Beethoven: Sinfonie Nr. 9 d-Moll – Nur noch ein Festtagsbraten im Konzertleben?

  • 1942. Und wie gesagt: Es gibt zwei Kriegsmitschnitte von Furtwängler. Der erstere ist der ultimativ beste.

    Und sogar noch einen dritten, zwar nicht aus Berlin, sondern aus Stockholm.

    Wenn ich mich richtig erinnere, erreicht er nicht diese 'Punkqualität', nenne wir es mal so ^^ der beiden Berliner Mitschnitte. Auch nicht verwunderlich, wenn man bedenkt, wie Abhängig Furtwängler in seinen Interpretationen von den gerade herrschenden äußeren Umständen war. Und da ist ein Konzert im neutralen Schweden natürlich eine ganz andere Sache als eines im von Bombenangriffen jederzeit bedrohten Berlin und dann noch in Gegenwart der ganzen Nazi-Prominenz.

    :wink: Wolfram

    "Wieder versuchen. Wieder scheitern. Besser scheitern." (Samuel Beckett)

    "Rage, rage against the dying of the light" (Dylan Thomas)

  • Die erste Nachkriegsaufnahme des Werks mit den Wiener Philharmonikern entstand an sechs Tagen zwischen 3.11.1947 und 14.12.1947 im Großen Wiener Musikvereinssaal unter der Leitung von Herbert von Karajan (enthalten in der Warner Box Karajan Wiener Philharmoniker 1946 bis 1949). Akustisch sprengt diese Monoaufnahme ziemlich heftig die damaligen EMI-Tonpegel

    In der Box ist ja auch eine bislang unveröffentlichte Stereoaufnahme. Leider gibt das spärliche Booklet keine Hinweise, warum diese immer zurückgehalten wurde. Die Tonpegel werden da jedenfalls nicht gesprengt. ^^

    :wink: Wolfram

    "Wieder versuchen. Wieder scheitern. Besser scheitern." (Samuel Beckett)

    "Rage, rage against the dying of the light" (Dylan Thomas)

  • Wenn ich mich richtig erinnere, erreicht er nicht diese 'Punkqualität', nenne wir es mal so ^^ der beiden Berliner Mitschnitte.

    Was heißt "Wenn ich mich richtig erinnere"? Kennst Du diese Stockholmer Aufnahme und kannst Du folglich etwas aus eigener Wahrnehmung im Vergleich dieser Aufnahme zu den beiden Berliner Mitschnitten beitragen? Oder hast Du sie nie gehört und sprichst hier nur vom Hörensagen?

    und dann noch in Gegenwart der ganzen Nazi-Prominenz

    Welche Erkenntnisse hast Du über die Anwesenheit von "Nazi-Prominenz" bei den Berliner Konzerten vom 22. bis 24. März 1942? Wer war da, wer nicht? Ich zumindest habe keine Erkenntnisse darüber, wer an diesen Konzerten als Zuschauer teilnahm.

    Beim Mitschnitt vom 19. April 1942 ist natürlich bekannt, dass Goebbels in der ersten Reihe saß, während Hitler vor Wut schäumend seinem eigenen Geburtstagskonzert fernblieb. Furtwängler hatte sich standhaft geweigert, Beethovens Neunte in Gegenwart von Hitler an dessen Geburtstag, also am 20. April 1942, zu dirigieren. Er setzte es durch, dass das Konzert um einen Tag vorverlegt wurde, weswegen Hitler natürlich seine Teilnahme absagte. Die weiteren öffentlichen Affronts Furtwänglers gegen die Nazi-Riege sind im Film dokumentiert. Goebbels schüttelte ihm nach dem Konzert die Hand. Er hätte es niemals gewagt, Furtwängler gegenüber den Hitlergruß zu zeigen, weil er wusste, wie Furtwängler darauf reagieren würde. Also gab er ihm lediglich die Hand. Nach dem Handschlag nahm Furtwängler demonstrativ ein weißes Tuch aus seiner Hosentasche und wischte sich seine Hand damit ab. Deutlicher konnte man in der damaligen Zeit seine Verachtung für Geobbels nicht zum Ausdruck bringen.

