Tabea Zimmermann - "Musikerin mit dem Instrument Bratsche"

  • Tabea Zimmermann - "Musikerin mit dem Instrument Bratsche"

    Die anstehende Verleihung des Ernst von Siemens Muskipreises 2020 am 15. Juni 2021 an die Bratschistin Tabea Zimmermann nehme ich zum Anlass, um hier einen eigenen Thread zu der Künstlerin zu eröffnen, den es bisher - für mich völlig unverständlich - nicht gab. Aber vielleicht ist das dann doch wieder eine Bestätigung des weit verbreiteten Vorurteils gegen die Viola, die ja zu allerhand sinnlosen Witzen geführt hat.

    Tabea Zimmermann ist meines Erachtens auf dem Gebiet der Bratsche ein einsamer Solitär, den es in dieser Einzigartigkeit bei den anderen Streichinstrumenten sicher nicht gibt, wo sich viel mehr individuelle Solisten tummeln.
    Sie bezeichnet sich in ihrer so natürlichen und zurückhaltenden Weise oft als "Musikerin mit dem Instrument Bratsche", daher habe ich dies im Titel mit eingefügt. Ich verzichte hier auf einen detaillierten Lebenslauf und verweise besser auf die Siemens Musikstiftung, wo über das Leben Tabea Zimmermanns nachgelesen werden kann:
    https://www.evs-musikstiftung.ch/de/preise/prei…/biografie.html

    Zusätzlich gibt es dort eine sehr schöne Hommage an die Künstlerin, verfasst von Patrick Hahn:
    https://www.evs-musikstiftung.ch/de/preise/prei…2020/essay.html

    Über das Programm der Preisverleihung hatte ich an anderer Stelle schon berichtet und füge das hier noch einmal ein:

    Wer Fußball-Verächter ist, sollte sich die Übertragung der Verleihung des Ernst-von-Siemens-Musikpreises 2020 nicht entgehen lassen, der nun endlich an die wunderbare Bratschistin Tabea Zimmermann verliehen wird. Das war natürlich als Präsenz-Veranstaltung geplant, wie immer im Münchner Prinzregententheater. Die reguläre Preisverleihung im Juni letzten Jahres wurde wegen zunächst verschoben, fällt nun aber auch dieses Jahr Corona zum Opfer und wird nur im Internet übertragen.
    Einen direkten Link zu BR Klassik gibt es noch nicht, aber ich habe die Information und auch das geplante Programm vorab von der Stiftung erhalten.

    15.6.2021, ab 19:30 auf http://www.br-klassik.de:

    • Peter Ruzicka (Vorsitzender des Stiftungsrats) im Gespräch mit Teresa Vogt
    • Luciano Berio: Naturale (über sizilianische Melodien) (1985) für Viola, Schlagzeug und aufgezeichnet Stimme. Tabea Zimmermann (Viola) und Christoph Sietzen (Schlagzeug)
    • Porträtfilm über Tabea Zimmermann
    • Laudatio von Norbert Lammert
    • Überreichung des Preises
    • Thomas Angyan (Vorsitzender des Kuratoriums) im Gespräch mit Teresa Vogt
    • Georges Aperghis: Migrants - Aria (2020), Uraufführung: 4. Satz aus Migrants für Viola, drei Schlagzeuger und Streicher. Tabea Zimmermann (Viola), Ensemble Resonanz. Leitung: Emilio Pomàrico
    • Bekanntgabe des Ernst von Siemens Musikpreises 2021
    • Benjamin Britten: Lachrymae, op. 48a (1948, orch. 1976). Tabea Zimmermann (Viola), Ensemble Resonanz. Leitung: Emilio Pomàrico

    Die Vergabe der sonst üblichen zusätzlichen Komponisten-Förderpreise fiel 2020 Corona-bedingt aus.

