Sigiswald Kuijken - Bleib bei uns, Bach!

  • Sigiswald Kuijken - Bleib bei uns, Bach!

    Von Sigiswald Kuijken, einem der frühen Pioniere der historischen Aufführungspraxis und dem Leiter des Ensembles 'La Petite Bande' ist ein Buch erschienen. Vorläufig nur auf Niederländisch. Es trägt den schönen Titel "Bleib bei uns, Bach" (Blijf bij ons, Bach), natürlich eine Anspielung auf die Kantate BWV 6 (Bleib bei uns Herr, denn es will Abend werden ...). Der Untertitel lautet: Die Geschichte einer innigen Beziehung. Kuijken berichtet, sehr bescheiden, von seiner eigenen musikalischen Entwicklungn insbesondere was seinen Umgang mit Bach betrifft.
    Drei Zäsuren in seiner Entwicklung scheinen mir besonders erwähnenswert. Als er schon etabliert war, ist er in seinem Geigenspiel auf die 'chin-off' Haltung umgestiegen, er hält das Instrument also nicht mehr zwischen Kinn und Schulter fest. Das muss eine grosse Herausforderung gewesen sein, insbesondere im Hinblick auf die technischen Probleme, wenn man von einer höheren in eine niedrigere Lage wechselt.
    Ein weiterer Schritt betrifft das violoncello da spalla, im Deutschen meist, und nicht sehr glücklich, Schultercello genannt. Das Cello hängt wie eine Gitarre quer vor dem Bauch und wird mit einem Trageriemen über die Schulter gehalten. Das Buch enthält sehr viele Ausführungen zu den diversen Celli, die in der 'alten Musik' gebräuchlich waren. S. Kuijken ist davon überzeugt, dass Bach in seinen Kompositionen, insbesondere auch in den Cellosuiten, an die Verwendung eines violoncello da spalla dachte. Da der Hals des v. da spalla recht tief liegt, muss man beim Spiel dass Handgelenk ähnlich wie beim Geigenspiel um die Längsachse drehen. Dieser Tatbestand hat ihn ermutigt, selbst das violoncello da spalla Spiel zu erlernen. Er ist heute vermutlich der einzige Solist, der sowohl die Son. und Partiten für Geige, als auch die Cellosuiten aufgenommen hat (es sind keine Transkriptionen).
    Eine dritte Zäsur resultierte aus der Beschäftigung mit den Auffassungen von Rifkin zu Besetzungsfragen, die er erst relativ spät in seiner Entwicklung sich selbst zueigen gemacht hat. Also gar keine Chöre, sondern die Chorstimmen solistisch besetzt. Auch die Orchestermusik Bachs spielt er heute mit La Petite Bande mit minimalistischer Besetzung, von vielen Werken gibt es zwei Versionen, eine ältere und eine neuere im Rifkin minimalistischen Stil.
    Ausser seiner persönlichen musikalischen Entwicklungsgeschichte, bespricht das Buch zahlreiche Werke und geht dabei sehr detailliert auf die Frage der verwendeten Instrumente, deren Quantität und deren Stimmung ein. (Die verschiedenen historisch verbürgten Versionen des Kammertons a weichenn auch in einem geografisch begrenzten Gebiet, fast einen Ganzton voneinander ab). Ein weiteres Kapitel behandelt Bachs Umgang mit den Texten in den Kantaten.
    Schon lange nicht mehr habe ich ein lehrreiches Buch mit so grossem Vergnügen gelesen, wie das hier besprochene. Es wendet sich nicht an Fachleute und ist auch für Laien gut verständlich. Trotzdem werden es auch die Fachleute mit Gewinn lesen.

  • Lieber Abendroth,
    vielen Dank für diese Einblicke in ein Buch, das sicher auch bald auf deutsch erscheinen wird. Vielleicht schreibt Sigiswald Kuijken die deutsche Fassung sogar selbst.

    Dies hier bedarf einer Berichtigung:

    Dieser Tatbestand hat ihn ermutigt, selbst das violoncello da spalla Spiel zu erlernen. Er ist heute vermutlich der einzige Solist, der sowohl die Son. und Partiten für Geige, als auch die Cellosuiten aufgenommen hat (es sind keine Transkriptionen).

    Sein Schüler Ryo Terakado hat sich von der Begeisterung für das Violoncello da spalla anstecken lassen und ebenso beide Sets eingespielt.
    :wink: Khampan

  • Danke für die Korrektur, lieber Khampan! Ich wusste nicht, dass Ryo Terakado auch Geiger ist. In den Mozartquintetten mit dem Kuijkenquartett spielt er die 2. Bratsche.

  • Auf der website von "La Petite Bande" lese ich gerade, dass das Buch auch auf Deutsch (und in anderen Sprachen) erhältlich ist. Bei jpc/amazon etc. finde ich allerdings keine Spur. Auch die deutsche Ausgabe erschien bei dem belgischen Verlag Lannoo. Möglicherweise wird es nur via "La Petite Bande" vertrieben.


    Auf der englischsprachigen Website steht ein im Vergleich mit der niederländischen Seite etwas erweiterter bzw. veränderter Text - dort wird die Sache deutlicher:

    Zitat von https://www.lapetitebande.be/en/bach

    An important detail is that the book will [sic!] is NOT available through regular channels, not even on line - it is distributed solely by LPB. This means that every euro goes to LPB.

    From February 2020, the book which Sigiswald Kuijken wrote in 2013 “Abide with us, Bach” is in promotion : the number of exemplars is now limited! You can obtain it by offering a donation to the orchestra (which is still suffering from the loss of all official subventions since several years) :

    • With a donation of 80 €, you receive the book + LPB’s CD-recording of cantata BWV 147
    • With a donation of 60 € , you receive the book without the CD

    How to proceed to donate?

    • Please, send us by mail (info@lapetitebande.be) the necessary information concerning your donation: your name, home address, the language in which you want to receive the book (English, French , German or Dutch), the number of books, the way of payment you will use. [...]
    • For transmitting your donation, you make a bank transfer to the bank-account of “Votre Petite Bande”
      IBAN: BE30 4310 6868 0111
      BIC: KREDBEBB


    :wink:

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