Don Giovanni in Salzburg

  • Danke! Die letzten beiden Sätze sind alleine schon das Lesen wert.

    Gruß
    MB

    :wink:

    "Den Geschmack kann man nicht am Mittelgut bilden, sondern nur am Allervorzüglichsten." - Johann Wolfgang von Goethe

  • Ein profunder Verriss:

    In der Armseligkeit seiner Bedürfnisse applaudierte ein Publikum Leistungen, die nicht einmal entfernt an die Hausmannskost des Wiener Staatsopern-Repertoires des letzten Dezenniums heranreichten. Es sei. — Doch daß kritische Beobachter solches ohne unmiß­verständ­liche Widerworte hinnahmen?


    Der Link zur gesamten Rezension:

    Des Kaisers neue Kleider.


    Gruß
    Josquin

  • Streitbar ist die Rezension im "Merker" allemal, und da die Produktion inzwischen ja auch als Videoaufzeichnung im Netz verfügbar ist, könnte sie uns hier dazu einladen, hörend und schauend in Auseinandersetzung mit dem Text selbst eine Meinung zu bilden. Viel über Wert und Unwert von Rezensionen verrät aber schon der Vergleich der beiden bisher hier verlinkten Zeitungsberichte.

    Thomas Prochazka schreibt im "Merker":
    "Darstellerisch entsprach Spyres’ Don Ottavio jenem Bild des Schwächlings, wie wir es aus ungezählten Produktionen kennen. Nichts Neues also auch an dieser Front. Leider entpuppte sich des Tenors vokales Tun als ebenso leichtgewichtig: Für die hohen ›g‹ — z.B. in »Dalla sua pace« mußte er ins falsetto wechseln, bei tiefen Tönen »nachdrücken«. Innerhalb von Phrasen wechselte die Stimme wiederholte Male ihre Farbe, klang unfrei. Artifiziell. »Il mio tesoro intanto« offenbarte neben größeren Schwierigkeiten beim legato enge Höhen (die doch die technische Meisterschaft des Sängers herausstellen sollten). Warum fiorituri einlegen, die bis zum hohen ›c‹ gehen und das ganze Elend hörbar machen?"

    Jürgen Kesting - ja nun nicht gerade ein Niemand, wenn es um Sänger geht - schreibt in der FAZ:
    "Don Ottavio erscheint mal kostümiert wie ein Schulbube, mal gewandet in einen üppigen weißen Mantel, dessen Faltenwurf er nicht bändigen kann; mal begleitet von einem kleinen, mal mit einem altmodisch geschorenen großen Pudel. Er ist der zum Männlein gewordene Held von gestern, der zu einer Lanze der Rache greift wie zu einem Requisit, aber auch von innig-keuschen Gefühlen schmachtet – und dies dank des Tenors Michael Spyres in erlesener Form. Vom Typus her ist der amerikanische Sänger ein „baritenore“ mit einer weichen, dunkel mattierten Stimme, die in der hohen Lage, vor allem beim Einsatz der Halbstimme, leuchtet wie Mondeslicht. Makellos der Quint­sprung in der Phrase zwischen „Dalla sua pace – la mia dipende“ und die harmonische Rückung am Ende der Arie, brillant die Ausführung des endlos langen Melisma zwischen den Strophen von „Il mio tesoro“ auf einem Atem. Dass er beide Arien singen durfte, widerspricht der Ankündigung des Regisseurs, man halte sich an die Prager Fassung, ebenso wie die Inklusion der für Wien geschriebenen letzten Szene".

    Ich liebe Wagners Musik mehr als irgendeine andre. Sie ist so laut, daß man sich die ganze Zeit unterhalten kann, ohne daß andre Menschen hören, was man sagt. - Oscar Wilde

  • Ich habe mir gestern die ganze Live-Übertragung auf Arte angeschaut, v.a. wegen der Inszenierung, weil ich Castelluccis 'Salome' aus Salzburg einfach sensationell fand.

