ALBIONS OPERN – Spaziergang durch das englische Musiktheater in 20 Werken und Aufnahmen

  • Darauf bestehe ich geradezu!

    Ich habe gerade kurz reingehört....kommt mir doch noch bekannt vor, auch teils einige der Textstellen...
    Mir ist gerade klar geworden, dass ich das Libretto nicht habe........dabei ist mir aufgefallen. wie viele Opern Birtwistle geschrieben hat.

    Eine davon,The Last Supper, ist sogar von Barenboim in Berlin Staatsoper in 2000 uraufgeführt worden.

    Ist vielleicht jemand von den Foristen hier dabei gewesen?

  • So, nun geht es los.
    Nur zum besseren Verständnis. Ich strebe hier keine wissenschaftliche Arbeit an. Ich bin beruflich auch kein Mann des Theaters.
    Insofern gestatte ich mir sowohl das Recht auf Fehler oder Ungenauigkeiten (die ich aber zu vermeiden suche) als auch auf - wie ich meine - notwendige Verkürzungen. Dies bitte ich in der Dikussion zu berücksichtigen. Über Input und ggf. Richtigstellungen freue mich mich jederzeit! ;)

    :wink: Agravain

  • Einführung: Vom dreckigen Witz zum höfischen Knicks – Präludien zur Oper Albions

    Erstes Präludium: Der Jig

    Der Dänenprinz Hamlet hielt nicht sonderlich viel von Staatsminister Polonius. Das wird dem aufmerksamen Leser natürlich nicht erst in dem fatalen Moment klar, da der grübelnde Thronanwärter den besagten „wretched, rash, intruding fool“ mehr oder minder versehentlich durch einen Vorhang ersticht, um ihn dann, nach einem längeren Gespräch mit seiner nicht ganz astreinen Mutter, einigermaßen würdelos in einem Nebenzimmer zu deponieren. Dass hier nicht eben große Sympathie herrschte, wurde schon vorher klar. So beispielsweise bereits im zweiten Akt des Shakespeare’schen Dramas und dort in der zweiten Szene. Hier rezitieren ankommende Schauspieler eine Erzählung über den Untergang Trojas, die dem Polonius schnell „zu lang“ wird:

    POLONIUS – Das ist zu lang. Auf diese Bemerkung hin ranzt Hamlet ihn wie folgt an: HAMLET – Es soll zum Barbier, zusammen mit deinem Bart. – Bitte fahr fort [gemeint ist der Schauspieler, Anm. Agravain]. Der [also Polonius, Anm. Agravain] will nur Possen und Schlüpfrigkeiten.[1]

    Wer sich nun ein wenig für die Kunst der Shakespeare-Übersetzung von Wieland/Eschenburg bis Frank Günther interessiert, wird vielleicht mit mir übereinstimmen, dass Günthers Übertragung, aus der ich den kleinen Dialog oben zitiert habe, insgesamt ausgesprochen gut gelungen ist. Vielleicht tut er dies aber auch nicht. Wie dem auch sei: Hier in jedem Fall ist sie gelungen. Schaut man sich Hamlets Worte über Polonius im Original an, so lauten sie wie folgt: „He’s for a jig or a tale of bawdry, or he sleeps.” Für meine Ausführungen hier ist speziell der Begriff “jig” (wahlweise auch „jigg“ oder „jygge“) von Interesse. Es mag sich nun die Frage stellen, warum Günther „jig“ mit „Posse“ übersetzt und nicht, wie man es vielleicht erwarten könnte, mit „Tanz“ oder – aufgrund der schlechten Übersetzbarkeit von Eigennamen – gar nicht. Nun, Günther macht das, weil er sein Handwerk versteht.

    Ursprünglich war der „Jig“ in der Tat ein Tanz, und zwar einer, bei dem reichlich auf- und abgesprungen wurde, wie uns das „New Grove Dictionary of Music“ lehrt.[2] Im 16. Jahrhundert hatte sich aus dem reinen Tanz aber ein Tanzlied entwickelt. Diese Lieder waren ausgesprochen populär und fanden ihren Weg ins elisabethanische Theater, wo sie „gegen Ende der Regierungszeit von Elizabeth I. von den professionellen Schauspielern aufgegriffen und als ‚Nachstück‘ auf der Bühne präsentiert wurden.“ [3] Bisweilen fungierten diese „Jigs“ auch als Interludien. Insbesondere zwei der großen Clowns der Londoner Bühnen – Richard Tarlton und Walter Kemp – machten sich mit ihren „Jigs“ einen Namen. Schnell entwickelt sich aus dem Lied eine größere Form. Es traten mehrere Personen hinzu und kurze Szenen, ja Mini-Dramen wurden entwickelt, die beim Londoner Publikum, ob gebildet oder ungebildet, ungeheuer gut ankamen.

    Die „Jigs“ waren im literarischen Sinne in der Tat Possen, „sie konnten satirisch sein, sentimental, beleidigend, zügellos und oft schlicht obszön, sodass sie geradezu schamlos und nicht selten subversiv ein Gegenmittel zum vorab gespielten Drama boten. […] Betrogene Ehemänner, betrügende Ehefrauen, Milchmädchen, Huren, städtische Gauner, Straßenräuber und Diebe – diese Standardfiguren treten immer wieder auf. Wir treffen auch auf lüsterne Soldaten, Fischweiber und eine Menge unterschiedlicher Straßenhändler, die in die Handlung hineingezogen werden, sobald sie ihre Waren angepriesen haben. Eine der populärsten Figuren, die oft der unwissende Held des Stückes war, war die des leichtgläubigen Landeis, die mit ihrem ländlichen Dialekt ein konstantes Ziel städtischer Spötterei war.“[4]

    Man darf also festhalten, dass am Ende des „Hamlet“ der Rest alles Mögliche war, aber wohl kein Schweigen. Vielleicht freute sich das Publikum stattdessen über Walter Kemps derb-erotischen Jig „Singing Simpkin“, dessen Zeilen hier zu zitieren mir die Schamesröte ins Gesicht treiben würde. Den ernsthaften Autoren des elisabethanischen Theaters hingegen stieg angesichts der ungeheuren Popularität der „Jigs“ eher die Zornesröte ins Gesicht, weil sie – so die einhellige Meinung der Dichter – die Wirkung der zuvor gespielten Dramen verpuffen ließ. Insbesondere Ben Jonson hat sich immer wieder sehr negativ über die „Jigs“ geäußert. Im Jahr 1612 scheinen dann die „Jigs“ und ihr Publikum derartig ausgeufert zu sein, dass sich die Regierung während einer „General Session of the Peace“ in Westminster genötigt sah, für ganz Middlesex eine „Anordnung zur Unterdrückung von Jigges am Ende von Schauspielen“ zu erlassen. Doch hatte diese Anordnung kaum einen nachhaltigen Effekt. Während des Commonwealth, als die Aufführung von Theaterstücken illegal war, hatte der „Jig“ geradezu eine Hochzeit, weil er schnell und einfach auf Märkten aufgeführt werden konnte. Mit Beginn der Stuart-Restauration und verschwanden die „Jigs“ dann zusehends von der Bühne, wobei ihr Einfluss auf Purcells Semi-Opern und die Entwicklung der Ballad-Opera nicht unterschätzt werden darf.

    Wer nun – um noch einmal mit Frank Günther zu sprechen – Interesse an Possen und Schlüpfrigkeiten hat, dem sei diese CD sehr ans Herz gelegt, die neben einem wunderbar saftigen Vortrag auch einen ausgesprochen interessanten Einführungstext bietet.

    :wink: Agravain
    ________________

    [1] Shakespeare, William: Hamlet. Zweisprachige Ausgabe. Deutsch von Frank Günther. München 1995. S. 120.
    [2] Siehe: The New Grove Dictionary of Music. Ed. by Stanley Sadie. London 1995. Band 9, S. 648.
    [3] White, Eric Walter: A History of English Opera. London 1983, S. 35. (Übersetzung: der Verfasser)
    [4] Skeaping, Lucie: Einführungstext zur CD “The English Stage Jig. Musical comedies from the 16th and 17th centuries. The City Waites. Lucie Skeaping. Hyperion 2009. CDA67754. S. 2. (Übersetzung: der Verfasser)

  • Inspiriert von diesem Thread habe ich mir gerade Edward J. Loders "Raymond and Agnes" zugelegt. Beim ersten Reinhören erscheint das Werk tatsächlich wie ein anglifizierter "Freischütz". Ich bin gespannt, wie es sich bei genauerer Behorchung darstellt...

  • Einführung: Vom dreckigen Witz zum höfischen Knicks – Präludien zur Oper Albions

    Zweites Präludium: Von Sphären und Bühnen

    Katharina von Aragon hatte, als sie am 29. Januar des Jahres 1536 in der Kathedrale zu Peterborough bestattet wurde, noch ihren Kopf. Als Frau Heinrichs VIII. war dies – wie wir wissen – keine Selbstverständlichkeit. Doch als er sie wegen Anne Boleyn links liegen ließ, war der rustikale Heinrich noch nicht auf diese Problemlösungsstrategie gekommen. In Katharinas Fall gab er sich noch mit Abschiebung und Downgrading von Titeln („Princess Dowager“) zufrieden. Katharina starb auf Kimbleton Castle und dort spielt konsequenterweise auch ihre letzte Szene in der Shakespeare-Fletcher’schen Koproduktion „The Famous History of the Life of King Henry the Eight“. Hier sieht sie ihr Ende kommen und bittet darum ihren Haus- und Hof-Marschall Griffith um etwas Musik. Wolf Graf von Baudissin übersetzt unter Tiecks redaktionell mitlesenden Augen wie folgt:

    „[…]Griffith.
    Laß die Musik die trübe Weise spielen,
    Die ich mein Grabgeläute hab genannt,
    Derweil ich sitz und denk an den Gesang
    Der Himmel, dem ich bald entgegengehe…
    [Eine ernste und feierliche Musik.]“

    So, wie Katarinas todesahnende Worte hier übertragen wurden, meint man, sie denke an jauchzende und auch frohlockende Cherubim und Seraphim („Gesang der Himmel“). Doch so ist das nicht zu verstehen. Der Barde (oder vielleicht war es an dieser Stelle auch John Fletcher) formulierte an dieser Stelle nämlich so:

    „[…] Good Griffith.
    Cause the musicians play me that sad note
    I named my knell, whilst I sit meditating
    On that celestial harmony I go to.
    [Sad and solemn music.]”

    Katharina sinnt über die “celestial harmony“ – die himmlische Harmonie - nach, nicht über jubilierende Engel. Formulierungen wie diese kommen in kaum zu nennender Zahl in Shakespeare Dramen vor und sind, wenn man der Shakespeare-Forschung folgen mag (und ich tue dies an dieser Stelle gern), auf die das gesamte Werk Shakespeares durchziehende Trias von Ordnung (oder Harmonie), Unordnung (oder Dissonanz) und der Wiederherstellung der Ordnung (Harmonie) zu beziehen. Diese Trias gründet sich in der pythagoreischen Idee von der Musik der Sphären, die (nicht nur) für die Gestalt des elisabethanischen Weltbildes eine nicht unerhebliche Rolle spielte: „Bei den Phythagoreern ist sie [die Musik der Sphären, Anm. der Verf.] die Grundlage der Entstehung der Welt. Konkret wurde die weltumfassende Harmonie in der ‚Harmonie der Sphären‘, also in der harmonischen Ordnung der Bewegung jener unsichtbaren Kugelhalbschalen, auf denen man sich damals die Planeten angeordnet vorstellte. Schon früh erblickte man in dieser makrokosmischen Harmonie ein genuin musikalisches Phänomen.“[1]

    Von dieser antiken Vorstellung (und ihrer Diskussion) ging der römische Philosoph Boethius aus, als er in seiner Schrift „De institutione musica“ eine Dreiteilung der Musik entwickelte, die das gesamte Mittelalter hindurch als verbindlich gelehrt wurde: „Im Anfang also scheint der, der "Musik" erörtert, jenes Lehrstück kurz einschalten zu müssen: wieviele Musikarten wie kennen, die von ihren Wissenschaftlern erfaßt werden. Es sind drei: Und zwar ist die erste die Weltenmusik, die zweite dann ist die innermenschliche Musik, die dritte ist die, die auf Instrumenten gespielt wird, z.B. auf der Kithara oder auf Flöten.“[2]

    Die musica mundana (Weltenmusik) nun ist in Boethius Theorie jene Musik, die die kosmischen Sphären im Zuge ihres Laufes hervorbrachte. Die so entstehenden Töne stellten – um mit der maladen Katharinas zu sprechen – die perfekte „celestial harmony“ dar. Diese Töne kann die Menschheit aufgrund der Tatsache, dass sie selbst alles andere als perfekt ist, allerdings nicht hören.

    Die musica humana nun ist jene Musik, die sich im Innenleben, ja das Seelenleben des Mensch abspielt und die „unkörperliche Lebendigkeit des Bewußtseins in den Körper einpaßt“, „die Teile der eigenen Seele untereinander“ verbindet und „die Elemente des Körpers vermischt oder die Teile für sich mit intelligenter Zusammenfügung zusammenhält“.[3] Hier geht es für Boethius um die Harmonie des menschlichen Mikrokosmos, des stimmigen Zusammenspiels von Leib und Seele, das – so spricht der Barde – „in tune“ sein muss, damit der Mensch seine vorbestimmte Rolle im Kosmos richtig einnehmen kann. Wichtig ist, dass die innere Musik und Harmonie des Menschen die Harmonie des Makrokosmos widerspiegelt. Gerät diese aus den Fugen, so mit ihr auch die ganze Welt.

    Die musica instrumentalis schließlich ist jene Musik, „die auf Instrumenten spielen soll. Diese wird entweder durch Anspannung erzeugt, wie bei Saiten, oder durch Luft, wie bei Flöten und bei Instrumenten, die mit Wasser funktionieren, oder mit Schlägen, wie bei den Instrumenten, die mit einem krummen Erzstab geschlagen werden, und daher verschiedene Klänge hervorbringen.“[4]

    Im elisabethanischen Zeitalter waren diese Ideen durchaus noch von entscheidender Bedeutung und auch „Shakespeare war von der Philosophie der Sphärenmusik ausgesprochen stark beeinflusst. […] Musik stand sowohl bezüglich des Kosmos‘ als auch der Menschheit in Bezug zu Ordnung und diese Ordnung war ein entscheidender Teil dieser Theorie. Da Philosophen der Auffassung waren, dass das gesamte Universum mit Hilfe der gleichen mathematischen und harmonischen Regeln konstruiert worden war, die für das Entstehen der Sphärenmusik verantwortlich waren, musste jeder Aspekt des Universums letztendlich geordnet sein.“[5]Der Kosmos, die Welt, der Mensch in ihr und alles andere befinden sich im göttlichen Plan alle an dem ihnen zugewiesenen Platz und sind Teil der „himmlischen Harmonie“. Die „Great Chain of Being“ wirkte allüberall.

    Was nun sollen diese mäandernden und naturgemäß schon fast gefährlich verkürzten Ausführungen? Nun, sie sollen einen bleichen Hinweis darauf geben, welche zentrale Bedeutung die Musik in der elisabethanischen Geistesgeschichte und somit eben auch auf dem Theater hatte. Es gab als Quelle der englischen Oper nicht nur den Jygge, den William Kemp mit locker sitzender Zunge und ebenso locker sitzendem cod piece obzön nach dem Hauptstück des Abends dem Publikum präsentierte. Musik und Sprache galten als „zwei Manifestationen einer harmonischen Sprache der Schöpfung“[6] und die hiermit zusammenhängende „Philosophy of Music“ durchflutete die Bühnenstücke der Elisabethaner. Und dies nicht nur auf der Ebene des gesprochenen Textes, sondern eben auch – um bei Boethius zu bleiben – als musica instrumentalis. Gespielte und gesungene Musik war auch hier allgegenwärtig. Sie erklingt beispielsweise in Form von „Serenaden, wenn Charaktere verzaubert werden, es gibt Musik als Mittel der Stärkung, um Adlige zu erfreuen, um den Auftritt der Schönheit zu unterstreichen, um Zeit zu überbrücken, während etwas anderes passiert, um Todesschmerz zu lindern, bei Visionen, während Festen, um feierliche Momente zu unterstreichen und […] zur Begleitung von Liedern und Tänzen.“[7] Bei Shakespeare dient Musik beispielsweise zur Hervorhebung bestimmter Handlungselemente oder Charakterzüge sowie zur Zurschaustellung einer Abweichung von der natürlichen Ordnung. Insbesondere David Linley zeigt in seiner höchst lesenswerten Studie „Shakespeare and Music“[8]auf, wie Shakespeare eben nicht nur im Sinne von Dekoration nutzt, sondern um die Publikumsreaktion auf das Drama zu vertiefen, um „kommentierende Schichten und Ebenen gegenläufiger Bedeutung“[9]einzuziehen.

