KOPATCHINSKAJA, Patricia - ein Geigenwunder unserer Tage?
Damit es nicht vom ersten Moment an in den Regionen der Subjektivität herumbrodelt, nur ein paar wenige Sachinformationen vorneweg (1). Man möge sie nach Herzenslust ergänzen. Ich werde in diesem Einführungsbeitrag auch nichts verlinken. (Aber ich liege doch richtig, dass es noch keinen Thread gibt?)
(1) Die man überall findet wahrscheinlich und die jeder kennt dahier möglicherweise.
1977 in Moldavien geboren, hat die Geigerin Patricia Kopatchinskaja [eine der hoffenlich korrekten Transkriptionen] längst in der Schweiz Fuß gefasst, nachdem die Familie sich zunächst 1989 in Wien niedergelassen hatte. Mit zahlreichen Sinfonieorchestern und Plattenproduktionen hat sie sich das klassische Repertoire erarbeitet, aber ihre Rolle für die zeitgenössische Musik ist eigentlich die wichtigere. Sie ist den Neuen Medien zugetan, hat als prima inter pares (ein) eigene(s) Ensemble(s) gegründet, ist Kammermusikpartnerin, singspricht aber auch den Schönberg`schen Pierrot Lunaire und liebt den historischen Originalklang. [NB: Hier ist keine persönliche Hörferfahrung gegeben bislang - ich habe Probleme, mir Analoges vorzustellen. )
Die gebürtige Moldauerin spricht trotz des Akzents ein so flüssiges Deutsch, wie ich es bei ähnlichen Konditionen hauptsächlich von Herbert Blomstedt kenne. Beeindruckend für mich!.
Doch jetzt muss Schluss sein mit der Sachlichkeit.
Die Klischees sind ebenso Legion, die unmissverständlichen wie die diskussionsbedürftigen. Wildsau, barfuß, stets mit Noten bewaffnet, damit sie dann um so rücksichtsloser mit ihnen umgehen kann, gänzlich unangepasst, unkonventionell um jeden Preis, ein roher Diamant ...
Und ja, sie polarisiert. Das festzustellen, ist banal.
Ich mag diese Frau, ich mag ihren Einsatz für zeitgenössische Konzertformen und Solokonzerte, ihre Offenheit, ihr musikalisches Demokratieverständnis, ihre Bescheidenheit (die ich jenem Dirigenten aus einem anderen Land im Südosten, mit dem sie gerne zusammenarbeitet, weniger zuschreiben möchte ...), hinter der echtes Selbstwertgefühl steht, ihre Spontaneität, meine neue Erfahrung mit dem Beethoven-Konzert oder mit Bartok oder mit Strawinski. Den Ligeti finde ich mitreißend.
Könnte es aber sein, dass der Beethoven mit der Zeit auf die Nerven geht, dass man das merkwürdig zauselig verhuschte Spiel an vielen Stellen satt bekommt und plötzlich den Schluck reinen Wassers einer altehrwürdigen Einspielung ersehnt? Dass die Poulenc-Sonate im Finalsatz zur Zirkusnummer verkommt? Dass nicht jedes Forte ein Fortissimo und nicht jedes Piano ein Pianissimo zu werden braucht und dass nicht alle Möglichkeiten, die Violine zu bürsten und zu schrubben, auch überall realisiert werden müssen?
Ihr seid dran.
Wolfgang