Orchesterdisziplin in London, Deutschland und anderswo

  • ich würde weiterhin dafür plädieren, die gutwillige Bereitschaft aufzubringen, sich das zurecht zu reimen, anstatt zu meinen, den Schulmeister geben zu sollen/müssen.

    Diesem Plädoyer schließe ich mich im Namen der Moderation an. Ausdrücklich.

  • Hast Du schonmal als Streicher in einem Orchester gespielt? Wenn ja, dann berichte Deine Erfahrungen. Ich höre.


    Ja, das habe ich (und zwar über fast ein Jahrzehnt), allerdings nicht auf professionellem Niveau. Ich wüsste aber nicht, was das mit der Frage zu tun haben soll, wie gut oder schlecht vorbereitet Aushilfen und/oder Akademisten bei den Berliner Phiharmonikern zu Proben oder Konzerten erscheinen.

    Es scheint sich ja aber wohl geklärt zu haben, was gemeint gewesen ist/sein könnte.

    LG :wink:

    "Was Ihr Theaterleute Eure Tradition nennt, das ist Eure Bequemlichkeit und Schlamperei." Gustav Mahler

  • ich würde weiterhin dafür plädieren, die gutwillige Bereitschaft aufzubringen, sich das zurecht zu reimen,

    Ich nicht. Ich will ja umgekehrt auch nicht, dass sich jemand "zurecht reimt", was ich angeblich gemeint habe, sondern er soll lesen und auf das reagieren, was ich schreibe. So werde ich das auch bei anderen weiterhin halten.

    Ich wüsste aber nicht, was das mit der Frage zu tun haben soll, wie gut oder schlecht vorbereitet Aushilfen und/oder Akademisten bei den Berliner Phiharmonikern zu Proben oder Konzerten erscheinen.

    Reim Dir doch einfach irgendeinen Zusammenhang zurecht :D !

  • Aber jjetzt stell Dir vor es sitzen in den 1. Geigen 8 Akademisten und 4 Philharmoniker. Wo und wie sollen sich diese 8 denn dann angleichen? Die etablierte „Gruppe“ ist ja gar nicht vorhanden!
    Es kann also im schlimmsten Fall zu Kraut und Rüben kommen.

    Nein, das kann es nicht. In der Karajan-Akademie gibt es insgesamt, also für beide Geigengruppen, acht Geiger als Akademisten. Die spielen niemals alle gleichzeitig und schon gar nicht alle in derselben Gruppe.

  • Nein, das kann es nicht. In der Karajan-Akademie gibt es insgesamt, also für beide Geigengruppen, acht Geiger als Akademisten. Die spielen niemals alle gleichzeitig und schon gar nicht alle in derselben Gruppe.

    Es war nur ein Beispiel. Darstellung von Extremen kann nützlich sein, um eine Tendenz deutlich zu machen. Das ist wohl klar.

    Aber abgesehen davon, schau den Artikel nochmal an: Es ist von 60- 80% Aushilfen und Akademisten in einer Stimmgruppe die Rede. Mein Beispiel gilt ähnlich, wenn es sich um 3 Akademisten und 3 Aushilfen handelt. Bei erfahrenen Aushilfen verringert sich natürlich der negative Effekt, aber es gilt weiterhin, dass die Homogenität verloren gehen kann, wenn es zu viele sind (und wenn weniger gängiges Repertoire gespielt wird). Das Konzert war ja nun sicherlich auch keine totale Katastrophe. Wir sprechen hier von subtilen Effekten, die wahrscheinlich nicht jeder im Publikum bemerkt hat.

    Im Artikel stand das hier:
    "Nur, wenn die solistisch agierenden, vorwiegend mit „echten“ Philharmonikern besetzten Holzbläser und Hörner...." Das heisst, dass der Journalistin nach alle anderen Gruppen nicht vorwiegend mit Philharmonikern besetzt waren, also weniger als 50% Philharmoniker dabei waren.
    "Auch in anderen Stimmgruppen betrug der Anteil der Nichtphilharmoniker mehr als sechzig, in einigen gar achtzig Prozent. Teils spielten Aushilfen aus anderen Berliner Symphonieorchestern vom Blatt, zum größten Teil aber der Nachwuchs aus der philharmonischen Orchesterakademie. "

    Ich habe glaube ich nicht behauptet, dass ich bei dem Konzert dabei gewesen bin oder alles, was in dem Artikel steht, als gegebene Wahrheit ansehe. Aber es könnte so gewesen sein, genauso, wie es eventuell nicht so gewesen sein könnte. Oder teils so gewesen. Es war aber glaube ich hier niemand dabei, und niemand weiss genau, was an dem Tag los war. Wir diskutieren alle über potentielle Erklärungen und Zusammenhänge.

