Diese angesprochene Konsequenz ist ein Hinweis auf den ideologischen Gehalt des Freundenthemas, dass aber nicht nur Ideologie ist. Bereits durch die instrumentale Erscheinung dieses Themas wird nicht zuletzt die Einleitung des 4. Satzes so beeindruckend kontrastiert; aber auch z.B. der 1. Satz.
Das es üblere Dekontextualisierungen gibt, macht die Sache allerdings nicht besser. Im Gegentum. Statt Dekontextualisierungen würde ich aber gleich direkt sagen: Das Thema vollends system- und event-konform zugerichtet, plattgemacht. Alles soll dem Betrieb angepasst werden. Durch Zurichtungen dieser Art werden nicht zuletzt die letzten Reservate in der Kunst getilgt, die sich u.U. als Gegenentwürfe, als partiell unbahängig gegen die Realität erweisen könnten.
Ein paar realitätsresistente Reservate gibt's dann doch noch, Beethovens Neunte war schon lange vor der Europahymne keines mehr.
Ich weiß, wir sollen uns alle dem Getriebe der Welt entziehen usw. usf. :D, aber Beethoven hat sich mit der Schiller-Vertonung selbst in dieses Getriebe hineinbegeben.
Die Europahymne will ich gar nicht verteidigen, das ist sie mir bestimmt nicht wert. Die komplette Aufführung der Neunten zum Anlass von Hitlers Geburtstag durch Furtwängler finde ich jedoch wesentlich problematischer als die harmlose Herrichtung der Freudenmelodie für einen vergleichsweise erfreulichen Zweck.
Hab's übrigens gestern nochmal in dem oben verlinkten Buch von D. Hildebrandt nachgeschaut: Diese Einrichtung als Europahymne hat kein Geringerer vorgenommen als Herbert von Karajan . Auf eine Textierung verzichtete man aufgrund der europäischen Sprachenvielfalt.
Aber vielleicht möchte doch lieber jemand etwas zum Tempo des dritten Satzes oder zu anderen musikalischen Aspekten sagen.
Viele Grüße
Bernd