Rätselhaftes Photo eines Streichquartetts

  • wie hat man sich die Situation vorzustellen?

    Hat man in Livree geprobt? Oder ist man in Livree zum Fotografen gegangen und hat dort ein Probepäuschen "gestellt"?

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    Es wäre lächerlich anzunehmen, daß das, was alle, die die Sache kennen, daran sehen, von dem Künstler allein nicht gesehen worden wäre.
    (J. Chr. Lobe, Fliegende Blätter für Musik, 1855, Bd. 1, S. 24).


    Wenn du größer wirst, verkehre mehr mit Partituren als mit Virtuosen.
    (Schumann, Musikalische Haus- und Lebensregeln).

  • Eine spannende Detektivarbeit. :thumbup:

    Auffällig ist die Aufstellung der Musiker: es scheint um die Komposition zu gehen, nicht so sehr um das Quartett.

    Meine Hypothese: es ist das „English String Quartet“.
    Die Dame ist die junge Marjorie Hayward (1885-1953), der Herr mit der Bratsche ist der Komponist Frank Bridge, in dessen Partitur die vier Musiker schauen.

    :wink: Talestri

    One word is sufficient. But if one cannot find it?

    Virginia Woolf, Jacob's Room

  • Ich würde wie Felix auf den französischsprachigen Raum tippen. Darauf scheint mir auch der abgeschnittene Schriftzug auf dem Passepartout hinzudeuten. Das Me ist im Französischen die Abkürzung für "maître", wobei das an sich eine Anrede für Juristen ist.


    Nach kurzer Google-Suche gab es anscheinend in Calais 1900f. einen Photographen namens Maurice Boin. Die Schriftart auf dem ersten Passepartout im Link scheint mir auch sehr ähnlich, wenn nicht dieselbe zu sein, allerdings Mce statt Me.


    Ich nehme ebenfalls an, daß es keine Militäruniformen sind, sondern eine Hotellivree.

  • Haartracht und Bluse der Dame lassen, soweit man auf Grund einer solch unzureichenden Abbildung überhaupt urteilen kann, auf ein Aufnahmedatum nach 1910 schließen, möglicherweise sogar nach 1918. Bei solchen Musikgruppen kann zudem ein teilweiser Retrolook manchmal zum Geschäft gehören. Die Frisur des sitzenden Herrn würde eher in die Zeit nach 1920 passen, der Schnurrbart des rechts Stehenden wirkt dafür mehr konservativ.

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    Homo sum, ergo inscius.

  • allerdings Mce statt Me.

    "Mce" findet man mit google oft als Kürzel für "Maurice", vielleicht geht "Me" auch als solches durch.

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    Es wäre lächerlich anzunehmen, daß das, was alle, die die Sache kennen, daran sehen, von dem Künstler allein nicht gesehen worden wäre.
    (J. Chr. Lobe, Fliegende Blätter für Musik, 1855, Bd. 1, S. 24).


    Wenn du größer wirst, verkehre mehr mit Partituren als mit Virtuosen.
    (Schumann, Musikalische Haus- und Lebensregeln).

  • Meine Hypothese: es ist das „English String Quartet“.

    Ich habe mal den in solchen Dingen beschlagenen Tully Potter ( Tully Potter Collection ) gefragt ":I’m sure it isn’t the English String Quartet. They all look French to me, although the uniforms could be our Grenadier Guards, with the single buttons, in which case the seated man could be Albert Sammons.." Er schaut sich noch mal um , aber spontan kann er das Foto keinem Quartett zuordnen . Also weiter, dear Watsons !

    Good taste is timeless "Ach, ewig währt so lang " "But I am good. What the hell has gone wrong?" A thing of beauty is a joy forever.

  • Wow, mit so viel geballter Kompetenz hätte ich auf meine bescheidene Frage gar nicht gerechnet. Sogar Tully Potter wurde jetzt schon befragt... :verbeugung2:
    Vielen lieben Dank.

    Toleranz ist der Verdacht, der andere könnte Recht haben.

  • Ich fürchte nur, dass die vier eher Salonmusik gespielt haben, nicht das, was Du gerne hörst.
    Obwohl - sie geben sich ja schon sehr seriös.
    ?(

    This play can only function if performed strictly as written and in accordance with its stage instructions, nothing added and nothing removed. (Samuel Beckett)
    playing in good Taste doth not confit of frequent Passages, but in expressing with Strength and Delicacy the Intention of the Composer (F. Geminiani)

  • although the uniforms could be our Grenadier Guards,

    Das halte ich für sehr unwahrscheinlich angesichts der Reithosen und der Reitstiefel. Ich kann mir auch nicht vorstellen, dass Reitstiefel zu einer Livree gehören. Zudem ist Rauchen beim Arbeiten livrierten Angestellten eher nicht "erlaubt", sondern höher gestellten Leuten oder Künstlern.

    Im Zweifelsfall immer Haydn.

  • Sehe ich da an der rechten Hand des Mann links einen Ehring? Heute trage Franzosen und andere Westeuropäer den Ehering links , Deutsche, Österreicher und Osteuropäer jedoch eher rechts. Ob das damals auch so war, weiss ich nicht.
    Gruss Hudebux

  • Ja, das sieht ganz wie ein Ehering aus. Auch der Cellist dürfte einen solchen tragen, es ist allerdings schlecht auszumachen. Damit wäre als Herkunftsbereich der Herren Westeuropa auszuschließen (obwohl das Foto an sich natürlich dort entstanden sein könnte).

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    Homo sum, ergo inscius.

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