    Nun, als sensationell habe ich den 'Giovanni' nicht empfunden. Was mich grundsätzlich an einer modernen Regie anspricht, sind Bilder, Symbole, Bewegungen, die mächtig und rätselhaft sind, die ich versuchen kann, für mich zu entschlüsseln, bei denen mir aber auch klar ist, dass es nicht klappen wird. Und wenn, wird es in der nächsten besuchten Aufführung schon wieder ganz anders aussehen. Ich möchte keine klaren, eindeutigen Aussagen, möchte nicht zu Ende kommen mit meinen eigenen Assoziationen und Empfindungen.

    Von daher finde ich den Ansatz Castelluccis zunächst einmal äußerst spannend. Und über weite Strecken habe ich das gestern auch wiedergefunden. Aber leider nicht in Gänze (wie bei der Salome). Manches fand ich grandios, wirklich bezwingend, v.a. im 1. Akt, wohingegen der 2. Akt für mich größtenteils sehr abfiel. Nun mag die Wirkung live im Festspielhaus noch eine ganz andere sein, bedenkt man die Riesenbühne und die Gesamtsicht, die man als Zuschauer hat, während man am TV zu häufig nur einen Bildausschnitt serviert bekommt. Was also die von den beiden, äh, ich bleib mal neutral, Moderatorinnen ständig benutzte Formel der Bildermacht, Bildergewalt angeht, bin ich eher zwiegespalten.

    Das gilt nun auch für die Inszenierung selber. Vieles an Personencharakterisierungen war mir zu konventionell. Schön eigentlich die Spiegelungen gerade bei Giovanni und Leporello, aber auch da eher in Richtung eines klassischen Bildes dieser Beziehung. Das gilt auch für Elvira, Masetto oder den Komtur. Zerlina war da schon interessanter, aber v.a. Anna und Ottavio. Gerade letzterer war mit seinem völlig falschen Selbstbild und seinen diversen Unfähigkeiten grandios von der Regie herausgearbeitet. Gewünscht hätte ich mir mehr unkonventionelle, gewagtere Querverbindungen zwischen den einzelnen Personen, aber, wie gesagt, das Gezeigte empfand ich als relativ konventionell.

    Die musikalische Seite. Bis auf wenige Ausnahmen hat sie mich eigentlich am meisten enttäuscht. Gar nicht einmal, dass die Beteiligten schlecht gewesen wären, nein, aber sie wirkten größtenteils ein wenig hilflos. Hilflos, weil sie gegen diese überdimensionalen Bühnenbilder ansingen mussten. Gerade der Giovanni braucht da für mein Empfinden eine ganz andere Persönlichkeit, nur gut aussehen und so auch zu singen, reicht da nicht. Ähnlich beim Leporello. Beide sangen anständig, aber eigentlich nicht so, dass es einen gepackt hätte. Was auch für die Elvira gilt. Hier hätte ich mir einfach mehr Akzente, Betonungen in ihren Arien gewünscht. Das floss alles zu sehr nett dahin. Ganz anders die Anna, die mich ständig an Elettra aus dem Idomeneo erinnerte. In ihrer Arie im 2. Akt konnte sie das nicht ganz einhalten, aber insgesamt fand ich sie begeisternd. Das gilt auch für die Zerlina. Gerade ihre beiden Arien sind für mich in der Regel wahre 'Showstopper', weil ich sie schon so oft so trutschig und altbacken gehört habe. Hier freute ich mich direkt darauf, einerseits wegen dieser schönen, wirklich gut geführten Stimme, andererseits wegen ihrer Ausdrucksfähigkeit. Auch der Masetto war gut, wobei ich wohl noch nie einen richtig schlechten gehört habe. Irgendwie geht er aber auch immer ein wenig unter. Sensationell fand ich den Ottavio. Gerade in seiner ersten Arie zeigte er solche ein delikates Singen, solch eine technische Beherrschung der Mittel, dass ich gerne auf Wiederholung gedrückt hätte.

