Elisabeth Schwarzkopf – Der Fanclub

  • Aber jemand, der Gesang studiert, tut dies, um später auf der Bühne zu stehen - und zwar als Solist.

    Vielleicht ergibt sie sich bei Berufschören, die sich allerdings selten über den Zugang von solistisch Gescheiterten freuen dürften.

    Lieber Gioachino,

    ich bin bisher immer davon ausgegangen, dass die Profichöre (Opernchöre, aber z.B. auch die Rundfunkchöre usw), sich durchaus in der Regel aus Hochschulabsolventen im Fach Gesang zusammensetzen. Aus Deinen beiden letzten Posts würde sich aber ergeben, dass dem nicht so ist. Wie ist es denn dann? Wie werden denn die Chormitglieder ausgebildet?

    In dem Zusammenhang zu gescheiterten Solisten, das klingt sehr negativ: Die Berufsorchester setzen sich ja auch aus Hochschulabgängern zusammen und das sind ja auch nicht alles gescheiterte Solisten und bei den meisten Orchestern ja auch hochqualifizerte Musiker. Bei den Choristen habe ich es mir ähnlich vorgestellt.

    Das ist hier natürlich OT. Wenn die Diskussion weitergeht, werde ich die entsprechenden Posts vielleicht in einen eigenen Thread "Ausbildung von Musikern" oder ähnliches verschieben. Das Thema finde ich sehr interessant.

    Viele Grüße,

    Melanie

    With music I know happiness (Kurtág)

  • Hallo Christian,

    ich kann das gut nachvollziehen, da ich auch relativ konkrete Vorstellungen mit dem Begriff "klug" in Verbindung mit einer Vortragsweise habe und stimme Dir, was Dein Besipiel anbelangt (trotz meiner eher marginalen Opern- un d Liedkenntnisse) zu. Blieben wir in Deinem eigenem Gefilde, so kann ich hörend nachvollziehen, dass Demidenkos Spiel eher einen intelektuell-analatyischen Zugang als einen auf Affekt gezielten oder gar emphatischen Zugang entspricht, dennoch auch etwas "fürs Herz bietet" - ebenso Sokolov. Für mich eine kluge Vortragsweise.

    Der Satz von Rideamus ist mir sehr sympathisch, da ich eh häufig den Eindruck habe, dass jemand der mit Lob spart und mit Tadel um sich wirft, ernster genommen wird als derjenige, der mit Tadel spart - gemäß dem Motto: wenn ersterer mal lobt, dann MUSS es ja gut sein. Ich glaube, diese völlig falsche Implikation spukt in vielen Köpfen.
    Dennoch: solange es als eigene Meinung im Raum steht - und das tat es, wenn ich es richtig in Erinnerung habe - muss für mich keiner Lob oder Tadel - und sei es noch so vergötternd oder vernichtend, näher begründen. Auch wenn eine Begründung die Glaubwürdigkeit der getätigten Aussage durchaus untermauert.

    :wink:
    Wulf

    "Gar nichts erlebt. Auch schön." (Mozart, Tagebuch 13. Juli 1770)

  • Zitat

    Dennoch: solange es als eigene Meinung im Raum steht - und das tat es, wenn ich es richtig in Erinnerung habe -


    Ja, selbstverständlich handelt es sich hier um subjektive Meinungen, um was denn sonst? ICH PERSÖNLICH mag die Schwarzkopf nicht ob ihrer auf mich ungemein gekünstelt wirkenden Art, ihrer für mich nicht immer, aber häufig schrill und verspannt klingenden Stimme und ihrer ebenfalls für mich unsympathischen sonstigen persönlichen Ausstrahlung. Das es andere gab und gibt, die völlig anderer Meinung sind, liegt auf der Hand - nur durch Protektion alleine wäre die Frau wohl kaum so berühmt geworden.


    Zitat

    Das ist hier natürlich OT. Wenn die Diskussion weitergeht, werde ich die entsprechenden Posts vielleicht in einen eigenen Thread "Ausbildung von Musikern" oder ähnliches verschieben. Das Thema finde ich sehr interessant.


    Zu diesem Thema hätte ich aus eigener Anschauung einiges beizutragen.....


