MASCAGNI: Cavalleria rusticana - Kommentierte Diskographie

  • Diese bayerische Rundfunkaufnahme von 1954, erschienen bei MYTO/Historical Line, habe ich mir vor allem wegen Wolfgang Sawallisch zugelegt, der natürlich ein sehr gutes, wenngleich nicht außerordentliches Dirigat liefert. Wegen der deutschen Fassung und der Besetzung mit Hopf und Varnay war ich etwas skeptisch, ob diese Wagner-Spezialisten meinen Ansprüchen genügen würden, wurde aber angenehm überrascht.

    Natürlich kommt die deutsche Übersetzung nicht an die fließende Eleganz des italienischen Originals heran. Sie ist spröder und nicht so perfekt sangbar, sie ist aber auch keineswegs schlecht oder ungeeignet.

    Insgesamt ist das eine wirklich gut anhörbare Einspielung, die sogar manchmal eine Spur veristischer wirkt als die ursprüngliche Version - weil die Wagner-Stimmen natürlich nicht ganz so geschmeidig und beweglich sind (ohne daß ich das als unangemessen empfinden würde), nur James Pease als Alfio singt zwar durchaus schön, wirkt mir aber zu wenig gefährlich. Hans Hopf als Turiddu beweist, daß er sogar über eine Portion Schmelz verfügt. Zum glutäugigen Hallodri fehlen noch ein paar Tröpfchen Öl, aber alles in allem bietet er eine erstaunlich gute Leistung. Im Duett mit Santuzza zeigen Astrid Varnay und er, was sie drauf haben - und da müssen sie sich gegenüber den italienischen Berühmtheiten nicht verstecken. Vorzüglich ist auch die Lola Hanna Scholls.

    Die Tonqualität ist gut, natürlich war das eine Mono-Aufnahme.

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    Homo sum, ergo inscius.

  • Lieber Waldi!

    Diese Aufnahme ist ja sehr interessant.

    Ich kann mich erinnern als ich 8 Jahre alt war [also vor einigen Tagen] da sang an der Volksoper Maria Jeritza die Santuzza wer den Turrido sang ich weiß nicht mehr - und es war in gemischten Deutsch.

    Maria Jeritza sang in Italienisch das weiß ich noch und es war im Ausweichquartier an der Volksoper und noch was weiß ich, beim Fluch über die roten Ostern ließ sich M.J. die Stufen vor der Kirche von 8 auf 12 erhöhen um effektvoll runterzufallen.

    Liebe Grüße sendet Dir Peter.

  • Hallo,

    Schwankend zwischen zwei verschiedenen Aufnahmen, welche ich musikalisch nicht entscheiden kann, würde mir helfen zu wissen, ob eine der beiden Aufnahmen mit oder ohne Libretto in deutscher Sprache daherkommt.

    Ich schwanke zwischen:
    1) Dirigat Gavazzeni mit Corelli/Simionato/Guelfi
    Oder
    2) Dirigat Karajan mit Cossotto/Bergonzi/Allegri

    Beide Aufnahmen sind weiter oben im Thread aufgeführt.

    Dank im Voraus PPP

  • Bei der Karajan Aufn. ist eindeutscher Text dabei, bei der anderen nicht !

    LG palestrina

    „ Die einzige Instanz, die ich für mich gelten lasse, ist das Urteil meiner Ohren. "
    Oolong

  • Björling

    Gestern hörte ich im Fernsehen die Cavalleria mit Jonas Kaufmann als Turiddu. Er ist sicher einer der besten Sänger unserer Zeit. Aber als Turiddu habe ich immer noch Jussi Björling im Ohr. "O Lola" ist das allererste Stück, das ich von ihm in einem Radioporträt gehört habe und ich habe mich sogleich in die Stimme verliebt. Neben Björling singen in der Gesamtaufnahme noch Robert Merrill, der den Alfio sehr gut singt, die Rolle könnte aber in meinen Augen etwas mehr Aggressivität und Boshaftigkeit gebrauchen. Zinka Milanov wird von Kesting positiv besprochen, (was ja nur wenigen Sängern vergönnt ist) und singt sicher auch sehr gut, aber sie trifft mich nicht so ins Herz wie Björling. Das Dirigat von Cellini ist ordentlich, aber er entfaltet nicht das klangmalerische Breitwandgemälde von Karajan.
    Bleibt noch hinzuweisen auf Björlings frühere Aufnahmen: 1944 hat er "Mamma! quel vino" 1948 "O Lola" aufgenommen. Die Aufnahmen strahlen noch mehr jugendliche Frische, aber auch Naivität aus (ganz besonders die Aufnahme "O Lola" von 1934 auf schwedisch), auf der Gesamtaufnahme von 53 klingt er abgeklärter. Alle drei Einzelaufnahmen finden sich in der Björling Sammelbox von EMI.