    Lange galt es als unangefochtene Lehrmeinung, dass elaboriertere Musik erst mit dem Erwerb des Blackfriars Theatre durch Shakespeare Truppe „The King’s Men“ im Jahre 1608 Einzug in die Stücke des Barden gehalten habe. Das Blackfriars war – im Gegensatz zum Globe – ein „private theatre“. Dies bedeutete, dass es kein „wooden O“ – also ein Freilufttheater – war, sondern ein „indoor theatre“. Hier hatten bis dato die sogenannten „choirboy plays“ stattgefunden, in denen – laut den Tagebucheinträgen des Pommerschen Herzogs Philipp Julius (verfasst von seinem Sekretär Friedrich Gerschow) – statt professioneller erwachsener Schauspieler die Knaben der Chapel Royal oder von St. Paul’s Schauspiele auf die Bühne brachten:

    „Es hat aber mit dieser Kinder-comœdia die Gelegenheit: die Königin halt viel junger Knaben, die sich der Singekunst mit Ernst befleissigen müssen und auf allen Instrumenten lernen, auch dabenebenst studieren. Diese Knaben haben ihre besondere præceptores in allen Künsten, insonderheit sehr gute musicos. Damit sie nun hofliche Sitten anwenden, ist ihnen aufgelegt, wöchentlich eine comœdia zu agiren, wozu ihnen denn die Königin ein sonderlich theatrum erbauet und mit köstlichen Kleidern zum Ueberfluss versorget hat. Wer solcher Action zusehen will, muss so gut als unserer Münze acht sundische Schillinge geben, und findet sich doch stets viel Volks auch vieleehrbare Frauens, weil nutze argumenta und viele schöne Lehren, als von andern berichtet, sollen tractiret werden; alle bey Lichte agiret, welches ein gross Ansehen macht. Eine ganze Stunde vorher haret man eine köstliche musicam instrumentalem von Orgeln, Lauten, Pandoren, Mandoren, Geigen und Pfeiffen, wie denn damahlen ein Knabe cum voce tremula in einer Basgeigen so lieblich gesungen, dass wo es die Nonnen zu Mailand ihnen nicht vorgethan, wir seines Gleichen auf der Reise nicht gehöret hatten.“[10]

    Diese Vorführungen waren also durchaus ein Spektakel – gerade auch in musikalischer Hinsicht. (In moralischer Hinsicht war das Ganze aber offensichtlich mehr als problematisch, wurden doch attraktive Knaben mit königlicher Duldung doch von der Straße weggeschnappt, nominell in die Chapel Royal eingegliedert und dann – zum Vergnügen des männlichen Publikums – auf die Bühne gestellt. Aber das ist ein anderes Kapitel.[11])

    Seit Andrew Gurrs bahnbrechender Studie „The Shakespearean Stage 1574-1624“ war es – wie gesagt – lange Konsens, dass erst mit dem Ankauf des Blackfriars uns der Übernahme einer Reihe der „Choirboy“-Schauspieler Musik so recht in die Welt der Shakespeare’schen Dramen Einzug gehalten habe. Bei Peter Holman liest sich das wie folgt:

    „Bis zu dem Zeitpunkt, als The King’s Men das Blackfriars Theatre erwerben konnten, arbeitete Shakespeare in einer Theatertradition, die keine oder keine anspruchsvolle Musik benötigte. Im elisabethanischen Zeitalter hatten Instrumentalisten anscheinend keine bestimmte Rolle im Theater und ihre Beiträge zu seinen frühen Stücken waren lediglich ‚flourishes‘ ‚sennets‘, ‚tuckets‘ und ‚alarums‘. Doch nach 1609 nutzten The King’s Men Elemente der alternativen und viel musikalischeren Tradition der ‚Chorjungen-Stücke‘, die von musikalischen Jungen der Chapel Royal oder anderer Londoner Chöre aufgeführt wurden. Sie übernahmen das Blackfriars Theatre von einer Chorjungentruppe, übernahmen anscheinend einige der ehemaligen Schauspieler, begannen festangestellte Musiker zu beschäftigen und die Dienste eines renommierten Komponisten in Anspruch zu nehmen, der Lieder und Vokalmusik für sie schrieb. […] Sie etablierten eine Tradition, die von den Komponisten und Sängern der King’s Men bis zum Beginn des Bürgerkrieges 1642 andauerte.“[12]

    Mittlerweile jedoch wird dieses vermeintlich historische Faktum in Zweifel gezogen. Basierend auf der Arbeit von Linda Austern[13] zeigt David Mann, dass elaborierte „Musik in Shakespeares Schauspielen auch während ihrer Freiluftaufführungen sehr wohl existierte“[14], ja dass sich die beiden Traditionen (Erwachsenentheater und Chorjungenstücke) „nicht so extrem wie bislang dargestellt“[15]unterschieden. Tatsächlich lässt sich für 23 von den 37 Stücken Shakespeares belegen, dass er offenkundig ein „consort“ (also eine ganze Gruppe von Musikern) in seine Stücke mit einbezog.

    Musik war also immer ein integraler Bestandteil der Werkes Shakespeares. Sie war es auch in den Werken seiner Zeitgenossen Jonson, Marston, Lyly oder Peel. Musik durchflutete als musica instrumentalis, aber auch als musica theoretica das gesamte elisabethanische England und dementsprechend auch das elisabethanische Theater:

    „Im elisabethanischen Zeitalter genoss Musik eine weite Verbreitung, sowohl innerhalb der Aristokratie als auch in den weniger wohlhabenden Klassen. Für Könige, Adlige, Höflinge, Bauern, Künstler und Handwerker war sie ein Teil des täglichen Lebens. Neben Hofmusikern und anderen offiziellen Ensembles existierten Gruppierungen auf bescheidenerem Niveau, die man engagierte, um Hochzeitsgäste zu unterhalten oder solche, die in Kneipen oder Bordellen Balladen sangen und spielten. Darüber hinaus spielte Musik […] eine wichtige Rolle während der für alle Stände zugänglichen Theateraufführungen, die das hervorstechendste kulturelle Phänomen im England jener Zeit waren.“[16]

    All dies Revue passieren lassend, wird klar, warum Lorenzo im „Kaufmann von Venedig“ Jessica im Grunde gar keinen anderen Rat geben kann als:

    „Der Mann, der nicht Musik hat in ihm selbst,
    Den nicht die Eintracht süßer Töne rührt,
    Taugt zu Verrat, zu Untaten und Tücken;
    Die Regung seines Sinns ist dumpf wie die Nacht,
    Sein Trachten düster wie der Erebus.
    Trau keinem solchen! – Horch auf die Musik!

    Horchen kann der mild Interessierte übrigens gut hier:

     

    :wink: Agravain

    ____________

    [1]Morbach, Bernhard: Die Musikwelt des Mittelalters. Kassel 2005. S. 28
    [2]Zit. n.: http://12koerbe.de/arche/boe-mu1.htm. Eingesehen am 21.06.2020.
    [3]ebd.
    [4]ebd.
    [5]Sulka, Emily: Shakespeare’s Philosophy of Music (2017). in: Music and Worship Student Presentations. 22.
    [6]Olk, Claudia: The Musicality of The Merchant of Venice. In: Shakespeare 8, No. 4. 2012. S. 389.
    [7]Mann, David: Reinstating Shakespeare’s Instrumental Music. In Early Theatre. 15.2. 2012. S. 78. (im Weiteren: Mann)
    [8]Linley, David: Shakespeare and Music. London 2006. Insbesondere S. 105 ff.
    [9]Mann, S. 77.
    [10]Diary of the Jouney of Philip Julius, Duke of Stettin-Pomerania, through England in the Year 1602. Hg. von Gottfried von Bülow und Wilfried Powell. London 1892. S. 28 ff.
    [11]Vgl. hierzu ausführlich: Van Es, Bart: Shakespeare in Company. Oxford 2013.
    [12]Holman, Peter: Booklettext zur CD „Hark! hark! the lark – Music for Shakespeare’s Company. The Parley of Instruments, Peter Holman. 1 CD. Hyperion CDA66836. 1997. S. 2 f.
    [13]Austern Linda: Music in English Children’s Drama of the Later Renaissance. New York 1992.
    [14]Mann, S. 86
    [15]ebd.
    [16]Zegna, Massimo Rolando: Shakespeare’s Musick. Booklettext zur CD “Shakespeare’s Music”. Musicians of the Globe, Philip Pickett. 7 CD. Editions de L’Oiseau-Lyre. 4828555. S. 58 f.

  • Drittes Präludium: Maskierte in Mood Inigo oder Kopflos Richtung Oper

    Im Gegensatz zu Katharina von Aragon, von der das zweite Präludium kurz berichtete, hatte König Charles I. nicht das Glück, ohne eine Trennung von Kopf und Körper in Windsor Chapel zur letzten Ruhe gebettet zu werden. Seine Hinrichtung, die den Höhepunkt der Auseinandersetzungen im englischen Bürgerkrieg stattfand, trug sich in London vor dem sogenannten Banqueting House zu. Dass gerade dieser Ort gewählt wurde, mag zwei entscheidende Gründe gehabt haben.

    Zum einen – und dies ist der prosaischere Grund – bot der Platz vor dem Banqueting House einer großen Menge an Menschen Raum, um dieser wohl außergewöhnlichsten Hinrichtung in der Geschichte der Nation beizuwohnen. Zum anderen mag diese Wahl dieses Ortes eine nicht eben mühsam zu dechiffrierende symbolische Geste gewesen sein, denn das zwischen 1619 und 1622 von dem berühmten Architekten und Bühnenbildner Inigo Jones entworfene und erbaute Banqueting House (es war bereits das dritte seiner Art) stand aus Sicht der „Parlamentarians“ exemplarisch für die verhasste Verwendungssucht des königlichen Hauses Stuart. Nicht nur hatte der Bau des Gebäudes selbst über 15.000 Pfunde verschlungen – eine Summe, für die man in jenem Säkulum rund 45.000 Schafe hätte kaufen können und die für den durchschnittlichen Bewohner Albions nur schwerlich vorstellbar war. Auch das zwischen 1630 und 1634 von Peter Paul Rubens gestaltete Deckengemälde des Bankettsaales hatte noch einmal 3000 Pfund gekostet. Für diese Summe hätte man auch 470 Pferde, 556 Kühe oder noch einmal 3750 Schafe kaufen können.[1] Die Krone setzte dem Ganzen aber auf, dass Charles I. auffiel, dass man, nachdem das Deckengemälde nun den Saal zierte, selbigen gar nicht mehr für Feiern nutzen konnte, da die bei derlei Gelegenheiten aufgestellten Kerzen und Fackeln Rubens‘ Meisterwerk mit ihrem Ruß verschmutzen würden. Also musste noch ein zusätzliches, weniger schmutzanfälliges Gebäude neben das eigentliche Banqueting House gestellt werden. Schließlich brauchte man einen royalen Partykeller. Und auch dieses Gebäude war – es überrascht kaum – nicht umsonst.

    „Was haben wir hier doch für Partys gefeiert“, mag Charles I. gedacht haben, als er durch ein Fenster des Banqueting House auf das davor aufgebaute Schafott schritt. Das Wort, das ihm dabei durch den Kopf gegangen sein könnte, dürfte allerdings nicht „Partys“, sondern „revels“ gewesen sein, was laut Merriam-Webster so viel bedeutet wie: „a usually wild party or celebration“[2]. Vielleicht zogen auch Prosperos berühmte Worte „Our Revels now are ended“[3] aus Will Shakespeares „The Tempest“ durch seine Gedanken. Und es mag natürlich sein, dass er an nichts dergleichen dachte, sondern eben nur daran, dass das Leib-Seele-Problem für ihn bald, wenngleich auch einigermaßen rustikal, gelöst werden würde.

    Für das vorliegende Präludium sind es aber eben jene „revels“, auf die ein spezielles Auge geworfen werden soll. Denn den Rahmen für einen Gutteil dieser - sagen wir einmal: Vergnügungen bildeten die sogenannten „Masques“ oder „Court Masques“. Und dieser wiederum waren Teil des Vorspiels zur englischen Oper.

    In England entwickelte sich die Masque ab dem 16. Jahrhundert und erreichte ihren künstlerischen Höhepunkt im darauffolgenden – genau – 17. Jahrhundert. Diese Entwicklung speiste sich aus den verschiedensten europäischen Quellen und Traditionen, beispielsweise dem eigenen „mumming“ oder „disguising“, der von Henry VIII. eingeführten italienischen „masquerie“, der „veglia“, dem „intermedio“, dem „trionfo“ oder dem französischen „ballet de cour“. Bereits bei den Tudors entwickelte sich die Masque als eine Form aus Pantomine mit lockerem Handlungsstrang, begleitet von Vokal- und Instrumentalmusik und einem reichhaltigen Anteil an Tänzen. Unter dem ersten Stuart-König James I. blühten die Masques dann zu höchst kunstvollen und komplexen Großveranstaltungen auf, deren Umsetzung unwahrscheinlich komplex und ebenso unwahrscheinlich teuer war.

    Das Ganze war – in aller Kürze zusammengefasst – wie folgt organisiert: „(1) Prozession, (2) allegorischer Monolog oder Dialog, (3) Antimasque mit Liedern und Tänzen, (4) Eröffnung der Szene der Masque, (5) Lied I, (6) Eingangstanz der Maskierten und Abstieg in den Tanzsaal, (7) Lied II, (8) Haupttanz der Maskierten, (9) Lied III, (10) Feier mit dem Publikum, (11) Lied IV, (12) Rückkehr der Maskierten auf die Bühne und Abschlusstanz oder großer Chor. […] Oft schloss sich der Masque ein opulentes Bankett an. Die kompletten Veranstaltungen konnten vier oder fünf Stunden dauern.“[4].

    Die Masques, die sich während des Regnums von James I. entwickelten, waren aber nicht nur schmückendes Beiwerk für stundenlange Gelage. Man hatte schon Anspruch. Außerdem wurden sie als Allegorien zunehmend politisch genutzt – nicht zuletzt zum Zwecke von Herrschafts- und Machtlegitimation. Nicht umsonst achtete der Master of Revels penibel darauf, dass man darum nur, wie es auch schon die Alten taten, hervorragende und hofnahe Komponisten und Musiker, Bühnenbildner und Poeten mit der Dichtung, Inszenierung und Komposition von Masques beauftragte.

    Mit dem schon genannten Inigo Jones hatte man den besten Architekten und Bühnenbildner der Zeit an der Hand, der mit dem Banqueting House auch gleich einen wohlgefälligen baulichen Rahmen für die Feierlichkeiten geschaffen hatte. Er sorgte ebenfalls für die prunkvolle Ausstattung der Masques. Für die Ausgestaltung der Librettos zeichnete der für seinen wilden Charakter (und seine herausragenden Bühnenstücke) berühmt-berüchtigte Dichter Ben Johnson verantwortlich, der auf mysteriöse Weise das Kunststück fertig gebracht hatte, sich trotz seines üblen Rufes und seiner durchwachsenen Vita bei den Stuarts beliebt zu machen. Immerhin wurde ihm 1617 von James I. ein regelmäßiges Einkommen von 100 Pfund bewilligt, was dazu führte, dass man in ihm zu späterer Zeit den ersten „echten“ Poet laureate erkannte oder auch erkennen wollte. Im Jahr 1605 produzierten Jones und Johnson mit „The Masque of Blackness“ ihre erste gemeinsame Arbeit für den königlichen Hof. Sie sollten über die Jahre insgesamt rund 30 Court Masques auf höchstem Niveau zusammen produzieren, bis sie sich 1631 aufgrund von Eifersüchteleien, Kompetenzgerangel und gegenseitiger Entnervung konsequent und endgültig zerstritten.