    Viele Grüße


    Bernd

  • Hallo Gioachino,

    Absolventen deutscher Hochschulen, Konservatorien und Akademien haben kaum Chancen, gegenüber der bestens ausgebildeten Konkurrenz aus Übersee, Asien und der ehemaligen Sowjetunion zu bestehen. Ich weiß nicht, wie es bei Instrumentalisten aussieht . Aber jemand, der Gesang studiert, tut dies, um später auf der Bühne zu stehen - und zwar als Solist. Schulmusiker haben eine spezielle Ausbildung, womit diese Option entfällt.

    an "meiner" Hochschule wurden erst kürzlich ebenfalls Studentenbefragungen durchgeführt. Dabei gaben rund 2/3 der Studierenden als Grund für ihre Wahl des Studiums "selbständiges Arbeiten im Beruf" an, mehr als 50 % außerdem "um viele Berufsmöglichkeiten zu haben". Die Studierenden sind also in der Regel keineswegs auf einen einzigen Weg festgelegt. Der Grund für ihr Musikstudium ist in aller Regel (mehr als 97 %) ganz einfach die persönliche Neigung. Die Bewertung des Unterrichts war extrem positiv: Rund 86 % gaben an, mit der musikalischen, und mehr als 80 % mit der technischen Ausbildung zufrieden oder sehr zufrieden zu sein.

    Musikschule ? Unterrichten ohne Berufserfahrung ? Eher nicht. Umfragen unter Hochschulstudentinnen und -studenten haben ergeben, dass sie über ihre Optionen nach Verlassen des goldenen Käfigs höchst unzureichend informiert werden, dass der hier so hoffnungsvolle lyrische Sopran später auf der Straße sitzt, weil die Konkurrenz in diesem Stimmfach schier erdrückend ist.

    Auch dazu wurden unsere Studierenden befragt. Das Ergebnis ist in der Tat nicht so positiv wie die Bewertung der musikalischen/technischen Ausbildung, aber immerhin waren noch mehr als 50 % mit dem Praxis- und Berufsbezug ihres Studiums zufrieden oder sehr zufrieden. Inzwischen wurde eine Stelle eingerichtet, die die Studierenden beim Übergang in das Berufsleben unterstützen wird. Im Übrigen passt Dein Bild vom "goldenen Käfig" nicht, weil die Studierenden sowohl im Instrumental- als auch im Vokalbereich schon während des Studiums durch Praktika, Aushilfen, Gastverträge usw. die Praxis kennenlernen und dabei in aller Regel auch lernen, ihre eigenen Chancen realistisch einzuschätzen. Sicherlich hat mancher im ersten Semester noch völlig unrealistische Vorstellungen von seiner Zukunft, das ändert sich aber recht schnell. Viele studieren auch parallel zur künstlerischen Ausbildung Musikpädagogik, um eben auch die Möglichkeit zu haben, später als Gesangs- oder Instrumentallehrer zu arbeiten. Das wird keineswegs grundsätzlich als Abstieg empfunden sondern eben als eine Berufsoption unter vielen.

    Viele Grüße,

    Christian


  • Hallo zusammen,

    ich habe jetzt die Beiträge zur Ausbildung und Berufschancen von Musikern hierhin kopiert. Bitte diese Diskussion jetzt dort weiterführen.

    Viele Grüße,

    Melanie

    With music I know happiness (Kurtág)

  • Meine Lieben!

    Nun etwas zum Lob zu dieser, außergewöhnlichen, Dame, die uns im Theater an der Wien, dem Ausweichquartier der Staatsoper, zwischen 1945-1955 und weiterhin Freude bereitete.

    Der Beginn eines Opernbetriebes nach dem Weltkrieg in Wien war gleichzeitig auch der Beginn der Karriere einer Sängerin, die meiner Meinung nach, die kultivierteste, wohltimbrierteste und technisch perfekteste Stimme des 20. Jahrhunderts besaß. Die Schülerin der berühmten Sängerin Maria Ivogün begann in Wien [wohl der Stimmentwicklung entsprechend] zunächst im Koloraturfach, wo sie in den ersten Saisonen des Theaters an der Wien noch als Sophie, Gilda, Violetta, Susanne und Constanze eingesetzt war. Doch sehr bald fand sie zu ihrem wirklichen Fach der Grandes Dames der Opernliteratur!