    «Denn Du bist, was Du isst»
    (Rammstein)

  • In der Box ist ja auch eine bislang unveröffentlichte Stereoaufnahme. Leider gibt das spärliche Booklet keine Hinweise, warum diese immer zurückgehalten wurde. Die Tonpegel werden da jedenfalls nicht gesprengt.

    Allerdings gehört die zu dem EMI-Gesamtzyklus. Schwarzkopf ist wieder dabei, allerdings zusammen mit Höffgen, Haefliger und Edelmann. Einmal Mono und einmal Stereo vorhanden.

    :wink: Wolfram

    "Wieder versuchen. Wieder scheitern. Besser scheitern." (Samuel Beckett)

    "Rage, rage against the dying of the light" (Dylan Thomas)

  • Was heißt "Wenn ich mich richtig erinnere"? Kennst Du diese Stockholmer Aufnahme und kannst Du folglich etwas aus eigener Wahrnehmung im Vergleich dieser Aufnahme zu den beiden Berliner Mitschnitten beitragen? Oder hast Du sie nie gehört und sprichst hier nur vom Hörensagen?

    Ich habe sie zuletzt vor gefühlten 100 Jahren mal gehört. Das war damit gemeint. Aber ich werde sie mal wieder hervorkramen und dann meinen 'genaueren' Eindruck schildern.

    Welche Erkenntnisse hast Du über die Anwesenheit von "Nazi-Prominenz" bei den Berliner Konzerten vom 22. bis 24. März 1942? Wer war da, wer nicht? Ich zumindest habe keine Erkenntnisse darüber, wer an diesen Konzerten als Zuschauer teilnahm.

    Mit der Bemerkung bezog ich mich auf den 19.04.42.

    Die weiteren öffentlichen Affronts Furtwänglers gegen die Nazi-Riege sind im Film dokumentiert. Goebbels schüttelte ihm nach dem Konzert die Hand. Er hätte es niemals gewagt, Furtwängler gegenüber den Hitlergruß zu zeigen, weil er wusste, wie Furtwängler darauf reagieren würde. Also gab er ihm lediglich die Hand. Nach dem Handschlag nahm Furtwängler demonstrativ ein weißes Tuch aus seiner Hosentasche und wischte sich seine Hand damit ab. Deutlicher konnte man in der damaligen Zeit seine Verachtung für Geobbels nicht zum Ausdruck bringen.

    Schon die gesamte Vorgeschichte dieses Konzertes und die der vorangehenden Jahre war ein einziger Affront. Es war ja bei der Nazi-Prominenz sattsam bekannt, mit welchen 'Ausreden' Furtwängler immer wieder die Leitung der Geburtstagskonzerte vermieden hatte. Und auch 1942 hatte er noch mal alle Hebel in Bewegung gesetzt, war aber nicht erfolgreich mehr gewesen. Seine Haltung insgesamt wird aber auch durch sein Dirigat deutlich. V.a. das Scherzo, aber auch die gesamte Interpretation kann den Nazis nicht gefallen haben. Wenn sie denn Ohren hatte zu hören.

    :wink: Wolfram

    "Wieder versuchen. Wieder scheitern. Besser scheitern." (Samuel Beckett)

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  • Aber ich werde sie mal wieder hervorkramen und dann meinen 'genaueren' Eindruck schildern.

    Das würde mich sehr interessieren. Ich kenne diesen Stockholmer Mitschnitt bislang nicht, bin erst durch Dich auf ihn aufmerksam geworden. Meine (schon öfter mal in den letzten Jahren in diesem Forum aufgestellte) Behauptung, dass die in den Berliner Konzerten vom 22. bis 24. März 1942 entstandene Live-Aufnahme die beste Furtwängler-Aufnahme des Werks ist, bezog sich natürlich nur auf die mir bekannten Aufnahmen. Das sind nicht gerade wenige, aber Stockholm 1943 gehört nicht dazu.

