Franco Bonisolli - Circus Maximus

  • Franco Bonisolli - Circus Maximus

    Da es hier noch keinen Thread zu diesem Sänger gibt, er den aber eigentlich verdient hat, fange ich einfach mal an.

    Franco Bonisolli *1937 - +2003

    Wie oft habe ich ihn gehört, v.a. im 'Trovatore', im 'Guillaume Tell', der 'Traviata', im 'Otello', als 'Radames', als 'Kalaf' und ich weiß nicht was. Bonisolli war angekündigt und man ging hin immer in Erwartung, dass etwas Besonderes einen erwarten würde. Entweder bekam man einen absolut großartigen Abend serviert und war die halbe Nacht im siebten Himmel oder es gab ein Desaster, eine typische Bonisolli-Show, eine kurzfristige Absage während der Aufführung, Lacher im Publikum oder sonst irgendetwas. Es erwartete einen jedenfalls eine Show. Italienische Oper als 'Circus Maximus'.

    Bonisolli war ein typischer Spinto und sang v.a. in den späteren Jahren deshalb auch das entsprechende Repertoire. Über einer ausgeprägten Mittellage, kräftig, männlich klingend, besaß er ein absolut sicheres 'C', konnte an guten Tagen auch noch höher gelangen. Und dieses 'C' war wirklich bombensicher, unglaublich viril, durchdringend, faszinierend. Er konnte einen als Zuhörer wirklich die Faszination von hohen Tönen deutlich machen, sie, die Faszination, geradezu körperlich spürbar werden lassen. In der Entäußerung liegt vielleicht auch eine Form von Erotik. Genauso wie Corelli konnte Bonisolli ein geradezu erotisches Verhältnis zu seinen Zuhörern aufbauen.

    Allerdings konnte er auch ganz anders. Er war schon sehr verquer, war ganz der Typ des sehr diffizilen italienischen Tenors. Sobald ihm etwas gegen den Strich ging (und das passierte sehr leicht), schmiss er eine Aufführung, produzierte sich auf eine Weise, die oftmals nur noch lächerlich oder sogar verdammt ärgerlich war. In dem Sinne war er eine wirkliche 'Diva'.

    Aber er konnte eben auch anders. Sein Gesang, v.a. in späteren Jahren, klang recht nasal. Hatte man sich aber daran gewöhnt und war er 'guten Willens', dann erwartete einen eine sensationelle Aufführung, voller Leidenschaft, Hingabe, Virilität, Sicherheit, Selbstverständlichkeit. Und alles getoppt von erregenden hohen Tönen.

    Von daher ist meine Erinnerung an ihn recht gemischt. Einerseits eine Stimme, ein Material zum Niederknien, andererseits eben die 'Show'. Höre ich aber die Aufnahmen mit ihm, die ich besitze, überwiegt doch der erste Eindruck.

    Wie sieht es denn nun bei euch aus? Welche Erinnerungen habt ihr an ihn?

    :wink: Wolfram

    "Wieder versuchen. Wieder scheitern. Besser scheitern." (Samuel Beckett)

    "Rage, rage against the dying of the light" (Dylan Thomas)

  • Mein Eindruck ist genau der gleiche. Ein großes Kind mit toller Stimme, bei dem Triumph und Desaster ganz nahe beisammen waren.

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    Homo sum, ergo inscius.

  • Ein großes Kind mit toller Stimme, bei dem Triumph und Desaster ganz nahe beisammen waren.

    So habe ich ihn auch in Erinnerung. Als er nach einem nicht ganz geglückten Auftritt an der Hamburger Staatsoper am Ende von einigen ausgebuht wurde, kam er immer wieder vor den Vorhang, um sich weitere Buhrufe abzuholen. :D

    Toleranz ist der Verdacht, der andere könnte Recht haben.

  • Mein schönstes Erlebnis, was das angeht, war eigentlich in Verona. Bonisolli wollte gerade seine Cabaletta in 'Traviata' beginnen, als drei Wolken Regen herunterkamen und sofort, fast wie bei Haydns Abschiedsinfonie, verschwand ein Musiker nach dem anderen aus dem Orchestergraben. Der Klang wurde immer dünner und zurück blieb Bonisolli mit dem letzten Spitzenton in seiner Kehle. Den schluckte er dann runter und verschwand auch. Buhgewitter natürlich.