    Eine Kurzfassung des Programmablaufs kann auch direkt auf der Webseite der Stiftung eingesehen werden. Dort gibt es einen zusätzlichen, vielleicht sogar besseren Link zum Internet-Stream der Preisverleihung:
    https://www.evs-musikstiftung.ch/de/preise/prei…verleihung.html

    Tabea Zimmermann ist für mich eine der natürlichsten und sympathischsten Musikerinnen, die ich kenne. Von 2014-2020 hat sie die Beethovenwoche Bonn (nicht zu verwechseln mit dem Beethovenfest Nike Wagners !!!) im Kammermusiksaal des Beethovenhauses ins Leben gerufen und erfolgreich durchgeführt und ist dabei natürlich auch unzählige Male selbst auf der Bühne gestanden. Dort durfte ich sie auch erstmals persönlich kennenlernen. Ich habe sie dann außerdem beim wunderbaren Rosendal Chamber Music Festival in Norwegen erlebt, das von dem Pianisten Leif Ove Andsnes ausgerichtet wird. Da spielte sie 2019 mit Andsnes zusammen u.a. die Violasonate von Shostakovich, "In memoriam Grigori Fried for viola and piano" von Alexander Vustin und wirkte auch beim Klavierquintett von Shostakovich mit.

    Nachfolgend möchte ich noch auf etliche wunderbare Einspielungen Tabea Zimmermanns verweisen, die mir besonders am Herzen liegen:

    Jewish Chamber Music (Stücke von Weprik / Krejn / Gnesin / Gamburg / Bloch)
    mit Jascha Nemtsov (Klavier)

    Tabea Zimmermann & Kirill Gerstein

    Vol. 1:
    Rebecca Clarke: Sonate für Viola & Klavier
    Henri Vieuxtemps: Sonate für Viola & Klavier op. 36
    Johannes Brahms: Sonate für Viola & Klavier op. 120 Nr. 2

    Vol. 2:
    Johannes Brahms: Sonate für Viola & Klavier op. 120 Nr. 1
    Franz Schubert: Arpeggione-Sonate D. 821
    César Franck: Sonate für Viola & Klavier A-Dur


    Besonders eindrucksvoll finde ich die Solo-Einspielungen. Die Cellosonaten von Bach auf der Viola wirken dabei für mich fast noch lebendiger als auf dem Originalinstrument.

    Solo I:
    Max Reger: 3 Suiten op. 131d für Viola solo
    J.S. Bach: Suiten BWV 1007 & 1008 für Viola solo

    Solo II:
    J.S. Bach: Suiten BWV 1009 & 1010 für Viola solo
    György Kurtág: Sings, Games and Messages für Viola solo


    Sie ist jedoch auch nicht südamerikanischen Rhythmen abgeneigt:

    Cantilena, mit Javier Perianes (Klavier)

    Piazzolla: Le Grand Tango
    Montsalvatge: Canciones negras Nr. 1-5
    de Falla: Canciones populares espanolas Nr. 1-7
    Villa-Lobos: Bachiana brasileira Nr. 5 "Aria"
    Casals: En Sourdine; Canco catalana; El Mirali canviant de la Mar blava; El Angel travieso; Tres Estrofas de Amor
    Granados: Tonadillas en un Estlio angiguo
    Albeniz: Tango; Espana

    Und natürlich ist sie vor allem auch eine wichtige Interpretin moderner Musik. Beim Räsonanz-Stifterkonzert 2018 in München spielte sie in phänomenaler Weise das Violakonzert "Filz" von Enno Poppe, das kürzlich auf CD erschienen ist:

    Enno Poppe: Filz
    Tabea Zimmermann, Ensemble Resonanz
    Leitung: Enno Poppe

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    Was ist heute Kunst ? Eine Wallfahrt auf Erbsen. (Thomas Mann, Doktor Faustus, Kap. XXV)

  • Zitat von leverkuehn

    Tabea Zimmermann ist meines Erachtens auf dem Gebiet der Bratsche ein einsamer Solitär

    Lieber leverkuehn, nicht zu vergessen Nils Mönkemeyer, somit ist sie nicht so einsam! ;)

    LG palestrina

    „ Die einzige Instanz, die ich für mich gelten lasse, ist das Urteil meiner Ohren. "
    Oolong