    Currentzis fand ich durchaus spannend, aber auch er kam, für mein Empfinden, nicht gegen diese Bühne an, sondern ging ein wenig unter. Spannend und interessant, musikalische Freiheiten - geschenkt, aber warum diese oftmals sehr auseinandergezogenen Rezitative? Was natürlich auch auf Kosten der Regie geht, aber dem musikalischen Fluss diente es nicht unbedingt. Jedenfalls hatte ich beim Dirigenten nicht das Gefühl der Selbstinszenierung, des Gewollten, des 'now its showtime'. Man müsste einmal nur die Tonspur hören, dann wäre es eine richtig dichte, gute Aufführung.

    Übrigens und abschließend, ich habe die Bezeichnung 'Dramma giocoso' noch nie so gut verstanden wie bei dieser Inszenierung.

    :wink: Wolfram

    "Wieder versuchen. Wieder scheitern. Besser scheitern." (Samuel Beckett)

    "Rage, rage against the dying of the light" (Dylan Thomas)

  • Für die hohen ›g‹ — z.B. in »Dalla sua pace« mußte er ins falsetto wechseln,

    Er würde nicht sagen, er musste, sondern er sollte. Und dass er das kann - Hut ab!

    offenbarte neben größeren Schwierigkeiten beim legato

    Probleme mit dem Legato hatten v.a. die anderen Sänger. Insgesamt würde ich mich eher der Meinung Kestings anschließen. Man darf grundsätzlich auch nie vergessen, was Unfähigkeit/Fähigkeit der Sänger ist und was auf Kosten der musikalischen Einstudierung geht.

    Einerseits war dieser Ottavio wieder der übliche Schwächling (und dann passt wirklich das 'falsetto' besser), andererseits wurde seine Schwachsein aber von der Regie nicht einfach nur gesetzt, sondern auch wunderbar und einleuchtend erklärt.

    :wink: Wolfram

    "Wieder versuchen. Wieder scheitern. Besser scheitern." (Samuel Beckett)

    "Rage, rage against the dying of the light" (Dylan Thomas)

  • Einerseits war dieser Ottavio wieder der übliche Schwächling

    Ich verstehe euer Problem nicht. Ottavio ist nun mal ein Schwächling. Ist ganz klar erkennbar, da gibt es nichts zu diskutieren.

    Die Regie kann das zwar ändern (künstlerische Freiheit), aber wenn sie ist nicht tut, ist eine Kritik unangebracht. Da müsste man Da Ponte und Mozart kritisieren. Aber wozu?


    Thomas

  • Ich verstehe euer Problem nicht. Ottavio ist nun mal ein Schwächling. Ist ganz klar erkennbar, da gibt es nichts zu diskutieren.
    Die Regie kann das zwar ändern (künstlerische Freiheit), aber wenn sie ist nicht tut, ist eine Kritik unangebracht. Da müsste man Da Ponte und Mozart kritisieren. Aber wozu?


    Thomas

    Ich weiß nicht, warum du eine schlichte Feststellung als Kritik verstehst. Übrigens gab es schon in den 60iger Jahren Tendenzen, das anders zu sehen. Kein Jahrzehnt, das sich unbedingt gegen vermeintliche Ideen von Komponisten 'versündigt' hat. Es kann also durchaus auch anders gehen. Was ja immerhin interessant wäre.

    :wink: Wolfram

    "Wieder versuchen. Wieder scheitern. Besser scheitern." (Samuel Beckett)

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  • Zitat von Jürgen Kesting

    Dass er beide Arien singen durfte, widerspricht der Ankündigung des Regisseurs, man halte sich an die Prager Fassung, ebenso wie die Inklusion der für Wien geschriebenen letzten Szene".

    Wenn Kesting über etwas anderes als Stimmen spricht (und selbst dann) ist er nur bedingt vertrauenswürdig.
    Es ist Tatsache, dass Dalla sua pace nicht zur Prager Fassung gehört, die letzte Szene aber doch. Was für Wien auch komponiert wurde, ist aber Elviras Mi tradì quell'alma ingrata, die in Salzburg gesungen wurde.
    Insomma hat man sich nicht "an die Prager Fassung gehalten", sondern die ganz übliche Mischfassung aufgeführt.