    Neben der Dichtung und der Ausstattung stand der Tanz im Zentrum einer jeden Masque:

    „Tänze, insbesondere die drei großen maskierten Tänze, die von allen Maskierten vorgeführt wurden, waren die Raison d’être des Genres. Tatsächlich ist es so, dass es sich bei den meisten Liedern um Tanzlieder handelt, nicht nur in den Antimasques, sondern auch während und zwischen den großen maskierten Tänzen und den Revels. Die Tänze wurden von kultivierten Amateuren aus der Aristokratie vorgeführt und von professionellen Musikern und Tanzmeistern begleitet. Die Tänzer der großen maskierten Tänze waren jene Lords und Ladies, die gerade am Hof favorisiert wurden. Ihre Anzahl lag zwischen sechs und sechzehn und sie waren in symbolischer Verkleidung –beispielsweise als Ritter, Helden oder andere tugendhafte Favoriten der Krone. Bisweilen nahmen der König oder die Königin selbst teil. Die Maskierten erlernten und erprobten die Schritte unter Anleitung solcher Tanzmeister wie Giles, Jeremy Herne und den Franzosen Bochan und Confesse, die für die Choreografie verantwortlich waren.“[5]

    Die Musik für die Jones & Johnson-Masques lieferte zunächst Alfredo Ferrabosco der Jüngere, unehelicher Sohn von – nun ja – Alfredo Ferrabosco dem Älteren, einem italienischen Komponisten, der nebenberuflich wohl für Elizabeth I. spioniert und bei dieser Gelegenheit auch seinen Genpool nach Britannien getragen hatte. Alfredo der Jüngere nun war der Geburt nach ein (fast) waschechter Cockney und bekannt für seine Fähigkeiten als Gambist. Er war zudem Hofmusiker und Musiklehrer des Sohnes von James I.: Henry Frederick Stuart, Prince of Wales. Als weiterer Komponist wurde bisweilen Robert Johnson hinzugezogen. Selbiger unterrichtete den Infanten und zeichnete für dessen Lautenspiel verantwortlich. Zudem komponierte er für Shakespeares Truppe und hielt sich auch unter Charles I., dem er bis zu seinem Ableben 1633 „Composer for Lute and Voices“ diente. Auch Giovanni Coprario (der eigentlich John Cooper hieß und aus London stammte), Thomas Campion und Nicholas Lanier steuerten Musik für die zahlreichen Court Masques bei.

    Und doch spielte die Musik in der Masque im Grunde eine untergeordnete Rolle. Man kannte, was man hörte. Lautenlieder, Chöre, Tanzmusik. Man erfreute sich auch daran. Viel fundamental Neues entstand nicht – obwohl… Immerhin zog wohl als musikalische Neuerung das italienische Rezitativ in das Genre ein. Ein Hinweis darauf findet sich in der 1640er Neuausgabe von Johnsons Libretto zu „Lovers Made Men“, das im Jahr 1617 entstanden war. Hier ist zu lesen: „Und die gesamte Masque wurde nach der italienischen Art im ‚stylo recitativo‘, komponiert von Meister Nicholas Lanier, der sowohl die Szene als auch die Musik einrichtete.“[6] Dass der „style recitativo“ auch nach Albion kam, war im Grunde kein Wunder, wurden doch italienische Monodien von Caccini, Notari und anderen in London gedruckt und auch Ferrabasco schrieb Rezitative im italienischen Stil. Völlig unbekannt war die neue Mode also nicht. Und auch, wenn man in der Forschung zurecht anführt, dass sich der englische deklamatorische Stil deutlich vom italienischen unterschied, so ist es kaum zu leugnen, dass „Lovers Made Men“ den „Anspruch anmelden kann, als erste englische Oper betrachtet zu werden.“[7] Dennoch gibt es ein Problem: Es hat sich keine komplette Partitur einer Masque erhalten. Es gibt einzelne Lieder und Tänze, die sich zuordnen lassen, aber letztlich kein „großes Ganzes“. Insofern ist nicht zu überprüfen, ob die 1640 gemachte Bemerkung zu „Lovers Made Men“ der Wahrheit entspricht. Gleichzeitig eröffnet die kaladeidoskopartig fragmentierte Quellenlage dem findigen Musiker und/oder Musikwissenschaftler die Möglichkeit, die ein oder andere Masque zu rekonstruieren. Und dem Musikinterssierten bietet sich auf diese Weise – wenn der Wunsch besteht, sich in der Wohnung oder dem Eigenheim endlich einmal zu fühlen wie Charles I. (oder auch wie dessen Gattin Henriette Marie de Bourbon) im frisch getünchten Banqueting House – die Gelegenheit, in die Pracht und Herrlichkeit dieses Genres einzutauchen. Und das ganz ohne dafür 2,5 Millionen Pfund zu berappen, wie dereinst der noch nicht kopflose König für die Masque „The Triumph of Peace“. Kein Wunder, dass das den Puritanern irgendwann ein bisschen viel wurde.

    Wer sich nun also die Larve aufsetzen, das Bein rhythmisch zu einer Allemande, einer Pavane oder einer Volta bewegen und im Geiste an den Vergnügungen der Stuarts teilhaben will, dem seien folgende Scheiben zwecks Anlieferung der musikalischen Dimension herzlich empfohlen.

    enthalten auch hier:
     

    :wink: Agravain
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    [1] https://www.nationalarchives.gov.uk/currency-converter/
    [2] https://www.merriam-webster.com/dictionary/revel
    [3] The Complete Works of Williams Shakespeare. The text and order of the First Folio. The Nonesuch Press. London 1953. S. 51.
    [4] Lefkowitz, Murray: Masque. In: The New Grove Dictionary of Music. Ed. by Stanley Sadie. London 1995. Band 11, S. 758. (im Weiteren: Lefkowitz/Grove)
    [5] Lewkowitz/Grove, S. 761.
    [6] zit. n. White, Eric Walter: A History of English Opera. London 1983, S. 47. (im Weiteren: White)
    [7] Ebd.

  •  

    Ben Jonson, Inigo Jones, Alfonso Ferrabosco, Robert Johnson:
    Oberon, the Faery Prince. A Masque of Prince Henries.
    Erstaufführung: 1. Januar 1611
    The Musicians of the Globe
    (Gesang: Libby Crabtree, Julia Gooding, Helen Groves, Meredith Hall, Helen Parker, Paul Agnew, Joseph Cornwell, Simon Davies, Andrew King. Laute: Tom Finucane, Jacob Heringman)
    Philip Pickett
    Aufnahme: All Saints, Tooting, London: 11/1994

    Satyrn: mit seiner Anmut erfüllt er
    Jede Jahreszeit und jeden Ort;
    Wo wohnt die Schönheit, wenn nicht in seinem Antlitz?
    Er ist der Höchste unseres Geschlechts.
    Nicht Pans Vater, der Gott der Beredsamkeit,
    nicht Bacchus, auch wenn er jung noch ist,
    nicht Phöbus, als bekrönt er sang,
    und auch nicht Mars, als seine Rüstung erstmals klang,
    können an diesem Tage ihm als gleich genannt werden.

    Elogen dieser Art hört man(n) gern. Geschmeichelt fühlen konnte sich an dieser Stelle der (Darsteller des) König(s) des Feenreiches Oberon, der im Zentrum der 1610 entstandenen und am Neujahrstag des Jahres 1611 im Londoner Banqueting House aufgeführten Masque „Oberon, the Faery Prince. A Masque of Prince Henries“ von Ben Jonson steht.
    Bei dem Werk handelt es sich um die sechste gemeinsame Arbeit von Ben Jonson und dem berühmten Architekten und Bühnenbildner Inigo Jones für den Hof der Stuarts. Seit der 1605 von Anne von Dänemark beauftragten „Masque of Blackness“ waren die beiden gewissenmaßen das Dreamteam des königlichen Bühnenspektakels und – man darf es ruhig so sagen – mit ihrem Produkt court masque bestens im Geschäft.
    Im Zentrum steht – wie gesagt – Oberon sowie die „heiligen Nächte“ „und strahlenden Zeremonien“ in denen und anlässlich derer er erscheint. Die Handlung der Masque ist schnell erzählt.

    Über einer ebenso dunklen wie zerklüftet-felsigen Gegend steigt der Mond langsam auf. Ein Satyr tritt auf und wunderte sich, dass er ganz allein ist und seine Verwandten nicht bereits vor Ort sind. Nachdem er mehrmals in sein Horn gestoßen hat, erscheinen dann endlich weitere seines Geschlechtes. Man fragt sich, ob es nicht irgendwo eine Nymphe gäbe, die man in dieser wunderbaren Nacht freien könnte. Ein Silen erscheint und ruft sie zu Ordnung. Dies sei schließlich eine jener feierlichen Nächte, in der Oberon erscheinen werde. Aber die Satyrn denken weiterhin vornehmlich an die Möglichkeit, sich mit Nymphen vergnügen zu können. Plötzlich öffnen sich die Felsenklüfte und ein „leuchtender und prächtiger Palast“ wird sichtbar. Vor seinem Tor liegen zwei Sylvanen, die schlafen, anstatt Wache zu schieben. Die Satyrn verspotten sie genüsslich, die Sylvanen indes juckt das nicht. Auf die Frage danach, wann sich die Tore öffnen und Oberon nun endlich erscheinen würde, verweisen darauf, dass es erst beim zweiten Hahnenschrei so weit sei. Bis dahin könnten sie schlafend bestens wachen. Nach einem Lied der Satyrn („Now, my cunning Lady, Moon”) ertönt schließlich zweimal der Schrei des „chearful Chanticleere“. Die Tore des Palastes öffnen sich und heraus kommt „das Volk der Feen, manche tragen Instrumente, manche Lichter, andere singen.“ Im hinteren Bereich ist Oberon auf einem Streitwagen zu erkennen. Dieser wird von zwei weißen Bären unter den Klängen festlicher Musik nach vorne gezogen. Alle loben und preisen den Faery King. Feen und Satyrn singen und tanzen. Schließlich steigt Oberon herab und tanzt zusammen mit seinen Rittern den „first Maque Dance“. Es folgt ein Lied, dann der zweite Masque-Tanz und dann eine reichhaltige Anzahl unterschiedlicher Tänze: „Scot Measures“, Couranten, Galliarden usw.“ Schließlich erscheint Phosphorus, „the Day-star“ und mahnt, dass die Vergnügungen sich nun so langsam dem Ende nähern müssten. Der dritte Masque-Tanz wird getanzt und schließlich verschwinden alle.

    Dieses festlich-bewegte Spektakulum war letztlich, die Sylvanen sagen es ganz deutlich, „A Night of Homage to the British Court“ und eine Feier zu Ehren des Hauses Stuart im Allgemeinen und des Thronfolgers, des Prince of Wales Henry Frederick im Speziellen. Um diese Feier so prachtvoll wie möglich zu gestalten, hatte sich Inigo Jones enorm angestrengt und verschwenderische Kostüme und Bühnenbilder entworfen, die man bei Interesse leicht ergooglen kann (z.B. mittels der Suchbegriffe Inigo Jones Oberon). Wie man heute anhand von erhaltener Buchführung teilweise nachvollziehen kann, war das Ganze eine durchaus kostspielige Angelegenheit. Allein die Kostüme verschlangen eine Summe von umgerechnet fast 200.000 Pfund. Über die restlichen Kosten hat sich der Mantel der Geschichte gnädig gelegt. Jones und Jonson erhielten die damals durchaus noch stattliche Summe von 40 Pfund, was heute gut 5.000 Pfund entspricht. Alfonso Ferrabosco II. bekam für die von ihm komponierten Musikstücke 2.500 Pfund, was Robert Johnson bekam, wissen wir leider nicht. Was wir indes wissen ist, dass nur sehr wenig von Ferraboscos und Johnsons Musik die Wirren der Jahrhunderte überstanden hat.

    Und dennoch kann man heute den „Oberon“ nicht nur lesen (z.B. HIER), man kann nicht nur Bühnenbild und Kostüme bestaunen, man kann „The Masque of Oberon“, wie die entsprechende CD-Produktion heißt, auch hören. Der englische Musikwissenschaftler, Cembalist und Dirigent Peter Holman nämlich hat sich Anfang der 90er Jahre des 20. Jahrhunderts daran gemacht, das existierende Material zu sichten, zu edieren und eine aufführbare Version zu erstellen: „Wie viele andere höfische Masques auch, ist uns Oberon nur fragmentarisch überliefert; ohne ausführliche Rekonstruktion ist er unaufführbar. Drei der Gesangsnummern sind uns original überliefert. Einige andere habe ich ergänzt, indem ich den Oberon-Text auf andere Lieder von Ferrabosco und Johnson übertrug, obwohl ich die Chöre ganz neu komponieren musste, da nicht ein einziger für auch nur eine jakobinische höfische Masque noch existiert.“ (Peter Holman: Eine Reise ins Land der Feen. Begleittext zur CD: Ben Jonson’s The Masque of Oberon. Philips 446 217-2, 1994. 1 CD. S. 10)

    Das Ergebnis kann sich nach meinem bescheidenen Dafürhalten sehr gut hören lassen. Holmans enorme Erfahrung mit der Musik der Renaissance wird u.a. dadurch deutlich, dass man nicht eine Sekunde lang den Eindruck hat, dass hier auch nur irgendetwas rekonstruiert werden musste. Authentischer kann auch originale Musik der englischen Renaissance kaum klingen. Philip Pickett und seine Musicians of the Globe sind in jeder Hinsicht ideale Partner für die Klangwerdung dieses fulminanten Spektakels. Für mich bleiben an dieser Stelle keine Wünsche offen.

    :wink: Agravain

  • Einführung: Vom dreckigen Witz zum höfischen Knicks – Präludien zur Oper Albions

    Letztes Präludium: Vom Shutdown zu „The Return of the King

    Am 2. September 1642 war Schluss mit lustig.

    „Da das unglückliche Irland in seinem eigenen Blut watet und das verstörte England von der blutigen Wolke eines Bürgerkriegs bedroht ist, sind alle Möglichkeiten zu ergreifen, um den in diesen Ereignissen zutage tretenden Zorn Gottes zu befrieden und abzuwenden. Unter anderem haben sich in solchen Zeiten und auch gegenwärtig das Fasten und das Gebet als höchst hilfreich erwiesen. Öffentliche Zerstreuungen indes passen nicht gut zu öffentlichem Elend. Auch gehen öffentliche Theateraufführungen nicht mit Zeiten der Erniedrigung zusammen, die eine Übung in trauriger und frommer Ernsthaftigkeit sein sollte, und zwar weil jene Zurschaustellungen der Freude sind, die allzu oft wollüstigen Froh- und Leichtsinn zeigen. Es ist darum die Auffassung der Lords und Commons dieses Parlamentes, dass es angemessen ist und darum beschlossen wird, dass alle Theateraufführungen beendet und unterlassen werden müssen, so lange diese traurigen Gründe für diese Zeit der Erniedrigung bestehen. Stattdessen wird den Bürgern dieses Landes empfohlen, sich dem einträglichen und zeitgemäßen inneren Geschäft der Buße, Aussöhnung und dem Frieden mit Gott widmen, da dies wahrscheinlich zu äußerem Frieden und Wohlstand führen und diesen Nationen erneut Zeiten der Freude bescheren wird.“[1]

    In den folgenden Jahren wurde die Londoner Theaterszene – man kann es sich nach der Lektüre dieser eher unversöhnlichen Zeilen vorstellen – nach allen Regeln der Kunst unterdrückt. Für das in diesem Kontext vornehmlich interessante Genre der „court masque“ und die hier involvierten Akteure war das puritanische Verbot aber im Grunde nicht von besonderer Relevanz, da der englische Hof 1642 gar nicht mehr vor Ort befand. Auf privater Ebene durften Masques übrigens weiterhin aufgeführt werden: „Der Einfluss der ‚court masque‘ setzte sich während des Interregnums in den ‚school masques‘ ebenso fort wie in neuen Bühnenproduktionen, die man ‚moral representations‘ nannte und die Musik und Tanz beinhalteten, […].“[2]

    Die einzige englische Masque des 17. Jahrhunderts, deren Partitur erhalten ist „Cupid and Death“ von John Shirley mit der Musik von Christopher Gibbons (dem Sohn des berühmten Orlando) und dem jungen Matthew Locke. Sie ist in jenen Jahren wohl für eine frühere Schulaufführung entstanden („school masque“), bezeugt indes ist ihre Aufführung am 26. März 1653 anlässlich des Besuches des portugiesischen Botschafters in London. Sie orientiert sich so stark an den Strukturen des höfischen Pendants, dass es „realistisch ist anzunehmen, dass wir mit ihr das vollständige musikalische Schema des älteren Genres vorliegen haben.“[3]

     

    Das Schlupfloch „moral representation“ nutzte der 1606 geborene in Oxford geborene Dichter William Davenant (der eventuell Shakespeares Patensohn war), um den puritanischen Bühnen-Bann umgehen zu können. Sein einfacher Gedanke: Um Schauspiele aufführen zu können, müssen diese nur mit Musik angereichert werden und „Bob’s your uncle“ (wobei er diese schmissige Redewendung nicht kannte, da sie wohl erst im späten 19. Jahrhundert geprägt wurde). Die Verbindung von Text und Musik sollte ihm allerdings nicht nur die Möglichkeit geben, seine Stücke – trotz puritanischer Ungnade – auf die Bühne zu bringen. Sie interessierte ihn auch.So ist beispielsweise bezeugt, dass er sich schon deutlich zuvor gewünscht hatte, seine lange (und bisweilen auch -weilige) Romanze „Gondibert“ möge – gleich den Epen des Homer – gesungen vorgetragen werden.[4] Auch das in der englischen Musikwelt zunehmend intensiv diskutierte Problem des Rezitativs ging nicht spurlos an ihm vorüber.

