Freuden mit dem Götterfunken

  • Der Titel muss auch gegendert werden. Wie wäre es mit
    Ode an die Freude und den Spass
    von Schiller*in ?

    Bliebe nur noch „Ode“ zu gendern.

    Ist "Ode" nicht einfach das Femininum zu "Oder", so wie "Abe" ("guäten Abe!") und "Aber"?

    Im Zweifelsfall immer Haydn.

  • (auch wenn es sicher Leute gibt, die nicht einmal "werden Freunde" als geschlechtsneutral ansehen, weil man ja "Freund*innen" sagen müsste - welch Schwachsinn zum Quadrat!!),

    Lieber Sadko, ich bin wahrlich kein Freund des Genderns der Sprache, aber bestimmte Dinge muss man einfach akzeptieren, ^^ nämlich, dass keine Frau zu einer andern Frau sagen würde: 'Das ist mein Freund, wird sind Freunde.' Selbstverständlich heißt es dann: 'Das ist meine Freundin, wir sind Freundinnen.' Von daher ist die Ausdehnung der Zeile 'Alle Menschen werden Brüder' auf Männer, Frauen und alle anderen Geschlechter (klar, die zählten zu Schillers Zeiten nicht) problematisch. Frauen sind hier schlicht und ergreifend nicht gemeint.

    Außerdem wäre "Alle Menschen werden Brüder und Schwestern"

    Für mich zB wäre "Alle Menschen werden Brüder und Schwestern" unpassend und seltsam. Für Dich (offenbar) nicht.

    Ich wüsste nicht, dass ich etwas über die Einfügung dieser Zeile geschrieben habe noch sie überhaupt. Aber vielleicht habe ich das übersehen.

    eine generell ganz gefährliche Entwicklung halte - denn wenn man nämlich anfängt, alte Texte umzuformulieren, dass sie "unseren" Wertvorstellungen entsprechen,

    Da gebe ich dir absolut recht. Das Wort 'Nigger' bei Mark Twain darf auf keinen Fall geändert werden, weil es a) aus der historischen Sicht entstanden ist und weil b) nur dieses Wort das besondere Verhältnis von Tom und Huck zu Bob kennzeichnet. Und das gilt für alle anderen problematischen Formulierungen in literarischen Texten ebenso.

    Ich fordere ja auch überhaupt keinen neuen Text für die 9., ich wollte nur darstellen, dass diese Zeile schlichtweg problematisch und von daher die Ode kein neutraler Text ist.

    Aber natürlich stoße ich mit dir trotzdem an. Wir können ja schließlich Brüder werden. ^^

    :cincinbier:

    :wink: Wolfram

    "Wieder versuchen. Wieder scheitern. Besser scheitern." (Samuel Beckett)

    "Rage, rage against the dying of the light" (Dylan Thomas)

  • Lieber Wolfram!

    dass keine Frau zu einer andern Frau sagen würde: 'Das ist mein Freund, wird sind Freunde.' Selbstverständlich heißt es dann: 'Das ist meine Freundin, wir sind Freundinnen.'

    Bin völlig Deiner Meinung!

    Von daher ist die Ausdehnung der Zeile 'Alle Menschen werden Brüder' auf Männer, Frauen und alle anderen Geschlechter (klar, die zählten zu Schillers Zeiten nicht) problematisch. Frauen sind hier schlicht und ergreifend nicht gemeint.

    Bin anderer Meinung. "Freundinnen" bezieht sich ganz klar NUR auf Frauen - hingegen ist "Freunde" meiner Meinung nach ein geschlechtsneutrales Wort (wie "verbrüdern", auch wenn man bei "verbrüdern" vielleicht eher an Kumpels im Wirtshaus denkt). Man spricht ja auch von einem "Freundeskreis", nicht von einem "FreundInnenkreis".

    Das liegt einfach daran, dass nur die Pluralendung (also das Morphem, in Sprachwissenschafts-Fachsprache) "e" entweder Männer ODER Männer+Frauen meint, "innen" nur Frauen - auch wenn uns die Feministen seit ein paar Jahren anderes einreden wollen.
    In anderen Sprachen ist genau das ebenso der Fall, wenn Du zum Beispiel im Bosnischen/Kroatischen/Serbischen einen Satz im Perfekt formulierst (oder im Lateinischen im Perfekt/Passiv) gibt es auch unterscheidliche Endungen für Männer und Frauen:
    Ja sam došao = Ich bin gekommen. (männlich)
    Ja sam došla = Ich bin gekommen. (weiblich)
    Mi smo došli = Wir sind gekommen. (nur Männer ODER Männer und Frauen, also wenn in der Gruppe 100 Frauen sind und eine einzige Frau, MUSS man die "männliche" Endung verwenden)
    Mi smo došle = Wir sind gekommen. (nur Frauen)


