Pehr-Henrik Nordgren (1944-2008) Finnischer Komponist

  • Pehr-Henrik Nordgren (1944-2008) Finnischer Komponist

    Pehr-Henrik Nordgren (1944-2008) hat in Helsinki studiert, u.a. Komposition bei Joonas Kokkonen. In Tokio vervollständigte er sein Können von 1970-1973 bei Yoshio Hasegawa und lernte natürlich auch die japanische Musik kennen, die ihn zu einigen Werken inspirierte. Er kehrte 1973 mit seiner japanischen Frau nach Finnland zurück und ließ sich im relativ abgelegenen Kaustinen, dem Zentrum der Finnischen Volksmusik nieder. Hier begann die Zusammenarbeit mit dem Ostrobottnischen Kammerorchester und Juha Kangas, die zu einer Reihe von Kompositionen für Streichorchester führte.Nordgren geht von der Zwölftontechnik und der Clustertechnik Ligetis aus, hat sich aber im Laufe der Zeit zunehmend auch der tonalen Musik angenähert, seinen Stil könnte man als pluralistisch bezeichnen. Seine Werkliste umfasst u.a. 8 Symphonien, 11 Streichquartette und zahlreiche Solokonzerte.

    Seine erste Symphonie hat Nordgren 1974 komponiert, also direkt nach der Rückkehr aus Japan, da war der Komponist 30 Jahr alt. Es fällt mir schwer, diese Musik zu beschreiben, sie ist so anders als vieles was man sonst so kennt, so dass mir keine guten Vergleiche einfallen. Ein überaus klangstarkes Werk, die Musik ist ständig in Bewegung, es wiederholt sich praktisch nichts, eine Art Collage aus unendlich vielen Einflüssen aus der gesamten Musikgeschichte bis hin zu volksmusikartigen Elementen, verschwommen tonal, manchmal auch dissonant, oft wie hinter einem Schleier, manchmal denkt man "Ives revisited", aber auch das nur im Vorübergehen. Eine eigene Klangwelt hat er sich hier erschaffen, teils witzig, teils bizarr, aber nie langweilig, wenn man sich die Mühe macht, zuzuhören. Als ehester Vergleich fällt mir vielleicht noch Alfred Schnittke ein.

    Kein Dirigent hat sich so sehr für die Musik Nordgrens eingesetzt wie Juha Kangas (hier mit dem Finnischen RSO), so dass wir davon ausgehen können, eine definitive Interpretation vorliegen zu haben (ob es jemals eine zweite auf CD schafft, ist eh mehr als fraglich).

    Nachruf von Christoph Schlüren in der NMZ

    Toleranz ist der Verdacht, der andere könnte Recht haben.


  • Die erste CD (oder eine in der Zusammenstellung ähnliche) möchte ich mir seit Längerem zulegen. Wielands Threaderöffnung könnte dies beschleunigen.

    Die zweite Scheibe besitze ich. Das Streichorchesterstück von Nordgren habe ich auch schon im Konzert gehört. Es ist so nationaltypisch wie geistreich und originell, so folkloristisch wie auf charmant-unaufdringliche Weise modernistisch.

    :wink: Wolfgang

    He who can, does. He who cannot, teaches. He who cannot teach, teaches teaching.

  • Nordgren ist auch für mich eine Entdeckung der letzten vielleicht fünf Jahre. Vielleicht ein paar Worte zu seinen acht Sinfonien, von denen alle bis auf die Sechste auf CD eingespielt worden sind (und im Falle der Sechsten ist mir auch keine sonstige Aufnahme bekannt, ich kenne sie also nicht; vielleicht kommt das daher, dass sie als einzige Vokalsolisten und Chor mit einbezieht und eine Aufführung somit etwas umständlicher zu realisieren ist).

    Die Erste ist innerhalb des Zyklus eigentlich isoliert, sie stammt wie von Wieland erwähnt aus dem Jahre 1974, und danach hat es bis 1989 gedauert, bis die nächste nummerierte Sinfonie folgte (allerdings gibt es noch eine Sinfonie für Streicher von 1978). Danach hat Nordgren aber sehr regelmäßig das Genre der Sinfonie bedient. Dennoch: seine Sinfonien gehören im Grunde genommen vorwiegend seinem Spätwerk an (wenn man es denn so nennen will – besonders alt ist er ja nicht geworden; Krebs).