    Ihre gesamte Karriere war aber vor allem durch die Heirat mit dem damaligen Kulturpapst und Plattenmanager Walter Legge beeinflusst. Er war es auch, der ihre zweite Karriere als Lied-und Oratoriensängerin zu einem fulminanten künstlerischen Höhepunkt trieb, andererseits aber sie dahingehend beeinflusste, dass sie später nur mehr in in den spezifischisten Partien ihres Repertoires auftrat. Doch Wien war war bis zum Ende ihrer Karriere immer so etwas wie der Nabel der Welt, und es gab keine Saison, in der die Schwarzkopf nicht in der Oper oder im Konzertsaal in Wien zu den vielumjubelten Mittelpunkt stand.

    Ihre berühmtesten Opernpartien waren hauptsächlich von zwei Komponisten gewidmet: W. A. Mozart und Richard Strauss. Vom ersten sang sang die Schwarzkopf die ewig von Don Giovanni verlassene Donna Elvira, die auf die Liebesprobe gestellte Fiordiligi in "Cosi fan tutte" und vor allem [wohl als Vorstufe zu ihrer späteren Jahrhundert - Marschallin] die Gräfin in "Figaros Hochzeit".

    Richard Strauss war künstlerisch gewiss der zentrale Höhepunkt ihres Repertoires. Die launisch-kapriziöse Gräfin Madeleine in "Capriccio" wurde bei der Schwarzkopf nicht nur ein Rokokogeschöpf, das ihre Gunst leichtfertig und launenhaft verschenkt, sondern vielmehr auch ein Symbol für den ewigen Wettstreit zwischen Musik und Dichtkunst in der Oper.

    Das höchste Ziel eines Künstlers, nämlich in einer Rollengestaltung unsterblich zu werden, erreichte Elisabeth Schwarzkopf mit der Feldmarschallin im "Rosenkavalier". Hier stimmte einfach alles: jede stimmliche Nuance, dem jeweiligen Wort und der jeweiligen Note entsprechend, jede darstellerische Gestalt und jedes Mienenspiel, das eben dieser schönen Frau nachempfunden, die zum ersten Mal in ihrem Leben den eisigen Hauch des Alters verspührt, indem sie einen Liebhaber an eine Jüngere Schönere verliert. "Die Zeit, sie ist ein sonderbar Ding" - doch" Man soll sich auch vor ihr nicht fürchten, auch sie ist ein Geschenk des Vaters, der uns alle erschaffen hat!" - das ist für Richard Strauss, Hugo von Hofmannsthal und auch für Elisabeth Schwarzkopf die Kernaussage in diesem wohl perfektesten Stückder gesamten Opernliteratur.

    Zwei weitere Bühnenpartien charakterisieren ebenfalls die stimmlich wie darstellerisch perfekte Interpretation von Elisabeth Schwarzkopf: 1951 war sie in der Bayreuther Karajanproduktion der "Meistersinger von Nürnberg"ein stimmlich-betörendes Evchen,und wenn man heute auf CD oder LP ihre Schlussphrase "Keiner wie er ist so hold zu werben weiß" nachempfindet, so kommt es mir vor, dass ich in meinem ganzen Leben nie mehr so einen herrlich schwebenden Ton hören kann! Unser Maestro war es aber auch, der die Schwarzkopf zu einer italienischen Rolle in einem heiteren Fach animierte, und so wurde sie in dessen Wiener und Mailänder Produktion von Verdis "Falstaff" im Verein mit Tito Gobbi, Rolando Panerei und Giulietta Simionato eine köstliche Alice Ford.

    Das weitere Opernrepertoire der Schwarzkopf wurde hauptsächlich durch die Schallplattenaufnahmen gekennzeichnet: hier reichte der Bogen von den exotischen Partien im Zauber der Romantik, Fatima ["Abu Hassan"] und Margiana ["Barbier von Bagdad"], über die märchenhafte Gretel ["Hänsel und Gretel"] bis zur nahezu klassischen Ariadne in der gleichnamigen Richard Straussoper.