    Davenant schaffte, was er sich vorgenommen hatte. Durch allerlei Schach- und Winkelzüge gelang es ihm, im Jahre 1656 seine Oper „The Siege of Rhodes“ aufzuführen, wenn auch nicht öffentlich, so doch immerhin in einem Privathaus. Die Musik wurde nicht publiziert und ist verschollen. Das liegt übrigens auch an der „Rollenverteilung“ bei Davenants Projekt(en). Man muss sich vergegenwärtigen, dass in diesem Fall (und auch später) der Anstoß zu der Oper) vom Librettisten ausging und nicht vom Komponisten: „Davenant wählte sich seine Themen, schrieb den Text und lud verschiedene Komponisten ein, Vokal- und Instrumentalmusik beizusteuern. Der Komponist war lediglich ein Zulieferer.“[5]

    In der Retrospektive (und fast ein Vierteljahrhundert nach Davenants Tod 1668) schreibt der anonyme Verfasser des Librettos zu Purcells „The Fairy Queen“ 1692:

    „Sir William Davenants ‚Siege of Rhodes’ war die erste Oper, die wir in England hatten. Die kann niemand bestreiten. Und es handelt sich wahrlich um eine perfekte Oper, liegt doch der einzige Unterschied zwischen Oper und Tragödie darin, dass bei der einen die Handlung gespielt und gesungen und bei der anderen gesprochen wird.“[6]

    1660 endete das Interregnum. Der „Lord Protector“ Oliver Cromwell war im September 1658 zu seinem Gott gegangen. Sein Sohn und Nachfolger Richard war der ererbten Aufgabe nicht gewachsen, schmiss im April 1659 hin und verdünnisierte sich ins Pariser Exil. Das Parlament verlieh Charles II. die Königswürde und mit seinem triumphalen Einzug in London am 29.10.1660 hatte England wieder einen König (mit Kopf).

    Bereits in den der Restauration des Hauses Stuart vorangegangenen Monaten arbeitete Davenant an der Wiederbelebung der Londoner Theaterszene. Aber er war nicht der einzige. Auch Thomas Killigrew – bei Charles II. als „Groom of His Majesty’s Bedchamber“ und „King’s Jester” beschäftigt und dazu noch Dichter – brachte sich mittels seiner guten Verbindungen in Position. Denn das Ansinnen der beiden Männer war natürlich nicht caritativ. Es ging beiden darum, die Wiederbelebung der Theater zu steuern und diese (inklusiver der Schauspieler) unter ihre Kontrolle zu bringen. Beiden wurden vom neuen Charles königliche Lizenzen für die Aufführung von Theaterstücken erteilt. Wenig später erhielten die beiden Monopolisten auch Patente zur Eröffnung von Theatern. Killigrew gründete die Truppe „His Majesty’s Comedians“ (besser bekannt als „The King’s Men“) und Davenant „The Duke’s Men“. Beide eröffneten auch bedeutende Theater: Killegrew das „Theatre Royal“ in Drury Lane und Davenant das „Duke’s Theatre“ in Lincoln’s Inn Field. Nach seinem Tod ließen seine Nachfahren an der Stelle des ehemaligen Salisbury Court das „Theatre in Dorset Gardens“ erbauen, das 1671 eröffneten. 1682 fusionierten die beiden Theaterunternehmen und die ohnehin schon komplizierte Londoner Theatergeschichte wurde zusehends komplizierter.

    Davenant und Killigrew hatten im Übrigen vom für die Theater zuständigen Lord Chamberlain die Aufgabe übertragen bekommen, nicht nur neue Stücke auf die Bühne zu bringen, sondern auch ältere, die man noch für aufführbar hielt. Davenant sollte eigene Stücke produzieren, aber auch verschiedene von Denham, Webster und von Shakespeare, darunter auch „The Tempest“. Diesen hatte er bereits gemeinsam mit John Dryden umgearbeitet und 1667 aufgeführt. Als er 1668 starb er wohl bereits vorgehabt, den Text in Richtung Oper umzuarbeiten. Diese Aufgabe übernahm dann Dichter Thomas Shadwell, der für das Opernprojekt u.a. mit den Komponisten Matthew Locke und Pelham Humfrey zusammenarbeitete. Der Erfolg des Werkes war, wenn man den Worten des berühmten Londoner Souffleurs John Downes Glauben schenken darf, außerordentlich:

    „The Tempest oder The Inchanted Island war von Mr. Shadwell zu einer Oper umgearbeitet worden. Sie bietet alles auf, was an Szenerie und Maschinen neu ist; […]. Sie wurde derartig bewundernswert gut aufgeführt, dass keine Oper danach jemals so viel Geld eingespielt hat.“[7]

    Die Semi-opera hatte Einzug gehalten.

     

    :wink: Agravain

    _____________________________________

    [1] Vgl. https://www.british-history.ac.uk/no-series/acts…rregnum/pp26-27 (Übersetzung: der Verfasser)
    [2] Lefkowitz, Murray: Masque. In: The New Grove Dictionary of Music. Ed. by Stanley Sadie. London 1995. Band 11, S. 764. (im Weiteren: Lefkowitz/Grove)
    [3] Leifkowitz/Grove, S. 766.
    [4] Vgl. White, Eric Walter: A History of English Opera. London 1983, S. 64. (im Weiteren: White)
    [5] White, 70.
    [6] Zit. n. White, 69.
    [7] Zit. n. White, 87.

  • „O my apes! The darlings of my heart…“ oder Folgen fiesen Pfuschens: die Masque „Venus and Adonis“ von Christopher Gibbons und John Locke auf ein Libretto von James Shirley

    Entstehung und Hintergrund

    Im März 1653 besuchte der Gesandte Portugals, der Graf von Peneguaiõ, England. Portugal gehörte zu den ersten Nationen, die nach dem englischen Bürgerkrieg und der Enthauptung Charles I. den „Commonwealth of England“ unter der Führung seines Lordprotectors Oliver Cromwell offiziell anerkannt hatten. Zu seinen Ehren entschied man, dass am 26. März 1653 eine Aufführung von John Shirleys Masque „Cupid and Death“ stattfinden sollte.

    Diese war vermutlich zu einem früheren, privaten Anlass entstanden, eventuell – wie einige andere auch – für die Schule in Whitefriars, an der Shirley nach 1644 unterrichtete. Zuvor war Shirley ein bekannter Schriftsteller am Stuart-Hof gewesen. Er hatte beispielsweise das Libretto für die überdurchschnittlich aufwändige Court masque „The Triumph of Peace“ beschrieben, deren Aufführung die enorme Summen verschlungen hatte. Nach einem vierjährigen Aufenthalt in Irland von 1636 bis 1640 und einem Intermezzo im Haushalt des Earl of Newcastle, mit dem er im Bürgerkrieg auf der Seite der Royalisten kämpfte, war er nach London zurückgekehrt. Schon in den 1620ern hatte er in St. Albans den Lehrerberuf ausgeübt. Daran knüpfte er nun, da seine Karriere als Bühnenschriftsteller für den Hof des Hauses Stuart beendet war, wieder an. Offensichtlich ließ ihn Cromwells Regime im Anschluss weitgehend in Ruhe. Shirley – dies ließ er entsprechend verlauten – verneinte, dass er versucht habe, die Masque am republikanischen Hof (ein Paradoxon übrigens) unterzubringen und „wie diese Vergnügung am 26.03.1653 den Weg vom Klassenzimmer zum ‚Hof‘ gefunden hat ist nicht bekannt. Doch damit das Skript gefunden werden konnte, muss jemand wenigstens von seiner Existenz oder früheren Aufführungen gewusst haben.“[1]

    Für diese Aufführung der Masque hat vermutlich Christopher Gibbons, der Sohn des großen Orlando Gibbons, die Musik komponiert.[2] Wie viel davon, ist allerdings nicht genau bekannt. Die Quelle, die zur Musik vorliegt, ist das Partitur-Autograph Matthew Lockes („The Instrumental and Vocal Music in the Moral Representations at the Military Ground in Leicester Fields“), das für eine Aufführung im Jahre 1659 entstanden ist. Die jeweiligen Anteile lassen sich nicht ganz genau identifizieren. Sicher ist jedoch, dass Lockes Partitur „gegenüber der älteren Version sicherlich zusätzliche Instrumentalmusik enthält und es ist vollkommen klar, dass die letzten beiden Auftritte – von den wenigen gesprochenen Zeilen des Dieners einmal abgesehen – fast vollkommen als Rezitativ gesungen wurden.“[3] Dieses Rezitativ Merkurs stammt aus Lockes Feder und gehört „zu den besten englischen Rezitativkompositionen, die je geschrieben wurden; […].“[4]

    Vollkommen verloren sind leider die Choreographien, für die der berühmte Tanzmeister Luke Channen (oder Channell) verantwortlich war.

    Inhalt

    James Shirleys lehrhaft-derbes und durchweg komisches Libretto lehnt sich locker an zwei Fabeln Äsops an, und zwar an „Cupido und der Tod“ und „Cupido, der Tod und Fama“. Der Inhalt der Geschichte, die Shirley von hier ausgehend ersonnen hat, ist leicht und schnell erzählt.

    Die erste Szene spielt in einem Gasthaus. Hier bereiten sich der Wirt und sein Diener auf die Ankunft der beiden unsterblichen Gäste Cupido und Tod vor, die dort die Nacht verbringen wollen. Nachdem die beiden mitsamt ihrem Gefolge angekommen sind, ist es die Aufgabe des Dieners, ihnen aufzuwarten. Dies macht ihm wenig Freude. Schließlich beschließt er, sich an beiden zu rächen: am Tod, weil er immer nur Ärger macht, an Cupido, weil er ihm einst eine „hard-hearted baggage“ – eine hartherzige Tasche – gesandt hat. Es ist klar: er spricht von seiner Gattin.[5] Als Streich tauscht er die Pfeile, die beide mit sich tragen, sodass fortan jene, die der Pfeil Cupidos trifft, sterben und jene, die der Tod trifft, wieder aufblühen. Dieses eigenartige Geschehen nun beobachtet Mutter Natur, die vor lauter Verzweiflung über die widernatürlichen Ereignisse in einem tiefen Schlaf fällt. Der Diener tritt auf. Er hat unterdessen das Gewerbe gewechselt, weil er befürchtete, er könne aufgrund seiner Schandtat von Cupido und dem Tod verfolgt und im Gasthaus gefunden. Nun ist er stolzer Besitzer zweier Affen, die er gegen klingende Münze Kunststücke vorführen lässt. Plötzlich erscheint der Tod und trifft ihn mit einem Pfeil. Liebestrunken wendet sich der Diener nun den Affen zu, die ihm aber von einem Satyr abspenstig gemacht werden. Daraufhin verlässt der gramgebeugte Diener die Szene, um sich zu erhängen. Merkur, den Mutter Natur noch vor ihrem Einschlafen zu Hilfe gerufen hatte, steigt hernieder und macht dem Chaos ein Ende. Mutter Natur erwacht. Tod und Cupido erhalten die richtigen Waffen zurück. Obwohl nun die Ordnung wiederhergestellt ist, ist Mutter Natur doch bedrückt. Sie trauert um die aufgrund des üblen Streiches verstorbenen Liebenden. Daraufhin führt sie Merkur ins Elysium, wo sie die toten Liebenden glücklich vereint sieht. Es tanzen alle den „Grand Dance“ und die Masque findet ihr versöhnliches Ende.

    Einspielung

     

    Anthony Rooley (1983): Andrew King (Chamberlain), David Thomas (Host, Mercury), Poppy Holden (Cupido), Joseph Cornwell (Death), Emma Kirkby (Nature), Cathy Cass (Despair); in den Songs: Evelyn Tubb (Sopran), Mary Nichols (Alt), Richard Wistreich (Bass), Susan Carpenter Jacobs (Violine), Sharon Liondo (Violine), Alison Crum (Bassgambe), Alan Wilson (Cembalo, Orgel), Jakob Lindberg (Theorbe), Athony Rooley (Laute) [alle als TheConsort of Musicke]. Spielzeit: 89:37 Minuten.

    Die einzige Aufnahme des Werkes ist zwar mittlerweile auch schon fast 40 Jahre alt, hat ihren Charme – wie ich meine – nicht verloren. Die Besetzung präsentiert eine Reihe von exzeptionellen Musikerinnen und Musikern der historisierenden Musikbewegung in England. Über die Künste von Emma Kirkby, David Thomas und Anthony Rooley muss ich sicher keine Worte verlieren. Aber auch alle anderen Mitwirkenden – insbesondere auch die schlichtweg hervorragenden Instrumentalisten – tragen intensiv dazu bei, dass diese Darstellung des Werkes sehr wohl vollfarbig, ab und an auch mal saftig, nie jedoch überzeichnet, sondern eben immer auch „charming“ ist. Manch einem mag das vielleicht zu sehr nach britischem Understatement klingen, besonders aus heutiger Perspektive, wo Inszenierungen ab und an gerne etwas knalliger und Charakterzeichnungen etwas exaltierter daherkommen. Meinen unmaßgeblichen Geschmack trifft’s.

    Die eigentlich zentrale Rolle in „Cupid and Death ist übrigens nicht Cupid. Und Death ist es auch nicht. Die zentrale Gestalt ist der Chamberlain – der Diener also. Und den zeichnet Andrew King wirklich in jeder Hinsicht hervorragend. Er ist – wie auch der Wirt (wunderbar zum Leben erweckt von David Thomas) – eine Figur aus einer anderen Zeit. Im elisabethanischen Drama hätte man diesen bauerschlauen Vogel vielleicht eher erwartet als hier antreffen können. Auf mich wirkt seine Zeichnung jedoch am ehesten durch Chaucers „Canterbury Tales“ beeinflusst. Wie dem auch sei: King jedenfalls gelingt es eben die schelmische Komik dieser Figur bestens herauszuarbeiten, ohne mit der Wurst nach der Speckseite werfen zu müssen. Rundum überzeugend. David Thomas übernimmt in der Produktion ja nicht nur die Rolle des Wirtes, er ist auch Merkur. Und als solcher exzelliert er insbesondere in seiner Aria („Hence ye profane“) und in seinem ausgedehnten Rezitativ, in dem er Cupid, Death, ihre Rolle in der Welt und vor allem ihre Pfeile wieder auseinanderdividiert.

    Wer sich also auf Stück und Aufnahme einlässt, der kann mit beidem meiner Einschätzung nach vergnügliche anderthalb Stunden verbringen.

    :wink: Agravain

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    [1] Wiseman, Susan: Drama and Politics in the Civil War. Cambridge 1998. S. 122.
    [2] Vgl. hierzu: Rooley, Anthony: The Creation of Cupid and Death. Begleittext zur CD-Einspielung John Blow: Venus & Andonis und Christopher Gibbons/Matthew Locke: Cupid & Death. EMI749623 1988. 2 CD. S. 2. (im Weiteren: Rooley)
    [3] Clare, Janet: Drama of the English Republic, 1649-60. Manchester 2002. S. 156
    [4] Rooley, S. 24.
    [5] Vgl. https://www.merriam-webster.com/dictionary/baggage

  • Locke, Matthew: Psyche

    Frei, aber einsam geht es weiter durch die Welt der englischen Oper...

