Immer 'Full Speed' - Rainer Werner Fassbinder
Rainer Werner Fassbinder, 31.05.1945 - 10.06.1982
37 Jahre alt geworden und dabei 40 Spielfilme, 3 TV-Produktionen und 24 Theaterstücke kreiert. Ein Leben auf der Überholspur.
Fassbinder stammte aus einem bürgerlichen Haushalt. Der Vater war Arzt, die Mutter (man kennt sie aus seinen Filmen) Übersetzerin. Schon früh interessierte ihn das Kino, aber gleichzeitig war diese Zeit durch Misserfolge geprägt. Schule abgebrochen, Filmhochschule nicht geschafft, staatliche Schauspielausbildung auch nicht. Von daher näherte er sich dem Film mit drei Kurzfilmen autodidaktisch und eher unkonventionell.
Sein erster Langfilm 'Liebe ist kälter als der Tod' war zunächst kein Erfolg, sein zweiter 'Katzelmacher' (5 deutsche Filmpreise) katapultierte ihn geradezu in die erste Garde des damaligen 'Neuen Deutschen Films'.
Dann ging es Schlag auf Schlag und das ist durchaus wörtlich gemeint. Alleine 7 Filme 1970! Fassbinder war ein Arbeitstier. In der Folgezeit entstanden 'Klassiker' des neuen, deutschen Films, was nicht bedeutet, dass er breitenmäßig bequem oder anerkannt gewesen wäre. Der große, ungeteilte (Publikums- und Kritiker-) Erfolg stellte sich eigentlich erst mit 'Die Ehe der Maria Braun' ein', nach dem dann aber nur noch wenige Produktionen folgen sollten.
Fassbinder polarisierte immer. Das hat heute vielleicht eine andere Bedeutung, als zu seinen Lebzeiten. Damals, in den 70igern und frühen 80igern war er ein Bürgerschreck. Ich erinnere mich noch sehr genau an die Reaktionen in vielen Zeitungen z.B. auf seinen 'Alexanderplatz'. Man warf ihm wirklich alles vor, was man sich denken kann und die Kritiker, die in ihm damals schon das Filmgenie erkannten, dass er war, konnten ihre Meinung in der Mehrheit der Bevölkerung nicht durchsetzen. Für die Einen war er zu links, für die Anderen zu rechts, für die Dritten ein schlechter Regisseur und nur für die Vierten vielleicht ein wirklicher Künstler. Aber immerhin kannte ihn damals jeder!
Fassbinder und seine 'family'. 1967 kam Fassbinder zum sogenannten 'Action-Theater' um u.a. Peer Raben und Kurt Raab. Schnell (wie hätte es anders sein sollen) wurde er da zum 'Chef' und sammelte von da ausgehend in der Folge eine ganze, riesige Truppe von Künstlern um sich, die ihn mehr oder weniger zeitlebens bei seinen Produktionen begleiten sollten: Hanna Schygulla, Irm Hermann, Margit Carstensen, Ingrid Caven, Kurt Raab, Ulli Lommel, Peter Chatel, Harry Baer, Günther Kaufmann, Peer Raben, Michael Ballhaus und so weiter und so fort. Dazu kamen dann im Laufe der Jahre 'Stars', auch aus vergangenen Filmepochen, die immer wieder mit ihm drehten (Löwitsch, Valentin, Böhm, Mira, Lenz).
Fassbinder und ich.
Eine schwierige Beziehung. In den 70igern erwachte so langsam mein Bewusstsein, aber trotzdem war ich a) von meinem Elternhaus und b) vom amerikanischen Kino geprägt. Und dann kam dieser junge Wilde mit seinem unkonventionellen Stil. Schauder überliefen mich damals. Ich erinnere mich eigentlich nur an Produktionen, die im TV liefen. 'Angst essen Seele auf' fand ich toll, weil ich ihn verstand, 'Acht Stunden sind kein Tag' wurde von der daheim gelesenen Presse niedergeschrien und von daher fand ich ihn auch irgendwie gut, 'Alexanderplatz' (da war ich schon älter) hat mich begeistert, aber die Kritik (man sieht nichts) konnte ich sehr gut nachvollziehen, was ich aber natürlich damals auf Tod und Teufel meinen Eltern gegenüber nie zugegeben hätte. Aber für ihn ins Kino zu gehen, wäre mir nie eingefallen. Von daher blieb Fassbinder für mich immer ein Regisseur des neuen deutschen Films, der sicherlich eine gewisse Bedeutung hatte, den ich mir aber eigentlich nie angetan hätte.
Wie hat sich das plötzlich geändert!!! 'Faustrecht der Freiheit' war ein erster Versuch, mich Fassbinder zu nähern und ich war begeistert. Und dann kamen und mussten kommen all die anderen Filme von ihm, die ich bislang gesehen habe. Und keiner hat mich total enttäuscht. Was ich an ihm so schätze, ist zunächst einmal die unglaubliche Vielfalt, nicht nur der Sujets, sondern v.a. der filmischen Umsetzung. Fassbinder ist diesbezüglich immer neu, immer überraschend und unkonventionell, aber auch immer Fassbinder. Er hat seine Themen (Melodram, Mensch und Gesellschaft, Freiheit des Einzelnen etc.), aber passt die filmische Umsetzung immer dem neuen Sujet an und kann dabei diesen 'Sog entwickeln und auch dieses gewisse Etwas, was einen guten von einem genialen Regisseur unterscheidet. Fassbinder ging immer über die Handlung hinaus, was sicherlich auch einen Gutteil seiner Aktualität ausmacht. Und er hatte diesen unglaublichen Bestand von genau zu ihm passenden Schauspielern, die ich alle damals schrecklich, weil so farblos fand, die seine Art der Kunst aber so wunderbar unterstützen konnten.
Ach, ich könnte noch so viel mehr schreiben, aber ich beende das hier lieber mal. Ich fühle und weiß, dass mich dieser ´Regisseur nicht mehr loslassen wird. Aber wie ergeht es euch? Was verbindet ihr mit Fassbinder? Welche Filme liebt ihr oder auch nicht? Mögt ihr ihn überhaupt. Was an dieser Kurzeinführung seht ihr anders, völlig anders?
Wolfram