    Einen breiten Raum in ihreer Karriere nahm aber ihre Tätigkeit im Konzertsaal ein. Hier glich sie ihrem männlichen Pendant Dietrich Fischer-Dieskau bis ins kleinste Detail. Auch sie erarbeitete sich nach und nach die gesamte Liedliteratur, wobei es vor allem Mozart, Schumann, Wolf und Richard Strauss waren, die ihrer farbigen Stimme am besten entsprachen. Allein über den Liedgesang würde man in der Interpretation von Elisabeth Schwarzkopf ein ganzes Buch füllen können, und ich möchte daher stellvertretend nur mein spezielles Lieblingswerk von ihr anführen: "Die vier letzten Lieder" - von Richard Strauss - der musikalische Zyklus eines Lebens vom Anfang bis zum Ende, wobei vor allem die Stelle "Nun bin ich wandermüde" eine fast schon überirdische Schönheit ausdrückt.

    Natürlich war die Schwarzkopf auch eine vor allem wegen ihrer hohen Musikalität geschätzte Solistin in den großen Konzertwerken von Bach, Beethoven, Brahms und Mahler. Hier möchte ich vor allem auf die Einspielungen der zweiten und vierten Symphonie von Gustav Mahler unter Klemperer verweisen, wo meiner Meinung nach auch die künstlerische Intelligenz der Schwarzkopf am besten zum Ausdruck kommt.

    Zum Abschluss muss man aber auch dievon ihr auf CD / LP gestetzten Marksteine im Reich der Operette nennen: besonders ihre sich vom Wiener Blut ansteckende Gräfin Zedlau, ihre charmante "Lustige Witwe" und ihr "süßes Wiener Mädel" Lisa im "Land des Lächelns" sind wahre Juwele einer Kunstgattung, die oft fälschlicherweise totgesagt wurde.

    Elisabeth Schwarzkopf - sicherlich nicht nur mein ganz persönliche Lieblingssängerin, kann man nur mit Hofmannsthal und Richard Strauss versuchen zu charakterisieren: kein Sterblicher wird ihr Spiel, ihre Ausdruckspalette und vor allem ihre herrliche Stimme vergessen können,wenn sie im ersten Aktfinale als Feldmarschallin dem kleinen Mohren die silberne Rose für Octavian überreicht und so quasi ihr Liebesglück an Sophie weitergibt: "Zum Grafen Octavian, gib's ab und sag, da drin ist die silberne Rose, der Herr Graf weiß ohnehin wohin!" - Sieht man heute noch den Film [DVD] von Karajan und erlebt das darauffolgende Violinsolo von Willy Boskovsky im Verein mit der sich nur mehr in den Spiegel schauenden Schwarzkopf, so wird man gewahr, was unsterbliche Opernkunst bedeutet!

  • Liebe Capricciosi!

    Eine Aufnahme muss ich hier nachtragen, in der Elisabeth Schwarzkopf aus heutiger, rückblickender Sicht wohl Maßstäbe setzte, obwohl gerade diese Rollengestaltung sehr der zeitgenössischen Kritik ausgesetzt war ("zu wenig sinnlich", "zu deutsch" [!]...): ich meine ihre Giulietta in der späteren Cluytens-Aufnahme von Offenbachs "Contes d'Hoffmann".

    Alle Eigenschaften der Schwarzkopf, die mich in anderen Rollen nicht begeistern, die kühle Distanziertheit, die Manierismen (die hier eh nicht sehr stark sind), die Künstlichkeit, eine gewisse Affektiertheit, der spitze Stimmklang - das alles verbindet sich hier in eindrucksvoller Weise zu einem Charakterporträt der dekadenten Kurtisane mit ihren gespielten Leidenschaften, dieses Kunstprodukts, das ja auch in der dramaturgischen Symmetrie der Oper (vgl. https://www.capriccio-kulturforum.de/oper/p184232-o…ama/#post184232) auf einer Ebene mit der Puppe Olympia steht. Nur schade, dass die Choudens-Fassung der Giulietta die Arie gestrichen hat, die hätte ich auch noch gerne mit dieser Interpretation gehört.

    Liebe Grüße,
    Areios

    "Wenn [...] mehrere abweichende Forschungsmeinungen angegeben werden, müssen Sie Stellung nehmen, warum Sie A und nicht B folgen („Reichlich spekulativ die Behauptung von Mumpitz, Dinosaurier im alten Rom, S. 11, dass der Brand Roms 64 n. Chr. durch den hyperventilierenden Hausdrachen des Kaisers ausgelöst worden sei. Dieser war – wie der Grabstein AE 2024,234 zeigt – schon im Jahr zuvor verschieden.“)."
    Andreas Hartmann, Tutorium Quercopolitanum, S. 163.

