    Hier kommt jetzt aber die komplette Bühnenmusik, die ca. 45 min und 15 Stücke bietet gegenüber der Suite mit 17 min und 5 Stücken. Und nach dem ersten Hören bin ich gleich mal verzaubert und möchte keines der 15 Stücke missen. Das ist ganz wunderbare mit (scheinbar) leichter Hand komponierte, melodienreiche Musik, die auch eine gewisse nostalgische Melancholie ausstrahlt. Wunderbar. Und - ob man es glaubt oder nicht - bei John Storgards und dem Helsinki PO in den allerbesten Händen.

    ,,Allein schon die Motive und Klangfarben der insgesamt 15 Nummern faszinieren, so dass man John Storgards, der sich schon der späten Fis-Dur-Sinfonie angenommen hatte, als Überzeugungstäter bezeichnen kann. Mit höchster Bravour gelingt ihm die bei Korngold so gefährliche Wanderung auf dem schmalen Grad zwischen süffiger Klangpracht und intensiviertem Ausdruck. (...) Eine herausragende Aufnahme." (FONO FORUM, März 2013)

    Toleranz ist der Verdacht, der andere könnte Recht haben.

  • Hab' ich mir eben mal angehört. Schön gespielt, aber einen sonderlichen Gewinn gegenüber der Suite sehe ich da nicht. Die eine (nicht soo gelungene) Gesangsnummer macht die komplette Bühnenmusik nicht unverzichtbar.

    Die Suite gab's erst neulich im Livestream des Gürzenich-Orchesters zusammen mit Schrekers Kammersinfonie, Strawinskys Violinkonzert (Vilde Frang) und einer Uraufführung von Frank Pesci:

    https://www.youtube.com/watch?v=yhwuWuiashk

    Die Storgårds-Aufnahme der Fis-dur-Sinfonie habe ich jetzt angehängt. Das ist wirklich ein großartiges Stück!

    Und an die schönen Auszüge aus der Shakespeare-Suite für Cello und Klavier, die Michael Schlechtriem eingespielt hat, sei auch nochmal erinnert:

    Bernd

    Fluctuat nec mergitur

  • Auf Michaels "Scenes" CD habe ich die wohl auch zum ersten Mal gehört. Oder mit Heifetz. Für Violine ist die Much-Ado-Suite gar nicht so unbeliebt, ich habe mindestens noch eine weitere als Füller.

    Tout le malheur des hommes vient d'une seule chose, qui est de ne pas savoir demeurer en repos dans une chambre.
    (B. Pascal)

  • Die Abenteuer des Robin Hood – Musik zum Film und Literatur zur Filmmusik

    Der Film Die Abenteuer des Robin Hood [firmierte früher auch unter Robin Hood, König der Vagabunden] war Anlass meines ersten Kinobesuches. Ich war sechs Jahre alt und gerade in eine neue Lebensphase eingetreten, als ein kleines Programmkino längst vergangene und so glorreiche Kinozeiten wieder aufleben lassen, ja regelrecht beschwören wollte. Dieser Kinobesuch, der in mir heute so gegenwärtig ist, als hätte er sich erst gestern ereignet, war wie eine Offenbarung, denn alle tragenden Säulen, die für den weiteren Lebensweg des kleinen Jean von essenzieller Bedeutung sein sollten, waren hier bereits in einer einzigen Quelle vereint: Literatur, Musik und Film.

    Der austroamerikanische Komponist Erich Wolfgang Korngold [gesprochen ‚Eric Wulffgääng Corngould‘] setzte bei der Schöpfung der Filmmusik auf eine sehr ausgefeilte Leitmotivtechnik. So hat er beispielsweise für das zentrale Leitmotiv der Titelfigur Robin Hood über fünfzig Variationen verfasst, um physische, psychische oder emotionale Veränderungen des Charakters musikalisch detailreich zu spiegeln. Durch die intelligente Nutzung von Leitmotiven wird der Kinobesucher in einen höheren Wissensstand als denjenigen der agierenden Personen versetzt. Natürlich nur dem äußeren Anschein nach, denn die Schauspieler sind durch ihr gewissenhaftes Studium des Drehbuches vollumfänglich im Bilde – rein metaphorisch gesprochen. Der geneigte Opernbesucher kann hier Parallelen zu Richard Wagner und seinem Der Ring des Nibelungen ziehen.