  • u. wer sich über das Medium Film der Künstlerin nähern will: hier eine britische 28min.-Doku v.2006,
    in der man sie auch hebräisch(?) sprechen hört Speaking Notes: Three Movements with Tabea Zimmermann - YouTube

    >selbst auch noch nicht gesehen: bin sehr gespannt- nicht zuletzt, weil ich eine Streichquartett-Version von KV.546 bisher nicht kenne!<

    :wink:

    Das TV gibt mehr 'Unterhaltung' aus, als es hat - in der bürgerl. Gesetzgebung nennt man das 'betrügerischen Bankrott' Werner Schneyder Es ging aus heiterem Himmel um Irgendwas. Ich passte da nicht rein. Die anderen aber auch nicht. FiDi über die Teilnahme an seiner ersten (und letzten) Talkshow

  • Vielen Dank für den neuen Thread @leverkuehn und die Links - ich hoffe ich kann am 15. Juni das Konzert mit Preisverleihung ansehen. Im Moment sieht es aber leider nicht so aus. Vielleioht ist es aber noch länger anzusehen, nicht nur am Abend selber.

  • hebräisch(?)

    Sie war mit David Shallon, dem israelischen Dirigenten verheiratet, der im Jahr 2000 während einer Konzerttournee plötzlich an einem Asthma-Anfall starb.

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    Was ist heute Kunst ? Eine Wallfahrt auf Erbsen. (Thomas Mann, Doktor Faustus, Kap. XXV)

  • Hier Tabea Zimmermann mit dem Viola Konzert von Schnittke, zusammen mit ihrem verstorbenen Mann David Shallon und dem Jerusalem Symphony Orchestra.

    Eine sehr beeindruckende Aufnahme.

  • Oh, danke an (Frau?) Amethyst. Dieser Schnittke reizt mich; eine andere CD mit dem Violakonzert besitze ich.

    (anderes Cover bei mir)

    Den Titel zu diesem erfreulichen Thread finde ich irgendwie merkwürdig ...

    :) Wolfgang

    He who can, does. He who cannot, teaches. He who cannot teach, teaches teaching.

  • Den Titel zu diesem erfreulichen Thread finde ich irgendwie merkwürdig ...

    :) Wolfgang

    Der Titel beruht auf einer eigenen Aussage der Musikerin. Das hatte ich im Eröffnungspost erklärt. Bei Bedarf also bitte bei Tabea Zimmermann beschweren…

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  • Tabea Zimmermann schätze ich auch sehr. Schön zu lesen, dass sich der sympathische Eindruck, den sie vermittelt, auch in persönlichen Begegnungen bestätigt.

    Aufnahmen mit ihr kann man nach meiner Erfahrung bedenkenlos kaufen, da gibt es keine Ausfälle.

    Ergänzend zur Auswahl oben ein paar weitere Einspielungen, die meine Hörerlebnisse der letzten Jahre bereichert haben:

    Sämtliche Werke für Viola von Hindemith. Ganz starke Scheiben!

    Strauss' Don Quixote und Berlioz' Harold en Italie, jeweils mit François Xavier Roth am Pult. Meines Erachtens ebenfalls sehr überzeugend.

  • Tabea Zimmermann schätze ich auch sehr. Schön zu lesen, dass sich der sympathische Eindruck, den sie vermittelt, auch in persönlichen Begegnungen bestätigt.

    unbedingt.

    Aufnahmen mit ihr kann man nach meiner Erfahrung bedenkenlos kaufen, da gibt es keine Ausfälle.

    Das gilt ganz besonders für die Aufnahmen beim Label Myrios Classics, an dessen Gründung sie einen nicht ganz unwesentlichen Anteil hatte. Ich erinnere mich an ein Interview, in dem sie unverblümt Ihrem Ärger darüber Luft gemacht hat, dass die großen Labels glauben, den Musikern aufgrund irgendwelcher Marktbedingungen Vorgaben machen zu müssen.

    Beim Myrios-Chef und begnadeten Tonmeister Stephan Cahen läuft es anders herum, wenngleich ökonomisch nicht ohne Querfinanzierung möglich. Freuen wir uns dass es diese Aufnahmen gibt.