  • Oh, da begebe ich mich ja hier auf vermintes Terrain. ;)

    Zunächst oute ich mich mal als hemmungsloser ES-Fan. Um das gleich wieder ein wenig zurückzunehmen.

    Zunächst einmal, ganz vordergründig, liebe ich die Schönheit dieser Stimme, diesen Klang, vor allem in den Aufnahmen aus den 50iger Jahren. Mozart natürlich, Strauss, ihr Evchen nicht nur aus Bayreuth, sondern auch von der Scala), die ). und das Deutsche Requiem und...und...und... Und v.a. ihr Bach, der mir immer ungemein zu Herzen geht.

    Dann liebe ich ihr Spiel mit den Farben, mit dem Schleier der Wehmut und Melancholie, den sie über die Gesangslinie werfen konnte.

    Und ich liebe auch ihre Lieder. Auch und gerade ihr Bemühen und Ringen um kleinste Wortnuancen, um sie gesanglich bestmöglich wiederzugeben.

    Natürlich stimmt das:

    Die Forderung nach Textverständlichkeit allerdings mag zwar von ihr gestellt worden sein, aber wohl kaum an sich selbst.

    Aber sie selber hat immer wieder betont, dass sie für Farbenreichtum Wortdeutlichkeit bereit war aufzugeben. Das ist eine Entscheidung, die man nicht akzeptieren muss, die ich aber einleuchtend finde.

    Natürlich gibt es Dinge, die ich auch kritisch sehe (und deshalb die Einschränkung des 'hemmungslosen' Fan). Es gibt Momente, da wird selbst mir das 'Manierierte', das 'Künstliche' zu viel. Gerade auch in den Liedern. Und natürlich gibt es auch Rollen, wo ich mich selber wundere, warum sie sie gesungen und v.a. warum sie sie so gesungen hat. Hänsel und Gretel, das Duett Elsa-Ortrud mit Ludwig großartig, aber nicht unbedingt meine Vorstellung der Elsa), um nur die zwei zu nennen.

    Dann gibt es außermusikalische Dinge, die ich schwer oder nicht gerne ertrage. Ich sehe z.B. ungerne eine Filmaufnahme mit ihr. V.a., wenn sie Lieder singt. Das ist so unendlich affektiert, so sehr 50iger Jahre, dass ich sofort auf nur Hören schalte. Wobei es ein Video des Marschallinnen-Monologs gibt nicht der Salzburger Film, sondern für TV produziert), in dem sie von solch einer Intensität und Wahrhaftigkeit ist, dass ich gebannt zugeschaut habe.

    Mit Sicherheit war sie keine sympathische Person im landläufigen Sinne. Ein Schicksal, dass sie aber mit vielen Künstlern teilt. :D Auch ihre Rolle im III. Reich, vor allem ihre späteren Stellungsnahmen dazu, finde ich problematisch. Aber beides dürfte, finde ich, keinen Einfluss auf ihre Beurteilung als Künstlerin haben.

    Ihre Lehrerschaft, ich kenne sie nur von Filmaufnahmen, finde ich teilweise auch problematisch. Ich kann verstehen, dass sie den Schülern/Schülerinnen von Anfang an deutlich machen wollte, was auf sie zukommt und ob sie wirklich für den Beruf geeignet sind. Denke aber, dass man das auch anders hätte sagen können. Da war sie manchmal schon sehr scharf und unbarmherzig. Sicherlich hat sie es so auch kennengelernt, aber die Zeiten waren andere. Zudem habe ich immer das Gefühl, dass sie v.a. kleine ES produzieren wollte. Da mag ich aber irren. Hilfreich war sicherlich auch nicht das permanente Unterbrechen (als ihr Mann damals das bei ihr machte, ist das ja sogar Karajan aufgestoßen).

    Nun ist das mit den Sängervorlieben ja immer so eine Sache. Ich schätze und anerkenne Björling oder London sehr, mag sie aber einfach nicht. Das hat nichts mit ihrer künstlerischen Leistung zu tun, sondern schlichtweg mit dem Timbre, das mich nicht anspricht. Bei ES ganz anders. Ihr Timbre hat mich von Anbeginn an getroffen und verzaubert. Damit war der Einstieg sozusagen vorbereitet. Und deshalb kann ich ihr manche Fehltritte auch verzeihen.

