Sprache, Wissenschaft und Qualität

  • Manchmal ist das auch ein Theater, bei dem um viel Geld geht. Ich habe einmal in einem (westlichen) europäischen Staat doktoratsgegutachtet, wo ich belehrt wurde, daß die Universität für jeden Dokotoratsabsolventen soviel Geld erhielt, daß man mühelos einer internationalen Kommission Reise und Aufenthalt finanzieren konnte. Man mußte als Kandidat daher schon ganz extrem schlecht sein, um nicht durchgelassen zu werden. Auch Privatunis, die teure Studiengelder verlangen, sind nicht daran interessiert, allzusehr abzuschrecken. Wenn man dann kritisch gutachtet, lautet der Mehrheitsbeschluß letztlich viel milder. Die Statistik und das Ranking sprechen natürlich dann eine niveauverzerrende Sprache.

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    Homo sum, ergo inscius.

  • Es ist wäre schon eine fragwürdige Einschränkung, wenn man exzellent englisch können muss, um an einer Uni im deutschsprachigen Raum studieren und abschließen zu können.

    Warum? Von "exzellent" redet ja niemand ...

    ... wenn man drei, vier englischsprachige Veröffentlichungen im eigenen Gebiet gelesen hat - keine allzu hohe Hürde für einen Examenskandidaten, oder? - hat man m. E. durchaus einen Einblick, was benötigt wird. Und ich rede jetzt nicht nur von mathematischen Veröffentlichungen, auch von musikwissenschaftlichen.

    Waren denn die Wissenschaftler früher schlauer, weil sie Latein so weit gelernt haben, dass sie das lesen und schreiben können?

    By the way: Ich habe in dem IT-Unternehmen, in welchem ich arbeite, erlebt, was passiert, wenn man sich internationalisiert. Das haben wir in den letzten ca. zehn Jahren getan. Ja, da sind die Theologen, Germanisten, Sozialwissenschaftler usw. auf einmal damit konfrontiert, dass sie E-Mails auf Englisch bekommen und zu Telkos eingeladen werden, in denen Englisch gesprochen wird - mit Engländern, Franzosen, Schweden, Niederländern, ...

    Nicht alle Geisteswissenschaftler verdienen ja am Ende ihre Brötchen mit Geisteswissenschaft. Schadet nix, sein Englisch gepflegt zu haben - auch, wenn man nach der 10. Klasse froh war, es abgewählt zu haben ...

    Gruß
    MB

    :wink:

    "Den Geschmack kann man nicht am Mittelgut bilden, sondern nur am Allervorzüglichsten." - Johann Wolfgang von Goethe

  • Das kommt darauf an. Wurden Teile Deiner Diss in wissenschaftlichen Journalen publiziert, dann gab es dort eine Qualitätsprüfung. Ist die Diss aber selbst die eigentliche Publikation (häufig in den Geisteswissenschaften), dann muss sie wirklich ordentlich begutachtet werden. Es kann ja in niemandes Interesse sein, wenn Schrott publiziert wird und das den Ruf der eigenen Institution untergräbt.

    Warum muss sie "ordentlich begutachtet" werden? Der Text des Gutachtens ist quasi ein irgendwas, damit jemand seine Pflicht erfüllt. Er darf ja nicht: "Passt alles wunderbar" schreiben. Also phantasiert er eben etwas daher, was ich dann mehr oder weniger in meinem Text begründet finde (den ich natürlich viel besser kenne als der Betreuer). Wichtig ist, dass die Betreuer einen rechtzeitig auf den rechten Weg bringen. Was sie nachher als Gutachten absondern, ist nur für die Form gut.

    This play can only function if performed strictly as written and in accordance with its stage instructions, nothing added and nothing removed. (Samuel Beckett)
    playing in good Taste doth not confit of frequent Passages, but in expressing with Strength and Delicacy the Intention of the Composer (F. Geminiani)

  • Warum? Von "exzellent" redet ja niemand ...

    ... wenn man drei, vier englischsprachige Veröffentlichungen im eigenen Gebiet gelesen hat - keine allzu hohe Hürde für einen Examenskandidaten, oder?

    Jetzt hast Du leider "lesen" und "schreiben" verwechselt. Und man sieht, dass Du eben nicht geisteswissenschaftliche Texte produziert hast.