    Damit wollte ich sagen: Die männliche Endung ist zu wenig, um eine Äußerung, die eine Gruppe von Leuten betrifft, nur auf Leute männlichen Geschlechts zu beziehen. :D


    Sprachliche Geschlechter entsprechen einfach nicht immer den natürlichen. Sonst wäre ja "das Kind" oder "das Mädchen" (ich weiß, Verkleinerungsform von "die Magd" sächlich :D

    Ich fordere ja auch überhaupt keinen neuen Text für die 9.

    Ich auch nicht - aber so habe ich Dich ohnehin nicht verstanden!

    Und das gilt für alle anderen problematischen Formulierungen in literarischen Texten ebenso.

    Bin - auch hier :D - völlig Deiner Meinung!

    Ich wüsste nicht, dass ich etwas über die Einfügung dieser Zeile geschrieben habe noch sie überhaupt. Aber vielleicht habe ich das übersehen.

    Hast Du nicht, keine Sorge!

    Wegen der im Mai 2023 in Kraft getretenen Forenregeln beteilige ich mich in diesem Forum nicht mehr (sondern schreibe unter demselben Pseudonym in einem anderen Forum), bin aber hier per PN weiterhin erreichbar.

  • hingegen ist "Freunde" meiner Meinung nach ein geschlechtsneutrales Wort (wie "verbrüdern", auch wenn man bei "verbrüdern" vielleicht eher an Kumpels im Wirtshaus denkt). Man spricht ja auch von einem "Freundeskreis", nicht von einem "FreundInnenkreis".

    Lieber Sadko, ich kenne auch das Verfahren im Italienischen oder Französischen, dass man sobald in einer riesigen Frauengruppe nur ein Mann auftaucht, man den männlichen Plural benutzt, was schon sehr männerdominant ist. :D

    Aber sagt man bei uns wirklich noch, dass da jemand mit lauter Freunden zusammen saß, wenn auch Frauen mit dabei waren? Und Brüder ist da wohl noch eindeutiger. Natürlich gibt es kein Entsprechendes zu 'verbrüdern', was aber v.a. Aussagen zur entsprechenden Dominanz der Sprache deutlich macht. Frauen in einer Gemeinschaft fielen schlichtweg unter den Tisch. Zudem ist 'sich verbrüdern', wie ich schon schrieb, nicht immer unbedingt positiv gemeint, was Schiller aber sicherlich im Sinn hatte. Von daher, einmal mehr ;) , ist der Text nicht neutral oder unbedenklich.

    Ihr könnt es drehen und wenden, wie ihr wollt, ein Bruder ist ein Bruder ist ein Mann und keine Frau. Die soll es aber auch geben. ^^

    :wink: Wolfram

    "Wieder versuchen. Wieder scheitern. Besser scheitern." (Samuel Beckett)

    "Rage, rage against the dying of the light" (Dylan Thomas)

  • Aber sagt man bei uns wirklich noch, dass da jemand mit lauter Freunden zusammen saß, wenn auch Frauen mit dabei waren?

    Aber natürlich. Warum auch nicht? "Freunde" ist hier geschlechtsneutral gemeint. So wie "friends".

    maticus

    Social media is the toilet of the internet. --- Lady Gaga

    Ich lieb‘ den Schlaf, doch mehr noch: Stein zu sein.
    Wenn ringsum nur Schande herrscht und nur Zerstören,
    so heißt mein Glück: nicht sehen und nicht hören.
    Drum leise, Freund, lass mich im Schlaf allein.
                       --- Michelangelo Buonarroti (dt. Nachdicht. J. Morgener)

  • Aber natürlich. Warum auch nicht? "Freunde" ist hier geschlechtsneutral gemeint. So wie "friends".
    maticus

    Das erzähl mal der Hälfte der Bevölkerung. ^^

    :wink: Wolfram

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  • Außerdem ist es ja nicht immer so männlich dominiert.

    Sind tausend Kater und eine Katze beisammen, so spricht man von 1.001 Katzen. Von 1.001 Katern dürfte man hingegen nicht sprechen.

