Urheberecht im Jazz

  • Urheberecht im Jazz

    aus einem anderen Faden wg. OT kopiert:

    gelten die Künstler, von denen ihr sprecht, tatsächlich "nur" als Interpreten (ausübende Künstler), nicht (auch) als schöpferische Urheber von Werken? Für letztere läuft die Schutzfrist bis 70 Jahre nach deren Tod.

    Aufnahmen - nicht Kompositionen.

    Letztere hat eine andere Regel: Rechte verlöschen 70 Jahre nach Tod des Komponisten bzw. des Letzten der am Werk Beteiligten.

    Vielleicht ein Einwurf meinerseits. Bei Den Komponisten geht es primär um GEMA-Zahlungen, bei den geschützten Platten rein um die gemachten Platten. Das sind auch rechtlich zwei völlig verschiedene Geschichten. GEMA-Gebühren sind also hier nicht betroffen, wenn nur die Plattenaufnahme nicht mehr geschützt, und deshalb auch von Dritten verwertet werden dürfen.

    ja, klar.
    ich hätte nur gedacht, daß im Jazz auch die Aufnahmen (nicht unbedingt immer, aber oft) den Schutzstatus von Werken (Kompositionen) haben, da hier ein eigenschöpferischer Anteil des ausübenden Künstler viel größer wäre als es für die sog. "E-Musik" angenommen wird - etwa vergleichbar einer "freien Bearbeitung".

    Wenn ein Pianist über ein Thema - sagen wir von Schönberg - Variationen improvisieren würde, hätten diese doch auch den Schutzstatus von Werken. Oder irre ich mich da?

    Spontan würde ich "Ja, Du irrst Dich" sagen, denn etwa Charlie Parker hatte mal bei einer Aufnahe-Session über einen bestimmten Titel improvisiert, aber alle Takes waren so unterschiedlich ausgefallen, dass man alle Stücke unter eigenen Namen hat veröffentlichen können.

    Nein, das gilt generell nicht. Wer nicht als Komponist gelistet ist, der hat diese Urheberrechte nicht (und erhält auch keine GEMA-Gebühren).

    Die Urheberrechte hat man im dt. Recht automatisch, wenn man ein Werk "hinreichender Schöpfungshöhe" schafft. Man braucht sich nirgendwo anzumelden. Von der GEMA kriegt man allerdings nur was, wenn man sich dort angemeldet hat, klar.

    Zitat

    Tonaufzeichnungen gelten nicht als Komposition, sondern als Wiedergabe einer Komposition - jedenfalls ist das juristisch so geregelt.
    Übrigens ist bei Tonaufnahmen die GVL zuständig - und die hat halt eine andere Ablauf-Regelung, weil sie vom Tonträger abhängig ist, nicht von den Urhebern (Komponisten).


    gibt es dafür Belege?

    Zitat

    PS:
    Da ich hier im Jazz-Forum bin - vermutlich kann man eine Improvisation auch als Komposition einreichen, wenn man sie als Noten ausschreibt und eventuell die Aufnahme dazugibt. Es ist aber so, daß man bei einer Komposition von einer Partitur ausgehen muß, weil sonst ein Musikverlag juristisch nichts Nachweisbares hätte.

    folgende Bestimmungen der gema klingen für mich anders:

    Verrechnungsschlüssel II,2
    "Konzertstücke mit und ohne Text; Vokalmusik mit oder ohne Instrumente, soweit sie nicht unter Verrechnungsschlüssel I einzustufen ist; zeitgenössischer Jazz von künstlerischer Bedeutung und mit Konzertcharakter, ausgenommen sogenannte Standards. Im Falle von Zweifeln am Jazzcharakter eines Werkes entscheidet der Werkausschuss nach Vorlage eines Belegexemplars über die Zugehörigkeit."

    "Für eine Punktfestsetzung gemäß Verrechnungs-schlüssel II Ziff. 1 oder als zeitgenössischer Jazz gemäß Verrechnungsschlüssel II Ziff. 2 ist die Vorlage einer Audio-Aufnahme ausreichend. In Zweifelsfällen legt die GEMA dem Werkausschuss die Werke zur Einstufung bzw. zur Festsetzung der Punkte vor."

    "Bei Werken ganz oder überwiegend improvisatorischen Charakters oder elektroakustischer Musik genügt die Vorlage von Audio-Aufnahmen und schriftlichen Erläuterungen zur Werkgestaltung."

    https://www.gema.de/fileadmin/user…eilungsplan.pdf

    sicher, die gema ist kein Gericht, es ist also damit noch nichts bewiesen.


    eine einschlägige (wenn auch mir nicht ganz verständliche) Äußerung von philmus:

    Wenn ich Jazzstandards spiele, interessiert es die GEMA vermutlich wenig, ob es sich da eigentlich um Variationssätze im klassischen Verständnis handelt. Dann müßte ich es explizit so nennen: Variationen über "..." und vermutlich käme ich damit durch - wenn es nicht nur ein Trick ist, sondern wirkliche Variationen sind - hängt wohl am Grad der Verwandlung und Verarbeitung.