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  • Manchmal ist das auch ein Theater, bei dem um viel Geld geht. Ich habe einmal in einem (westlichen) europäischen Staat doktoratsgegutachtet, wo ich belehrt wurde, daß die Universität für jeden Dokotoratsabsolventen soviel Geld erhielt, daß man mühelos einer internationalen Kommission Reise und Aufenthalt finanzieren konnte

    Natürlich. Im Endeffekt bleibt die wirkliche Qualitätssicherung im Verantwortungsbereich der individuellen Doktoranden/innen und Betreuer/innen. Keine Systematisierung der Welt kann das ändern. Trotzdem muss ich schon sagen, dass das, was ich von früheren Verhältnissen so weiß, mich schließen lässt, dass die vermehrte Kontrolle und Systematisierung den Standard gehoben hat. Sehr viele, vielleicht ohnehin die Mehrheit, war auch früher sehr bemüht, das beste zu leisten. Korruption und Schlendrian waren aber - gerade an hoher Stelle - auch weit verbreitet. Zu viele haben ihre privilegierte Stellung ausgenutzt.

    Im Zweifelsfall immer Haydn.

  • Warum muss sie "ordentlich begutachtet" werden? Der Text des Gutachtens ist quasi ein irgendwas, damit jemand seine Pflicht erfüllt. Er darf ja nicht: "Passt alles wunderbar" schreiben.

    Man merkt, dass Du noch kein ordentliches Gutachten zu Gesicht bekommen hast. ;)
    Da soll nicht drinnen stehen, "ja, er war eh brav", sondern die Bedeutung der Forschungsarbeit mit Hinsicht auf den Forschungsstand soll erläutert werden. Selbstverständlich werden aber auch Details positiv oder negativ bewertet.

    Im Zweifelsfall immer Haydn.

  • Jetzt hast Du leider "lesen" und "schreiben" verwechselt.

    Nein. Ich traue nur sogar einem Geisteswissenschaftler zu, durch Lesen von fremdsprachigen Veröffentlichungen im eigenen Gebiet sich das anzueignen, was er braucht, um Ähnliches schreiben zu können. ;)

    Gruß
    MB

    :wink:

    "Den Geschmack kann man nicht am Mittelgut bilden, sondern nur am Allervorzüglichsten." - Johann Wolfgang von Goethe

  • Wurden Teile Deiner Diss in wissenschaftlichen Journalen publiziert, dann gab es dort eine Qualitätsprüfung.

    Schon, aber nicht nur. Mir ist einmal passiert, daß ein englischer Text durch die verdienstvolle, aber offenbar schon etwas altersdemente Herausgeberin des Periodikums - glücklicherweise nicht allzu sehr - verhunzt wurde. Der wissenschaftliche Beirat sprang ihr zu spät an den Hals. Sie hat dann geschworen, sich künftig nicht mehr einzumischen. Aber Qualitätsprüfungen sind nicht immer das, was sie heißen.

    Und was Gutachtenschrott betrifft: In Massenfächern muß ein Professor manchmal hunderte Arbeiten in relativ kurzer Zeit begutachten. Ein Ding der Unmöglichkeit. Also kriegen die Assistenten jeder einen Haufen Diplomarbeiten/Dissertantionen/Masterarbeiten/Seminararbeiten etc.. Aber die stehen arbeitsmäßig ebenso unter Druck, also kommt es vor, daß bei einer Arbeit man stichprobenartig prüft, ob irgendwelche schweren Schnitzer enthalten sind. Wenn man nichts findet, dann ist die Arbeit akzeptiert. Ist nicht in Ordnung, aber passiert. Natürlich helfen inzwischen die computerischen Plagiatsprogramme eine ganze Menge, aber alles finden die auch nicht. Die Qualität der österreichischen Unis leidet meiner Ansicht nach u.a. unter teils ziemlich fragwürdigen Studien- und Dienstrechtsgesetzen und weil der Staat nicht soviel Geld ausgeben will, wie er sich schon seit 1945 immer wieder vergeblich vorgenommen hat.

    Es stimmt, daß früher Gutachter ihre dominante Position mitunter willkürlich ausgeübt haben. Eine Verbreiterung der Beurteilungsmodalitäten war an sich daher richtig und sinnvoll. Aber es fehlt die entsprechende Kontrolle. Durch die gesetzliche Entmachtung der Fakultätskollegien und anderer Gremien sind manchen Willküraktionen auch jetzt Tür und Tor geöffnet. Die Stellungnahme externer Evaluierungsgremien zu Organisationsfragen werden mitunter nur abgenickt und verschwinden ohne weitere Konsequenzen in einer Schublade. Ist eigentlich illegal, wird aber nicht oder oft nicht geahndet.