    Gruß
    MB

    :wink:

    "Den Geschmack kann man nicht am Mittelgut bilden, sondern nur am Allervorzüglichsten." - Johann Wolfgang von Goethe

  • Richtig. Wenn ich einen Kater hätte, dann wäre die Aussage "ich habe eine Katze" auch nicht falsch. Denn "Katze" ist der Oberbegriff für diese Tierart. (Der wahre Katzenexperte sagt auch "Kätzin" zu einer weiblichen Katze.) Aber dies ist ein gutes Beispiel dafür, dass das garmmatikalische Geschlecht nicht gleichbedeutend mit dem Geschlecht der Spezies sein muss. (Im englischen gibt es ja etwa auch die Unterscheidung "gender" und "genus".)

    maticus

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    Wenn ringsum nur Schande herrscht und nur Zerstören,
    so heißt mein Glück: nicht sehen und nicht hören.
    Drum leise, Freund, lass mich im Schlaf allein.
                       --- Michelangelo Buonarroti (dt. Nachdicht. J. Morgener)

  • Damit wollte ich sagen: Die männliche Endung ist zu wenig, um eine Äußerung, die eine Gruppe von Leuten betrifft, nur auf Leute männlichen Geschlechts zu beziehen. :D

    Das ist zwar vollkommen richtig und ein eigentlich unschlagbares Argument, aber es hilft einem nichts, denn darauf antwortet Sganarelle: »Nous avons changé tout cela.« Und schon bedarf es keines Arguments mehr, um dieses zu widerlegen. Darum sind solche Diskussionen immer Zeitverschwendung. Man kann so oft man will erklären, dass die Erde keine Scheibe ist. Wenn die Gegenseite es ebenso beharrlich abstreitet, kommt man nicht weiter.

    Was ich übrigens an all diesen Diskussionen wirklich seltsam finde, ist, dass ihnen die Meinung zugrunde liegt, es wäre, wenn man bei jeder sich bietenden Gelegenheit die Frauen doppelt nennt und die Sätze mit dieser Doppelnennung aufbläht, etwas für die Gleichberechtigung der Frauen getan. Man kann doch sehr leicht überprüfen, dass das nicht zutrifft. Es gibt genug Sprachen, in deren Grammatik das Geschlecht nicht ausgedrückt wird. In den betreffenden Kulturen müsste also, wenn die Sprache denn diese Wirkung hätte, im Verhältnis der Geschlechter alles zu besten bestellt sein, weil die Sprache ja nicht patriarchalisch (oder »patriarchal«, wie man seit einiger Zeit seltsamerweise sagt) dominiert ist. Nehmen wir das nächstliegende Beispiel: Das Türkische. Hmm...

  • Es geht bei diesen "Diskussionen" auch weniger um Gleichberechtigung sondern mehr um Recht haben und Rollenzuweisungen an Andere. Schaut her ich bin emanzipiert und stehe für die Rechte von Frauen und "ihr" seid die …, denen man zeigen kann, wo es lang geht. Erspart dann das Handeln im realen Leben. :etsch1:
    Hatte ich schon vor 40 Jahren mit "emanzipierten" Frauen, hat sich offensichtlich seit dem nicht geändert.

  • Na, doch. Inzwischen geht es ja nicht nur um Frauen und es sind auch nicht nur Frauen, die sich auf diese Weise engagieren. (Was ja nicht nur schlecht ist.) Es geht grundsätzlich um ideologisch bestimmte Sprachregelungen und Sprechverbote, auf durchaus unterschiedlichen Gebieten. Das ist übrigens auch nicht neu, es gab nur Leute, die geglaubt hatten, mit dem Ablauf des Jahres 1989 wäre das vorbei. Das war ein Irrtum, da ging es erst richtig los.

  • Was ich übrigens an all diesen Diskussionen wirklich seltsam finde, ist, dass ihnen die Meinung zugrunde liegt, es wäre, wenn man bei jeder sich bietenden Gelegenheit die Frauen doppelt nennt und die Sätze mit dieser Doppelnennung aufbläht, etwas für die Gleichberechtigung der Frauen getan. Man kann doch sehr leicht überprüfen, dass das nicht zutrifft. Es gibt genug Sprachen, in deren Grammatik das Geschlecht nicht ausgedrückt wird. In den betreffenden Kulturen müsste also, wenn die Sprache denn diese Wirkung hätte, im Verhältnis der Geschlechter alles zu besten bestellt sein, weil die Sprache ja nicht patriarchalisch (oder »patriarchal«, wie man seit einiger Zeit seltsamerweise sagt) dominiert ist. Nehmen wir das nächstliegende Beispiel: Das Türkische. Hmm...