    „Erwartet nicht erhabene Gedanken hier“
    Matthew Lockes Oper „Psyche“ – die englische Oper auf ein Libretto von Thomas Shadwell

    Entstehung und Hintergrund

    „Dass Dichtung und Musik, die wesentlichen Manifestationen harmonischer Inspiration, für viele einen derartig dissonanten Effekt haben könnten, muss wohl mehr bemitleidet als bestaunt werden. Es scheint für manche eine Art modisches Spielchen geworden zu sein, an anderer Menschen Auffassungen herumzunörgeln und auf sie einzuhacken, so gering auch die eigenen sind. Da ich darum erwarte, von irgendwelchen Komponisten mit weichem Hirn oder hartem Herzen die Knute zu bekommen (denn es gibt derer, die viel besser darin sind, Fehler zu finden, denn sie zu beheben, viel zu viele), strebe ich hier an, einige jener Steine aus dem Wege zu räumen, über die sie unter Umständen stolpern könnten.“[1]

    Mit diesen vor Ärger und Hochmut nur so strotzenden Worten beginnt Matthew Locke, Hofkomponist und Organist der Königin von England, das Vorwort zu seinem neuesten Opus „The English opera, or, The vocal musick in Psyche with the instrumental therein intermix’d“.
    Man fragt sich, wie es kam, dass der Komponist einen derart unversöhnlichen Einstieg für seine Schrift wählt, die immerhin als erste Oper in England gedruckt wird. Es wird nicht überraschen, dass dieses Geschehen – wie so oft – multifaktoriell bedingt ist. Doch: Let’s begin at the beginning.

    Im London der Stuart-Restauration, die mit der Rückkehr Charles II. nach England im Jahre 1660 begann, gab es mit William Davenant und Thomas Killigrew zwei Theater-Impressarios, die zunächst kurz kollaborierten und dann mit ihren Opernunternehmen in heftige Konkurrenz zueinander traten. Davenants Aufführungsstätte war zunächst das Lincoln’s Inn Field Theatre in der Londoner Portugal Road, später dann im Duke’s Theatre in Dorset Gardens. Killigrew führte im Theatre Royal in Drury Lane auf. Aufgrund ihrer Konkurrenzsituationen waren beide Direktoren darauf angewiesen, ständig neue und Aufsehen erregende Produktionen auf ihre Bühnen zu bringen. Schließlich wolltze ein jeder das eigene Haus profilieren. Killigrew, der seinem König bereits in dessen französischem Exil als „Groom of His Majesty’s Bedchamber“ und „King’s Jester” gedient hatte, wusste, was dieser gern auf der Bühne sah:

    „Der lange Aufenthalt Charles II. in Paris – während des Interregnums – hatte seinen Geschmack beeinflusst und nach der Restauration machte er kein Geheimnis aus seiner Vorliebe für französische Musik und französische Musiker. […] Und so schien es ein gutes Vorgehen zu sein, ihm eine Auswahl an Opern anzubieten, die gegenwärtig in Paris ‚up to date‘ waren.“[2]

    Und so trat er in Kontakt mit dem in Paris von Lully ausgebootete Komponist Robert Cambert, der 1673 mit seinem Schüler Louis Grabu nach London gekommen war, wo sie eine „Royal Academy of Music“ errichten und die Oper nach französischem Vorbild in London etablieren wollten. Man importierte französische Sänger und Tänzer und brachte dann im März 1673 Camberts Oper „Ariane, ou, le Mariage de Bacchus“ in Grabus Bearbeitung auf die Bühne des Theatre Royal in der Drury Lane.
    Die Konkurrenz schlief zwar nicht, wurde von diesem Coup jedoch kalt erwischt. Seit Davenants Tod im Jahre 1668 leitete der berühmte Shakespeare-Darsteller Thomas Betterton das Duke’s Theatre in Dorset Gardens. Dieser war zwischen 1671 und 1673 von einer ausgedehnten Reise nach Paris zurückgekehrt, bei der er sich auf Geheiß seines Königs mit der Praxis der französischen Oper bekannt machen sollte. Dort hatte er die „Psyche“, ein tragédie-ballet, das 1671 als Gemeinschaftsproduktion von Molière, Corneille, Quinault und Lully entstanden war und ungeheuren Erfolg gehabt hatte.Text und Musik brachte er offensichtlich mit zurück nach England.[3] Darüber hinaus scheint es wahrscheinlich, dass er in Paris den Earl of Monmouth, James Scott, einen der unehelichen Söhne Charles II., kennenlernte. Der Earl wiederum galt als ausgezeichneter Tänzer und brachte bei seiner Rückkehr den bedeutenden Tanz-Meister St. Andrée mit nach London, der bereits die Tänze für Lullys „Psyche“ choreographiert hatte. Tatsächlich ist es denkbar, dass Betterton, der Earl of Monmouth und St. Andrée bereits in Paris darüber sprachen, den Stoff, der in Paris so ungeheuer gut angekommen war, auch auf die englische Bühne zu bringen. Als er wieder in London war, machte sich Betterton an die Sache:

    „Zurück in der Heimat stellte er sich sein Team zusammen, das aus Locke (Vokalkompositionen), dem aus Italien stammenden Komponisten Giovanni Battista Draghi (Tänze) und dem Textdichter Thomas Shadwell bestand, und die Aufgabe hatte, einen ausländischen Hit neu aufzulegen. Er machte aus seiner Absicht keinerlei Geheimnis und befriedigte inzwischen die Lust seines Herren auf die Pariser Moden, indem er französische Soße über das normale Repertoire seiner Truppe goss. Und so tauchen in den Stücken, die in der Zwischenzeit in Dorset Gardens gegeben wurden, immer und immer wieder nachgemachte Szenen und Spezialeffekte aus der französischen Oper auf.“[4]

    Als Killigrew nun seine französische Saison vorstellte, ließ man alles – auch die Arbeit an der „Psyche“ – liegen und brachte in kürzester Zeit eine Vertonung von William Shakespeares Drama „The Tempest“ (in der kaum wiederzuerkennenden Version von Davenant/Dryden, die zusätzlich von Shadwell noch etwas aufgepeppt wurde) auf die Bühne. Die Musik stammte hier nicht nur aus Lockes Feder. Dieser steuerte „nur“ die Ouvertüre, Tänze und Zwischenmusiken bei. Die vokalen Anteile stammen von Pelham Humfrey, Pietro Reggio und John Banister. Die Oper schlug, wenn man den Worten des berühmten Londoner Souffleurs John Downes Glauben schenken darf, ein wie eine Bombe:

    „The Tempest oder The Inchanted Island war von Mr. Shadwell zu einer Oper umgearbeitet worden. Sie bietet alles auf, was an Szenerie und Maschinen neu ist; […]. Sie wurde derartig bewundernswert gut aufgeführt, dass keine Oper danach jemals so viel Geld eingespielt hat.“[5]

    Das war Ende April 1674. Der geneigte Leser, der nun wissen möchte, was aus der „Psyche“ wurde, könnte nun beispielsweise bei Wikipedia über das Datum ihrer Uraufführung informieren. Er findet dann heraus, dass diese am 27. Februar 1675 stattgefunden hätte. Gleiches liest man auch in den Begleittexten zur einzigen Aufnahme des Werkes unter der Leitung von Philip Pickett. Bereits 1980 jedoch zog Murray Lefkowitz, amerikanische Musikwissenschaftler und Spezialist für die Musik Englands im 16./17. Jahrhundert, dieses Datum begründet in Zweifel:

    „Das Datum der Uraufführung der Shadwell-Locke Psyche ist auch weiterhin umstritten. Doch ist es sicher, dass sie zwischen 1673 und 1675 fertiggestellt und aufgeführt wurde.“[6] Lefkowitz führt aus, dass sich das Datum von Eintragungen herleitet, die der Lord Chamberlain in seinem Kontenbüchern gemacht hat:

    „Bis 1922 galten 1673 oder 1674 allgemein als mögliche Aufführungsdaten. Am 21. September 1922 aber veröffentlichte Allardyce Nicoll im Times Literary Supplement eine Liste aus den Kontenbüchern des Lord Chamberlain, in der sich folgender Eintrag findet: ‚27 Feb 1675 – Psyche – erste Aufführung - £ 30‘. Während einige nun dies als das Datum der Uraufführung akzeptiert haben, gibt es auch andere, die der Auffassung sind, dass sich dieser Eintrag auf die ‚erste Aufführung‘ innerhalb dieser Saison bezieht.“[7]

    Lefkowitz nun gehört zu jenen „anderen“. Anhand einer Reihe von überzeugenden Quellen stellt er in seinem sehr lesenswerten Aufsatz „Shadwell and Locke’s ‚Psyche‘: The French Connection“ die These auf, dass die „Psyche“ unmittelbar auf „The Tempest“ folgte, und zwar Ende Mai 1674.

    Doch wie dem auch sei: Während „The Tempest“ ein ungeheurer Kassenschlager war, so war die „Psyche“ offensichtlich ein Misserfolg. Sie lief nur kurz. Entsprechend war das Unternehmen wohl auch ein finanzielles Debakel, denn man hatte an Sängern, Instrumentalisten, an Kostümen und an spektakulärer Bühnentechnik wohl so ziemlich alles aufgeboten, was so ging. Der englische Dramatiker Elkanah Settle kommentierte dies im Nachgang wie folgt:

    „Ich habe häufig gehört, wie sich die Schauspieler dahingehend selbst verfluchten, dass sie versehentlich so viel für ein so dermaßen unbeliebtes Stück aufgewandt hatten. Und sie schworen, dass sie durch die Wahl eines solchen Opernschreibers [also Shadwells] mehr Verlust gemacht hatten als durch all seine Komödien Gewinn, insbesondere vor dem Hintergrund, wie viel mehr sie durch eine solche Unterhaltung hätten erwarten dürfen, hätte diese jene Behandlung bekommen, die sie verdient hätte. Für die Zukunft würden sie erwarten, dass ‚The Tempest‘, der nicht einmal ein Drittel so viel gekostet hätte wie ‚Psyche‘, noch nachgefragt werden würde, wenn diese schon vergessen sei.“[8]

    Auch wenn diese stichelnden Zeilen im Zusammenhang von Settles Disput mit Shadwell entstanden, so weisen sie doch in die richtige Richtung. Es war insbesondere Shadwells Libretto, der Textanteil der „Psyche“, der angegriffen wurde, nicht so sehr Lockes Musik.

    Hatte bei „The Tempest“ der Text ja schon vorgelegen, so war „Psyche“ ja sie erste Semi-Oper, die „von Grund auf neu geschrieben“[9] worden war. Shadwell hatte seine Dichtung an das französische Vorbild angelehnt und sie darum in reimenden heroic couplets verfasst, was zu allerlei bissiger Kritik führte, denn seine Reime waren, das lässt sich schon nach wenigen Zeilen der Lektüre ohne Schwierigkeiten feststellen, nicht besonders gut. John Dryden ließ Shadwell beispielsweise einige Jahre später darum im zweiten Teil seiner Dichtung „Absalom and Achitophel“ auftreten, wo er dann gegen „holprige Verse, ungehobelt und ungeschärft“ wetterte und verlauten ließ: „Reim ist der Fels an dem du zerschellst / Fatal für deinen Ruf und deinen Hals“.[10] Dazu ist die Handlung, die Shadwell um den Psyche-Mythos schlang, einigermaßen wild. Und so gab es in Nullkommanichts auch eine Satire mit dem Titel „Psyche Debauch’d“ (also „Die liederliche Psyche“), die das Werk Shadwells und Lockes durch den Kakao zog – natürlich im Theater der Konkurrenz. Auch in der Gegenwart fällt es schwer, um die Probleme des Librettos herumzureden. Im positivsten Fall liest man die Handlung sei „in der Tat außerordentlich komplex und bunt in der Ereignisfolge“[11]. Andere Forscher konstatieren weniger euphemistisch, dass Shadwell die Handlung „extrem kompliziert“[12] angehe. Und wieder andere können in der Dichtung nur noch ein „absurdes Durcheinander“[13] erkennen.

    Natürlich kann man schlechten Versen und eine schlechte Architektur genüsslich zerpflücken. Man muss aber gleichzeitig sagen, dass Shadwell das Problem hatte, dass das, was er liefern sollte, in England weitgehend terra incognita war. Also hat er versucht, alles, von dem er glaubte, dass es seine Zeitgenossen spektakulär finden würden und was ihm geeignet für den Einsatz aufsehenerregender Bühneneffekte schien, in dem Stück unterzubringen. Götter, Göttinnen, tanzende, geifernde und fliegende Furien, tanzende und zechende Zyklopen, Waldgeister, Dyaden, das Orakel von Delphi, tanzende Priester, suizidale Liebende, tanzende Statuen, Teufel, Luftgeister, ein Monster und und und. Dazu: schwebende Streit- und Triumphwagen, die Unterwelt, die Götterwelt, Gewitter, ein Triumphzug, Schwerttanz, ein Feuersee und noch vieles mehr. Kurzum: Shadwell hat einen Potboiler zusammengerührt und ist dabei gescheitert. Dazu hat er schlecht gedichtet. Das machte es nicht eben besser. Es mag sein, dass ihm das (vielleicht) selbst klar war. Spätestens jedoch dürfte es ihm gedämmert sein, nachdem das losgebrochen war, was wir heute einen „Shitstorm“ nennen würden. Im Sinne einer Flucht nach vorn schreibt er daraufhin – auf die laut gewordene Kritik eingehend – das Vorwort zur Druckausgabe seines Stückes als Apologie seiner selbst:

    „In einem Ding, das – wie dieses hier – in fünf Wochen geschrieben wurde, müssen sich notwendigerweise viele Fehler finden. Ich wünsche mir, dass wahre Kritiker über sie hinwegsehen werden. Und obwohl ich sie selbst sehr wohl sehe, so habe ich keinerlei Interesse daran, sie zu beheben, schließlich habe ich viel zu tun und gönnen mir bisweilen auch einmal die ein oder andere Freude. Außerdem wäre es die Sache einfach nicht wert, denn schließlich gibt es in dem Stück so eine Menge an Abwechslung, dass sich das Publikum gar nicht an der Dichtung stören wird. Ich habe keinen Zweifel daran, dass der aufrichtige Leser mir diese Fehler vergeben wird, wenn er bedenkt, dass es insgesamt vielmehr die Absicht war, die Stadt mit abwechslungsreicher Musik, mit kuriosen Tänzen und herausragenden Szenen und Maschinerien zu unterhalten. Weder habe noch hatte ich jemals die Absicht mich selbst an dieser Dichtung zu messen oder messen zu lassen. Ich wünschte mir, ich könnte der Autor nur einer komödiantischen Szene sein, wie sie Ben Jonson schrieb, statt eine Autor der besten Stücke der vorliegenden Art, egal, ob sie schon geschrieben wurden oder noch geschrieben werden. Denn die Komödie braucht einen Dichter mit viel mehr Geist und Urteilsvermögen, als für Reimereien in unnatürlichen Schauspielen benötigt wird.“[14]

    Man kann nun so langsam erahnen, warum sich Matthew Locke über die „Psyche“ und ihre Aufnahme so geärgert hatte. Von überall her gab es Angriffe auf das Werk. Sicher, Shadwell hatte den meisten Spott zu ertragen. Ihn aber trieb noch ein ganz anderes Problem um. Nicht umsonst hatte er die Druckausgabe seiner Musik „The English Opera“ genannt. Warum eigentlich? Aus Eitelkeit, weil er glaubte, eine neue Gattung erschaffen zu haben? Vielleicht. Aber das war vermutlich nicht alles. Tatsächlich ist es nicht vollkommen unwahrscheinlich, dass dieser Titel auch eine politische Dimension hatte, ja dass die ganze Entstehung der englischen „Psyche“ auch politisch motiviert war. Dies wird – folgt man Murray Lewkowitz – deutlich, wenn man sich die politische Gemengelage am Hof Charles II. anschaut. Der englische Hof, dessen Angehörige ja durchaus die Zielgruppe der Oper waren, war politisch wie religiös gespalten, wobei das eine das andere bedingte.