    «Denn Du bist, was Du isst»
    (Rammstein)

  • So, ich habe sie mir jetzt noch einmal zu Gemüte geführt. Das ist schon typischer Furtwängler mit den Temporückungen, dem freien Umgang, dem Grüblerischen, dem Hineinhorchen und Aufspüren von Bedeutungen und Inhalten, die er subjektiv empfunden hat. Der III. Satz hat z.B. die entsprechende Länge (19' und irgendwas). Es wird zelebriert, nicht im Sinne der Bayreuther Aufführung, aber hier wird das Kunstwerk gefeiert. Vielleicht liegt über allem ein gewisser Schmerz, eine Wehmut darüber, dass es in anderen Ländern zur selben Zeit doch anders zuging.

    Aber sie hat nichts, auch gar nichts gemein mit den hektischen, extremen, schrillen und existentiellen Interpretationen aus Berlin 1942 gemein. (Wobei ich mich v.a. auf die vom 'Vorabend' beziehe.) Kein Punk. ^^ Sie ist insgesamt wesentlich entspannter, wärmer, 'normaler'. Furtwängler muss sich sehr wohl gefühlt haben in Stockholm, beziehungsweise muss geradezu aufgeatmet haben. Und wenn das stimmt, welche Anspannung lag auf ihm in Berlin. Logischerweise, da er ja dort quasi immer mit einem Bein im KZ war.

    :wink: Wolfram

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  • Nun werfe ich mal diese Version in den Ring.

    Toscanini in Buenos Aires 1941 mit Judith Hellweg, Lydia Kindermann, Rene Maison und Alexander Kipnis.

    Die Probenarbeit war wohl alles andere als leicht. Zudem war er durch Schmerzen im Arm gehandicapt. Aber ich bezweifle, dass dies allein zu solch Interpretation führen konnte.

    Natürlich, möchte man fast sagen, ist er schneller als Furtwängler in Stockholm. Aber er ist auch unerbittlicher. Und da wo Furtwängler 1942, 1943 oder auch in anderen Aufnahmen sucht, scheint Toscanini mir gefunden zu haben. Das ist ein Statement. So und so ist es eben. Und der Maestro scheint wütend darüber zu sein. Juli 1941, also noch vor Pearl Harbor, aber in einer Zeit, in der er gerade auch in Buenos Aires noch einmal mit vielen Emigranten zusammen traf.

    Vielleicht ist es bedenklich, wenn man außermusikalische Einflüsse zu sehr in eine Aufführung hineininterpretiert. Aber man soll doch nicht annehmen, dass sensible Künstler davon unbeeindruckt wären. Schon gar nicht in dieser Situation und dieser Zeit.

    Jedenfalls peitscht Toscanini geradezu das Orchester und eben auch das Publikum durch diese 9. Unerbittlich. Aber auch zwangsläufig. Als wolle er, ähnlich wie Furtwängler 1942, jedem deutlich machen, um was es hier eigentlich geht.

    Aber es wäre nicht Toscanini, wenn sich dem Hörer nur ein unerbittlich-wütendes Dirigat zeigen würde. Das hier ist in seiner Folgerichtigkeit mit dieser Innenspannung, dieser Zwangsläufigkeit, dieser nervösen Attitude einfach nur faszinierend. Ich glaube nicht, dass es für mich die ultimative Version der 9. ist (wüsste ich sowieso, welche das sein soll), aber sie ist so ungemein packend, dass ich mich ihr nicht entziehen kann.

    :wink: Wolfram

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  • Gerne doch lieber music lover. Ich denke, es sein denn man ist ein extremer Furtwängler-Sammler, ist es keine Version, die man unbedingt haben muss. Andererseits ist sie als historisches Dokument hinsichtlich seiner Interpretationen während des Krieges schon interessant.

    :wink: Wolfram

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  • Wiener Philharmoniker
    Elisabeth Schwarzkopf, Elisabeth Höngen, Julius Patzak, Hans Hotter
    Singverein der Gesellschaft der Musikfreunde
    Herbert von Karajan
    Musikverein Wien, 3.11. bis 14.12.1947