  • NAXOS 1992

    Die altbekannte Tatsache, daß NAXOS weniger auf Spitzenberühmtheiten Wert legt als auf gediegene Qualität und humane Preisgestaltung, wird hier wieder einmal sehr eindrucksvoll bewiesen. ich war auf diese Aufnahme neugierig geworden, weil ich wissen wollte, wie sich Giacomo Aragall 1992 - also in nicht mehr gerade jugendlichem Alter (er ist Jahrgang 1939) - anhört und wieviel er sich von seinen Qualitäten bis dahin bewahrt hatte. Schon seine ersten Töne ließen nicht nur die Stimme, sondern auch mich erstrahlen. Im Studio offenbar unbehelligt von seiner berühmten Nervosität singt er hier besser denn je, mit berückendem Timbre und vollendeter Sicherheit, einen maßstabgebenden Turiddu. Um ihn herum erlebt man ein Ensemble, dessen Mitglieder zwar gute internationale Karrieren durchliefen und teilweise noch durchlaufen, die aber eigentlich nie in der vordersten Reihe standen. Sie alle liefern aber Leistungen ab, die sich vor den weltklassigen Einspielungen dieser Oper nicht zu verstecken brauchen.
    Der Dirigent (er hat sich übrigens auch als Komponist einen Namen gemacht) Alexander Rahbari dürfte nicht vielen unter uns geläufig sein. Er ist geborener Perser, studierte in Teheran und Wien (bei Swarowsky, Einem und Österreicher), war dann in leitender Stellung in Teheran, bis er 1977 nach Europa auswanderte. Dort war unter anderem in leitenden Stellungen in Brüssel und Zagreb, assistierte auch einmal Karajan in Salzburg. 2005 kehrte er in seine Heimat zurück, hielt es aber unter den Repressalien des konservativen Regimes nicht lange aus. Was er aus dem Radiosymphonie-Orchester Bratislava an Klangkultur und Farbe herausholt, ist großartig. Bratislava war ja damals immer mehr ein gar nicht so geheimer Geheimtip für die Wiener Opernanhänger.
    Die Santuzza singt die bulgarische Sopranistin Stefka Evstatieva mit wunderschön timbriertem Organ und perfekter dramatischer Gestaltung. Da ist jeder Ton, jede Silbe mit Ausdruck geladen. Nicht weniger hinreißend finde ich den Alfio des rumänischen Baritons Eduard Tumagian (Muti holte ihn seinerzeit an die Scala). Anna di Mauro als Lola und Alzbeta Michalková halten dieses Niveau .
    In summa eine Aufnahme, die in die allererste Reihe gehört, zumal die Tonqualität exzellent ist. Das Booklet enthält auch das Libretto, was heute eher eine - natürlich erfreuliche - Ausnahme darstellt. Und hier ist das einzige Minuspünktchen zu vergeben, das aber nur ganz wenige Zeilen betrifft. Bei der letzten Seite hat sich jemand vertippt und statt des Schlusses von "Cavalleria" den der "Pagliacci" erwischt. Wenn man bedenkt, wie oft diese beiden Werke sonst miteinander verbunden werden, erscheint dieses Manko in mildem Licht. Daher trotzdem eine ganz heiße Empfehlung von mir - und viel Vergnügen beim Hören!

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    Homo sum, ergo inscius.

  • Die Musik von "Cavalleria rusticana" wird oft in einer ästhetisierenden Weise interpretiert mit betörenden Klängen und einem Salon-Verismo, der mit Belcantoqualitäten durchsetzt ist. Ich bekenne, daß ich mich für diese Auffassung immer wieder begeistere (Karajan ist da sicher nicht unschuldig daran, aber längst nicht er alleine). Ein klangschönes Intermezzo läßt mich immer wieder zerfließen (und die harmvolle Handlung wird dadurch natürlich irgendwie verklärt). Trotzdem habe ich mich oft gefragt, ob diese - von mir nicht zu missenden - veredelnden Züge dem authentischen Wollen des Komponisten entsprechen. Ob nicht ein Brutal-Verismo, wie er namentlich von manchen Santuzzas forciert wird, nicht eher hinkäme. So war es längst fällig, dies nachzuprüfen, hat doch Mascagni selbst 1940 mit Orchester und Chor der Mailänder Scala seine Oper im Studio eingespielt, sogar selbst eine kurze Einleitung dazu gesprochen und damit klargestellt, daß er damit eine Art Vermächtnis seines künstlerischen Wollens schaffen wollte. Sichtlich bestärkt durch die positive Resonanz folgte zwei Jahre später eine Radio Einspielung von "L'amico Fritz" (RAI Turin). 2013 erschien unter dem Label The Intense Media eine Box, die beide Opernaufnahmen vereinigt enthält:

    Berücksichtigt man die Entstehungszeit der Originale ist die Tonqualität der restaurierten Fassungen als sehr gut zu bezeichnen. Die fortgeschrittene Technik der Wiederaufbereitung zeitigt bei entsprechend solidem Ausgangsmaterial erstaunliche Resultate. Ob das bei anderen Editionen dieser spezifischen "Cavalleria" von 1940 auch so ist, kann ich natürlich nicht beurteilen.

