Christa Ludwig - Talent, Arbeit, Vollendung
Heute von ihrem Tode zu erfahren, ist für mich unendlich schmerzhaft. Zu sehen, dass es hier noch keinen Thread für sie gibt, sehr verwunderlich. Zum Glück ist Letzteres zu beheben.
Christa Ludwig, Mezzosopranistin 16.03.1928 in Berlin - 24.04.2021 in Klosterneuburg/Österreich
Karge Daten, aber trotzdem sagen sie ganz viel über sie aus. Berlin, dann Aachen waren prägende Stationen in ihrem frühen Leben, auch in ihrem Künstlerdasein. Österreich, speziell Wien, wurde dann aber ihre wirkliche künstlerische Heimat. Sie war Mezzosopranistin, hat aber immer wieder versucht, diesen Bereich zu verlassen, was sie klugerweise selten gemacht hat.
Kind zweier Künstler wuchs sie v.a. in Aachen auf, saß als Kind schon auf den Knien von Herbert von Karajan, mit dem sie zeitlebens (meistens) eng verbunden blieb. Von der Mutter unterrichtet, musste sie sich jeden Ton in der Höhe hart erkämpfen. Für einen halben Ton ein Jahr harter Arbeit, wie sie es mal beschrieb. 1945 ein erstes öffentliches Auftreten, aber es dauerte dann noch 10 Jahre bis Karl Böhm sie dann an die Wiener Staatsoper berief. Berlin, Wien, Salzburg, Bayreuth, Met, überall. Christa Ludwig trat wirklich überall auf, in Opern, Konzerten, Liederabenden, im TV. Es begann eine klassische Weltkarriere. Karajan, Böhm, Bernstein, Levine, Klemperer waren ihre besonderen Dirigenten, Mozart, Strauss, Wagner, Mahler, Bach, Schubert, Brahms usw. ihre Komponisten. Neuere Musik sang sie eher in den Anfangsjahren, später ging es über Bartok und einer überwältigenden Judith in seinem 'Blaubart' kaum heraus. Die Sorge um die Stimme eben, die sie schon früher Fachüberschreitungen in Richtung Isolde und Brünnhilde vermeiden ließ.
Überhaupt die Stimme. Die Ludwig verfügte über einen warmen, äußerst klangschönen, in allen Lagen sehr ausgeglichenen Mezzosopran. Und auch wenn sie immer wieder nach oben und unten die Fachgrenzen überschritten hat (Dalila, Marschallin, Fidelio) und das auch konnte, blieb sie im Kern immer ein Mezzo. Der war dann allerdings, vor allem in der Jugend, von einer überwältigenden Schönheit und von einer Sicherheit in allen Lagen, die einen Staunen machte. Hinzu kam eine Ausdrucksfähigkeit, eine Intensität im Singen, eine sängerische Persönlichkeit, eine Fähigkeit, sich der jeweiligen Rolle anzupassen, die immer wieder staunen macht. Die Ludwig zu hören, ist eigentlich stets eine Offenbarung. Hinsichtlich ihrer sängerischen Vollkommenheit, aber auch hinsichtlich dessen, was sie in einem auslösen kann.
Ihre herausragenden Aufnahmen sind legendär. Das Lied von der Erde mit Klemperer, die Alt-Rhapsodie, der Rosenkavalier, all die Lieder, Ortrud im Lohengrin, Fricka, Kundry, Cherubin - ach, endlos ginge die Liste
Persönlich knie ich vor ihrer Kunst schon seit Jahrzehnten, vor der Schönheit dieser Stimme, der Ausdrucksintensität, der Reinheit der Phrasen, der Ausladung, der Ehrlichkeit. Vor einer der ganz, ganz Großen!
Wolfram