  • Es war nur ein Beispiel. Darstellung von Extremen kann nützlich sein, um eine Tendenz deutlich zu machen.

    Das Beispiel bzw. Extrem ist frei erfunden und zudem in der Realität unmöglich. Ich wüsste nicht, was daran "nützlich" sein sollte.

    Wir diskutieren alle über potentielle Erklärungen und Zusammenhänge.

    Eben, und dass gleichzeitig acht Akademisten in den ersten Geigen spielen, ist nun mal nicht "potentiell" sondern schlicht unmöglich. Also sollten wir es bei dieser Erkenntnis belassen.

  • :ohnmacht1:

    Es grüßt Gurnemanz

    ---
    Der Kunstschaffende hat nichts zu sagen - sondern er hat: zu schaffen. Und das Geschaffene wird mehr sagen, als der Schaffende ahnt.
    Helmut Lachenmann

  • Liebe Rosamunde,

    danke dafür, dass du uns an deinen Erfahrungen teilhaben lässt. Ich lese deine Beiträge sehr gern.

    Auf niedrigem Amateur-Niveau (als Cellist) habe ich es übrigens genau so erlebt, wie du es aus dem Profi-Bereich berichtest. Meinen Part konnte ich sehr gut, aber bei den ersten Malen im Orchester hat es mich trotzdem regelmäßig rausgehauen. Die anderen Orchestermitglieder haben mich mit ihren Tönen anfangs eher gestört (bis auf den Instrumentenkollegen, an den man sich dran hängt), so dass ich das Schöne am gemeinsamen Musizieren erst später erfahren konnte (was schon beim Duett-Spiel so gewesen war). Ich hätte nicht gedacht, dass es Berufsmusikern ähnlich ergehen kann.

  • Ich hätte nicht gedacht, dass es Berufsmusikern ähnlich ergehen kann

    So ist es. Es liegt einfach in der Natur der Sache, gibt sich dann aber bald.

    Es werden in Deutschland und anderswo viele Versuche gemacht, schon Kinder und Jugendliche an die Kunst des Orchesterspiels heranzubringen.
    Viele Jugendmusikschulen habe ihre eigenen Ensembles, es gibt Landes- und Bundesjugendorchester, und jede Musikhochschule hat ein Orchester. Das wissen wir ja alle.

    Allerdings wurde es früher (ich weiss nicht, wie es heute ist) von einer Zahl von Studenten an den Hochschulen nicht ernstgenommen.
    Man kann sich auch vorstellen, dass eine Probe pro Woche, oder eine Intensivprobenwoche pro Konzert über einige Pflichtsemester hinweg bei Streichern nicht dahin führen kann, dass man das gängige Sinfonieorchester-Repertoire dann wirklich kennt und profimässig für alle Zeiten zur Hand hat.

    Ich habe als Jugendliche etwa 4 Programme im Landesjugendorchester NRW mitgespielt. Einmal war es Dvorak 9., dann war es das Verdi Requiem, dann war es Tschiaik 4 ,, dann war es Beethoven 4. Ich glaube bei den letzten beiden gab es noch kleine Werke dazu, wie ein Beeth Klavierkonzert.

    Was ich damit sagen will ist, dass ich trotz sehr wichtiger Orchestererfahrung nur etwa 6 gängige Werke kennengelernt habe, mit jeweils nur einem Konzert!
    Unser Schulorchester, obwohl es ein Musikgymnasium war, spielte eigentlich nur Händel und Bach.
    An der Musikhochschule war es dann ähnlich. Ich glaube es waren für Streicher 3 Jahre Orchester einmal in der Woche + eine Intensivprobenwoche + ein Konzert pro Trimester. Ich habe also etwa 10-15 Werke kennengelernt.

