Nun lasst mal die Kirche im Dorf ! Gewiss besteht der Vorwurf der Maniriertheit des Vortrags von E. S. durchaus zurecht, ein Vorwurf übrigens, den man auch Fischer - Dieskau immer wieder gemacht hat. Ich besitze eine Einspielung des Italienischen Liederbuchs mit eben diesen beiden Interpreten. Ich meine, sie kommen in ihrer Detailversessenheit und reflektierten Darbietung dem Wolf´schen Geist sehr nahe, zumal es mitnichten an Spontaneität fehlt.
Marschallin und Figaro - Gräfin z. B. sind superb. Nicht unerwähnt bleiben sollte ihre Mitwirkung bei der m. E. bedeutendsten Einspielung des Verdi - Requiems, unter der Leitung von Carlo Maria Giulini, mit Christa Ludwig, Nicolai Gedda und Nicolai Ghiaurov.
Ihre Operettenbeiträge sind hier bereits mit Recht gelobt worden.
Ihre Meisterkurse, von denen ich einen passiv erlebt habe, waren zwar gefürchtet ob ihrer Strenge, andererseits jedoch stets überlaufen. Wenn sie jemanden für gut und förderungswürdig hielt, konnte sie sehr warmherzig und großzügig sein.
Ich kenne eine erfolgreiche junge Sopranistin, der E. S. in ihrem Domizil in der Schweiz kostenlos Logis und Unterricht gewährte.
Dass sie im so genannten Dritten Reich mehr als eine Mitläuferin war, die - wie viele Andere - nur ihre Karriere im Auge hatte,
irritiert mich ebenso wie Euch. Und doch : Wer weiß, wie wir uns damals verhalten hätten ?
Ciao. Gioachino