So nicht! - Verbotene DEFA-Filme
Nach dem Mauerbau 1961 gab es in der DDR eine kurze Phase einer gewissen 'Liberalisierung' in der Kulturpolitik, die aber mit dem und nach dem 11. Plenum des ZK der SED im Dezember 1965 radikal beendet wurde. Als Wortführer trat damals Erich Honecker auf, der den Künstlern 'Nihilismus', 'spießbürgerlichen Skeptizismus', 'Dekadenz', Pornographie' oder 'Staatsfeindlichkeit' vorwarf. Das führte dazu, dass alleine aus den Produktionsjahren 1965 und 1966 zwölf Filme verboten wurden, die auch bis zum Ende der DDR dort nicht mehr gezeigt werden durften.
Zehn dieser Filme sind nun in dieser Box vereinigt:
Das Kaninchen bin ich - Kurt Maetzig,1965
Denk bloß nicht, ich heule - Frank Vogel, 1965
Der Frühling braucht Zeit - Günter Stahnke, 1965
Der verlorene Engel - Ralf Kirsten 1966
Karla - Herrmann Zschoche, 1965
Wenn du groß bist, lieber Adam - Egon Günther, 1965
Spur der Steine - Frank Beyer, 1966
Hände hoch oder ich schieße - Hans-Joachim Kasprzik, 1966
Jahrgang 45 - Jürgen Böttcher, 1966
Berlin um die Ecke - Gerhard Klein, 1965
Als 'Wessi' merke ich und ich denke, vielen anderen geht es ebenso, dass ich vom Filmschaffen der DDR, also der DEFA und des DFF (Deutscher Fernsehfunk) kaum bzw. gar keine Ahnung habe.
Filmisch sozialisiert wurde ich ab den späten Sechzigern in der damaligen Bundesrepublik. Das hieß als Kind (wir bekamen erst ein Fernsehgerät als ich 10 war) Märchenfilme und Karl-May-Filme im naheliegenden Kino. Sicherlich waren bei den Märchenverfilmungen einige aus Osteuropa dabei, was mir natürlich nicht bewusst war. Die erste DDR-Produktion, an die ich mich erinnere ohne dass ich das damals wusste, war Wolfgang Staudtes 'Der kleine Muck', allerdings auch nur in Ausschnitten, weil der Nachbarsjunge zwei oder drei Teile auf Super 8 besaß, die wir uns ständig ansahen. Der Film wurde also durchaus kommerziell in der Bundesrepublik vertrieben.
Mit zunehmendem Alter kam es dann zur absoluten Hinwendung an das Hollywoodkino, v.a. auch im TV. Deutsche Produktionen schaute ich nur, wenn es absolut unumgänglich war. Von daher erinnere ich mich nicht mehr daran, ob es DDR-Produktionen auch im westdeutschen TV gab. Tschechische durchaus, aber der Staat war aus damaliger westdeutscher ja auch nur halb so schlimm wie die DDR. Im Kino meines Stadtteils lief diesbezüglich eh nichts.
Der erster DDR-Film, an den ich mich erinnere und den ich gesehen habe (TV) war 'Jakob der Lügner', der mich sehr begeistert hat. In der Berufsschule wurde uns später noch Staudtes 'Untertan' gezeigt, was wir als sehr exotisch empfanden. Das war's dann aber auch schon. Die Wiederveröffentlichung oder teilweise Neuauswertung nach 1989/90 habe ich weder im Kino noch im TV mitbekommen, weil mein Interesse sich damals ziemlich vom Spielfilm wegbewegt hatte.
Von daher blieb der DEFA-Film für mich immer ein großer Unbekannter mit ganz vielen Fragezeichen.
Rückblickend ist meine Unkenntnis natürlich nicht nur auf mangelnde Gelegenheiten zurückzuführen, sondern auch auf eine gewisse westdeutsche Hochnäsigkeit. Egal wie ich mich politisch in meiner Jugend positionierte, ich war eben auch Kind meiner Zeit. Wir Westdeutsche lebten ja im Austausch mit der Welt, lernten jederzeit das Beste vom Besten kennen und die 'Eingeschlossenen' von drüben konnten gar nicht anders, als nur thematisch wie inszenatorisch halbe Sachen zu machen, die von daher von vornherein uninteressant waren. Man schaute halt herab. Das ist jetzt sehr überspitzt formuliert, aber irgendwo im Hinterkopf beeinflusste es mich schon, auch wenn ich es nie zugeben hätte.
Woher nun der Sinneswandel? Vor Jahren sah ich 'Spur der Steine' auf DVD und war baff, wie gut der ist. Aber auch das war noch kein Auslöser. Der kam vielleicht nun mit der DFF-Produktion 'Kleiner Mann, was nun', die mich auch schwer begeistert hat und mich endlich dazu bewegt hat, damit anzufangen, diese Lücke zu schließen. Aber auch die (wahrlich späte) Erkenntnis, dass mein Wissen um die deutsche Filmgeschichte nicht vollständig ist, wenn nicht auch der zweite Entwicklungsstrang nach 1945 Berücksichtigung findet.
Westdeutsche Arroganz und Ignoranz gepaart mit meiner persönlichen. Damit muss nun endlich einmal Schluss sein, mehr als dreißig Jahre nach der Wiedervereinigung. Peinlich für mich, dass es so lange gedauert hat.
Von daher möchte ich nun im Laufe der nächsten Wochen jeden dieser Filme hier vorstellen, denn ich glaube, dass das nicht nur aus künstlerischer Sicht interessant sein wird, sondern auch aus kulturhistorischer. Und ich glaube auch, dass es so manch Anderem ähnlich wie mir ergangen ist.
Wolfram