    Vielen Dank für diuesen Hinweis! Der ist vermutlich vielseitig einsetzbar.

    Gruß
    MB

    :wink:

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  • Ich hatte beim Lesen gerade eine andere Idee. Vielleicht hat Schiller einfach eins der 3 Leitmotive der frz. Revolution die "Fraternité" (Brüderlichkeit) hervorgehoben und auf diese Weise übersetzt.
    Dass zu Schillers Zeiten und noch lange danach Frauen politisch nichts zu melden hatten, ist ja bekannt. Die weibliche Revolutionärin Olympe de Gouges hatte es auch schwer genug , trotz der hehren Ideale ihrer "Brüder".
    Man kann niemandem einen Vorwurf daraus machen, dass er in seiner Zeit geboren ist und in seiner Zeit geprägt wurde. Was meint ihr, was man z.B. in 250 Jahren über unseren barbarischen Umgang mit Tieren (und der Natur und und und) sagen wird? Vielleicht kommt dann jemand und will alle Hymnen, in denen das Wort "Menschen" vorkommt umschreiben und dafür "Lebewesen" einsetzen?
    Jedenfalls , trotz aller Geschlechtergerechtigkeit , die in heutigen Zeiten unbedingt beachtet werden muss, hat es wenig Sinn, nun alle kulturellen Erzeugnisse aller Zeiten nach unseren Massstäben umzuformen. Es gibt auch noch so was wir Ästhetik und wir sind hier in einem Kunstwerk und nicht in einer Regierungserklärung oder Staatsverfassung. Das Metrum der Spräche und und der musikalischer Takt gehören zusammen. Allenfalls, unter leichter Rhythmus-Angleichung könnte man singen: alle Menschen werden Geschwister, wo bei dann auf -den und Ge- eine Achtelnote fiele. Aber mit "Schwestern und Brüder" müsste man schon etliche Noten hinzufügen und würde das Werk ästhetisch ramponieren. Ich fühle mich als "Mensch" angesprochen und denke mir bei den Brüdern eher den abstrakten Begriff der Fraternité dazu. Und freue mich, dass auch die männlichen Brüder seither erhebliche Fortschritte gemacht haben...... :fee:

    Jede Krankheit ist ein musikalisches Problem und die Heilung eine musikalische Auflösung (Novalis)

  • aus dem Art. "Bruder" im Grimm WB:

    beachtenswerth ist auch die anwendung von bruder auf frauen, ähnlich der von freund, oder umgedreht der von braut auf männer: daher kam mir der einfall Henrietten manchmal bruder Heinrich zu nennen. Woldemar 1, 65. 75;

    schwester (sagt Albano zu Julienne), du bist entweder nicht mein bruder, oder ich deine schwester nicht, sonst wir uns leichter verständen. Julienne schien vom vorwurf des geschlechts betroffen zu sein. J. P. Tit. 4, 181. das grenzt noch an pobratim und posestrima.

    6) in weiterm sinne sind alle menschen, unter der vorstellung, dasz sie von éinem stammpaar entsprangen, brüder, welchen begrif der an sich schöne und tiefsinnige wahlspruch der freiheit, gleichheit, brüderlichkeit, so wie der freimaurerische sprachgebrauch, und ein untilgbarer menschlicher sinn überall hervorhebt:
    die schwester in dem leinwandsmieder, der bruder in dem ordensband;

    alle menschen werden brüder, wo dein (der freude) sanfter fittich weilt.
    Schiller 19a;

    guten menschen fürwahr spricht oft ein himmlischer geist zu, dasz sie fühlen die noth, die dem armen bruder bevorsteht. Göthe 40, 246;

    werden die leiden endlich euch lehren nicht mehr, wie sonst, mit dem bruder zu hadern? 40, 286.

    noch enger heiszen die glieder eines volks, eines stamms, eines glaubens untereinander brüder:
    ich liebe dich (katholischen) vor tausend meiner (protestantischen) brüder. Gökingk 3, 175.

    ---
    Es wäre lächerlich anzunehmen, daß das, was alle, die die Sache kennen, daran sehen, von dem Künstler allein nicht gesehen worden wäre.
    (J. Chr. Lobe, Fliegende Blätter für Musik, 1855, Bd. 1, S. 24).


    Wenn du größer wirst, verkehre mehr mit Partituren als mit Virtuosen.
    (Schumann, Musikalische Haus- und Lebensregeln).

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