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    Homo sum, ergo inscius.

  • Man merkt, dass Du noch kein ordentliches Gutachten zu Gesicht bekommen hast. ;)
    Da soll nicht drinnen stehen, "ja, er war eh brav", sondern die Bedeutung der Forschungsarbeit mit Hinsicht auf den Forschungsstand soll erläutert werden. Selbstverständlich werden aber auch Details positiv oder negativ bewertet.

    Das ist ja das Problem. Das ist viel Arbeit, deren Notwendigkeit fragwürdig ist. Also macht man es halt husch-husch.

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  • Nein. Ich traue nur sogar einem Geisteswissenschaftler zu, durch Lesen von fremdsprachigen Veröffentlichungen im eigenen Gebiet sich das anzueignen, was er braucht, um Ähnliches schreiben zu können. ;)

    Man sieht, dass Du nie was Geisteswissenschaftliches geschrieben hast ...

    This play can only function if performed strictly as written and in accordance with its stage instructions, nothing added and nothing removed. (Samuel Beckett)
    playing in good Taste doth not confit of frequent Passages, but in expressing with Strength and Delicacy the Intention of the Composer (F. Geminiani)

  • Schon, aber nicht nur. Mir ist einmal passiert, daß ein englischer Text durch die verdienstvolle, aber offenbar schon etwas altersdemente Herausgeberin des Periodikums - glücklicherweise nicht allzu sehr - verhunzt wurde. Der wissenschaftliche Beirat sprang ihr zu spät an den Hals. Sie hat dann geschworen, sich künftig nicht mehr einzumischen. Aber Qualitätsprüfungen sind nicht immer das, was sie heißen.

    Ja, ja, man erlebt schon einiges! Ich hatte einmal eine ziemlich frustrierende Erfahrung mit dem peer review als Qualitätssicherung. Publiziert habe ich bei einem Journal der Gruppe "Cambridge Journals" eine sehr ausführliche Übersichtsarbeit über das Antibiotikum, an dem ich forsche. Dafür hatte ich hunderte, auch jahrzehntealte (was bei uns selten ist) Arbeiten gelesen (teilweise auf Ungarisch!), bewertet, abgeglichen, etc...Kurz: eine Heidenarbeit, auf die ich sehr stolz war. Nach zwei Monaten Begutachtung kam ein Zweizeiler zurück mit der Aussage: "quite useful but stylistically awkward at times". Die Engländer können einem auch ordentlich auf den Zeiger gehen! :schimpf1: ;)

    Im Zweifelsfall immer Haydn.

  • Es stimmt, daß früher Gutachter ihre dominante Position mitunter willkürlich ausgeübt haben. Eine Verbreiterung der Beurteilungsmodalitäten war an sich daher richtig und sinnvoll. Aber es fehlt die entsprechende Kontrolle. Durch die gesetzliche Entmachtung der Fakultätskollegien und anderer Gremien sind manchen Willküraktionen auch jetzt Tür und Tor geöffnet. Die Stellungnahme externer Evaluierungsgremien zu Organisationsfragen werden mitunter nur abgenickt und verschwinden ohne weitere Konsequenzen in einer Schublade. Ist eigentlich illegal, wird aber nicht oder oft nicht geahndet.

    Ich kann Dir nur von ganzem Herzen zustimmen, lieber Waldi!

    Im Zweifelsfall immer Haydn.

  • Die Leute waren früher vielleicht nicht begabter (darüber gibt es unterschiedliche Hypothesen, es gibt welche, die meinen, wir würden immer schlauer (Flynn-Effekt), andere, dass wir seit gut 150 Jahren wieder dümmer werden), aber es waren nicht die begabtesten 3 oder 5%, sondern die begabtesten 0,1 oder 0,5% der Bevölkerung in der Wissenschaft tätig. (Und außerdem wurde, wie oben schon gesagt, im Blütezeitalter der modernen Wissenschaft vom späten 18. bis zum frühen 20. Jhd. eben nicht meistens auf Latein, sondern häufig und zunehmend in der Landessprache publiziert.)