    Die erste Nachkriegsaufnahme des Werks mit den Wiener Philharmonikern entstand an sechs Tagen zwischen 3.11.1947 und 14.12.1947 im Großen Wiener Musikvereinssaal unter der Leitung von Herbert von Karajan (enthalten in der Warner Box Karajan Wiener Philharmoniker 1946 bis 1949). Akustisch sprengt diese Monoaufnahme ziemlich heftig die damaligen EMI-Tonpegel. Das verstärkt für mich den überwältigenden Eindruck des gewaltigen, elementaren Urerlebens bei der neuen Erstbegegnung mit dem Werk. Im 2. Satz verzichtet Karajan auf die beiden „Scherzo“-Wiederholungen. Im Solistenquartett Elisabeth Schwarzkopf, Elisabeth Höngen, Julius Patzak und Hans Hotter bin ich beeindruckt von Hotters volltönendem Bass und Patzaks freundlich-hellem abrundendem Tenor. Der Singverein der Gesellschaft der Musikfreunde verstärkt auch den Enthusiasmus dieser Aufnahme, die so wie ich sie höre noch weit entfernt ist von Karajans späterer kontrollierter Ästhetik. Ein Urerlebnis!

    Nach Furtwängler (1942) und Toscanini (1941) nun mal wieder der normale Alltag. ^^

    Aus meiner gerade erworbenen HvK-Box habe ich zunächst ja einmal die Version aus seinem 1. Gesamtzyklus von 1955 in der Stereo-Version gehört. Und habe gemerkt, dass man nicht Toscanini oder Furtwängler aus den entsprechenden Jahren im Ohr haben darf. Dann wird man oder werde ich sehr schnell ungerecht.

    Die 1947-Version ist wirklich großartig. Jedenfalls großartiger und spannender als die, die 1955 entstanden ist. Irgendwie scheint mir HvK später gebremster, schon eher um den reinen Klang bemüht. 1947 wagt er einfach noch mehr, kommt vielleicht auch noch eher aus sich heraus. Aber beide sind grandios dirigiert, bieten das Werk v.a. als Werk da ohne dass es mit zeitgeschichtlichem 'Bombast' befrachtet wird. Es fließt alles, die Relationen stimmen eben so wie die Übergänge, es atmet relativ schnell, aber immer natürlich.

    Aber wenn die 1947iger Version spannender ist, gibt es da nicht vielleicht doch einen Zusammenhang mit dem Zeitgeschehen? ^^

    Übrigens ist ein Schwachpunkt für mich in der '47iger Version Julius Patzak. Als Tenor in Charakterrolle schätze ich ihn sehr. Aber hier stört mich sein Timbre und seine Art des Singens doch sehr. Andererseits passt er vielleicht doch da hinein, hat doch diese Aufnahme insgesamt mehr Charakter als die gefälligere von 1955.

    In dieser Box finden sich übrigens die 3 frühen Versionen der 9. durch HvK. 1x 1947 und 2x 1955 (jeweils Mono und Stereo).

    :wink: Wolfram

    "Wieder versuchen. Wieder scheitern. Besser scheitern." (Samuel Beckett)

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  • Ich kenne diesen Stockholmer Mitschnitt bislang nicht, bin erst durch Dich auf ihn aufmerksam geworden.

    Als Info - hier sämtliche Aufnahmen Furtwänglers dieser Symphonie:

