Entwöhnung von kulturellen Veranstaltungen? Oder das Gegenteil?

  • Ich war mir allerdings auch nicht zu gut, beruflich sofort in der ersten Woche des Lockdowns umzusatteln.
    Das ist aber wiederum in England auch viel leichter als in Deutschland. Ein grosses Glück für mich, weil ich damit etwas wertvolles beitragen kann UND nicht den ganzen Tag mit mir selber beschäftigt bin.

    Okay, dann hast Du in der Tat durchaus noch "Glück im Unglück" gehabt.


    Ich meine es hilft ungemein den Fokus vom eigenen Leben hinwegzuwenden und anstelle dessen etwas für andere zu tun.

    Nun, ich sehe es aber auch anders herum durchaus für sinnvoll, sich selbst neu zu finden. Ich habe mich da komplett rausgehalten, aber auch noch meine Eltern im gleichen Haus leben, die mit um die 80 Jahren halt auch Unterstützung benötigt haben. So habe ich dann mich um die Einkäufe gekümmert, damit die Dinge auch im Haus waren, die durch Hamsterkäufe bei uns wochenlang aus den Regalen verschwunden waren. Sie sind dann nur selbst an ihrem eigentlichen Einkaufstag unterwegs gewesen, und das ganz früh am Morgen. Dadurch sind wir problemlos durch die Beschränkungen gekommen, weil wir immer Vorrat auch Zuhause hatten.

    Ich habe sonst zum Glück keine Verwandtschaft mehr, der Rest ist nicht mehr meine Baustelle.

    Viele Grüße sendet Maurice

    Musik bedeutet, jemandem seine Geschichte zu erzählen und ist etwas ganz Persönliches. Daher ist es auch so schwierig, sie zu reproduzieren. Niemand kann ihr am Ende näher stehen als derjenige, der/die sie komponiert hat. Alle, die nach dem Komponisten kommen, können sie nur noch in verfälschter Form darbieten, denn sie erzählen am Ende wiederum ihre eigene Geschichte der Geschichte. (ist von mir)

  • Nun, ich sehe es aber auch anders herum durchaus für sinnvoll, sich selbst neu zu finden.

    Ja - genau... man kann sich aber auch selbst neu finden, wenn man sich auf andere konzentriert. Denn man existiert ja nur in dem Anblick anderer. Wenn sie mich mit neuem Wohlgefallen ansehen, dann kann das für mich weltbewegend sein. You are the apple of my eye. So passt es beiden Seiten am besten. Das wird philosophisch......

    meine Eltern im gleichen Haus leben, die mit um die 80 Jahren halt auch Unterstützung benötigt haben. So habe ich dann mich um die Einkäufe gekümmert,

    Na also - das ist doch was :)

  • Tja, obwohl ich beruflich abgesichert bin, war und ist die Welt eine andere geworden.

    Was das Musikalische betrifft, war es ein Absturz von 180 auf 0 innerhalb einer knappen Woche. Glücklicherweise kein größerer Einkommensverlust, da ich nie davon leben musste, jedoch erschließt sich der Abgrund für die nicht angestellten Hauptberuflichen. Das geht sehr weit in die Bereiche hinein, die vorher damit ordentlich leben konnten.

    Ein mir sehr am Herzen gelegenes Projekt einer Operettengala mit Stückern von Komponisten, die von den Nazis verfolgt waren, wäre für Ende März schon gestanden und war dann weg. Ein Versuch nächstes Jahr soll gestartet werden, aber man weiß natürlich nicht, ob die Pandemie es dann zulässt. Das ist eine rein auf Live gebaute Sache und brächte im Rahmen von Veranstaltungen in den Wochen gegen den Rassismus durchaus neue Publikumsschichten. Im Moment fehlt mir allerdings der Mumm. Ich hoffe, das wird besser.