    Für mich persönlich geht es mit der Dritten so richtig los. Die Erste ist nicht uninteressant, mir persönlich aber etwas zu disparat. Die späten Sinfonien sind homogener, ziemlich expressiv, mit grundsätzlich oft eher klagendem Gestus. Ein paar Anmerkungen zur Dritten, die mir besonders vertraut ist. Es handelt sich hierbei um ein sechssätziges Werk aus dem Jahre 1993. Der erste Satz ist recht gewichtig und trägt den Titel "Lamentationen", was seinen Grundcharakter schon recht zutreffend beschreibt. Zu Beginn einige Schläge im Schlagwerk, dann klagende, zuweilen brausende Klangflächen in Moll. Der zweite Satz ist sehr kurz und dem Klavier vorbehalten: "Postludium", eine Art kurzes Nachsinnen, ein Kommentar zum Vorangegangenen. Ähnlich verhält es sich mit dem dritten ("Choral") und vierten ("Interludium") Satz: wieder ein etwas umfangreicherer orchestraler Satz, der danach im Klavier noch etwas nachhallt. Der fünfte Satz heißt "Trotz"; hier wiederholen die Violen hartnäckig eine Art um sich selbst kreisendes Thema, unabhängig davon, was im Orchester unterdessen passiert. Dies ist übrigens der einzige schnelle Satz der Sinfonie. Das Finale, der "Epilog", schließt sich ohne Pause an und führt ohne große Umschweife zu einem dramatischen Kulminationspunkt. Danach verharrt die Musik eine Weile, bis eine Art Katharsis einsetzt, die immer intensiver wird. Bis zum Schluss schwankt die Musik zwischen Dur und Moll, ehe am Ende alles in einen kraftvollen b-moll-Akkord mündet, der auch schon wieder ein wenig trotzig wirkt.

    Die Sinfonie ist zusammen mit der Fünften bei Ondine erschienen. Leider ist die CD mittlerweile vergriffen, aber über Amazon bekommt man nach wie vor Kopien:

  • Vielen Dank, lieber Holger, für Deine Ausführungen zur 3. Symphonie. Die CD besitze ich zum Glück (wie auch die mit der 2. und 4. bzw 7.und 8.). Werde ich zeitnah mal wieder hören, amazon zeigt an, dass ich diese CD im Mai 2005 gekauft habe, ist also schon eine Weile her. Aber als nächstes kommt erst einmal die 2. dran.
    Liebe Grüße
    Lutz

    Toleranz ist der Verdacht, der andere könnte Recht haben.

  • 2005 ist in der Tat schon ein Weilchen her, zu dem Zeitpunkt habe ich mich noch gar nicht richtig mit Nordgren beschäftigt! :) Ich glaube, so wirklich wahrgenommen habe ich ihn tatsächlich erst anlässlich seines Todes 2008. Das war in einem Forum für sowjetische Musik, das es schon seit vielen Jahren nicht mehr gibt. Das war aber eher ein erstes Aufschnappen seines Namens als ein wirkliches Kennenlernen seiner Musik. Meine ersten Nordgren-CD dürfte vor ein paar Jahren diese hier gewesen sein:

    Gab es, wenn ich mich recht erinnere, mal im Sonderangebot, ich war neugierig und dann ziemlich angetan von dem, was ich hörte. Ein Werk aus Nordgrens früher Schaffensperiode, das mir besonders gefällt, ist übrigens das Violinkonzert Nr. 2 (1977), das es hier gibt:

    Ein bisschen wie in der Dritten Sinfonie, die ich oben beschrieben habe, pendelt auch hier der Schluss zwischen Dur und Moll (in diesem Fall As-Dur und f-moll), aber deutlich intimer, versonnener, und am Ende erfolgt im Grunde genommen keine völlig eindeutige Festlegung, eher ein Schluss mit Fragezeichen, sehr schön.

  • 1. Konzert für Cello und Streichorchester

    ich bin ja nicht der Freund von Nordgrens Sinfonien, da mir die meistens viel zu traurig und düster sind. Was ich aber immer wieder gerne höre, ist das erste Konzert für Cello und Streicher. Das ist tolle Musik. Abwechslungsreich ein bisschen fröhlich, ein bisschen wehmütig, ein bisschen schräg. Das kann ich wie gesagt auch immer wieder gerne hören. Das Stück ist dreisätzig und überschrieben mit: Prelude I (Adagio); Prelude II (Allegro); Hymn (Andante)

    Ich habe zwei verschiedene Aufnahmen. Einmal mit Erkki Rautio (gibt es aber nur noch als Download. Und dann mit Marko Ylönen (siehe unten) beide male mit dem Ostrobothnian Chamber Orchester.

    und

    Viele Grüße, Michael

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