    Alles, wie immer, IMHO.

  • Zwei Stimmen aus der Schweiz.
    Der Blog des Musikkritikers Peter Hagmann:
    "Mozarts Oper als hinreissendes Gesamtkunstwerk bei den Salzburger Festspielen"
    http://www.peterhagmann.com/?p=3133

    und die Kritik aus der NZZ:
    "Zu Mozarts «Don Giovanni» produzieren Teodor Currentzis und Romeo Castellucci einen beispiellosen Klang- und Bilderrausch. Das ist des Guten zu viel, aber es wühlt auf – und am Ende schlägt das andere Geschlecht zurück."
    https://www.nzz.ch/feuilleton/sal…chen-ld.1636704

    :wink: Talestri

    One word is sufficient. But if one cannot find it?

    Virginia Woolf, Jacob's Room

  • Nun wieder zu Hause, blicke ich zurück. Eigentlich ist Salzburg fast nur noch Show. Schranke für die Gewöhnlichen sind die teuren Tickets. Erstaunt war ich ich, die eher für Seichtes bekannte, Lispel-Moderatorin Katja Burkard bei der Giovanni-Premiere zu sehen. Doch meine Begleitung meint, der Gottschalk kommt hier auch öfters her. Dann kam die Currentzis-Show. Das gefiel dem Publikum. So konnte der Heilsbringer mit hochgehobenen Kinn von Dannen spazieren. Es fiel mir erst bei dem Holender-Interview auf. Famos gelobt erhebt er scheinbar (und ohne eine Wimper zu zucken) immer sein Kinn. Hoffentlich erhält sich TC doch ein wenig Bescheidenheit.

    Gruß
    Josquin

  • Ich habe mir eben auch diesen Don Giovanni auf arte angesehen und schliesse mich im Grossen und Ganzen Wolframs Bericht (oben Nr 6) an.
    Zu Donna Anna (Nadezhda Pavolva) möchte ich ergänzen, dass sie zwar mMn eindeutig hervorragend singen kann, aber leider für mich zu oft meine meistgehassten Unarten bringt, sodass ihr Gesang für mich an vielen Stellen ungeniessbar ist. Die Unarten, wie schon an anderen Stellen hier im Forum beschrieben: viel zu oft völlig zufällig bestimmt ohne Vibrato; dann keine durchgängige Linie, sondern innerhalb eines Legatos eine Note laut, die nächste leise, eine mit Vibrato , eine ohne, ganz nach Belieben; dann ein künstliches Piano ohne Substanz, zB am Ende, nach Don Giovannis Tod zu hören. Diese Art Piano hört man neuerdings öfter und es kommt mir vor, als sei es irgendwie in Mode gekommen - ob es der letzte Schrei (pardon the pun) unter Sänger ist ? Es ist eine Art Anti-Ausdruck, der seinen Vertretern wohl besonders expressiv vorkommt, mich aber nur irritiert, weil ich mich um die Schönheit der Stimme, die Pavlova eindeutig hat, betrogen fühle - und damit um die Schönheit der Musik.

    Die Inszenierung hatte interessante Aspekte, aber eigentlich bin ich hilflos dabei. Gut, der Aspekt des Don Giovanni als Anarchisten war leicht zu erkennen. Aber war es insgesamt reisserisch billig oder tiefschürfend ?

    Ich bin ebenso hilflos bei Currentzis. Einerseits fand ich das, was aus dem Graben zu hören war, sehr gut. Andererseits frage ich mich, wieso das Dissonanzen Quartett unbedingt dabei sein musste und allerhand andere kleine Extras. Denn ich bin mir nicht sicher, ob sie wirkich "added value" darstellten und absolut unabdingbar für die Darbietung des Kunstwerk waren, was an dem Abend eigentlich Mozarts Don Giovanni sein sollte. Aber das ist eine endlose Diskussion. Zoran fand es insgesamt beeindruckender als den Giovanni, den wir uns im Juni hier in London in der Oper angesehen haben. Das würde ich nicht sagen, denn der Gesang war hier in London sehr viel mehr nach meinem Geschmack.