    Vor hundert Jahren war die Naturwissenschaft selbstverständlich mehrsprachig. Man publizierte auf Englisch, Französisch oder Deutsch, was man davon eben am besten konnte, musste aber normalerweise in der Lage sein, die Text jeweils anderer Sprachen zu rezipieren. (Wenn ich recht verstehe, waren zB die berühmten Solvay-Konferenzen im frühen 20, Jhd. in dieser Art mehrsprachig) Aufgrund der zwei Weltkriege, der folgenden Dominanz der USA und der Industrialisierung der Forschung ist das dort seit der Nachkriegszeit anders. (Wobei mir in den späten 1980ern in der Schule in der BRD! noch erzählt wurde, man solle Russisch lernen, wenn man mathematikinteressiert sei... :/ )
    Bis vor einigen Jahrzehnten waren die meisten Geisteswissenschaften selbstverständlich mehrsprachig. Man publizierte in einer oder zwei oder mehr möglichst gut beherrschten Sprachen und war in der Lage, noch ca. zwei weitere Sprachen zu rezipieren. Qualifikationsarbeiten und Monographien wurden meistens nicht in einer Fremd/Zweitsprache geschrieben. Natürlich je nach Gebiet sehr unterschiedlich ausgeprägt. Da hatten die Polen zwar immer noch Pech, dass kaum jemand ihre Logikpaper gelesen hat, wenn sie nur auf polnisch waren, aber die meisten Leute, egal woher, mussten halt ein paar Fremdsprachen lernen. Natürlich auch wegen der Rezeption klassischer Texte wie Kant o.ä.

    Die nahezu komplette Anglisierung hat unbestreitbar Vorteile und lässt sich auch kaum mehr rückgängig machen, aber ich finde es etwas naiv, die Nachteile (in den Geistes- und Kulturwissenschaften) völlig zu übersehen. Deutsch (und Französisch, bei Spanisch und Italienisch weiß ich es nicht) hätten oder haben eine ausreichende Tradition als Wissenschaftssprachen, dass man sie erhalten sollte. Und eben den Anglophonen auch zumuten kann, sie zu lernen.

    Tout le malheur des hommes vient d'une seule chose, qui est de ne pas savoir demeurer en repos dans une chambre.
    (B. Pascal)

  • Man sieht, dass Du nie was Geisteswissenschaftliches geschrieben hast ...

    Ach weißt Du, lieber Putto, ich glaube, das Folgende ist unabhängig von Geistes- oder Naturwissenschaft:

    Es gibt die einen, die sind nicht doof, die schauen sich an, was die Herausforderung ist, die verstehen, dass Hunderte und Tausende vor Ihnen das auch schon bewältigt haben, die gehen das aktiv an und erzielen brauchbare bis exzellente Ergebnisse.

    Und es gibt andere, die schauen sich an, was die Herausforderung ist, und können dann stundenlang erklären, warum es in ihrem besonderen Fall natürlich viel schwieriger ist und welche Probleme sich da stellen und dass einem da eigentlich niemand richtig hilft und so getan würde, dass man alles von Haus aus könne müsse, und die kriegen halt nix auf die Reihe außer einer im Laufe der Zeit immer besser ausgearbeiteten Beschreibung ihrer persönlichen Probleme.

    Just my 5 cts.

    Gruß
    MB

    :wink:

    "Den Geschmack kann man nicht am Mittelgut bilden, sondern nur am Allervorzüglichsten." - Johann Wolfgang von Goethe

  • Ach weißt Du, lieber Putto, ich glaube, das Folgende ist unabhängig von Geistes- oder Naturwissenschaft:

    Es gibt die einen, die sind nicht doof, die schauen sich an, was die Herausforderung ist, die verstehen, dass Hunderte und Tausende vor Ihnen das auch schon bewältigt haben, die gehen das aktiv an und erzielen brauchbare bis exzellente Ergebnisse.

    Und es gibt andere, die schauen sich an, was die Herausforderung ist, und können dann stundenlang erklären, warum es in ihrem besonderen Fall natürlich viel schwieriger ist und welche Probleme sich da stellen und dass einem da eigentlich niemand richtig hilft und so getan würde, dass man alles von Haus aus könne müsse, und die kriegen halt nix auf die Reihe außer einer im Laufe der Zeit immer besser ausgearbeiteten Beschreibung ihrer persönlichen Probleme.

    Das ist jetzt so pauschal, dass es relativ uninteressant wird, zu antworten.
    Die Anforderung, exzellent englisch zu können, und die Anforderung, eine geisteswissenschaftliche Arbeit zu schreiben, sind momentan noch nicht gekoppelt, weil man auch auf deutsch schreiben kann.
    Ansonsten interessieren mich Deine Probleme nicht.
    :P

    This play can only function if performed strictly as written and in accordance with its stage instructions, nothing added and nothing removed. (Samuel Beckett)
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  • ad Kater Murr:
    Mit der Darstellung der Angelsachsen als monoglotte Dumpfnasen habe ich jetzt schon meine Probleme. In Wien habe ich zahlreiche Angelsachsen Vorträge im besten Deutsch halten hören. Gerade in den Geisteswissenschaften sind viele mehrsprachig. Ich bin auch immer wieder überrascht, wie gut Deutsch viele englische Dirigenten sprechen (ok, Rattle gehört nicht dazu...).