  • Den Titel zu diesem erfreulichen Thread finde ich irgendwie merkwürdig ...

    :) Wolfgang

    Der Titel beruht auf einer eigenen Aussage der Musikerin. Das hatte ich im Eröffnungspost erklärt. Bei Bedarf also bitte bei Tabea Zimmermann beschweren…

    Pardon! :) Den Eröffnungspost hätte ich lesen können, aber Bequemlichkeit und dringliches Mitteilungsbedürfnis gingen halt wieder mal vor.

    Und natürlich das Klischee, das sich nach vorne gedrängt und die notwendige Reflexion erst mal verhindert hat.

    Intelligenterweise sollte man Tabea Zimmermann keine Schnürsenkel draus drehen. Das habe ich schon verstanden.

    :versteck1: :cincinbier: Wolfgang

    He who can, does. He who cannot, teaches. He who cannot teach, teaches teaching.

  • Live habe ich Tabea Zimmermann in Würzburg beim Mozart-Fest 2021 erlebt. Absolut überzeugend. Das Werk von Johann Nepomuk Hummel kannte ich nicht und vermutlich gehört es auch in keine erste Reihe. Aber das macht nun wirklich nichts und spricht eher für als gegen die Interpretin.

    Kaisersaalkonzert | Mainfranken Theater Würzburg

    He who can, does. He who cannot, teaches. He who cannot teach, teaches teaching.

  • Hier eine weitere empfehlenswerte CD, die hier noch nicht verlinkt wurde, dreißig Jahre alt ist und mir seit rund zehn Jahren bekannt. Gespielt wird (die absolute) Standardliteratur der klassischen Moderne im Verein wiederum mit ihrem damaligen und leider längst verstorbenen Ehegatten. Ich wüsste nichts einzuwenden, auch das Orchester erscheint souverän.

    He who can, does. He who cannot, teaches. He who cannot teach, teaches teaching.

  • Diese Scheibe hier höre ich gerade:

    Natürlich steht da die Viola über lange Strecken im Schatten der dominierenden Violine, aber nichts desto trotz finde ich das eine sehr dichte Interpretation dieser selten gespielten Stücke (zumindest, was Mozart angeht. Spohr kenne ich noch nicht)

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    Was ist heute Kunst ? Eine Wallfahrt auf Erbsen. (Thomas Mann, Doktor Faustus, Kap. XXV)

  • Mit Antje Weithaas, Daniel Sepec und Jean-Guihen Queyras hat Tabea Zimmermann auch ein formidables Streichquartett gegründet, das Arcanto Quartett. Beispielhaft sei ihre Bartók-Einspielung erwähnt.

  • Diese Scheibe hier höre ich gerade:

    Natürlich steht da die Viola über lange Strecken im Schatten der dominierenden Violine, aber nichts desto trotz finde ich das eine sehr dichte Interpretation dieser selten gespielten Stücke (zumindest, was Mozart angeht. Spohr kenne ich noch nicht)

    hatte ich ganz vergessen !!! Die ist super !!!

  • Mit Antje Weithaas, Daniel Sepec und Jean-Guihen Queyras hat Tabea Zimmermann auch ein formidables Streichquartett gegründet, das Arcanto Quartett. Beispielhaft sei ihre Bartók-Einspielung erwähnt.

    Ich habe das Quartett vor etlichen Jahren im Salzburger Mozarteum u.a. mit Schuberts G-Dur D887 gehört. Das war atemberaubend.

    Aber leider hat sich das Quartett leider wieder aufgelöst…

    Bei der Beethovenwoche 2020 (vier Wochen vor dem Lockdown!!) spielte sie mit Sepec und Queyras zusammen das Streichtrio op. 9/1 von Beethoven. Damals sprach ich danach kurz mit ihr und hatte immer gehofft, dass die Trios komplett von den Dreien aufgenommen werden. Aber vielleicht hatte ich es auch falsch verstanden oder die Pandemie hat das Projekt zerschossen.

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    Was ist heute Kunst ? Eine Wallfahrt auf Erbsen. (Thomas Mann, Doktor Faustus, Kap. XXV)

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