    1673 wurde öffentlich bekannt, dass James, Duke of York, der Bruder Charles des II., katholisch war. Dies führte dazu, dass man befürchtete, Charles II. solle gestürzt und in England ein absolutistisches Herrschaftssystem etabliert werden. Dies führte zu Bestrebungen, James von der Thronfolge auszuschließen. In diesem Kontext bildeten sich zwei Lager aus denen die beiden Parteien „Tories“ (pro-katholisch) und „Whigs“ (anti-katholisch) hervorgingen. Die katholische Fraktion scharte sich um den Bruder des Königs. Auch Charles II. stand inoffiziell im katholischen Lager, hatte er doch 1670 mit dem französischen König Louis XIV. den Geheimvertrag von Dover geschlossen. Dieser legte eine Allianz Frankreichs und Englands gegen die Vereinten Niederlande fest. Charles wurde finanziell und militärisch von Frankreich unterstützte und sagte zu, zum Katholizismus überzutreten (was er aber wohl nicht tat). Das anglikanische Lager nun versuchte James Scott, den Duke of Monmouth, in die Thronfolge zu manövrieren (was diesem durchaus recht war) – obwohl dieser ja nur ein unehelicher Sohn des Königs war. Diesem Mann nun widmete Shadwell seine Dichtung und Locke seine Musik. Es war damit klar, in welchem Lager sie standen.

    Dieser Konflikt nun spiegelte sich anscheinend auch in der Londoner Opernszene jener Jahre wider. Der Einzug der französischen Oper in London, komponiert und gespielt von katholischen Franzosen, die auch noch eine Musikakademie in London einrichten wollten, dazu noch ein Franzose als „Master of the King’s Musick“: all das empfand man auf britischer Seite als ungeheuren Affront. Dazu kam, dass man die englische Musik als der französischen als absolut überlegen empfand. Und es war gerade Matthew Locke, der in seinen unterschiedlichen Schriften diesbezüglich keinerlei Blatt vor den Mund nahm. Dementsprechend ist auch die Wahl seines Titels „The English Opera“ als ebenso direkte wie deutliche Erwiderung auf diese Entwicklungen zu verstehen. Interessanterweise taucht Lockes Name daraufhin im Zusammenhang mit dem größten musikalischen Ereignis des Jahres 1675, der Aufführung der Court-masque „Calisto“ von John Crowne und Nicholas Staggins, an keiner Stelle mehr auf.[15] Hatte man ihn aufgrund seines Engagements geschasst? In jedem Fall blieb „Psyche“ seine letzte größere Arbeit für die Opernbühne.

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    1] Locke, Matthew: The English opera, or, The vocal musick in Psyche with the instrumental therein intermix’d: to which is adjoyned the instrumental musick in The tempest. London 1675. Early English Books Online Text Creation Partnership, 2011. https://quod.lib.umich.edu/e/eebo/A48906.…1;view=fulltext (im Weiteren: Locke)
    2] White, Eric Walter: A History of English Opera. London 1983, S. 93. (im Weiteren: White)
    3] Vgl. hierzu Lefkowitz, Murray: Shadwell’s and Locke’s ‚Psyche‘: The French Connection. in: Proceedings of the Royal Musical Association 1979-1980. Vol. 106. S. 42 f. (im Weiteren: Lefkowitz)
    4] Wood, Bruce; Pinnock, Andrew: Matthew Locke – Psyche. Begleittext zur CD „Psyche“ von Matthew Locke. New London Consort, Philip Pickett. 1 CD. L’Oiseau-Lyre/Decca 444336-2. 1995. S. 11. (im Weiteren: Wood/Pinnock)
    5] Zit. n. White, 87.
    6] Lefkowitz, S. 50.
    7] Lefkowitz, S. 55.
    8] Settle, Elkanah: The Preface to Ibrahim. London 1677. Zit. n. Lefkowitz, S. 53.
    9] Holman, Peter: Henry Purcell. Oxford 1994. S. 191.
    10] Dryden, John: The Second Part of Absalom and Achitophel. A Poem. London 1682. Early English Books Online Text Creation Partnership, 2011. https://quod.lib.umich.edu/e/eebo/A36680.…1;view=fulltext
    11] Schneider, Anne: Psyche – Eine englische Oper nach französischem Modell. Begleittext zur CD „Psyche“ von Matthew Locke. New London Consort, Philip Pickett. 1 CD. L’Oiseau-Lyre/Decca 444336-2. 1995. S. 20. (im Weiteren: Schneider)
    12] Wood/Pinnock, S. 13.
    13] Caldwell, John: The Oxford History of English Music. Vol. 1: From the beginnings to c. 1715. Oxford 1991. S. 558.
    14] Shadwell, Thomas: Psyche. A Tragedy. London 1675. Early English Books Online Text Creation Partnership, 2011. https://quod.lib.umich.edu/e/eebo/A59443.0001.001?view=toc (im Weiteren: Shadwell)
    15]Vgl. hierzu Lefkowitz, S. 52.

  • Matthew Locke: Psyche

    Inhalt

    In seinem Vorwort zu seiner Dichtung „Psyche. A Tragedy“ ging Thomas Shadwell auf die reichhaltige Kritik ein, die derselben nach der Uraufführung der gleichnamigen Semi-Oper entgegengeschlagen war. Im Grunde beschreibt er die Dichtung selbst als Machwerk niederer Qualität, das von vornherein lediglich als Folie für ein Bühnenspektakel angelegt gewesen sei. Er gab zu, den Text darum mehr oder weniger hingehunzt und auch kein Interesse daran zu haben, etwaige handwerkliche Fehler zu beheben. Was ihn aber wurmte, war offensichtlich der Vorwurf, er hätte das Libretto lediglich direkt von demjenigen der französischen Psyché (von Corneille und Quinault nach dem Drama von Molière) abgekupfert. Entsprechend positioniert er sich im Vorwort zu seiner „Psyche“:

    „Die nächsten, denen ich begegnen werde [gemeint sich Kritiker, Anm. der Verf.], sind jene, die den französischen Witz zu sehr bewundern, und die sagen werden, die französische Psyche sei viel besser. Wenn sie schon dabei sind, werden sie auch sagen, dass die alles aus der französischen entlehnt habe. Die Entscheidung, ob die französische nun besser ist, überlasse ich jenen geistreichen Männern, die beide Sprachen sprechen. Ich werde lediglich sagen, dass es hier mehr Abwechslung gibt, dass die Szenen der Leidenschaft kunstvoller gestaltet sind und dass das Ganze viel mehr ein Schauspiel ist als das andere. Und ich wage auch zu sagen, dass dieses Schauspiel alles, was nur irgend geht, aus diesem Stoff herausholt. Das ich bloß alles aus dem französischen Stück entlehnt hätte, können nur jene bemängeln, die nicht wissen, dass es sich eigentlich um eine Geschichte handelt, die der Apuleius in seinem „Goldenen Esel“ niedergeschrieben hat. Und dort findet man nun eben vieles von dem, was in diesem Stück vorkommt – und ebenso in dem französischen.“[1]

    Tatsächlich ist der „Goldene Esel“ die gemeinsame Quelle, die es sich im Übrigen zu lesen lohnt, beispielsweise in dieser schönen Ausgabe:

    Schaut man sich aber Molières Stück an, so kann es keinen Zweifel daran geben, dass Shadwell sein Werk nach diesem Vorbild gestaltete. Tatsächlich war er berüchtigt dafür, dass er sich bisweilen ganz gerne an anderer Leute Einfällen bediente.[2]

    Der Inhalt selbst ist – wie weiter oben schon angemerkt – nicht eben immer stringent und auch nicht immer recht logisch. Bei der Darstellung des Inhaltes orientiere ich mich darum an der Zusammenfassung von Helen Lloy Wiese, die sich die Mühe gemacht hat, das Ganze auseinanderzuklamüsern.[3]

    Akt I

    Die wunderschöne Psyche befindet sich mit ihren Begleiterinnen in einem tiefen Wald. Im Hintergrund ist eine liebliche Landschaft zu erkennen. Sie preisen den Frieden des Landes und kritisieren die falsche Gesellschaft des Hofes. Psyche macht deutlich, dass sie es ablehnt, einen ihrer vielen Freier zum Mann zu wählen. Stattdessen möchte sie ihr Leben ohne Gatten in dem Hain verbringen. Pan und sein Gefolge treten auf, auch Sylvanen und Dryaden. Alle preisen Psyche und ihr ländliches Leben.

    Plötzlich erscheinen Ehrgeiz, Macht, Reichtum und Friede. Sie versuchen sie dazu zu bringen, ihr Laben auf dem Lande aufzugeben. Doch sie widersteht ihnen. Der Neid vertreibt die vier allegorischen Damen im Verbund mit einigen Furien. Psyches Begleiterinnen sind ziemlich aus dem Häuschen, aber Psyche beruhigt sie und versichert ihnen, dass sie standhaft bleiben werde.

    Es treten die beiden Prinzen Nicander und Polynices auf, die beide unsterblich in Psyche verliebt sind. Sie wollen sich duellieren, aber Psyche verbietet es ihnen. Nach ihrer Aufforderung schließen sie Frieden und verlassen sie Szene.

    Psyches Schwestern Aglaura und Cidippe treten auf. Sie dürfen nicht vor Psyche heiraten und befürchten, dass sie zu alt sein werden, wenn Psyche endlich einen Gatten erwählt haben wird. Zudem sind sie rasend eifersüchtig. Darum rufen sie Venus um Hilfe an. Dieser erzählen sie, dass bald alle Menschen nur noch Psyche und nicht mehr ihr huldigen werden. Die Göttin steigt herab, verspricht Psyche zu strafen und entschwebt wieder.

    Akt II

    König Theander und seine Tochter Psyche sind auf dem Weg zum Orakel von Delphi, um dieses zur Zukunft von Psyche zu befragen. Im Tempel des Apollo Delphicus angekommen, beschwören die Priester das Orakel. Es ist nun Apollo der spricht. Es donnert, seine Statue erbebt. Apollo verkündet den Beschluss, dass Psyche einer monströsen giftigen Schlange angetraut werden wird. Psyche akzeptiert den Ratschluss.

    Plötzlich wandelt sich die Szene. In einer Steinwüste voller Höhlen und Klippen besingen zwei liebende Männer und Frauen ihre furchtbare Liebes-Melancholie. Anschließend bringen sie sich um.

    Psyche erwartet die Ankunft ihres monströsen Gatten. Nicander und Polynices versuchen Psyche zu retten, werden aber von Höllengeistern verjagt. Luftgeister tragen Psyche hinauf in die Wolken. Cupido befiehlt Vulcanus, einen Palast für Psyche zu bauen. Die Prinzen schwören, dass sie Psyche entweder retten oder sterben werden.

    Akt III

    In Cupidos Palast schmieden Vulcanus und seine Zyklopen Vasen aus Silber. Dabei lachen, singen, tanzen und trinken sie. Cupido und Psyche treffen aufeinander. Sie verlieben sich sofort ineinander. Sie fragt ihn, wer er sei, doch er bedeutet ihr, dass sie ihn niemals danach fragen darf. Psyche ist glücklich und möchte ihre Schwestern treffen.

    Auf der Hauptstraße der Stadt feiern die Menschen die beiden Prinzen, die die monströse Giftschlange getötet haben. Triumphale Feier mit allem Drum und Dran. Dem Mars wird ein Dankesopfer dargebracht. Venus bittet Mars darum, das Opfern nicht zu akzeptieren, da man ihr nicht geopfert habe. Mars geht darauf ein und schickt Furien, die das Opfer verhindern, den Altar zerstören und die Feiernden auseinandertreiben.

    Psyches Schwestern offenbaren, dass ihr sterbender Vater möchte, dass sie die beiden Prinzen heiraten. Diese lehnen dies ab und machen sich auf, um erneut um Psyche zu werben. Die beiden Schwestern schwören, Polynices und Nicander zu meucheln.

    Akt IV

    Ein herrlicher Garten in Psyches Palast. Die Schwestern besuchen Psyche, erblicken Cupido, verlieben sich in ihn und beschließen, ihn für sich zu gewinnen. Dazu wollen sie Psyches Glück zerstören. Sie legen ihr nahe, dass es sich bei ihrem mysteriösen Liebhaber eigentlich um die monströse Schlange in einer Verwandlung handelt. Zephyrus will sie hinfort tragen. Sie wollen aber bleiben, bis auch Psyche mit ihnen kommt. Sie versuchen, sie zu erstechen, werden aber von Zephyrus fortgetragen. Psyche konfrontiert Cupido und erfragt seine Identität. Er flieht und nimmt Palast und Garten mit. Psyche steht plötzlich in einer riesigen Wüste an einem Fluss. Sie beklagt, dass sie Cupido verloren hat.

    Ihre Schwestern treten in Begleitung eines Soldaten auf, der die beiden Prinzen töten soll. Als sie Psyche in Trauer sehen, freuen sie sich diebisch. Der König ist unterdessen gestorben und hat ihnen das Königreich vermacht. Psyche ist also in ihrer Gewalt. Psyche will sich im Fluss ertränken, was ihr aber vom Flussgott verboten wird. Er sagt ihr zudem glückliche Zeiten voraus.

    Plötzlich erscheint Venus. Sie fängt Streit mit Psyche an und schwört, dass Psyche zur Hölle fahren werde. Da erscheinen die Prinzen, die überglücklich sind, Psyche gefunden zu haben. In diesem Moment fährt diese zur Hölle. Die Prinzen werden vom Soldaten angegriffen. Sie entscheiden, dass es besser sei, Selbstmord zu begehen als von einem gedungenen Mörder umgebracht zu werden, werfen sie sich in die Fluten des Flusses und ertrinken. Die erzürnt die beiden Schwestern derartig, dass diese drohen, den Soldaten umzubringen, der daraufhin flieht. Cupido erscheint und macht die Schwestern dafür verantwortlich, Venus‘ Zorn gegenüber Psyche entflammt zu haben. Er lässt sie von Furien für immer in die Hölle verschleppen.


    Akt V

    Die Hölle. Es brennt überall. Dämonen tanzen und singen. Die beiden Schwestern finden, dass sich die Qualen der Hölle gut ertragen ließen, wenn auch Psyche bei ihnen schmoren würde. Psyche bringt ihre Verzweiflung angesichts der Lage zum Ausdruck. Pluto und Proserpina unterhalten sich. Pluto versichert Psyche darüber, dass sie erlöst werden wird. Proserpina erklärt ihr, dass weitere Katastrophen dadurch vermieden werden können, wenn sie Venus ein Kästlein bringt, in dem ein kleines Stück ihrer Schönheit aufbewahrt wird.

    Psyches Schwestern werden dazu verurteilt, auf ewig gemeinsam mit den Danaiden Wasser mittels eines Siebes in ein durchlöchertes Fass zu schöpfen. Sie versinken mit allen Furien und dem Thron Plutos im Boden. Psyche trifft auf die beiden Prinzen, die nun auf einer wundervollen Wiese leben, auf der Könige und Königinnen die ewige Liebe feiern. Plötzlich befindet sie sich wieder in der Wüste am Fluss. Dort öffnet sie das Kästchen der Proserpina und fällt in einen tiefen Schlaf. Cupido und Venus finden Psyche. Venus will sie nur erwecken, wenn Cupido von ihr ablässt. Nun erscheint Jupiter, der zustimmt, Psyche in den Stand der Unsterblichen zu versetzen. Daraufhin lenkt Venus ein. Cupido und Psyche sind wiedervereint. Große Feier in Jupiters Palast.

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    1] Shadwell 1675.
    2] Vgl. Lefkowitz, S. 43.
    3] Vgl. Wiese, Helen Lloy: Lully’s Psyche (1671) and Locke’s Psyche (1675): Contrasting National Approaches to Musical Tragedy in the Seventeenth Century. Master Thesis. Vancouver 1991. S. 82-89.

  • Matthew Locke: Psyche

    Einspielung

    Philip Pickett (1994): Catherine Bott (Venus, Proserpine, Nymph, Despairing Lover, Invisible Singer, Elizian Lover), Julia Gooding (Nymph, Despairing Lover, Elizian Lover), Helen Parker (Elizian Lover), Christopher Robson (Pyracmon, River God, Apollo, Invisible Singer), Andrew King (Chief Priest, Praesul, Despairing Lover, Invisible Singer), Paul Agnew (Vulcan, Mars), Julian Podger (Harpes), Michael George (Pan, Brontes, Pluto, Despairing Lover, Invisible Singer), Simon Grant (Envy, Steropes, Bacchus), New London Consort [76:57]

    Die 1994 entstandene Aufnahme unter der Leitung von Philip Pickett ist auch nach fast drei Dezennien noch immer die einzige am Markt. Ich meine, man kann sie noch immer ausgesprochen gut hören. Das Team, das Pickett hier (und auch bei vielen anderen Gelegenheiten) um sich geschart hat, ist insgesamt ausgesprochen engagiert bei der Sache. Es macht Spaß, der Musik, die Locke für dieses „absurde Durcheinander“ komponiert hat, zuzuhören – zumindest meistens. Denn – und da sind die Ausführenden in keiner Weise verantwortlich zu machen – die Musik ist durchaus unterschiedlich stark inspiriert.

