Louis Spohr - nur ein Kleinmeister zwischen Beethoven und Schumann?
Spohr ist ein reizvollerer Sinfoniker, als von mir bislang angenommen. Er steht zwischen der Tradition der Klassiker und der Schumann-Linie, wobei er Letztere natürlich nur berührt, am deutlichsten vielleicht überspitzt im beinahe parodistischen Schluss-Satz seiner sechsten Sinfonie - derjenigen im Geist von Bach/ Händel (1. Satz), Haydn/ Mozart, Beethoven und des "allerneuesten" Stils im Finale. Mir war bislang nicht wirklich klar, welche Anerkennung Spohr zeitlebens genoss - was mir klar war, ist, dass es bald darauf nicht mehr weit her war damit. Gewiss ist Spohr ein Akademiker und kein Genie der ersten Klasse, aber die Ernsthaftigkeit, die "Würde" als Prinzip seines sinfonischen Schaffens, sind beansprucht, wurden zumeist anerkannt von den Zeitgenossen und sind oft - siehe aber später im Text! - unverkennbar.
Ein (interessanter) Vorwurf, der Spohr gemacht wurde, besteht darin, dass er zugunsten einer eben würdevollen und formstrengen Linie das Kontrast- und Verblüffungsideal eines hierdurch eben bereits romantischen Beethoven für sich in Abrede gestellt hat. Vielleicht ein Grund für seinen Bedeutungsverlust, andererseits aber eine Schreibweise, die direkt zu Brahms führt. Zumindest wird solches im Booklet der obigen, neueren und sehr gelungenen Integrale der Sinfonien und Ouverturen beansprucht und dort auch mit Quellenangabe nachgewiesen.
All das bleibt wohl im Hintergrund, wenn man - wie ich - bislang nur ein einziges Violinkonzert, zwei der Concertanten, das Streichquartett-Konzert und etwas von der gepflegten Kammermusik gekannt hat. Biedermeier-Musik eben - die Sinfonien bestätigen eine solche Attribuierung und weisen doch zugleich über sie hinaus.
Spohr hat in seinen Sinfonien das Programmhafte immer wieder bedient. Es gibt seine seinerzeit und vielleicht immer noch rezeptionsästhetisch durchaus erfolgreichen Versuche um die "Weihe der Töne", die "Jahreszeiten", das "Irdische und Göttliche im Menschenleben". Ich meine, dass aber gerade solche Konzepte einer Anschaulichkeit auf außermusikalischer Ebene, ja des Philosophierens eher von naivem Biedermeier-Geist zeugen als die absolut gedachten anderen sinfonischen Werke. Bis zu einem gewissen Grad möchte ich das sogar innermusikalisch wahrnehmen - angenehm in den Ohren (so ähnlich bekanntlich in einem Mozart-Zitat) klingen diese Sinfonien allenthalben - ob auch der Kenner sich eines Mehrwerts erfreut? Ob nicht hier doch der entscheidende Unterschied zu Beethoven als Vorbild und Antipoden besteht?
Wolfgang