    Übrigens kommt für mich Kunst auch ganz stark von künstlich. Nicht immer, (bin halt 'n inkonsequenter Typ), sonst würde ich Callas, Ferrier oder Wunderlich nicht lieben. Aber ich mag in allen Bereichen (Gielgud fällt mir da ein oder auch die Dietrich), die Sänger, die durch ihre 'artifizielle' Herangehensweise an den Stoff eine Art Verfremdung bewirken, um es dann aber zu schaffen, diese Verfremdung in ein tiefes Gefühl umkippen zu lassen. Ich weiß nicht, ob ich es richtig ausdrücken konnte, aber wenn es nur diese Künstlichkeit gebe, wäre es langweilig und falsch. Aber, jedenfalls in meinen Ohren, schaffen es gerade diese Künstler das Artifizielle und den tiefempfundenen Ausdruck zu vereinen oder durch das Erstere erst das Zweite zu erreichen. Und dann haut es mich um. ^^ FiDi würde ich übrigens, wenn auch nicht so 'schlimm' wie ES, auch dazuzählen.

    Natürlich polarisiert die Schwarzkopf. (Und ich kann jeden berechtigten und begründeten Einwurf verstehen.) Gottseidank polarisiert sie. Nette Sänger haben wir genug. Sie war noch jemand, die auch bereit war, sich sozusagen an die Front zu begeben, die eine klare Meinung hatte und diese auch vertrat. Verbal wie künstlerisch.

    Und für alle, die ES ganz grauenhaft finden, kann ich nur die Karajan-Ariadne empfehlen. I. Akt natürlich nur. Man muss halt 'ne zickige Sängerin sein, um 'Abstand, hahaha, eine Welt hoffe ich' so zickig, so treffend und gleichzeitig so witzig singen zu können. Komischerweise habe ich dabei immer Miss Piggy vor Augen. :love:

    :wink: Wolfram

    "Wieder versuchen. Wieder scheitern. Besser scheitern." (Samuel Beckett)

    "Rage, rage against the dying of the light" (Dylan Thomas)

  • Die berühmte Rosenkavalier-Aufnahme.

    Ehrlich, ich bin nicht so begeistert. Erstmal ruiniert Stich-Randall durch ihre schrille Höhe das Terzett. Und da bin ich pingelig. Stundenlang durchlebt, durchsitzt man dieses Werk und wenn dann der Höhepunkt nicht klappt... :S

    Nein, aber v.a. denke ich, dass diese Aufnahme für ES noch einen Tick zu früh kam. Sie ist zwar großartig und ergreifend, aber in späteren Aufnahmen (leider nur immer Ausschnitte) erreichte sie wirklich ihr Maximum an Ausdrucksintensität. Es gibt ja noch einen Mitschnitt aus New York mit della Casa, aber da hat sie für mich einen ganz schrecklichen Abend erwischt. Oder er kam für sie halt schon zu spät (1964).

    Und auch Karajan zeigt sich als typischen Karajan hier. Wirkliche Emotion, wirkliches Beteiligtsein, auch wirkliches Offenbaren von eigener Gefühlswelt kommt hier noch nicht. Darin ist seine 2. Einspielung wesentlich besser. Das ist alles fantastisch dirigiert, aber es fehlen halt die Nuancen. Bei ihm, wie auch bei ihr.

    Trotzdem ist sie natürlich neben Lehmann für mich eine DER Marschallinnen überhaupt.

    :wink: Wolfram

    "Wieder versuchen. Wieder scheitern. Besser scheitern." (Samuel Beckett)

    "Rage, rage against the dying of the light" (Dylan Thomas)

  • Übrigens kommt für mich Kunst auch ganz stark von künstlich. Nicht immer, (bin halt 'n inkonsequenter Typ), sonst würde ich Callas, Ferrier oder Wunderlich nicht lieben. Aber ich mag in allen Bereichen (Gielgud fällt mir da ein oder auch die Dietrich), die Sänger, die durch ihre 'artifizielle' Herangehensweise an den Stoff eine Art Verfremdung bewirken, um es dann aber zu schaffen, diese Verfremdung in ein tiefes Gefühl umkippen zu lassen. Ich weiß nicht, ob ich es richtig ausdrücken konnte, aber wenn es nur diese Künstlichkeit gebe, wäre es langweilig und falsch. Aber, jedenfalls in meinen Ohren, schaffen es gerade diese Künstler das Artifizielle und den tiefempfundenen Ausdruck zu vereinen oder durch das Erstere erst das Zweite zu erreichen. Und dann haut es mich um. ^^ FiDi würde ich übrigens, wenn auch nicht so 'schlimm' wie ES, auch dazuzählen.