    Locke sah das wohl nicht so. Stattdessen war er sehr stolz auf die Fülle unterschiedlicher Stile, die er in der Musik untergebracht hatte:

    „[…] in ihr [= der Oper, Anm. der Verf.] findet man Ballade, Arie, Kontrapunkt, Rezitativ, Fuge, Kanon und chromatische Musik. Eine solche Vielfalt – und das muss ganz ohne Eitelkeit gesagt werden – gab es in dieser Nation bisher weder am Hof noch auf dem Theater.“[1]

    Tatsächlich liegen die Dinge aber etwas anders, denn die enthaltenen Stücke sind meist eher imitatorisch, scheinpolyphon und insgesamt doch eher homophon. Die Rezitative sind eher konventionell (deutlich konventionelle als beispielsweise in „Cupid and Death“), die Arien sind eher kurz, zu Textwiederholungen kommt es nicht. Allerdings gibt es ein recht vielfältiges Instrumentarium, das zum Einsatz kam. Allerdings gibt es zum Wie des Einsatzes keine Überlieferung, sodass hier rekonstruiert werden musste – was allerdings (wie ich finde) vorbildlich gelungen ist. Ein weiteres Problem ist, dass Draghis Tänze nicht Teil von Lockes Partiturdruck waren. Diese wurden hier durch Verwendung anderer Kompositionen Draghis ersetzt. Aber auch dies fällt weder auf noch tut es dem Hörvergnügen irgendeinen Abbruch.

    Insgesamt überwiegen auch die inspirierten Stücke. Ganz hervorragend finde ich beispielsweise die knarzend-bildhaften Auftritte von Neid und Furien, die Anrufung des Orakels von Delphi im Stil eines Anthems, den leidvollen Dialog der verzweifelten Liebenden, die pompöse Kriegsmusik anlässlich des Tod des Monsters und vor allem Lieb und Tanz von Vulcanus und seinen Zyklopen. Da wippt der Fuß, auch wenn es schwer vorstellbar ist, das Kreaturen wie diese ihre Tänze im französischen Stil tanzen würden. Zum Schluss hin merkt man aber, dass die Intensität deutlich nachlässt. Der „Song of Bacchus“ ist noch einmal ein Highlight. Ich kann mir vorstellen, dass das – mitsamt einer gut gemachten Choreografie allerhand Eindruck auf einer Bühne machen dürfte. Gesungen und gespielt wird das alles – da gibt es nach meinem Dafürhalten wenig herumzudeuteln – auf höchstem Niveau. Ähnlich wie im Fall von Rooleys Aufnahme von „Cupid and Death“ mögen die drastischeren Szenen für den ein oder anderen vielleicht nicht expressiv genug gestaltet werden. Auch hier waltet – ich bediene mich einfach des Klischees – eine vornehme britische Zurückhaltung, die mir gefällt, weil sie dafür sorgt, dass das Ganze nicht albern wird.

    Insgesamt also erfreulich.

    :wink: Agravain

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    1] Locke, 1675.

  • Sport ist Mord oder „Venus and Adonis“von John Blow

    I. Botanisch-Mythologisches

    „Severin sah meinen Meister überrascht von der Seite an. ‚Interessierst du dich für die Kräuterkunde?‘ ‚Ein ganz klein wenig‘, antwortete William bescheiden. ‚Ich blätterte einmal vor Jahren im Theatrum Sanitatis von Ububchasym de Baldach…‘ ‚Abu Asan al Muchtar ibn Botlan.‘ ‚Oder Ellukasim Elimittar, wie du willst. Ob es hier wohl eine Kopie davon gibt?‘ ‚Mehrere, sehr schöne mit kunstvoll genmalten Bildern.‘ ‚Gelobt sei der Herr. Und wie steht es mit De virtutibus herbarum von Platearius?‘“ [1] Ob Bruder Severin wohl das ziemlich giftige „Adonis aestivalis“ – das Sommer-Adonisröschen – aus jenen oder anderen Schriften kannte und in seinem hortus botanicus vorrätig hatte? Er hätte versuchen können, es bei dem ein oder anderen Bruder der nicht näher genannten Abtei gegen Wassersucht oder gegen Harn- und Steinleiden einzusetzen. Aber weder Bruder William von Baskerville noch wir als Leser der Erinnerungen des Adson von Melk – genannt „Der Name der Rose“ – erfahren es. Und im Grunde wäre das für den hier vorgetragenen Gegenstand auch nicht ganz so wichtig, lautete der Name des Röschens nicht eben gerade so, wie er eben lautet: Adonisröschen. Es handelt sich bei diesem Pflänzchen um ein kleines, rot blühendes Gewächs aus der Familie der Hahnenfußgewächse. Und ihren Namen hat es nicht etwa aufgrund seiner atemberaubenden Schönheit, sondern weil sie in mythologischer Vorzeit aus den Blutstropfen entstand, die Adonis verloren hatte, nachdem auf der Jagd ein Eber „in die Weichen ihm tief seine ganzen / Hauer“ gerammt und auf diese Weise tödlich verletzt hatte. Selbiges passierte natürlich nicht einfach so, sondern auf Geheiß der trauernden Göttin Venus, deren Geliebter er gewesen war:

    „[…] Nachdem mit Mächten des Schicksals / Hart sie gehadert, spricht sie: ‚Und doch wir eurer Gewalt nicht / Alles gehören. Es wird, o Adonis, stets meiner Trauer / Denkmal bleiben und wird, wiederholt alljährlich, im Bilde / Deines Todes Gedächtnis auch meine Klagen erneuern. / Aber dein Blut, es wird zur Blume mir werden. […] Die Göttin sprach’s und besprengte sogleich mit / Duftendem Nectar das Blut. […] Nicht mehr verging als die Frist einer vollen / Stunde, da wuchs aus dem Blut an Farbe ihm gleich eine Blume, […].“ [2]

    Venus hatte auch allen Grund, hart mit dem Schicksal und mit sich selbst ins Gericht zu gehen, denn schließlich hatte sie den Tod des Geliebten nicht verhindern können. Erzählt wird die Geschichte der beiden Liebenden in Ovids „Metamorphosen“. Venus, die sonst immer dafür Sorge trug, dass sich die Männer der Menschen in sie verliebten, hatte sich nun doch einmal selbst in einen Mann verliebt. Sein Name: Adonis. Sein Merkmal: unerreichte Schönheit. Seine Tätigkeit: Jäger. Um ihm die Gefahren der Jagd näherzubringen, erzählt sie ihm die Geschichte von Atalanta und Hippomenes (die an dieser Stelle nicht weiter ausgeführt wird, also: Ovid lesen!). Doch Adonis schlägt die Mahnung der Göttin in den Wind und wird dann – wie bereits gesagt – von einem wilden Eber (der möglicherweise der eifersüchtige Mars, Gatte der Venus, in disguise war) gemeuchelt. Bei Blow indes weht ein anderer Wind durch den Mythos. Wobei: Im Grunde weht derselbe weniger bei Blow als bei dem Textdichter, der lange Zeit jener vielköpfigen Familie angehörte, die auf den Namen Anonymus hört. Bei jenem nämlich ist es nicht Adonis, der sich unbedingt zur Jagd aufschwingen möchte. Viel schicker fände der es nämlich, bei der erotischen Göttin zu bleiben. „Adonis wird heute nicht jagen, hat er doch die nobelste Beute bereits gefangen“, flötet er ihr zu. Doch Venus sieht die Dinge anders und schickt ihn los: „Nein, mein Schäfer, eile fort. / Die Ferne lässt Begierde neu erwachen, / Ich will nicht, dass mein Geliebter müde wird.“ Doch man wird sich nicht einig. Schließlich lässt Venus ihren Liebsten stehen, der dann kaum anders kann als mit auf die Jagd zu gehen. Und so nimmt das Schicksal, versehen mit einem anderen Geschmack, seinen Lauf.

    II. Dichtende Dame

    Auf die Idee, den Spieß umzudrehen kam anscheinend kein Mann, zumindest, wenn man der Argumentation des Musik- und Literaturwissenschaftlers James Winn von der University of Boston folgen mag. In einem 2008 veröffentlichten Aufsatz schreibt er zur Frage des bislang so mysteriösen wie anonymen Autors:

    „Ich werde hier einen neuen Kandidaten für die Autorenschaft des Librettos von Venus and Adonis vorschlagen: die Dichterin Anne Kingsmill, später Anne Finch, die zwischen 1682 und 1684 eine Hofjungfer der zweiten Duchess von York war. Der Hof der Duchess von York, wo die junge Anne Kingsmill diente, war für die Entstehung von Venus und Adonis ein ausgesprochen plausibler Ort. Obwohl Charles II. lebenslang ein Fan von Oper und Musik war, so wurde der Hof seines Bruders James, dem Duke von York, ein Zentrum musikalischer Schirmherrschaft als dieser seine deutlich jüngere zweite Frau Maria Beatrice von Modena 1673 heiratete. Die zweite Duchess war eine gebildete Musikliebhaberin und ihre Ankunft am Hof im November des Jahres löste zahlreiche musikalische Aktivitäten aus.“ [3]

    Die Argumente, die Winn in seiner Arbeit vorstellt, können durchaus überzeugen. Drum seien sie an dieser Stelle kurz referiert. Zunächst geht Winn davon aus, dass der Hof Charles II. um 1683 viel zu sehr mit einem opulenten Opernplan beschäftigt war („Albion und Albanius“, eine Coproduktion von John Dryden und Louis Grabu, solle aus der Taufe gehoben werden), als dass man eine weitere Oper hätte stemmen können, selbst wenn sie deutlich unaufwändiger zur produzieren gewesen wäre. Der Hof des Duke of York indes hätte diese Kapazitäten durchaus gehabt und dem opernbegeisterten König so die Wartezeit auf die hauseigene Produktion verkürzen können. Auch der Stoff selbst spricht aus Winns Perspektive dafür, dass „Venus and Adonis“ aus James‘ Hause stammen könnte, denn dort waren seit der Ankunft der zweiten Duchess mehrfach Bühnenwerke ganz ähnlichen Sujets produziert worden. Und eben die dort vorgestellten Themen – Mythologisches, Pastorales, Erotisches – sind eben jene, mit denen sich auch die identifizierbaren (und erhaltenen) frühen Texte von Anne Kingsmill beschäftigen. Tatsächlich spricht auch die Anonymität des Librettos für eine Frau als Verfasserin. Denn der erotische Einschlag des Textes im Prolog und im ersten Akt wäre in jener Zeit als für eine (dichtende) Frau unschicklich, ja unsittlich oder in jeglicher Hinsicht ungehörig empfunden worden. Sie hätte mit Attacken und Gesichtsverlust rechnen müssen. Nicht umsonst gibt es Zeugnisse von Anne Kingsmill/Finch aus späteren Jahren, in denen sie explizit ausführt wie froh sein darüber sei, dass sie ihre Anonymität als Dichterin während ihrer Zeit am Königshof hatte wahren können. Einem männlichen Textdichter wäre derlei indes nicht angekreidet worden. Im Gegenteil. Er hätte vielmehr dafür gesorgt, dass sein Name im Textbuch erscheint, denn schließlich war es keine unerhebliche Ehre einen Text für ein Stück zu schreiben, das für eine Aufführung bei Hofe gedacht war. Schließlich zeigt Winn anhand von vielen Beispielen sprachliche Parallelen zu späteren Werken von Anne Finch auf.

    Letztlich ist ihm aber natürlich bewusst – und er macht dies in seinem Text auch ganz deutlich –, dass es sich bei den von ihm angeführten Argumenten nicht um Beweise, sondern um Indizien handelt. Bis heute liegt keine Quelle vor, die ihre Autorenschaft beweist: „Wenn Anne Finch die Autorin von Venus and Adonis war, so war ihr Wunsch anonym zu bleiben stark. Sie hinterließ weder ein Bekenntnis noch irgendeinen Hinweis dazu, dass sie das Libretto geschrieben hat, […].“ [4]

    Und tatsächlich bleiben einige Fragen bestehen, deren Beantwortung die These Winns noch überzeugender gemacht hätten. So ist unklar, wer auf Anne Kingsmill/Finch zugekommen sein soll, um von ihr einen Text zu erbitten. Wenn sie anonym dichtete und auf diese Anonymität so starken wert legte, wer wusste von ihrer Begabung? Warum sollte man hinsichtlich eines Librettos ohne Gründe auf eine einfache Hofjungfer zukommen? War sie vielleicht eine Favoritin des Duke of York? Oder hatte gar der in Liebesdingen, sagen wir maI, recht aufgeschlossene Monarch ein Auge auf sie geworfen? Und gab es irgendeine Verbindung stand sie zu John Blow? Wie realistisch ist das vorgeschlagene Szenario? Fragen über Fragen. Und doch: eine spannende Idee ist das schon, meint der frohsinnig vor sich hin dilettierende Autor dieser Zeilen.

    Einmal editiert, zuletzt von Agravain (30. Dezember 2021 um 19:14)

  • III. The answer is Blowin‘ in the wind

    Apropos Blow: Wie dieser Komponist darankam, einen weltlichen und dazu noch erotisch-tragischen Stoff zu vertonen, kann fast so intensiv zu denken geben, wie die Frage nach der Provenienz des Librettos. John Blow wurde 1649 in Nottinghamshire geboren und kam um 1660 als Knabe in die Chapel Royal. Sein Stimmbruch lag um 1664 (Samuel Pepys erwähnt dies recht witzig in seinen Tagebüchern). 1668 dann wurde er Organist an Westminster Abbey, später dann Gentleman of the Chapel Royal, Master of the Children of the Chapel Royal (hier waren in jenen Tagen übrigens William Croft, Jeremiah Clarke und Daniel Purcell Chorknaben), Organist der Chapel Royal schließlich auch noch Composer of the Chapel Royal und und und. Ein Mann also, der Karriere gemacht hatte, und als Musiker eine höchst prominente Figur am englischen Hof war. Aber: ein Mann der Kirchenmusik. Im Wesentlichen. Kein Mann der Bühne. Scheinbar. [5] Warum nun also gerade er einen Stoff wie „Venus and Adonis“ für ein höfisches Divertissement vertonen sollte, ist nicht ohne weiteres nachzuvollziehen. Noch seltsamer erscheint es vor diesem Hintergrund jedoch, dass sich Blow, nachdem man ihn um 1682/83 für diese Komposition beauftragt hatte, entschloss, so etwas wie einen Formbruch zu begehen. Worin bestand dieser? Nun, die älteste Partitur des Werkes trägt den Titel „A Masque for the Entertainment of the King“ und ordnet das Werk so in die Tradition der höfischen Masque ein, der sie aber nicht wirklich entspricht, denn im Gegensatz zu dieser gibt es hier keine Sprechanteile mehr. Eric Walter White drückt sich ein bisschen um die Nennung des nun entscheidend werdenden Begriffes herum, wenn er in seiner „History of English Opera“ schreibt: „Venus and Adonis ist das erste Beispiel einer englischen durchkomponierten ‚Masque‘ mit vollständiger dramatischer Handlung.“ [6] Schon Edward Dent hatte 1928 festgestellt: „Obwohl als Masque beschrieben und in sehr reduziertem Stil konstruiert, ist Venus and Adonis eine wirkliche Oper, sowohl hinsichtlich des Librettos als auch der Musik.“ [7] Englands erste Oper also und keine Masque? Die Forschung tut sich mit einer eindeutigen Zuordnung schwer. Gilbert Blin beispielsweise ist auch 2009 noch der Meinung, es handle sich um eine Oper und man solle aufgrund der Verwendung des Begriffe „Masque“ „nicht auf eine dichterische und musikalische Konstruktion schließen, sondern ihn lediglich als einen Hinweis darauf verstehen, daß das Werk für ein königliches Publikum geschrieben wurde.“ [8] Andrew R. Walkling hingegen, gegenwärtig wohl die Kapazität, was die englische Bühne des 17. Jahrhunderts angeht, formuliert das Problem wie folgt: „Tatsächlich ist es [= das Bühnenwerk Venus and Adonis, Anm. der Verf.] überhaupt keine Oper: Das älteste erhaltene Manuskript spricht eindeutig von einer ‚Masque fort he Entertainment of the King‘. Doch auch diese Bezeichnung trägt wenig zum Verständnis des Stückes bei: […].“ [9] Diesem Dilemma muss wohl so begegnet werden, dass man „Venus and Adonis“ zugesteht, ein Werk des Übergangs zu sein:

