Das Geschäft mit der Hoffnung
Die Aussichten junger Musiker, am Markt Fuß zu fassen, sind nicht erst seit der Corona-Krise äußerst schwierig. Es kann daher kaum verwundern, dass sich unter der großen Zahl an Veranstaltern, Agenturen und Labels auch solche mit zweifelhaftem Geschäftsgebaren befinden, die genau das auszunutzen versuchen. Der jüngste Fall in meinem Umkreis ist ein - nicht unbekanntes - Label, welches auf seiner Website damit wirbt, junge Musiker bei Aufnahme und Produktion von CD-Projekten finanziell zu unterstützen. Wer nach einem Bewerbungsverfahren für dieses "Sponsoring" ausgewählt werde, könne in Sälen wie der Berliner Philharmonie, der New Yorker Carnegie Hall oder dem Wiener Musikvereinssaal sein CD-Projekt aufnehmen, welches dann in einer Startauflage von 500 oder 1000 Stück sowie auf allen bekannten Streaming-Kanälen veröffentlicht werde. Außerdem würden die CDs in allen relevanten Musikpublikationen besprochen.
Das Angebot, welches dann nach erfolgreicher Bewerbung einging, sah allerdings deutlich anders aus: Das "Sponsoring" umfasse 75 % der Kosten, und zur Auswahl stünden zwei Varianten.
Bei einer rein „digitalen Verbreitung über alle Streamingplattformen + graphic design of the album’s cover, the legal matters to obtain the ISRC codes, EAN/UPC, phonographic rights“, die normalerweise angeblich 6200 Euro kosten würde, wären dank der großzügigen Unterstützung nur 1550 Euro zu bezahlen, bei einer zusätzlichen Produktion von 1000 CDs, was angeblich normalerweise 30200 Euro kosten würde, blieben noch 7550 Euro als Eigenbeitrag. Leider seien wegen der Corona-Krise zur Zeit aber alle Studios geschlossen, so dass man selbst ein fertiges Master abzuliefern hätte, außerdem Künstlerfotos und druckfertige Booklet-Texte.
Dieses Angebot erscheint aus mehreren Gründen mehr als fragwürdig: Erstens sind die angeblichen Kosten, vor allem bei der zweiten Variante, offenkundig mehrfach überhöht angesetzt; allein die Produktion von 1000 CDs würde gegenüber der Variante 1 über 24000 Euro kosten! Zweitens wurden im Vorfeld und im Bewerbungsverfahren vollkommen andere Bedingungen genannt: Von einer anteiligen Kostenübernahme ist da ebensowenig die Rede wie von fertig abzuliefernden Masterbändern etc.. Es drängt sich deshalb der Verdacht auf, dass die Firma hier keine Künstlerförderung betreibt sondern mit Rattenfängertricks junge Musiker in ein überteuertes Angebot zu locken versucht. Dazu passt auch, dass mit dem Angebot erheblicher zeitlicher Druck aufgebaut wurde, weil sonst angeblich ein anderer in den Genuss der "Förderung" kommen würde.
Ich habe über die ganze Angelegenheit mit dem Gründer eines großen (und vor allem seriösen) Klassik-Labels telefoniert, der schon bei der Nennung der angeblichen Preise von 6200 bzw. 30200 Euro meint, da würde er sofort anfangen zu arbeiten. Für gute 30000 Euro bekäme man bei ihm je nach Aufwand, Besetzung usw. drei fertige CDs in 1000er Auflage, und zwar inklusive Saal- und Flügelmiete, Aufnahme und Schnitt. Außerdem bestätigte er meinen Verdacht, dass in Corona-Zeiten Studios keineswegs weniger zu tun haben oder gar schließen müssen, sondern dass umgekehrt viele Musiker gerade jetzt die Zwangs-Konzertpause nutzen, um Aufnahmen zu machen. Auch das war also anscheinend eine Falle.
Zum Glück hatte die betroffene Studierende mich rechtzeitig um eine Bewertung des Angebots gebeten, so dass in diesem Fall nichts passiert ist. Ich habe den Vorgang außerdem an die Abteilung Karriereberatung unserer Musikhochschule weitergeleitet.