    Noch kurz davor hat sich eine dritte Säule für meine Gesangstätigkeit mit Liederkonzerten aufgetan, worauf ich mich besonders gefreut hatte. Drei Tage vor dem ersten Konzert Absage. Alles richtig und der Situation geschuldet, aber halt schade. Halt Knall auf Fall nix mehr, muss durchaus verdaut werden.

    Wie gesagt, das Gefühl, dass einen die Gesamtsituation lähmt, ist mir auch nicht fremd. Ich habe zwar Aufnahmen für digitale Kirchenandachten gemacht, korrepetiere unter strengen Hygienebedingungen in regelmäßigen Abständen und nahm an einem abgespeckten Workshop teil, jedoch passierte wegen Corona - Kontakt wiedermal eine Weile nix...

    Naja, gibt in der Tat Schlimmeres. Noch haben die meisten von uns andere Alternativen, um nicht ganz in der Lähmung zu versinken. Elektra aus Salzburg habe ich im Fernsehen gesehen und die Aufführung des Verdi - Reqiems anlässlich des Gedenkens an die Corona - Opfer in Milano und Bergamo. Das ist nicht viel anders als es bei mir vorher ging, weil ich wegen eigener Aktivitäten wenig Zeit für Konzertbesuche hatte. Ein Highlight habe ich mir allerdings im Juli gegönnt. Im Hof des Heimatmuseums sind zwei Chöre aufgetreten (Riesenabstand etc.), in denen alte Freund*innen von mir mitwirken. Der Klang war faszinierend, verbunden mit der hoch anspruchvollen mordernen Chormusik.

    Insgesamt meine ich aber doch, dass wir auch auf Dauer live weitermachen können. Ich halte die Kontakte, das ist mE. wichtig für Neustarts

    Die ganze Situation geht mir schon schwer auf meine Stimmung.
    Und ich hoffe, dass sich das bald wieder ändert.

    Das kann ich in deinem Fall gut nachfühlen, denn du hast eh sehr viel zu verkraften und viel Verlust für dich wichtiger Lebensaspakte erlebt. Ich wünsche dir wirklich alles erdenklich Gute und bessere Gesundheit vor allem, lieber Michael :wink:

    Ich fühle mich wie eine Milchkuh, die nur zum Melken gehalten wird. Will sagen: Ich soll anscheinend nur Geld verdienen, um es dann für Konsumgüter ausgeben zu müssen.
    Ich geniesse aber Erfahrungen mehr als materielle Güter. Und nun ist das auf dem Weg unmöglich zu werden.

    Das ist der Sinn des Kapitalismus und steht nun sehr klar mit allen verschärften Folgen für uns alle in Raum. Um den Erwerb von Konsumgütern kommen wir alle nicht herum und es ist an sich erstmal weder gut noch böse. Vieles ist schlichtweg notwendig, mit oder ohne Corona. Imanent ist allerdings, dass das Ganze bizarre Züge angenommen hat. Ich strebe allerdings nur dann danach, wenn es etwas in meinen Augen Gescheites zu kaufen gibt, etwa Bücher, CDs und sowas. Das, was du über den Genuss von Erfahrungen schreibst, deckt sich mit meiner Einstellung dazu, jedoch sehe ich nicht, dass dies unmöglich wurde. Vielleicht ergibt sich aus diesen Umständen ein Anschub für Dinge, die länst angegangen werden müssen, etwa, was die Wertigkeit der Situation für die Kinder (Schulen, Kitas ertüchtigen), der Kultur und derer, die die Grundlagen und die Versorgung von Menschen in jeder Form aufrechterhalten, zu heben. Noch habe ich Hoffnung....

    :wink: :wink:

    Wer kämpft, kann verlieren, wer nicht kämpft, hat schon verloren (Bert Brecht)

    ACHTUNG, hier spricht Käpt´n Niveau: WIR SINKEN!! :murg: (Postkartenspruch)

  • Was das Musikalische betrifft, war es ein Absturz von 180 auf 0 innerhalb einer knappen Woche.