    „Venus and Adonis, Blows Meisterwerk, ist die letzte Masque, die für den Hof der Stuarts komponiert wurde, und die – obwohl sie eigentlich eine durchgesungene Miniaturoper ist – einige Konventionen der älteren Masque-Tradition beibehalten hat, zum Beispiels die Involvierung der Mitglieder des königlichen Hofes. Das Werk steht somit am Scheideweg zwischen Masque und Oper, […].“ [10]


    Warum aber Blow und Kingsmill – in den Worten von Walkling „unglaubwürdige Innovatoren“ [11] – mit der etablierten Konvention gebrochen haben und sich dafür entschieden haben, „ein komplett gesungenes Werk anstatt einer traditionellen Masque“ zu schaffen, bleibt ein Rätsel. [12]

    IV. Erotisches am Hof – und im Mädchenpensionat

    Wahrscheinlich wurde „Venus und Adonis“ erstmals zur Fastnacht 1683 am königlichen Hofe aufgeführt. In welchem Kontext, ist unklar. Denkbare wäre, dass das Werk „am Ende einer Jagdpartie als leichtes Schauspiel nach einem Tag des anstrengenden Zeitvertreibs aufgeführt“ wurde. [13] Bei dieser Gelegenheit spielte, die handschriftliche Partitur vermerkt es, Mary (Moll) Davis, eine ehemalige Mätresse Charles II. die Venus. Wem das noch nicht pikant genug ist, dem sei gesagt, dass die Rolle des Cupido von ihrer gemeinsamen, etwa zehn Jahre alten Tochter Lady Mary Tudor verkörpert wurde: „Der witzige Einfall, die Rolle des Liebesgottes, der die Höflinge [gleich im Prolog, Anm. des Verf.] über die eheliche Untreue belehrte, einem der vielen unehelichen Kinder des Königs anzuvertrauen, wurde gewiß richtig aufgefasst.“ [14]

    Die nächste dokumentierte Aufführung fand am 17.04.1684 an Josias Priests Pensionat für junge Damen in Chelsea statt. Hier firmierte das Werk dann – wie ein entsprechender Druck des Librettos zeigt – als „Opera“. Wie das Werk aber überhaupt dorthin kam, ist unklar. Priest hatte als Tanzmeister gute Verbindungen zum Hof. Es dürfte wahrscheinlich sein, dass er in diesem Umfeld irgendwie mit Blow verbunden war. [15] Im Anschluss machte sich Blow an eine Umarbeitung, die eventuell für Oxford gedacht war. Doch für eine Aufführung dort gibt es keine Zeugnisse. Im Anschluss versank das Werk in den Tiefen des Vergessens, von wo es erst zu Beginn des 20. Jahrhunderts wieder gehoben wurde.

    ___________________

    [1] Eco, Umberto: Der Name der Rose. Deutsch von Burkhart Kroeber. München 1986. S. 95 f.

    [2] Ovid: Metamorphosen. Übersetzt von Erich Rösch. München 1990. S. 274.

    [3] Winn, James A.: ‚A Versifying Maid of Honour‘: Anne Finch and the Libretto for „Venus and Adonis“. In: The Review of English Studies. New Series. Vol. 59, No. 238. Oxford 2008. S. 69. (im Folgenden: Winn)

    [4] Winn, S. 84.

    [5] „Das einzige, woraus wir auf ein größeres Interesse am Musikdrama schließen können, ist seine [= Blows, Anm. der Verf.] Petition vom April 1682, in der er gemeinsam mit seinem Kollegen Nicholas Staggins (der die Musik zu Calisto geschrieben hatte) um die Erlaubnis bittet, eine ‚Academie oder Opera der Musick‘ gründen zu dürfen, ‚wodrinnen ihre musikalischen compositiones executiert oder zur Execution gebracht werden solle‘. In: Walkling, Andrew R.: Venus and Adonis – Pastorale Einfachheit und die expressive Kraft des englischen Barock. Begleittext zur CD „Venus and Adonis“ von John Blow. Boston Early Music Festival. Paul O’Dette & Stephen Stubbs. 1 CD. cpo 777614-2. 2009. S. 13. (im Weiteren: Walkling).

    [6] White, Eric Walter: A History of English Opera. London 1983. S. 103 f.

    [7] Dent, Edward J.: Foundations of English Opera. A Study of Musical Drama in England during the Seventeenth Century. New York 1965. S. 172.

    [8] Blin, Gilbert: Adonis als allegorischer Jäger. Begleittext zur CD „Venus and Adonis“ von John Blow. Boston Early Music Festival. Paul O’Dette & Stephen Stubbs. 1 CD. cpo 777614-2. 2009. S. 9. (im Weiteren: Blin)

    [9] Walkling S. 12.

    [10]Kenny, Elizabeth; Wood, Bruce: Blow - Venus and Adonis. Begleittext zur CD „Venus and Adonis“ von John Blow. Theatre of the Ayre. Elizabeth Kenny. 1 CD. WHLive0043. 2010. S. 4. (im Weiteren: Kenny/Wood)

    [11]Walkling, S. 13.

    [12] Holman, Peter: Henry Purcell. Oxford 1994. S. 198.

    [13] Blin, S. 12.

    [14] Andre Pinnock; Wood, Bruce: John Blow - Venus and Adonis. Begleittext zur CD „Venus and Adonis“ von John Blow. New London Consort. Philip Pickett. 1 CD. L’Oiseau-Lyre 440220-2. 1992. S. 4. (im Weiteren: Pinnock/Wood)

    [15]Vgl. hierzu: Luckett, Richard: A New Source for ‚Venus and Adonis‘. In: The Musical Times, Feb. 1989, Vol. 130, No. 1752. S. 76-79.

  • Inhalt

    Prolog

    Cupid, bewaffnet mit Pfeil und Bogen, befindet sich inmitten von Hirten und Hirtinnen. Er fordert diese auf, ihn zu unterhalten. Sie singen von Liebe, Glück und Freude. Cupid zieht über die promiske Atmosphäre am Hof und seine ehebrecherischen Mitglieder her. Am Ende fordert er alle dazu auf, sich liebend in den Schatten der Bäume zurückzuziehen.

    Akt I

    Venus und Adonis liegen sich in den Armen und genießen einander. Es erklingt Jagdmusik. Sie erheben sich von ihrem Lager. Venus fordert Adonis auf, auf die Jagd zu gehen. Er will nicht. Stattdessen möchte er bei ihr bleiben. Sie streiten. Venus lässt ihn stehen und Adonis geht mit den Jägern auf die Jagd.

    Akt II

    Venus und Cupid stehen inmitten einer Gruppe von kleinen Cupiden. Cupid lobt seine Mutter für die Art und Weise wie sie Adonis liebt. Er will von ihr wissen, wie man jemanden zerstören könne, der Liebe verschmäht. Sie erklärt es ihm, woraufhin Cupido den kleinen Cupiden erläutert, welche Opfer sie traktieren sollen. Nun will Venus von Cupid wissen, wie sie dafür sorgen kann, dass Adonis ihr treu bleibt. Er erklärt ihr, dass sie ihn möglichst schlecht behandeln soll, woraufhin sie in Gelächter ausbricht. Es tanzen zunächst die kleinen Cupiden, dann erscheinen die Grazien und tanzen ebenfalls.

    Akt III

    Venus ist melancholisch. Sie hat düstere Vorahnungen und sehnt die Rückkehr Adonis‘ herbei. Da wird Adonis hereingeführt, der schwer verletzt ist. Ein Eber hat ihm tödliche Wunden beigebracht. Er nimmt Abschied von Venus, die ihre Unsterblichkeit verflucht, und stirbt. Sie weist die kleinen Cupiden an, den Leichnam in den Himmel zu tragen. Diese stimmen einen Klagegesang an.

  • Diskographie

    Die mir vorliegende Diskographie umfasst die folgenden Aufnahmen:

    Anthony Lewis (1953): Margaret Ritchie (Venus), Margaret Field-Hyde (Cupid), Gordon Clinton (Adonis), Elizabeth Cooper (Mezzosopran), Robert Ellis (Tenor), John Frost (Bass), Ensemble L‘Oiseau-Lyre

    Anthony Rooley (1984): Emma Kirkby (Venus), Evelyn Tubb (Cupid), Richard Wistreich (Adonis), Tessa Bonner (Sopran), Poppy Holden (Sopran), Cathy Cass (Alt), Mary Nichols (Alt), Joseph Cornwell (Tenor), Andrew King (Tenor), Rufus Müller (Tenor), Jeremy White (Bass), London Oratory Junior Choir, The Consort of Musicke

    Charles Medlam (1987): Lynne Dawson (Venus), Nancy Argenta (Cupid), Stephen Varcoe (Adonis), Emily van Evera (Shepherdess), John Mark Ainsley (Shepherd), Charles Daniel (Shepherd), Gordon Jones (Shepherd), Rogers Covey-Crump (Huntsman), Tessa Bonner (Sopran), Nicola Jenkin (Sopran), Mery Seers (Sopran), Christopher Royall (Countertenor), Mark Padmore (Tenor), Nicolas Robertson (Tenor), Angus Smith (Tenor), Richard Wistreich (Bass), London Baroque

    Philip Pickett (1992): Catherine Bott (Venus), Libby Crabtree (Cupid), Michael George (Adonis), Julia Gooding (Shepherdess, Grace), Andrew King (Shepherd), Simon Grant (Shepherd, Huntsman, Grace), Christopher Robson (Shepherd, Huntsman, Grace), Paul Agnew (Huntsman), Choristers of Westminster Abbey, New London Consort

    René Jacobs (1998): Rosemary Joshua (Venus), Robin Blaze (Cupid, Grace), Gerlad Finley (Adonis), Maria Cristina Kiehr (Shepherdess, Grace), Christopher Josey (Shepherd, Huntsman), John Bowen (Shepherd), Jonathan Brown (Shepherd, Grace), Clare College Chapel Choir, Orchestra of the Age of Enlightenment

    Paul O‘Dette & Stephen Stubbs (2009): Amanda Forsythe (Venus), Mireille Lebel (Cupid), Tyler Duncan (Adonis), Boston Early Music Festival Vocal and Chamber Ensembles

    Elizabeth Kenny (2010), Sophie Daneman (Venus), Elin Manahan Thomas (Cupid), Roderick Williams (Adonis), Helen Neeves (Shepherdess), Caroline Sartin (Shepherd), Frederick Long (Shepherd); Jasonm Darnell (Huntsman), Salisbury Cathedral Girls‘ Choir, Theatre of Ayre

    ****

    Ein paar persönliche Eindrücke zum Werk und zu der ein oder anderen Aufnahme folgen demnächst.

    :wink: Agravain

  • René Jacobs (1998): Rosemary Joshua (Venus), Robin Blaze (Cupid, Grace), Gerlad Finley (Adonis), Maria Cristina Kiehr (Shepherdess, Grace), Christopher Josey (Shepherd, Huntsman), John Bowen (Shepherd), Jonathan Brown (Shepherd, Grace), Clare College Chapel Choir, Orchestra of the Age of Enlightenment

    Unter den mir bekannten, oben aufgeführten Aufnahmen von John Blows „Venus and Adonis“ sticht die Aufnahme von René Jacobs aus dem Jahre 1998 meines Erachtens klar hervor. Vernachlässigt man man die frühe Aufnahme unter Anthony Lewis einmal aufgrund ihres historischen Charakters, so zeichnen sich alle in Großbritannien entstandenen HIP-Aufnahmen – also Rooley, Medlam, Pickett und auch noch Kenny – durch einen gemeinsamen Charakterzug aus, den ich an anderer Stelle durchaus schätze, der aber hier, so zumindest mein Eindruck, die Attraktivität, die dieses Werk für den Hörer haben kann, ausbremst. Alle gehen die Komposition (gefühlt) gewissermaßen unter der Prämisse „stille Einfalt, edle Größe“ an. Ein zutiefst höfischer Ton weht durch diese Aufnahmen, der ihnen eine kühle Artizifialität verleiht und den Eindruck einer gewisse Distanz zum dargestellten Gegenstand hinterlässt. Sicher kann man argumentieren, dass sich eine solche Interpretation für ein am englischen Königshof aufgeführtes Werk anbietet, gerade weil sie den ja sicher auch existierenden rituellen Aspekt einer solchen Aufführung fokussiert.

    Angesichts dessen, was aber schon seit Shakespeares Zeiten Tradition auf englischen Bühnen war und was nicht nur die Groundlings im „Globe“, sondern später auch den König in seinen „royal masques“ erfreute, überzeugt mich dieser Ansatz nicht so recht. „A Masque for the Entertainment of the King“ darf auch saftig musiziert werden und das ist es eben, was Jacobs hier macht, und es ist eben das, was mir so ausgesprochen gut gefällt. Jacobs hat sich (so wirkt es zumindest) ganz darauf eingeschwungen, dass „Venus and Adonis“ eben ein Bühnenwerk ist, ein Werk für die Bühne und für Publikum, das – in welchem Kontext das Werk letztlich auch erstmals gespielt wurde – unterhalten und auch mitgerissen werden will. Es ist ja alles im Miniaturformat enthalten, was so ein Stück braucht: Liebe, augenzwinkernde Erotik, Satire, schmissige Tanzmusik, Drama, Tod. Stoff für einen guten Potboiler, den die Librettistin Anne Kingsmill da geliefert hat. In Kürze vieles von dem, was das Leben so bietet und fordert. Da Distanz zu wahren scheint mir kein guter Ansatz zu sein.

    „Greift nur hinein ins volle Menschenleben“, hat der olympische Frankfurter einmal gesagt. Und Jacobs macht’s einfach. Er kostet alle Affekte in schönem, nicht übertriebenen Maße aus – eine Maß, dass er nach meinem Dafürhalten nicht immer hat oder anlegt. Hier jedoch gelingt es. Ob es die Erotik des Flötenvorspiels zum ersten Akt ist, die wunderbar ganztaktik swingenden Tänze und Chorsätze („Come, shepherds all“) sind, das Timing insgesamt, die Gestaltung der Auseinandersetzung der Liebenden, die Rustikalität des Jägerchors, die Satire in „The Cupid’s Lesson“ („The insolent, the arrogant“), die Andeutung des Stimmungswechsels gegen Ende des zweiten Aktes (beginnend mit dem Chor der Grazien), die Todesszene und die Verzweiflung der Venus oder der abschließende, wie ein dirge anthem wirkende Schlusschor – gestalterisch gelingt hier nach meinem Empfinden alles.

    Das mit 15 Streichern, 3 Flöten, einem Fagott, Clavecin, Orgelpositiv, Theorben und Gitarren ziemlich groß besetzte Orchestra of the Age of Enlightenment tut durch ein rundum wunderbares, klangvolles, idiomatisches Spiel ein Übriges. Eine Ohrenweide, möchte ich sagen. Gleiches gilt es für die rundum wunderbaren Sängerinnen und Sänger. Rosemary Joshua gibt eine höchst verlockende und emotionale Göttin Venus: Stimmlich voll, aber nicht fett, mit einem schnellen, aber wenig störendem Vibrato, wunderbar verzierend. Dazu schafft sie es durch intelligente, textorientierte Gestaltung die Venus als Charakter mit vielen Facetten vorzustellen. Gerald Finley ist ein eleganter und sanft liebender Adonis, der seiner Göttin aber nicht in testosteroninduzierter Blindheit zu Füßen liegt. Im Streit mit ihr, vertritt er standfest seine Position. Einzig Robin Blazes Anlage des Cupid will mich nicht so recht überzeugen, und zwar sie einer Anlage im Grunde entbehrt. Er singt die Partie ausgesprochen delikat und es ist eine Freude, ihm zuzuhören. Doch bei aller klanglicher Delikatesse: diese Partie lebt im Grunde von der Ironie und Bissigkeit der Textvorlage und die transportiert Blaze nach meinem Empfinden leider nicht.

    Insgesamt aber eine hervorragende Einspielung, deren Farbigkeit bislang meines Erachtens nur die Aufnahme des Boston Early Music Festival, die 2009 unter der Leitung von Paul O'Dette und Stephen Stubbs entstanden ist, in ähnlicher Weise erreicht.

    :wink: Agravain

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