    Im Zweifelsfall immer Haydn.

  • Man kann viele englische Texte nicht angemessen deutsch wiedergeben. Man kann sich mehr oder weniger annähern, man kann wunderbar "nachdichten", aber - und hier hilft ein erläuternder Blick hinüber zur "schöngeistigen" Literatur - ein hundertprozentig befriedigendes Resultat wird man eher selten erreichen (niemand schafft es, den berühmten ersten Satz von Jane Austens "Pride and Prejudice" so in Deutsch wiederzugeben, daß es dem Original wirklich gleichkommt).

    Und das gilt natürlich auch umgekehrt. Zum Beispiel kann man Texte von Franz Kafka nicht einmal annähernd adäquat in andere Sprachen übersetzen. Viel stärker gilt das noch für Gedichte. Ist mir mal richtig aufgefallen (bewusst geworden), als ich mich für Dichtungen von Michelangelo Buonarroti (in deutscher Übersetung, d. h. eigentlich: Nachdichtung) interessierte. --- Aber wie Du schon schreibst, in weniger "schöngeistiger" Literatur, erst recht in den MINT-Fächern, gilt das wesentlich abgeschwächter.

    maticus

    Social media is the toilet of the internet. --- Lady Gaga

    Ich lieb‘ den Schlaf, doch mehr noch: Stein zu sein.
    Wenn ringsum nur Schande herrscht und nur Zerstören,
    so heißt mein Glück: nicht sehen und nicht hören.
    Drum leise, Freund, lass mich im Schlaf allein.
                       --- Michelangelo Buonarroti (dt. Nachdicht. J. Morgener)

  • Was Felix da konstatiert, kann ich nur unterstreichen. Ich kenne einen britischen Kollegen, der mehrere kontinentale Sprachen ausreichend beherrscht und zu den maßgebenden Spezialisten der Kunst des 19. und frühen 20.Jahrhunderts gehört. Mehrsprachigkeit ist in den Geisteswissenschaften unumgänglich. Als ich studierte, wurde etwa auch ein Referatsthema über ein Problem der spanischen Kunst des Mittelalters vergeben (nicht an mich). Der betreffende Student konnte kein Spanisch, aber er mußte sich hinsetzen und erst genügend Spanisch lernen. War damals ganz normal. Man hatte damals auch mehr Zeit für die Vorbereitung eines Seminars, was der Qualität sehr zugute kam. Heute wird ja alles von Fristen bestimmt (und so mancher Journalist braucht sich daher nicht zu wundern, wieso der Qualitätspegel da und dort immer weiter sinkt - glücklicherweise nicht generell).

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    Homo sum, ergo inscius.

  • Und das gilt natürlich auch umgekehrt. Zum Beispiel kann man Texte von Franz Kafka nicht einmal annähernd adäquat in andere Sprachen übersetzen. Viel stärker gilt das noch für Gedichte. Ist mir mal richtig aufgefallen (bewusst geworden), als ich mich für Dichtungen von Michelangelo Buonarroti (in deutscher Übersetung, d. h. eigentlich: Nachdichtung) interessierte. --- Aber wie Du schon schreibst, in weniger "schöngeistiger" Literatur, erst recht in den MINT-Fächern, gilt das wesentlich abgeschwächter.

    maticus

    Ich denke, das ist ein Irrtum. Fremdsprachige Literatur zu übersetzen ist eine Aufgabe für Dichter und Literaten, nicht für Wissenschaftler. Selten nur geht das Hand in Hand, etwa bei Umberto Eco.

    Im Zweifelsfall immer Haydn.

  • ad maticus:

    Ein sehr eindrucksvolles Beispiel ist Walter Scotts großartige Übertragung des "Erlkönigs" ins Englische ("O yes, my loved treasure, I knew it full soon / It was the great willow that danced to the moon"). Trotz aller Nähe zum Original ist das insgesamt mehr Scott als Goethe. Ich empfinde das daher als "Imitation" (Nachdichtung) und nicht als "Translation".

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    Homo sum, ergo inscius.

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