Pjotr I. Tschaikowski: Symphonie Nr. 5 e-Moll op. 64
Da ich sie in den letzten Tagen mehrfach wieder gehört habe, weil sie zum etablierten symphonischen Werkkanon gehört, weiterhin oft aufgeführt wird und selbst im Capriccio-Ranking 2019 in den Top 50 landete, möchte ich nun doch einen Faden zur Fünften von Peter Tschaikowski eröffnen.
Fakten zur Entstehung der Symphonie zwischen Mai und August 1888 mit Auszügen aus Briefen finden sich auf Tchaikovsky research. Meine Güte, war der Mann ambivalent und selbstkritisch! Man gewinnt den Eindruck eines ständigen Wechselbads der Gefühle. Anfänglichem Optimismus bei der Planung des neuen Werks – immerhin mehr als zehn Jahre nach der Vierten – folgten bald Selbstzweifel hinsichtlich jeglicher kompositorischer Einfallskraft, nach Abschluss der Komposition stellte sich eine vorübergehende Zufriedenheit ein, abgelöst von völliger Ablehnung, bevor Tschaikowski sich nach erfolgreichen und für ihn befriedigenden Aufführungen der Symphonie in Hamburg dann doch von seiner „ungerechtfertigt harschen“ Abwertung der Fünften distanzieren konnte.
Die Symphonie hat vier Sätze in gewohnter Reihung:
1. Andante—Allegro con anima
2. Andante cantabile con alcuna licenza
3. Valse. Allegro moderato
4. Finale. Andante maestoso – Allegro vivace
Das im einleitenden Andante vorgestellte Motto-artige Thema, das hier noch einen grübelnd-resignativen Eindruck macht, zieht sich durchs ganze Werk. In den Binnensätzen handelt es sich dabei um kurze Abschnitte, die jeweils bedrohlich die Stimmung stören, im Finale wendet es sich ins Triumphal-Positivistische.
Das Thema wird landläufig als Schicksalsmotiv aufgefasst, was auch mit dem skizzierten Programm zusammenhängen dürfte, das der Komponist für die erste Version der Symphonie entworfen hatte. Zum Kopfsatz schrieb er: „Introduktion. Völlige Ergebung in das Schicksal oder, was dasselbe ist, in den unergründlichen Ratschluss der Vorsehung. - Allegro: Murren, Zweifel, Klagen, Vorwürfe“, über Abschnitte in anderen Sätzen notierte Tschaikowski Begriffe wie „Trost“, „Lichtstrahl“ oder „Nein, es gibt keine Hoffnung“. Allerdings verwarf der Komponist die Skizzen und äußerte sich in einem Brief während der Arbeit an der endgültigen Fassung der Symphonie dahingehend, er sei ziemlich beschäftigt mit der Komposition einer Symphonie OHNE Programm.
Ob nun Schicksalsmotiv oder nicht, die Fünfte unterscheidet sich von ihrer Vorgängerin in f-Moll, in der Tschaikowsky ja gleichfalls ein wiederkehrendes Fanfarenmotto verwendet, dahingehend, dass das Motiv in der Nr. 5 semantisch entwickelt wird. Die Stimmung verändert sich vom ersten Satz bis zum triumphalen Schluss in sehr beeindruckender Weise. Die Gestaltung des Verlaufs über das ganze Werk im Sinne eines typischen per aspera ad astra mag damit wohl die konventionellste innerhalb der drei großen Symphonien Tschaikowskis sein. Für mich ist die Fünfte nichtsdestotrotz immer wieder ein Erlebnis. Der große Bogen, die suggestive Melodik, die Einbrüche des Mottos in den Binnensätzen, die Dramaturgie des Finales, das ist alles schon sehr großartig.
Von der Aufnahmeseite bin ich mit Mrawinskis Einspielung mit den Leningradern in Wien sozialisiert. Ich bevorzuge, wenn das Hauptthema im Kopfsatz über dem pulsierenden Grundschlag nicht zu bedächtig ist und das Allegro im Finale nach der Andante-maestoso-Einleitung richtig „vivace“ genommen wird. Aber bei so einem Schlachtross gibt es ja reichlich Auswahl.
Auf Eure Beiträge bin ich gespannt.
Hier geht es zur Partitur.