    Wir warten dann auf den Wolkenbruch, der kam aber nicht, dafür aber die Musiker. Wieder Buhgewitter. Und dann Bonisolli, stellte sich an die Rampe, schleuderte nur noch den einzelnen Spitzenton ins Publikum und ging wieder ab. Diesmal natürlich Jubel, allerdings auch viel Kopfschütteln in unserer Umgebung, was man ja aber nicht hören kann. :D

    :wink: Wolfram

    "Wieder versuchen. Wieder scheitern. Besser scheitern." (Samuel Beckett)

    "Rage, rage against the dying of the light" (Dylan Thomas)

  • Gerade höre ich noch einmal in seine 'Luisa Miller' aus Wien 1974 herein.

    https://www.youtube.com/watch?v=4Q5fAJSdMYw

    Irgendwie finde ich die Aufnahme doch sehr typisch für Bonisolli. Es gibt immer diesen emotionalen und damit auch gesanglichen Überdruck. Da erinnert er mich ein wenig an Corelli, der eben auch seine vokalen Schwächen hatte, aber diese eleganter überspielen konnte. Das lag Bonisolli nicht, wohl auch weil ihm ein gelungener Spitzenton oftmals wichtiger als das Gesamte war. Ich liebe ja durchaus emotional engagierte Sänger, aber es gibt eben auch diesen Moment des 'zu viel'. Ein Stilist war Bonisolli in dem Sinne nicht. Früher Verdi oder später war ihm ziemlich gleich.

    Andererseits, wenn man das akzeptieren kann und ich kann es, wenn ich die GA höre oder wenn ich gut drauf bin und viele Dinge ausklammere, dann hat es eine ganz eigene, mitreißende Qualität.

    :wink: Wolfram

    "Wieder versuchen. Wieder scheitern. Besser scheitern." (Samuel Beckett)

    "Rage, rage against the dying of the light" (Dylan Thomas)

  • Wer ihn mal im Studio in großer Form erleben möchte, dem sei diese Aufnahme ans Herz gelegt:

    Unidiomatischer besetzt geht's scheinbar nicht mehr - Italienischer Verismo mit Weikl, Popp und Wallberg? Und dann noch Bonisolli in einem fremden Fach? Nix da - er ist in den beiden hochemotionalen Arien absolut zu Hause. Und die nicht-italienischen Fachkräfte (Milcheva!) sind nach meinem Dafürhalten absolut überzeugend. Und auch das Werk, das Pagliaggi musikalisch in nichts nachsteht, verdient das eine oder andere Ohr.

    Ich habe eiserne Prinzipien. Wenn sie Ihnen nicht gefallen, habe ich auch noch andere.

  • Ich kenne die Aufnahme vom Cover her, habe sie aber nie gehört. Wie passt sich Bonisolli denn in das Ensemble ein? Das war ja nicht so unbedingt immer seine Stärke. :D

    Die Milcheva habe ich übrigens mehrfach an der Scala gehört. Die Italiener schien das nicht so richtig Idiomatische auch nicht zu stören. ;)

    :wink: Wolfram

    "Wieder versuchen. Wieder scheitern. Besser scheitern." (Samuel Beckett)

    "Rage, rage against the dying of the light" (Dylan Thomas)

  • Es gibt nicht so viele Ensembles wie bei Puccini, wo er sich einfügen müsste, aber dort, wo es sein muss, ist er m.E. tadellos. Emotionale Ausbrüche in den Duetten sind ja in diesem Genre kein Makel, insofern bin ich zufrieden. Und hey - wie heterogen kann eine Besetzung sein? Dass das so (für mich) fantastisch funktioniert, ist erstaunlich. Ob das Wallbergs Verdienst ist? Dirigiert ist das alles jedenfalls auch erstklassig.

    Ich habe eiserne Prinzipien. Wenn sie Ihnen nicht gefallen, habe ich auch noch andere.

  • Danke für die Antwort. Ich habe gestern bei YT noch ein wenig in die Aufnahme hereingehört und fand sie eigentlich auch ziemlich gut und überzeugend gemacht.

    :wink: Wolfram

    "Wieder versuchen. Wieder scheitern. Besser scheitern." (Samuel Beckett)

    "Rage, rage against the dying of the light" (Dylan Thomas)

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