    • 1st May 1937, Queens Hall, London: Berliner Philharmoniker, Philharmonic Choir, Erna Berger (S), Gertrud Pitzinger (A), Walther Ludwig (T), Rudolf Watzke (B)
    • 22~24th Mar. 1942, Philharmonie, Berlin: Berliner Philharmoniker, Bruno Kittel Choir, Tilla Briem (S), Elisabeth Höngen (A), Peter Anders (T), Rudolf Watzke (B)
    • 19th Apr. 1942, Philharmonie, Berlin: Berliner Philharmoniker, Bruno Kittel Choir, Erna Berger (S), Gertrude Pitzinger (A), Helge Rosvaenge (T), Rudolf Watzke (B)
    • 8th Dec. 1943, Stockholm: Stockholm Konsertförenings Orkester, Musikalista Sällskapets Kor, Hjördis Schymberg (S), Lisa Tunell (A), Gösta Bäckelin (T), Sigurd Björling (B)
    • 28th May 1949, La Scala, Milano: Coro e Orchestra del Teatro alla Scala, Cecil (S), Giulietta Simionato (MS), Prandelli (T), Cesare Siepi (B) [unreleased]
    • 7th Jan. 1951, Wien: Wiener Philharmoniker, Wiener Singakademie, Irmgard Seefried (S), Rosette Anday (A), Julius Patzak (T), Otto Edelmann (B)
    • 29th Jul. 1951, Festspielhaus, Bayreuth (the first opening performance of Bayreuth Festival after WWII): Chor und Orchester der Bayreuther Festspiele, Elisabeth Schwarzkopf (S), Elisabeth Höngen (A), Hans Hopf (T), Otto Edelmann (B)
    • 31st Aug. 1951, Festspielhaus, Salzburg: Wiener Philharmoniker, Wiener Singakademie, Irmgard Seefried (S), Sieglinde Wagner (A), Anton Dermota (T), Josef Greindl (B)
    • 3rd Feb. 1952, Großer Saal, Musikverein, Wien (Archive from Sendergruppe Rotweissrot): Wiener Philharmoniker, Wiener Singakademie, Hilde Güden (S), Rosette Anday (A), Julius Patzak (T), Alfred Poell (B)
    • 30th May 1953, Musikvereinssaal, Wien: Wiener Philharmoniker, Wiener Singakademie, Irmgard Seefried (S), Rosette Anday (A), Anton Dermota (T), Paul Schöffler (B)
    • 31st May 1953, Musikvereinssaal, Wien: Wiener Philharmoniker, Wiener Singakademie, Irmgard Seefried (S), Rosette Anday (A), Anton Dermota (T), Paul Schöffler (B)
    • 9th Aug. 1954, Festspielhaus, Bayreuth: Chor und Orchester der Bayreuther Festspiele, Gré Brouwenstijn (S), Ira Malaniuk (A), Wolfgang Windgassen (T), Ludwig Weber (B)
    • 22nd Aug. 1954, Lucerne (at Lucerne Festival; his last performance of this work): Philharmonia Orchestra, Lucerne Festival Choir, Elisabeth Schwarzkopf (S), Elsa Cavelti (A), Ernst Haefliger (T), Otto Edelmann (B)

    13 Aufnahmen in 17 Jahren.

    "Interpretation ist mein Gemüse." Hudebux

    "Derjenige, der zum ersten Mal anstatt eines Speeres ein Schimpfwort benutzte, war der Begründer der Zivilisation." Jean Paul

    "Manchmal sind drei Punkte auch nur einfach drei Punkte..." jd

  • Druck

    Furtwaengler war sicher nicht in Gefahr,ins KZ zu kommen.Für ihn reichte es schon,dass man ihm mit Karajan drohte.Er war ein Mensch,der sjch nicht entscheiden konnte(seine Frauen -geschichten damals).Dieser innere Druck in der Nazi-Zeit machte seine Interpretationen so spannend.Die 9te als Aufschrei,er trieb alle Beteiligten an die Grenzen...alle Menschen werden Brüder....in diesen Totentanz hineingeschrien.Das Existenzielle erreicht kein anderer Interpret. :verbeugung1:

  • Furtwaengler war sicher nicht in Gefahr,ins KZ zu kommen.

    Das würde ich nicht sagen. So musste er nach seinem letzten Konzert auf Reichsgebiert im Januar 1945 schleunigst in die Schweiz fliehen. Die Verhaftung drohte.

    :wink: Wolfram

    "Wieder versuchen. Wieder scheitern. Besser scheitern." (Samuel Beckett)

    "Rage, rage against the dying of the light" (Dylan Thomas)

  • F.war gewarnt worden,es drohe Verhaftung...das ist nicht gleich KZ

    Stimmt, in der Endphase hat man sich mit so etwas wie KZ gar nicht mehr abgegeben. Laternenpfahl, Strick, Ende...

    “There’s no point in being grown up if you can’t act a little childish sometimes” (Doctor Who, der Vierte Doktor)

  • Stimmt, in der Endphase hat man sich mit so etwas wie KZ gar nicht mehr abgegeben. Laternenpfahl, Strick, Ende...