    ---
    Es wäre lächerlich anzunehmen, daß das, was alle, die die Sache kennen, daran sehen, von dem Künstler allein nicht gesehen worden wäre.
    (J. Chr. Lobe, Fliegende Blätter für Musik, 1855, Bd. 1, S. 24).


    Wenn du größer wirst, verkehre mehr mit Partituren als mit Virtuosen.
    (Schumann, Musikalische Haus- und Lebensregeln).

  • Grundsätzlich empfehle ich, wer echtes Interesse hat, was GEMA, etc. angeht, euch dorthin zu wenden:

    https://www.berndhasel.com/

    Der Mann ist mit solchen Sachen äußerst bewandert, er macht auch Abrechnungen für viele kleinere Clubs oder Bands, die sich die GEMA-Floskeln nicht zu eigen machen können oder wollen. Alles andere, was sonst erst mal geschrieben wird, ist Halbwissen, da es leider recht kompliziert ist.

    Auch Fragen über das Urheberrecht kann er beantworten. Ich kenne den Mann persönlich, er ist selbst Musiker, Komponist, Arrangeur, Bandleader und vermittelt Bands quer durch das Land.

    Was ich aber mit Sicherheit weiß ist, dass Philmus damit NICHT durchkommen würde. Auch Jazz-Standards sind eigenständige Werke, es sei denn, es geht um das reine Harmonie-Schema. Hier reichen einige Veränderungen völlig aus, setzt dann eine neue Melodie darüber und fertig ist das neue Stück. So wurde quasi der moderne Jazz entwickelt, kann man fast sagen. Stücke wie "I got Rhythm" ("Lester Leaps In"), "Whispering" ("Groovin' High, in Deutsch "Lass ' mich Dein Badewasser schlürfen"), "How High the Moon" ("Solar", "Ornithology") oder "Sweet Georgia Brown" (Dig) bekamen neue Namen und Melodien.

    Es funktioniert also auch im Jazz nicht so, wie man sich das immer denkt, aber es gibt Mittel und Wege, daran zu "arbeiten".

    Wenn man einen Auftritt hat, muss man JEDEN Titel angeben, den man gespielt hat. Die GEMA selbst entscheidet dann, was damit zu geschehen hat. Ich kenne zufällig die Enkelin des Schreibers des berühmten "Hoch auf dem Gelben Wagen". Sie bekommt jedes Jahr noch heute Tantiemen au dem Song ihres Großvaters, und das ist nicht mal soooooo wenig jetzt, wenn auch keine große Summe.

    Was man aber machen kann, sind sog. "Arrangements", dann geht man selbst nie leer aus dabei. Zufällig habe ich mich Sonntag mit genau diesem Menschen darüber unterhalten, den ich Oben angegeben habe.

    Viele Grüße sendet Maurice

    Musik bedeutet, jemandem seine Geschichte zu erzählen und ist etwas ganz Persönliches. Daher ist es auch so schwierig, sie zu reproduzieren. Niemand kann ihr am Ende näher stehen als derjenige, der/die sie komponiert hat. Alle, die nach dem Komponisten kommen, können sie nur noch in verfälschter Form darbieten, denn sie erzählen am Ende wiederum ihre eigene Geschichte der Geschichte. (ist von mir)

  • jetzt habe ich noch etwas gefunden:

    "Auch eine freie Improvisation, bei der Komponist und [ausübender] Musiker ihre Funktionen vereinen, gehört [urheberrechtlich gesehen] zu den Musikwerken. Es ist ebenfalls nicht erforderlich, dass das Musikwerk vor- oder nachher in Noten aufgeschrieben oder durch Tonaufnahmen in einem Tonstudio festgehalten wurde. Für die urheberrechtliche Praxis indes sind diese beiden Aspekte, insbesondere bei der Anmeldung bei einer Verwertungsgesellschaft (wie in Deutschland der GEMA) von Belang. Ob von einem Musikwerk ausgegangen werden kann, obliegt nach Ansicht der Rechtsprechung den mit Musik vertrauten und hierfür aufgeschlossenen Verkehrskreisen


    https://de.wikipedia.org/wiki/Musikwerk_(Urheberrecht)

    leider bietet wikip. hier keine weiterführenden Belege.

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    Es wäre lächerlich anzunehmen, daß das, was alle, die die Sache kennen, daran sehen, von dem Künstler allein nicht gesehen worden wäre.
    (J. Chr. Lobe, Fliegende Blätter für Musik, 1855, Bd. 1, S. 24).


    Wenn du größer wirst, verkehre mehr mit Partituren als mit Virtuosen.
    (Schumann, Musikalische Haus- und Lebensregeln).

  • leider bietet wikip. hier keine weiterführenden Belege.

    Weil es ein ziemlich schwieriges Pflaster ist.

    Viele Grüße sendet Maurice

    Musik bedeutet, jemandem seine Geschichte zu erzählen und ist etwas ganz Persönliches. Daher ist es auch so schwierig, sie zu reproduzieren. Niemand kann ihr am Ende näher stehen als derjenige, der/die sie komponiert hat. Alle, die nach dem Komponisten kommen, können sie nur noch in verfälschter Form darbieten, denn sie erzählen am Ende wiederum ihre eigene Geschichte der Geschichte. (ist von mir)

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