Thomas Bernhard - und immer feste druff
09.02.1931 in Heerlen, Niederlande - 12.02.1989 in Gmunden, Österreich
'Immer feste druff' - eigentlich müsste das natürlich oder besser gesagt naturgemäß österreichisch ausgedrückt werden, aber da ist mir ein entsprechender Ausdruck leider nicht geläufig.
Aber auch so trifft es das wohl ziemlich gut, was man mit Thomas Bernhard zunächst einmal am stärksten verbindet. Endlose Hasstiraden auf Gott und die Welt, auf Einzelpersonen, Institutionen, Länder, Städte, Gesellschaften und immer wieder und besonders heftig auf Wien und die Wiener, auf Österreich und die Österreicher. Und natürlich macht das einen bedeutenden Anteil seines Werkes aus und spricht womöglich im positiven wie negativen Sinn die meisten oder viele seiner Leser an. Wer mag nicht einmal so richtig vom Leder ziehen und das jenseits aller Kontrollmechanismen, die man im Laufe eines Lebens aufgebaut hat. Und dann gibt es nun einen Schriftsteller und dann noch einen wahrlich anerkannten, der das ausgiebig, stellvertretend für einen macht. Welche Freude!
Nur wird man Bernhard mit dem ausschließlichen Blick auf die 'Tiraden' überhaupt nicht gerecht, ist er doch so viel mehr. Natürlich hat er vordergründig sein eigenes Leben, seine eigene Lebenssituation in Literatur verwandelt. Nur bleibt er dabei nicht stehen. Unter der Schicht von Klage und Verzweiflung kommt immer, wohlgemerkt immer ein allgemeingültiges, für alle Menschen geltendes Gefühl, Erkennen, Betreffen heraus. Bei Bernhard muss man genau hinschauen. Unter all den großen, lauten, plakativen Gesten lauert es, das tief und wirklich Verzweifelte, die schlichte Wahrheit und auch die Selbstentblößung, die immer auch zu unserer eigenen werden kann. Bernhard ist ein zutiefst menschlicher Literat, der uns immer, wenn wir es denn annehmen wollen, ein Spiegelbild vorhält.
Natürlich ist seine Weltsicht pessimistisch geprägt, oftmals geradezu absurd und dann steckt in ihm auch viel Beckett. Gemeinsam mit Beckett hat er aber auch den Humor. Wenn man die Absurdität des Lebens begreift, wenn man alles letzten Endes nur noch negativ sieht, was bleibt einem dann noch? Das Lachen. Bernhards Lachen ist aus der Verzweiflung geboren und war für ihn vielleicht noch ein letzter Rettungsanker und genau dazu kann es für den Leser auch werden. Wir lachen über die Situationen, die Formulierungen, wir lachen mit ihm, aber letztlich zwingt er uns dazu, über uns selbst zu lachen. Oder zu weinen. Aber beides geht bei ihm durchaus Hand in Hand. Denn Bernhard war ein Meister in der Melange aus Wut, Verzweiflung und Humor.
Und er war ein Meister des Stils. Endlose Wiederholungen prägen oftmals seine Texte, geradezu absurde Wiederholungen, die aber dann immer wieder eine kleine, wenn auch wichtige Variation aufweisen, mit der das Thema dann voranschreitet. Und es gibt diese Wellenbewegungen. Es baut sich auf zum nächsten 'Furiosum', mal ein langsames Crescendo, mal halt schneller. Dann kommt der Ausbruch, um dann erst einmal wieder zusammenzubrechen in Form eines langen oder kurzen Decrescendo. Und so weiter. Ich kenne kaum einen Schriftsteller, der so musikalisch geschrieben hat wie Bernhard.
Thomas Bernhard ist vielleicht ein großer Individualist der Literatur. Er ist unverkennbar, extrem eigen, streitbar und anfechtbar. Man kann ihn in eine literarische Linie stellen, man kann versuchen, ihn einzuordnen, aber er springt aus solchen Schubladen auch immer wieder heraus. Bernhard ist eben Bernhard.
Was von ihm sollte man lesen?
Zunächst einmal alles. Es gibt von ihm v.a. Erzählungen, Romane und Theaterstücke und eine erschütternde Autobiographie. Seine Theaterstücke muss man eigentlich sehen, v.a. in den kongenialen Inszenierungen von Claus Peymann, so weit sie noch verfügbar sind. 'Der Ignorant und der Wahnsinnige', 'Minetti', 'Der Theatermacher'. 'Elisabteh II' oder den berüchtigten 'Heldenplatz' (den ich persönlich über weite Strecken gar nicht einmal so genial finde).
Bei den Romane würde ich sofort 'Alte Meister' oder 'Wittgensteins Neffe' empfehlen, aber auch 'Holzfällen', 'Der Untergeher', 'Beton'. Was aber nur eine kleine Auswahl ist, denn Bernhard war durchaus ein sehr produktiver Autor. Ich denke mal, egal wo man bei ihm einsteigt, man wird immer auf einen typischen Bernhard und gleichzeitig auf einen ganz besonderen treffen. Immer gleich, immer eigen, immer besonders.
Wolfram