  • Einerseits fand ich das, was aus dem Graben zu hören war, sehr gut.

    Kommt es, was den Dirigenten und die von ihm verantwortete Orchesterleistung angeht, auf irgendetwas anderes an? Im Currentzis-Faden habe ich mich ja schon über einen Verriss eines Rezensenten ausgelassen, der "das künstlerische, klangliche Ergebnis" von Currentzis bei den diesjährigen Salzburger Festspielen ausdrücklich als „sensationell gut“ bezeichnete. Um dann zahlreiche "Aber" folgen zu lassen. Als ob es auf die bei einer "sensationell guten" künstlerischen Leistung des Dirigenten und seines Ensembles ankäme.

    «Denn Du bist, was Du isst»
    (Rammstein)

  • Kommt es, was den Dirigenten und die von ihm verantwortete Orchesterleistung angeht, auf irgendetwas anderes an?.....

    So gefragt kann ich auch nur sagen, nein, es kommt auf nichts anderes an.
    Vielleicht ist es interessant noch ein paar zusätzliche Worte darüber zu verlieren. Mein persönliches "Aber", oder meine Unsicherheit beziehen sich auch nur auf diesen Don Giovanni. Ich möchte von hier aus über Currentzis generelles Schaffen keine Rückschlüsse ziehen.
    Zum Don Giovanni aber nun: Ausser dem, was aus dem Graben kam, stelle ich mir vor, dass Currentzis zB auch Einfluss auf den Ausdruck und die musikalische Zeichnung der Solisten gehabt haben muss. Und hier war ich sehr enttäuscht von Pavlova, wie ich schrieb, die mMn viel Grösseres mit ihrer Stimme hätte anfangen können. Ich muss mir mal anderes von ihr anhören. Aber diese Art von ausdruckslosem Piano und die Unregelmässigkeiten, die ich beschrieb, haben eventuell etwas mit Currentzis musikalischer Vorstellung dieser Rolle zu tun. Aber da kann ich mich natürlich irren. Und so entsteht also meine erste Unsicherheit oder mein erstes "Aber" gegenüber Currentzis. Ich gebe zu, dass so eine Zeichnung von Donna Anna, also mit Unregelmässigkeiten und wenig Leidenschaft für Ottavio keine schlechte Idee ist - aber darf man um einer Idee willen Mozarts herrliche Gesangslinien so derartig zerstören, dass sie ungeniessbar werden ? (mag nicht jeder so empfunden haben, ist klar) Ich kann diese Frage im Moment nicht beantworten und hadere mit mir selber darüber. Das ist also meine erste Unsicherheit und wahrscheinlich gibt es derartige noch mehr, also bezogen auf den Ausdruck der Sänger.

    Dann kann ich mich einfach nicht davon lösen - und vielleicht ist das mein Denkfehler - , dass Mozart eine Partitur hinterlassen hat, die man nun hier glaubte ergänzen zu müssen. Das ist eine alte und abgelaberte Diskussion, die ich gar nicht wieder anfangen will, aber, und hier ist es schon, das Aber: mich haben die modernisierten Rezitative und die Ergänzungen abgelenkt. Ich bin auch gar kein Puritaner :D oder so . Mich bewegt nur die Frage: hat die Freizügigkeit mir etwas gebracht, was ich sonst innerhalb dieser Inszenierung nicht hätte haben können? Oder hat sie eventuell den Wert und die Aussagekraft dieser Inszenierung vermindert? Ich neige heute morgen dazu zu sagen, dass sie den Wert vermindert hat, weil sie die ganze Sache trivialisiert hat. Es trug zu meinem allgemeinen Eindruck bei, dass die Inszenierung hauptsächlich reisserisch und billig war. Wer hat aber nun diese musikalischen Ergänzungen abgesegnet? Doch sicher auch Currentzis? Und so frage ich mich, was er eigentlich wollte. Wie tief gehen die Dinge bei ihm? Sollen sie gar nicht tief gehen? Ist das von ihm beabsichtigt? Eine Art Simillimum für das menschliche Dasein in unserer Zeit? Das wäre dann ja wieder sehr clever......wie gesagt, ich bin unsicher.