    Mascagni als Mensch lasse ich hier außer acht. Seine pathetisch-effektvolle Manier, wie sie aus seinem vorangestellten Statement herüberkommt, ist nicht gerade meine Sache, aber für seine Musik und Mascagnis Art, seine Schöpfung zu präsentieren, ist sie voll angemessen. Mascagni dirigiert perfekt mit kontrastierenden Effekten, bewußten Steigerungen, transparent, bemerkenswert unbreiig und keineswegs ästhetisierend, unpuccinihaft, um es so auszudrücken. Andererseits vermeidet er ebenso allzu brutale Details, mutet mich eher "realistisch" ohne besondere Übertreibung an. Die von ihm sorgfältig ausgewählte Besetzung läßt nie Zweifel daran, daß es simple Bauern sind, deren Schicksale wir begleiten. Bauern freilich, die einen phantastischen Sinn für Musikalität besitzen, jedoch keine "schlanken" Kehlen. Beniamino Gigli als Turiddu, der doch, wenn er wollte, sehr kavaliersmäßig--schmachtende Töne flöten konnte, wirkt überzeugend authentisch als Rustico, bei dem Lunge und Leib besser entwickelt sind, als Hirn und Gewissen (das zu spät erwacht). Und auch in seiner Schlußarie ist nicht die meist übliche Sentimentalität zu spüren, nur die Betroffenheit und die Angst, die ihn erfüllen. Ebenso ist die Santuzza keine "edle" Stimme, keine lyrisch idealisierte Märtyrerin, sondern eine dramatisch sattelfeste Person, die ihren einfach gestrickten positiven wie negativen Gefühlen wirksamen Ausdruck verleiht. Lisa Bruna Rasa (1907-84) war Mascagnis Lieblings-Santuzza (ich habe übrigens den Eindruck, daß die Jeritza die Rolle in vielem ähnlich auffasste). Sie wirkt völlig authentisch - ebenso wie der Alfio Gino Bechis, den viele nur als allzu rauhen Figaro kennen. Hier jedoch wirken seine simple Persönlichkeit wie sein Haß und seine "grobe" (bitte die Anführungszeichen unbedingt zu beachten!) Vokalität perfekt am Platz. Die junge Giulietta Simionato singt eine großartige Mamma Lucia. Für mich irgendwie überraschend: Mascagni läßt die Lola (Maria Marcucci) keineswegs als hemmungslos aufdringliche Sirene extrem verführerische Ausstrahlung entwickeln. Junges, frisches Blut genügt quasi. Mascagnis Verismo besticht durch seine subtilen Qualitäten und durch gehaltvolles Andeuten, ohne je vulgär zu werden.

    Ohne meine Liebe zu den ästhetisierenden Versionen der "Cavalleria" aufzugeben, bin ich von Mascagnis eigener Auffassung nicht weniger hingerissen.

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    Homo sum, ergo inscius.

  • Eine Oper, die ich sehr liebe, läuft sie doch geradezu mit der Zwangsläufigkeit und Unerbittlichkeit einer griechischen Tragödie ab. Gut, der Vergleich ist vielleicht ein wenig weit hergeholt, aber da steckt schon was drin. :rolleyes:

    Natürlich habe ich Aufnahmen, wobei ich v.a. diese präferiere:

    Da stimmt für mein Empfinden alles. Die verzweifelte Leidenschaft der Callas, die Emphase di Stefanos, Panerais ein wenig 'holpriger' Bauer und v.a. auch das Dirigat von Serafin.

    Weiter natürlich auch diese hier:

    Aber letztlich bleibt es doch wohl eine Oper, die man wirklich live erlebt haben muss. Denn viele große Singschauspielerinnen kommen auf Aufnahmen einfach nicht entsprechend rüber. Baltsa :verbeugung1: :verbeugung1: :verbeugung1: , Varady, die schon ältere Cossotto. Alle rissen mich mit ihrer schieren Bühnenpräsenz wahrlich 'vom Hocker'. Alleine wenn die Baltsa in Hamburg den gesamten Schluss der Oper scheinbar teilnahmslos am Rande stand und das Geschehen mit verfolgte. Das kann man logischerweise nicht auf eine Aufnahme bannen. Da hat die CD dann doch ihre Grenzen. Aber das macht wohl diese Oper mit aus. Gesang und Spiel. Und nur wenigen ist und war es vergönnt, ein ebenso fesselndes Theater für das Ohr wie für das Auge zu gestalten.

    :wink: Wolfram

    "Wieder versuchen. Wieder scheitern. Besser scheitern." (Samuel Beckett)

    "Rage, rage against the dying of the light" (Dylan Thomas)

  • Waltraud Meier wird es als Santuzza ganz gewiß, in der Rolle habe ich sie schon in Bonn auf der Bühne gesehen, und das war großartig. Leider will mir partout nicht mehr einfallen, wer damals der Turiddu war;

    ...vielleicht waren wir in der gleichen Vorstellung: Um das Jahr 2000 (?) habe ich Waltraud Meier in Bonn als Santuzza gehört, den Turiddu sang Lando Bartolini. Beiden auf höchstem Niveau, wobei als Darstellerin Waltraud Meier die Bühne unter Starkstrom setzte. Die totale Opern-Extase! Das beste, was in Bonn je auf der Bühne zu hören war. :)

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