    Wer sich intensiv und ausführlich mit Erich Wolfgang Korngolds Filmmusik zu Die Abenteuer des Robin Hood befassen möchte, dem sei dieses interessante Buch anempfohlen:

    Erich Wolfgang Korngold's The Adventures of Robin Hood
    A Film Score Guide
    Ben Winters
    Scarecrow Press

    Ein kleiner Exkurs ohne Diskurs – er dauert nicht lange:
    Wenn heute über Filmmusik von großen Hollywood-Produktionen gesprochen wird, von Größen wie John Williams, Hans Zimmer oder einem ihrer namhaften Kollegen, dann ist grundsätzlich auch von Erich Wolfgang Korngold die Rede. Seine Namensnennung im Kinoraum zielt auf den Ursprung der heutigen Filmmusik. Diese historische Quelle, diese so schillernde Musiksprache von großer Strahlkraft, wurde jedoch nicht von Korngold allein geprägt. Ganz wesentlichen Anteil an dieser Tonsprache für bewegte Bilder hatte auch Franz Schreker, der zwar nie Filmmusik komponierte – er war in erster Linie Opernkomponist –, aber mit seiner dort verwendeten Musiksprache einen wesentlichen Einfluss hatte. Schreker war wohl der meistgespielte - oder zumindest einer der meistgespielten - deutschsprachigen Opernkomponisten seiner Generation. Seine Opernpartituren sind sehr "filmisch" gedacht, nicht nur bezogen auf den Notenteil, sondern auch die Regieanweisungen betreffend.

    Ein sehr interessanter und so komplexer Stoff, aber hier ist nicht der rechte Ort dafür…

    Wann immer des Erich Wolfgang Korngold in diesem cineastischen Kontext gedacht wird, sollte auch des Franz Schreker gedacht sein. Bei mir ist das so. Immer.

    "You speak treason" - "Fluently"
    "You've come to Nottingham once too often!" - "When this is over my friend, there'll be no need for me to come again!"

  • Der Film Die Abenteuer des Robin Hood [firmierte früher auch unter Robin Hood, König der Vagabunden] war Anlass meines ersten Kinobesuches. Ich war sechs Jahre alt und gerade in eine neue Lebensphase eingetreten, als ein kleines Programmkino längst vergangene und so glorreiche Kinozeiten wieder aufleben lassen, ja regelrecht beschwören wollte. Dieser Kinobesuch, der in mir heute so gegenwärtig ist, als hätte er sich erst gestern ereignet, war wie eine Offenbarung, denn alle tragenden Säulen, die für den weiteren Lebensweg des kleinen Jean von essenzieller Bedeutung sein sollten, waren hier bereits in einer einzigen Quelle vereint: Literatur, Musik und Film.

    (...)

    Mit Korngold habe ich nichts am Hut, aber Robin Hood liebe ich natürlich. Wie könnte man ihn auch nicht lieben? Wie dem auch sei: Das ist jedenfalls total schön von Dir beschrieben. :love:

    Es ist doch erstaunlich, in welchen Momenten sich im Leben manchmal ganz neue Türen öffnen, von deren Existenz man gar nichts ahnte. Manchmal bin ich mir nicht sicher, ob das Zufall oder Bestimmung ist. :)

  • Vielen Dank für deine Offenheit, das Bekenntnis und die freundlichen Worte.

    Es ist immer beides, Zufall und Bestimmung - ein dritter Faktor kommt hinzu. Zu den entscheidenden Wendepunkten im Leben kommt es immer dann, wenn Bestimmung, Zufall und Wille aufeinandertreffen.

    Robin

    "You speak treason" - "Fluently"
    "You've come to Nottingham once too often!" - "When this is over my friend, there'll be no need for me to come again!"

  • Es wurde ja quasi jede Art von Musik als Filmmusik verwendet. Korngold scheint mir mehr als bester Filmmusiker gefeiert worden zu sein als dass er tatsächlich in dem Ausmaß dominiert hätte, war nicht Max Steiner einflussreicher? Ich habe kürzlich erstmals den Robin Hood-Film gesehen und gehört und war doch überrascht, wie untypisch der für Hollywood-Filmmusik ist, das ist ja fast mehr Ballett als Film sozusagen. Man kann das vielleicht auch mit den Herzeige-Filmmusiken in der Stummfilmära vergleichen, die auch untypisch waren, da man meist eher Fertigteile montierte. Während das in der Stummfilmzeit oft vorhandene Stücke klassischer Musik waren, so sind es später neu komponierte Teile, die immer wieder kommen, die Robin Hood-Musik in ihrer "Durcharbeitung" ist doch eher Exot. Und letztlich lenkt sie wirklich in ihrer Komplexität "zu sehr" vom "Film" ab (wenn der "Film" mal das ohne Musik ist).

    This play can only function if performed strictly as written and in accordance with its stage instructions, nothing added and nothing removed. (Samuel Beckett)
    playing in good Taste doth not confit of frequent Passages, but in expressing with Strength and Delicacy the Intention of the Composer (F. Geminiani)

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