    So meine Gedanken ....

  • weil sie die ganze Sache trivialisiert hat.

    Nachtrag: die konkrteten Modernisierungen und Ergänzungen klangen für mein Ohr, gemessen an Original Mozart, trivial und billig.
    Ich meinte nicht, dass ergänzen oder modernisieren an sich trivial oder billig ist.

    PS: und da stellt sich eben wieder genau dieselbe Frage, die ich schon oben äusserte: ist dieser Effekt etwa beabsichtigt?

  • Kommt es, was den Dirigenten und die von ihm verantwortete Orchesterleistung angeht, auf irgendetwas anderes an? Im Currentzis-Faden habe ich mich ja schon über einen Verriss eines Rezensenten ausgelassen, der "das künstlerische, klangliche Ergebnis" von Currentzis bei den diesjährigen Salzburger Festspielen ausdrücklich als „sensationell gut“ bezeichnete. Um dann zahlreiche "Aber" folgen zu lassen. Als ob es auf die bei einer "sensationell guten" künstlerischen Leistung des Dirigenten und seines Ensembles ankäme.

    Naja, ja und nein. Einerseits ist das Ergebnis im Graben tatsächlich das primäre Qualitätsmerkmal. Dann kommt aber ein großes Aber: wenn durch den Dirigenten Einschübe, Verfremdungen bzw. Performance-artige Einlagen hinzugefügt werden, dann ist das sehr wohl etwas das man kritiseren oder ablehnen kann, weil der Dirigent das zu verantworten hat. Das kann man geglückt und mal weniger geglückt sein. Aber wenn ich als Hörer in der Oper das Quartett als Einschub ablehne, dann wird für mich als Publikum das Erlebnis geschmälert und ich kann mir denken, was soll das? Auch die Aufsteherei die Currentzis immer wieder mal mitten im Stück macht (ich glaube u.a. bei Schosta 7) ist ein Gimmick, den man gut oder schlecht finden kann. Nachdem das ja keine Nebensächlichkeiten sind, die sich vielleicht aus dem Ablauf der Aufführungen ergeben, sondern bewusst eingebaut werden, ist das natürlich etwas was Teil der Aufführung ist und daher in die Beurteilung des Erlebnisses einfließt.

    Letztlich ist das nichts anderes wie die ewige Regietheater-Diskussion, was darf ein Regisseur mit einem Werk machen und was nicht. Currentzis sticht da ein bisschen heraus, weil die wenigstens Dirigenten solche Einschübe in der Praxis machen. Gielen hat "Ein Überlebender aus Warschau" mit Beethovens 9. kombiniert.

    Wenn ich F10 auf meinem Computer drücke, schweigt er. Wie passend...

  • Letztlich ist das nichts anderes wie die ewige Regietheater-Diskussion, was darf ein Regisseur mit einem Werk machen und was nicht. Currentzis sticht da ein bisschen heraus, weil die wenigstens Dirigenten solche Einschübe in der Praxis machen. Gielen hat "Ein Überlebender aus Warschau" mit Beethovens 9. kombiniert.

    Genau. Hier zuhause haben wir dann noch gesagt, dass er einfach einen Film machen sollte, oder meinetwegen einen Theaterabend konzipieren, in dem er zusammen mit einem Regisseur seinen Ideen, die ja nicht unbedingt schlecht sind, freien Lauf lässt. Dann muss er das Ding aber anders nennen, wie zB Currentzis/xxxx Don Giovanni, based on Mozart's Opera. Oder so. Fände ich persönlich ein interessantes Projekt.
    Ich bin ja wirklich eher offen gegenüber freizügigen Inszenierugen, aber irgendwann ist der Punkt erreicht, an dem auch ich mich frage, ob ich es riskieren kann, mir 2 Eintrittskarten im Parkett zu besorgen. Alles gesagt, einmal würde ich Currentzis doch gerne mal live erleben.

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