Sprache, Wissenschaft und Qualität

  • Lieber Bustopher,

    du verdrehst meine Aussagen. Ich habe nie behauptet, dass man im Deutschen ALLES ausdrücken könne, sondern gerade darauf hingewiesen, dass es sich um eine Frage der Wissenschaftstradition handelt. In meinem Fach kann man in englischer Sprache sehr gut englische Literaturwissenschaft (nicht auf die Sprache der untersuchten Texte, sondern auf Fragestellung und Methodik bezogen) und in deutscher Sprache deutsche Literaturwissenschaft treiben (und in französischer französische, in italienischer italienische etc.), weil die Sprache die Ausdrucksmöglichkeiten für die jeweilige Wissenschaftstradition und Wissenschaftskonzepte bereitstellt. Will man in englischer Sprache deutsche Konzepte ausdrücken, hat man es hingegen deutlich schwerer, besonders wenn man kein englischer Native ist und die Gutachter einem daher Neologismen und unübliche Fremdwörter nicht ohne weiteres durchgehen lassen wollen. Eine ausschließliche Beschränkung auf englisch als Wissenschaftssprache hat daher zwangsläufig auch eine weitgehende Beschränkung auf angelsächsische Interpretationsmuster und Denktraditionen zur Folge, die nicht im Sinne einer differenzierten globalen Literaturwissenschaft sein kann. (Wobei andererseits natürlich die Verfügbarkeit des Englischen als lingua franca grundsätzlich sehr wohl im Sinne einer globalen Literaturwissenschaft ist.)

    Bisher ist mein Fach jedenfalls multilingual (mit Englisch als übergeordneter lingua franca) und meiner Meinung nach sollte das auch so bleiben. Nur gibt es etwa in Österreich recht starke wissenschaftspolitische Bestrebungen von Ministerium und Rektoraten, auch die geisteswissenschaftliche Forschung primär in englischer Sprache durchzuführen (die es in Deutschland m.W. in dieser Vehemenz nicht gibt), die ich trotz persönlicher Anglophilie und internationaler Vernetzung aus den genannten Gründen kritisch sehe.

    Liebe Grüße,
    Areios

    "Wenn [...] mehrere abweichende Forschungsmeinungen angegeben werden, müssen Sie Stellung nehmen, warum Sie A und nicht B folgen („Reichlich spekulativ die Behauptung von Mumpitz, Dinosaurier im alten Rom, S. 11, dass der Brand Roms 64 n. Chr. durch den hyperventilierenden Hausdrachen des Kaisers ausgelöst worden sei. Dieser war – wie der Grabstein AE 2024,234 zeigt – schon im Jahr zuvor verschieden.“)."
    Andreas Hartmann, Tutorium Quercopolitanum, S. 163.

  • Lieber Bustopher,

    Ich kann mich Areios nur anschließen und mich außerdem wiederholen, daß ich einzelne Wörter/Begriffe in anderen Sprachen bis zu einem gewissen Grad mit viel Aufwand umschreiben und mehr oder minder annähernd erklären kann, daß das aber bei Methoden und abstrakteren Erörterungen oft nur schlecht oder gar nicht funktioniert. Selbstverständlich kann man eine Sprache adaptieren, entwickeln und verändern, sodaß sie zu einem geeigneten Medium wird, aber das bedarf etlicher Jahrzehnte oder Jahrhunderte. Spontan (auch relativ spontan) funktioniert das nicht. Vielleicht kann man das aber gedanklich nur nachvollziehen, wenn man z.B. als Geisteswissenschaftler selbst mit solchen Problemen konfrontiert wurde. Deshalb müssen wir die Diskussion an diesem Punkt wohl für den Moment so stehen lassen.

    :wink:

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    Homo sum, ergo inscius.

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