    Lieber Wolfram,

    Das hast Du, wie ich finde, vortrefflich formuliert. Jemand, der diese Kunst nicht wenigstens teilweise beherrscht (und nicht natürliches Gefühl vermitteln kann), läuft große Gefahr, blaß und uninteressant zu wirken, so sauber seine oder ihre Technik und Töne auch sein mögen. Natürlich kann man auch übertreiben, aber darum geht es ja nicht. Große Künstler können aus einer banalen Phrase ein Erlebnis machen und aus relativ bescheidenen musikalischem Rohstoff Ohrwürmer zaubern (selbst die Schlager- und Pop-Welt liefert Beweise dafür).
    Und herzlich willkommen im Forum!
    :wink: Waldi

    ______________________

    Homo sum, ergo inscius.

  • Nun gibt es ja drei Aufnahmen der 'Così' (as far as I know).

    Berühmt v.a. die Böhm'sche:

    Früher habe ich sie geliebt und rauf- und runtergedudelt. Aber mit den Jahren ging mir ES doch ein wenig auf die Nerven hier. Ich finde sie a) zu alt für die Rolle, fast ein wenig matronenhaft und b) ihr Timbre doch recht säuerlich. Schade um den Rest, will heißen, um die anderen tollen Sänger, aber hören tue ich sie eigentlich gar nicht mehr.

    Dann gibt es natürlich wieder einmal HvK, mit dem ES in den Fifties ja wirklich legendäre Aufnahmen gemacht hat.

    ES wunderbar bei Stimme (1954), jugendlich, frisch, leidenschaftlich. Meine erste Wahl, wenn es nicht diese noch gebe:

    Zwei Jahre später entstanden, aber was für ein italienisches Feuer entzündet Cantelli im Vergleich zu HvK. Das ist lebendig, spritzig, hat Temperament. Grandios!

    :wink: Wolfram

    "Wieder versuchen. Wieder scheitern. Besser scheitern." (Samuel Beckett)

    "Rage, rage against the dying of the light" (Dylan Thomas)

  • Darf man neben der della Casa eine andere Arabella lieben? ^^ Ich muss gestehen, auch mir fällt das schwer. Die della Casa war Arabella, From top to toe. Keine Frage und sie verzaubert mich immer wieder, so oft ich sie höre.

    Kennengelernt habe ich das Werk aber mit ES:

    Damals war sie die Verkörperung der Arabella für mich, obwohl ich Tomowa-Sintow, Popp und Janowitz noch live in der Zeit erlebt habe. Und dann lernte ich della Casa kennen und war zunächst einmal hin und weg. Abgesehen von der silbrigen Schönheit dieser Stimme war sie augenblicklich DIE Verkörperung der etwas zurückgelassenen Frau, der v.a. auch abwartenden, erst relativ spät eingreifenden.

    Nun muss ich jedes Mal, wenn ich wieder die Ausschnitte mit ES und dem fantastischen Josef Metternich höre, im Kopf geradezu umschalten. Und irgendwie bin ich auch dankbar, dass es bei Ausschnitten geblieben ist. Della Casa liefert ein volles, rundes Porträt. ES eben nur Teile davon, Hits sozusagen. Aber die singt sie, völlig anders als della Casa, eher von außen betrachtend, als vom Blatt gelesen und nicht erlebt. Aber dann geschieht das Wunderbare. Diese Ausschnitte treffen mich genauso wie das vollständige Bild, dass della Casa liefert. Szene für Szene, Duett für Duett bin ich wieder hingerissen und hineingezogen in diese 'Arabella-Welt'. Also weiterhin eine große Aufnahme für mich, die ich nicht missen möchte, auch wenn della Casa gleichberechtigt aber völlig anders daneben steht.