    Ich finde deshalb das Konzept einer Orchesterakademie wirklich sinnvoll. Nur darf man es auch nicht überbewerten in dem Sinne, dass man glaubt, da kämen nun mit langjährigen Berufsmusikern vergleichbare Kräfte heraus. Sie sind aber sicherlich besser vorbereitet auf das Berufsleben, als jene, die nicht diese Chance hatten. Und das ist sehr viel Wert !
    Ganz besonders wertvoll finde ich es als Vorbereitung auf die mentalen und rein körperlichen Ansprüche an einen Orchestermusiker. Man hat also auch Zeit, sich den Beruf etwas genauer anzusehen, bevor man sich entscheidet ihn wirklich ausführen zu wollen.

  • Mehr zu Prima Vista

    Ich habe den Eindruck, dass es zwischen UK und Deutschland einen sehr wesentlichen Unterschied in der Vorbereitung von Streichern auf Orchesterdienst gibt:

    In England wird schon im Kindesalter innerhalb des regulären Instrumentalunterrichts auf Prima Vista (sight reading) sehr viel wert gelegt. Es wird sogar offiziell innerhalb der Music Grade Exams geprüft. Die meisten Kinder, die ein Instrument erlernen, nehmen an diesen Music Grade Exams teil. *

    Das führt zu einer anderen Einstellung dem Sight Reading gegenüber. Es erhält damit ein Gewicht innerhalb der musikalischen Ausbildung, welches darauf hinweist, dass es im späteren Berufsleben eine wichtige Fähigkeit sein wird, ebenso wichtig, wie Tonleitern (die in UK in den Music Grade exams und an den Hochschulen auch offiziell geprüft werden !) und das eigenes Solospiel.

    Man sah es dann auch bei Probespielen, zu denen man zu meiner Zeit in UK wirklich Prima Vista vorführen musste (zusätzlich zu - für manche Orcheseter aber nur - vorbereiteten Orchesterstellen.) Das mag sich inzwischen alles geändert haben.

    Ich weiss nicht, ob sich das in Deutschland inzwischen auch dorthin entwickelt, aber als ich Kind und Jugendliche war, gab es offizielles Prima Vista prüfen nicht.


    * Man hört dann solche Aussagen wie: „I am a grade 5 piano“. Damit weiss ein Eingeweihter in etwa, wie gut das Klavierspiel der Person ist. Für Aufnahme an eine Musikhochschule muss man glaube ich den Standard von Grade 8 erfüllen.

  • Das Beispiel bzw. Extrem ist frei erfunden und zudem in der Realität unmöglich. Ich wüsste nicht, was daran "nützlich" sein sollte.

    Eben, und dass gleichzeitig acht Akademisten in den ersten Geigen spielen, ist nun mal nicht "potentiell" sondern schlicht unmöglich. Also sollten wir es bei dieser Erkenntnis belassen.

    Das heißt „Übertreibung macht anschaulich“. Ich für meinen Teil hatte kapiert, was gemeint war.

    Jein (Fettes Brot, 1996)

  • Ich für meinen Teil hatte kapiert, was gemeint war.

    Du bist halt einfach ein toller Hecht :D . Aber inzwischen habe ich es auch kapiert: "Vom Blatt" (Entschuldigung: Ich meinte "fast vom Blatt") bedeutete "gründlich vorbereitet" und "acht Akademisten" hieß "zwei".

  • "Versteht Er nicht, wenn eine Sach' ein End' hat? "

    Der Text geht aber noch weiter:

    Die ganze Brautschaft und Affär' und alles sonst,
    was drum und dran hängt, ist mit dieser Stund vorbei.

    Wollt Ihr das wirklich?

    8o

    Es grüßt Gurnemanz

    ---
    Der Kunstschaffende hat nichts zu sagen - sondern er hat: zu schaffen. Und das Geschaffene wird mehr sagen, als der Schaffende ahnt.
    Helmut Lachenmann

  • Also sollten wir es bei dieser Erkenntnis belassen.

    Von mir aus hätte es gern dabei bleiben können. Vielleicht kann ein freundlicher Moderator noch die Beiträge 128, 131, 132, 133 in einen neuen Thread verschieben (Titel "Wir haben uns alle lieb"), dann wird's hier auch wieder übersichtlicher. Ich habe Euch natürlich auch alle lieb, aber das wisst Ihr ja.

  • Du bist halt einfach ein toller Hecht :D . Aber inzwischen habe ich es auch kapiert: "Vom Blatt" (Entschuldigung: Ich meinte "fast vom Blatt") bedeutete "gründlich vorbereitet" und "acht Akademisten" hieß "zwei".

    Tolle Sache, diese Emojis.

    Jein (Fettes Brot, 1996)

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