    :neenee1:

    ...am Stuhl festgebunden und den ganzen Tag Karajan-Schellacks laufenlassen... :jaja1:

    Wenn schon, dann richtig... :evil:

    "Interpretation ist mein Gemüse." Hudebux

    "Derjenige, der zum ersten Mal anstatt eines Speeres ein Schimpfwort benutzte, war der Begründer der Zivilisation." Jean Paul

    "Manchmal sind drei Punkte auch nur einfach drei Punkte..." jd

  • Die letzten Tage gehört, persönliche Eindrücke:

    Wiener Philharmoniker
    Irmgard Seefried, Sieglinde Wagner, Anton Dermota, Josef Greindl
    Mitglieder des Salzburger Domchors
    Wilhelm Furtwängler
    Live Altes Festspielhaus Salzburg, 31.8.1951

    Für mich der ich die meisten der von mir zum Hörvergleich vorgenommenen Aufnahmen ganz neu kennenlerne ist verblüffend, welch völlig andere Dimensionen derselbe Dirigent einen Monat nach der Bayreuther Festspieleröffnung in einem weiteren mitgeschnittenen Konzert aufstößt, Beethovens Neunte kommt hier wieder monumental dramatisch, schicksalsschwer aufgeladen. Trotz des Monotons kommt die Klangkultur des Orchesters, die über die Jahrzehnte hochgehalten wird, dabei so wie ich es höre auch sehr schön zur Geltung. Im großen langsamen Satz nimmt Furtwängler ein inniges Wiener Philharmoniker Vollbad. Mich stört dieser langsame Duktus nicht, ich habe keine Probleme damit.

    Wiener Philharmoniker
    Hilde Güden, Rosetta Anday, Julius Patzak und Alfred Poell
    Wiener Singakademie
    Wilhelm Furtwängler
    Live Musikverein Wien, 3.2.1952

    Hier erklingt das Werk meinem Höreindruck nach noch schwergewichtiger, massiver und pathetischer bei gleichzeitiger Wahrung der exquisit klangsatten Klangkultur des Orchesters. Der große 3. Satz hat für mich wieder eine ganz spezielle Innigkeit, er wird einmal mehr bei Furtwängler zum Weltenzentrum. Dass er langsamer dahinströmt als bei anderen Dirigenten, stört mich erneut keineswegs. Postuliert Harnoncourt die Musik als Klangrede, so erlebe ich mit Furtwängler immer wieder Musik als Klangdeklamation.

    Wiener Philharmoniker
    Hilde Güden, Sieglinde Wagner, Anton Dermota, Ludwig Weber
    Wiener Singverein
    Erich Kleiber
    Musikverein Wien, 1. bis 5.6.1952

    Das ist die zweite explizite Nachkriegsaufnahme des Werks (also jenseits der Livemitschnitte) mit den Wiener Philharmonikern. Erich Kleiber und Beethovens Neunte – das ist vorwärts gerichtete Energie pur, messerscharf stählern und grimmig energisch. Eine für mich faszinierende, mitreißende bis unheimlich direkte Interpretation! Die Schärfungen werden konsequentest durchgezogen. Und die Decca hatte auch im Monozeitalter bereits einen hervorragend differenzierten Ton drauf, da blühen Holzbläserfarben schon ganz schön durch. Wie Karajan 1947 wiederholt Kleiber auch den ersten „Scherzo“-Teil nicht, womit sich eine kompakte 65 Minuten Neunte ergibt. Auch das Solistenquartett und der Wiener Singverein machen energisch fordernd mit. Faszinierend für mich auch, wie das Orchester, immer wieder das Werk in dieser Zeit mit Furtwängler aufführend, bereit war, sich hier auf den völlig anderen Interpretationsansatz Kleibers einzustellen. Gehört allerdings aus einer Membran CD Box.

    Heute und morgen gehe ich noch einmal auf Zeitreise, Ende Mai 1953...

    Herzliche Grüße
    AlexanderK

  • Alexander@
    Wenn du die Gelegenheit dazu hast, solltest du dir auch einmal eine der Aufnahmen mit Hermann Abendroth anhören, z.B. mit dem Leipziger Radioorchester 1952 oder dem Berliner Symphonie Orchester 1950. Abendroth wurde ja oft mit Furtwängler verglichen und er wäre in Westdeutschland wohl bekannter, hätte man (und sogar Adenauer höchstpersönlich) im kalten Krieg sich nicht grosse Mühe gegeben, Gastauftritte im Westen zu verhindern. Ich selbst schätze Abendroth mehr als Furtwängler.

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