    :wink: Wolfram

    "Wieder versuchen. Wieder scheitern. Besser scheitern." (Samuel Beckett)

    "Rage, rage against the dying of the light" (Dylan Thomas)

  • Große Künstler können aus einer banalen Phrase ein Erlebnis machen

    Wie wahr. Denk mal an Fritz Massary. Für mich ein Musterbeispiel dafür, dass jemand auch noch aus der banalsten Operettenphrase große Kunst erschaffen konnte.

    Und herzlich willkommen im Forum!

    Besten Dank dafür.

    :wink: Wolfram

    "Wieder versuchen. Wieder scheitern. Besser scheitern." (Samuel Beckett)

    "Rage, rage against the dying of the light" (Dylan Thomas)

  • Und noch 'n Strauss:

    Nachdem ich sie nach Jahren wieder einmal gehört habe, kann ich nur folgendes Urteil abgeben: :clap: :clap: :clap:

    Reden wir hier nicht über die restliche Besetzung, die in allen Partien wirklich grandios ist, auch nicht über den Dirigenten, der hier, für mich, eine seiner großartigsten Leistungen abliefert (Begründung folgt gleich), sondern reden wir v.a. über ES.

    Das ist zunächst einmal stimmlich, technisch wirklich hervorragend. So weit ich weiß, eine reine Studio-Partie, die sie also nie auf der Bühne gesungen hat. Bis auf die Arie im II. Akt während eines Konzertes. Ihre Stimme, die zwar gut fokussiert, aber doch relativ klein war, hätte, jedenfalls unter einem anderen Dirigenten als HvK, wohl auch nicht ausgereicht. Aber Studio macht ja vieles möglich. Man denke nur an die Isolde der Price unter C.Kleiber.

    Aber genau in dieser Partie ist die artifizielle, distanzierte Kunst der Schwarzkopf am richtigen Platze. Letztlich gibt eine Sängerin ja vor, eine Primadonna im Theater zu geben, die wiederum vorgibt, eine Rolle darzustellen. Schon von der Dramaturgie des Stückes gibt es also diese Distanziertheit und die kommt ES und eben auch HvK, der ja eben immer Probleme hatte, sich allzu sehr in Dirigaten emotional zu engagieren, sehr entgegen. Es ist eine künstliche Welt und die beiden wichtigsten Protagonisten nähern sich dieser auch entsprechend. Ariadne ist eben nicht Arabella! Sie bleibt eine Kunstfigur und jede Sängerin, die sie versucht, als reale Person anzulegen, begeht einen Fehler.

    So denke ich, dass das, was man an der Schwarzkopf v.a. kritisiert hier ihr größter Vorteil ist.

    :wink: Wolfram

    "Wieder versuchen. Wieder scheitern. Besser scheitern." (Samuel Beckett)

    "Rage, rage against the dying of the light" (Dylan Thomas)

  • Gerade habe ich auf YouTube einen Rosenkavalier entdeckt, den ich noch nicht kannte und von dem wohl auch keine CD existiert.

    https://www.youtube.com/watch?v=EQkI4o…vN2l3wYy_niB_VE

    Karajan dirigiert, dazu Jurinac, della Casa, Edelmann Kunz. Alles eine Aufnahme, technisch holperig, aus der Scala von 1952.

    :wink: Wolfram

    "Wieder versuchen. Wieder scheitern. Besser scheitern." (Samuel Beckett)

    "Rage, rage against the dying of the light" (Dylan Thomas)

  • Gerade habe ich auf YouTube einen Rosenkavalier entdeckt, den ich noch nicht kannte und von dem wohl auch keine CD existiert.

    https://www.youtube.com/watch?v=EQkI4o…vN2l3wYy_niB_VE

    Karajan dirigiert, dazu Jurinac, della Casa, Edelmann Kunz. Alles eine Aufnahme, technisch holperig, aus der Scala von 1952.

    :wink: Wolfram

    Nicht zu vergessen Bruno Fichtinger... (die Geschichte kann in der Biographie von Erich Kunz nachgelesen werden)

    “There’s no point in being grown up if you can’t act a little childish sometimes” (Doctor Who, der Vierte Doktor)

  • Nicht zu vergessen Bruno Fichtinger... (die Geschichte kann in der Biographie von Erich Kunz nachgelesen werden)

    Und wie geht die? ;)

    :wink: Wolfram

    "Wieder versuchen. Wieder scheitern. Besser scheitern." (Samuel Beckett)

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