Das barocke, kriegszerstörte Wien als Metapher und zudem meisterhaft in die Szene eingebaut durch Carol Reed im 'Dritten Mann' - so wird die Stadt gleichberechtigte Zutat eines Film Noir. Los Angeles, vielleicht die FN-Stadt überhaupt, mit ihrem Mythos von Traumstadt und ihrer schäbigen und billigen Gegenwart war immer eine ideale Stadt für diese Filmrichtung. Aber London? Das London der Nachkriegsjahre? Ich finde es geht nicht auf, weil London für mich immer einerseits arm und verwahrlost, andererseits aber durchaus etwas Dörfliches, Betuliches hat. Und damals sicherlich noch mehr.
Aber gerade da spielt nun dieser Film von Jules Dassin, ausschließlich an Originalschauplätzen gedreht, weil Darryl F. Zanuck von der Fox seinen Regisseur aus der McCarthy-Schussrichtung heraushalten wollte. Von daher atmet der Film durch und durch London, was ihm, nach Meinung nach, nicht so gut bekommt. Vielleicht auch konnte oder wollte Dassin die Stadt nicht so fotografieren, dass sie wie ein surrealistisches Trauma auf seinen Protagonisten lastet. Die besten Einstellungen gibt es übrigens von der Stadt, wenn man sie nicht sogleich erkennt, Hafenszenerie, lange Treppen, enge Durchgänge.
Das ist aber eigentlich schon das Wesentliche, was mir an dem Film nicht so gefallen hat. Richard Widmark spielt großartig einen kleinen, schäbigen Ganoven, der endlich einmal auch Erfolg im Leben haben möchte und sich natürlich, geradezu zwangsläufig sein eigenes Grab dabei schaufelt. Er bewegt sich im Halbweltmilieu Londons und wittert eines Tages seine große Chance, das Wrestling-Geschäft übernehmen zu können. Dabei kollidieren seine Interessen mit denen des Monopolisten auf diesem Gebiet (Herbert Lom in einer seiner typischen fiesen Rollen), sein Arbeitgeber, ein ehemäßig frustrierter Barbesitzer mischt sich ein, seine Freundin (Gene Tierney in einer überraschend kleinen Rollen, immerhin darf sie ein Lied trällern) kann ihn nicht mehr retten und so kommt es, wie es kommen muss - Widmark landet in der Themse.
Das alles wird aber unglaublich gut von Jules Dassin umgesetzt, auch wenn er wohl immer wieder Konzessionen an sein Studio hat machen müssen. Die Personenzeichnung ist sehr differenziert, die Kamera und Beleuchtung sowie die Platzierung der Personen im Raum sehr gelungen. Widmark muss zwar ständig durch London rennen, aber nicht nur deswegen hat der Film ein wirklich gutes Tempo, d.h. die Inszenierung ist straff und konsequent. Ein Höhepunkt sicherlich der Kampf zwischen zwei Wrestling-Stars, alt und jung, der mich an sich überhaupt nicht interessieren würde, der aber so gut, so spannend dargeboten wird, dass er einen wirklich mitreißt.
Fazit: Ein Film, der einen mitreißt, der Lust auf mehr frühen Jules Dassin macht. Manchmal vielleicht ein zu romantischer FN, v.a. zum Ende hin, aber absolut sehenswert.
Übrigens gibt es gleich zwei Versionen des Film, die sich nicht nur in der Länge unterscheiden. Den Briten passte wohl nicht der negativen Blick auf ihr altehrwürdiges London und damit der Film dort nicht floppte, wurde extra eine britische Fassung erstellt. Die ist länger, hat eine andere Dialog- und Musikfassung, aber teilweise auch völlig anders gedrehte Szenen. So entpuppt sich Widmark in der ersten Szene mit Tierney nicht als kleiner Gauner, der in der Londoner Unterwelt mithalten möchte, sondern als jemand, der eine Erfindung gemacht hat, mit der er nun endlich einmal Erfolg haben möchte. Also kein Griff in die Handtasche wie in der US-Fassung, sondern das Vorführen der Erfindung am gemeinsamen Esstisch. Interessant, welch einen Aufwand die Fox betrieben hat, nur um die Inselbewohner nicht zu verärgern.
Wolfram