Versuch über den künstlerischen Zauber der musikalischen Aufführung

  • Versuch über den künstlerischen Zauber der musikalischen Aufführung

    Angeregt durch den parallel laufenden Thread „Was wollen Dirigenten?“ habe ich mich gefragt, wo der Unterschied zwischen der Aufführung von musikalischem Handwerk einerseits und einem musikalischen Kunstwerk andererseits ist, was mich direkt zu der weiteren, titelgebenden Frage führte, wie dieser besondere, beglückende künstlerische Zauber der musikalischen Aufführung entsteht, den man in einigen seltenen Fällen erlebt und der sich in den persönlichen Erinnerungsschatz legt, an den man noch Jahre später glücklich zurückdenkt.

    Man denke als Einführung in die Thematik an die typische Routineaufführung eines Abonnementkonzerts am Donnerstagabend, in dem Alltagswerke der Klassik gegeben werden. Findet da Kunst statt? Oder handelt es sich „nur“ um eine professionelle Aufführung von aus Sicht der Aufführenden musikalischen Alltäglichkeiten ohne jede künstlerische Herausforderung – es wird halt routinemäßig abgeliefert.

    Baue ich einen theoretischen Gegensatz auf, den es in der Praxis nicht gibt? „Das Wort Kunst ... bezeichnet im weitesten Sinne jede entwickelte Tätigkeit, die auf Wissen, Übung, Wahrnehmung, Vorstellung und Intuition gegründet ist“, lese ich bei Wikipedia. Diesen Maßstab angelegt, gibt es keinen Zweifel, dass die Donnerstagabend-Aufführung Kunst ist.

    Diese Definition fängt aber nicht die Ursache für das Bezaubernde der Aufführung ein. Es muss ein Mehr stattfinden, damit der Funke nachhaltig überspringt. Dieses Mehr kann in einer besonderen Emotionalität (Jacqueline du Pré), einem besonderen Temperament (Natalie Dessay), einer hohen Sympathie (Rolando Villazón), einer stupenden Virtuosität (Hamelin) einem aufs Höchste ausgeprägtem Klanggefühl (Sokolov) bestehen. Diese besonderen Fähigkeiten genügen nach meinem Dafürhalten für sich jedoch noch nicht, um diesen besonderen musikalischen Zauber entstehen zu lassen. Es bedarf zusätzlich eines Verhaltens, dass den Aufführenden wie dem Publikum den gemeinsamen Eindruck vermittelt, an etwas Besonderem teilzuhaben, an einem kreativ-schöpferischen musikalischem Tun, an Kunst.

    Spannend finde ich die Frage, ob musikalische Spitzenkräfte es vermögen, mit aus ihrer Sicht professionellen Routineaufführungen beim Publikum diesen Zauber zu entfachen. Ich würde sagen: Ja, problemlos. Das gehört zu ihrem Handwerk.

    Jedoch habe ich auch Bernd im Kopf, der auf die notwendige Emotionalität verwies und erinnere ich an das von mir soeben Geschriebene, nach dem das Ideal das gemeinsame Erleben von Aufführenden und Publikum ist. Insofern möchte ich ergänzen: Selbst Profiorchester erleben Aufführungen, bei denen alles stimmt, die besser sind, als die normale, bei denen sie in einen flow geraten und denken: „Was geht denn hier ab?“ Solche Momente meine ich, denn das Publikum, alle im Saal bekommen das mit und erleben dann diesen besonderen, gemeinsamen – musikalischen – Höhepunkt.

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