    Das kenne ich nur zu gut. Ich hatte am 08.März 2020 (= Internationaler Frauentag) noch ein sehr gut besuchtes Konzert mit einer aufstrebenden, jungen Sängerin. Schon eine Woche später war dann das Ende bekannt, das Konzert war dann schon kaum mehr besucht.

    Ich hatte dabei noch Glück, denn ich hatte bis dahin bereits ein super erstes Quartal hinter mir, und es lagen bereits viele feste Jobs vor. dieser 08.März war dann bis zum 07.Juni 2020 der letzte Auftritt von mir. Eine so lange Pause hatte ich das letzte Mal in den Jahren 2002-Ende 2005, als ich mich mal komplett aus der Musik zurückgezogen hatte. Eine Ausnahme war ein 100-Geburtstag (!!!) , zu dem ich zu Fuß gehen konnte. Dort waren auch nur die Familienmitglieder vor Ort, das Ganze fand im Freien statt, nur die Jubilarin, die geistig fit, aber sonst bettlägerig war, lag in ihrem Zimmer bei offenem Fenster, so dass Gratulanten mit entsprechendem Abstand kommen konnten. Ich habe dann ebenfalls aus sicherer Entfernung meine drei Stücke gespielt.

    Das nennt man dann wohl so etwas wie einen totalen Crash an die Wand. Bis Ende April war das für mich ok gewesen, doch ab Mai hätte ich dann nur zu gerne wieder losgelegt. Immerhin hatte ich die letzten 10 Wochen mindestens einen Auftritt im kleinen Rahmen, also bis maximal 100 Zuhörern.

    Dieses Wochenende ist das erste, an dem ich mal nicht zu spielen habe. Und ich werde es genießen.

    Viele Grüße sendet Maurice

    Musik bedeutet, jemandem seine Geschichte zu erzählen und ist etwas ganz Persönliches. Daher ist es auch so schwierig, sie zu reproduzieren. Niemand kann ihr am Ende näher stehen als derjenige, der/die sie komponiert hat. Alle, die nach dem Komponisten kommen, können sie nur noch in verfälschter Form darbieten, denn sie erzählen am Ende wiederum ihre eigene Geschichte der Geschichte. (ist von mir)

  • Denn man existiert ja nur in dem Anblick anderer. Wenn sie mich mit neuem Wohlgefallen ansehen, dann kann das für mich weltbewegend sein. You are the apple of my eye. So passt es beiden Seiten am besten. Das wird philosophisch......

    (Hervorhebung von mir.) Das kann ich nun wirklich überhaupt nicht nachvollziehen. Ich empfinde mich doch als eigene Person/Persönlichkeit, mit eigenen Gedanken, Gefühlen und Interessen. Also als Ich. Deine Lebenseinstellung erscheint mir eher als die "depressive". Natürlich weiss auch ich, dass das Leben in einer Gemeinsamkeit schöner sein kann. Aber existieren kann man auch so.

    maticus

    Social media is the toilet of the internet. --- Lady Gaga

    Ich lieb‘ den Schlaf, doch mehr noch: Stein zu sein.
    Wenn ringsum nur Schande herrscht und nur Zerstören,
    so heißt mein Glück: nicht sehen und nicht hören.
    Drum leise, Freund, lass mich im Schlaf allein.
                       --- Michelangelo Buonarroti (dt. Nachdicht. J. Morgener)

  • Das kann ich nun wirklich überhaupt nicht nachvollziehen. Ich empfinde mich doch als eigene Person/Persönlichkeit, mit eigenen Gedanken, Gefühlen und Interessen. Also als Ich. Deine Lebenseinstellung erscheint mir eher als die "depressive". Natürlich weiss auch ich, dass das Leben in einer Gemeinsamkeit schöner sein kann. Aber existieren kann man auch so

    Ja, Maticus, diese Aussage hat mich auch sehr beschäftig.
    Ich existiere für mich selber und natürlich auch in den Augen anderer.
    Und auch für andere natürlich.

    Wichtig ist für mich, dass es da ein Gleichgewicht gibt.
    Dann ist alles ok.
    Aber das ist schwierig.

    Die letzten Jahre haben mich dahingehend schon sehr auf die Probe gestellt und auch verändert.
    Aber es bleibt schwierig.

    Ich will mal ganz ehrlich sein:
    Ich habe keine Beziehung mehr, kann Klavier und Cello nicht mehr spielen-bis auf weiteres-, habe durch Hörstürze
    den spontanen Genuß am Musikhören verloren.

    Aber ich bin eigenartigerweise da mit mir im Klaren und schaue immer vorwärts, um dies alles wieder zu ändern.
    Und dazu brauche ich nur mich selber, niemanden von außen.
    Das mache ich ganz alleine mit mir aus.

    Und eigenartigerweise:
    Wenn ich auf diese Art auftrete, dann passieren auch sehr schöne Situationen von ausserhalb.
    Neue Feundschaften, Gespräche mit Menschen-welche ähnliches erlebten- etc.

    Aber ich bin dann trotzdem immer noch ich selber in meiner Situation.

    Ich brauche daher kein erneutes Wohlgefallen in den Augen anderer.
    Ich bin ich selber, und ich kann durchaus zuvorkommend sein, wenn es um einen guten Eindruck geht.
    Aber letztendlich sind mir Leute, die mit mir nicht klar kommen,wurscht.

    Denn in diesem Falle würde ich gerne auf meine neue Signatur hinweisen. ;)

  • Denn in diesem Falle würde ich gerne auf meine neue Signatur hinweisen.

    :top:

    LG, maticus

    Social media is the toilet of the internet. --- Lady Gaga

    Ich lieb‘ den Schlaf, doch mehr noch: Stein zu sein.
    Wenn ringsum nur Schande herrscht und nur Zerstören,
    so heißt mein Glück: nicht sehen und nicht hören.
    Drum leise, Freund, lass mich im Schlaf allein.
                       --- Michelangelo Buonarroti (dt. Nachdicht. J. Morgener)

  • (Hervorhebung von mir.) Das kann ich nun wirklich überhaupt nicht nachvollziehen. Ich empfinde mich doch als eigene Person/Persönlichkeit, mit eigenen Gedanken, Gefühlen und Interessen. Also als Ich. Deine Lebenseinstellung erscheint mir eher als die "depressive". Natürlich weiss auch ich, dass das Leben in einer Gemeinsamkeit schöner sein kann. Aber existieren kann man auch so.

    maticus

    Nein, da hast du mich missverstanden - depressiv ist das gar nicht. Ich bin selber auch nicht depressiv, ich habe selbst ein sorgloses Leben ohne Krankheit, Beziehungsprobleme oder finanzielle Problemen. Deshalb kann ich mich nach aussen wenden.
    Ich glaube es führt zu weit hier das weiter zu erörtern,

  • Hallo in die Runde,

    um auf den Threadtitel, speziell auf die "Entwöhnung", zurückzukommen: bei mir ein eindeutiges Ja! Ich war in den letzten Jahren wirklich viel in Oper und Konzert, phasenweise so einmal in 2 Wochen, jetzt seit fast einem Jahr gar nicht mehr und es ist auch nichts geplant. Seit März täglich schlechte Nachrichten haben offenbar eine erdrutschartige Verschiebung meiner Prioritäten verursacht, mal sehen ob das dauerhaft ist. Ich höre ab und zu ein paar Auszüge aus meinen Lieblingsopern beim Sport, ansonsten ist das alles sehr weit weg, wie auf dem Mars. Ins Forum schaue ich nur noch aus Gewohnheit.

    Liebe Grüße!
    Amaryllis :wink:

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