Enrico Caruso - der Mythos

  • Enrico Caruso - der Mythos

    Enrico Caruso *25.02.1873 in Neapel - 02.08.1921 ebenda.

    Als ich geboren wurde, lebten noch haufenweise Menschen, die ihn live erlebt hatten, auch bei seinen regelmäßigen Auftritten an der Hamburgischen Staatsoper. Heute nun jährt sich sein Todestag zum 100. Mal und immer noch ist er ein Mythos. Caruso gelang etwas sehr Seltenes, nämlich ein Synonym für seinen ganzen Berufszweig zu werden. Einstein fällt mir da noch ein, vielleicht Chaplin, Sherlock Holmes jedenfalls. ^^

    Aus ärmlichen Verhältnissen aus Neapel stammend, gelang es ihm, ein 'Dauerbrenner' an der MET zu werden, durch ausgedehnte Reisen seine Kunst in alle Welt zu bringen und durch sehr frühe Schallplattenaufnahmen (ab 1902) nicht nur seinen Ruhm zu steigern, sondern auch ein neues Medium zu etablieren.

    Schon zu Lebzeiten war er eine Legende, der 'Ritter vom hohen C'. Neben den täglichen zwei Schachteln Zigaretten war es sicherlich auch der eigene Ruhm, dem er abendlich nachzujagen hatte und dem er konstitutionell nicht mehr nachkommen konnte, was zu seinem relativ frühen Tod beitrug. Immer beweisen zu müssen, das man der Beste ist, dass einem alles, wofür das Publikum in seine Aufführungen und Konzerte strömte, noch zur Verfügung hatte - auch z.B. Callas ging (u.a.) daran kaputt.
    Caruso verfügte über einen baritonal gefärbten Tenor mit ausladender, kräftiger und (zunächst) sicherer Höhe. Zudem besaß er eine der schönsten Tenorstimmen überhaupt, die bei ihm aber nicht nur auf dem Glanz seines Timbres beruhte, sondern aus dem Zusammenklang von Stimmklang und Ausdrucksfähigkeit. Dabei muss er aber über ein Timbre verfügt haben, dass Hörer sofort für ihn einnahm. Und auch heute, 100 Jahre nach seinem Tode, verfalle ich diesem Klang, dieser Selbstverständlichkeit des Singens sofort, egal ob er in Passagen eher altertümlich klingt. Sein Repertoire war dabei weitgespannt, deckte aber v.a. die klassischen Werke des italienischen Opernrepertoires zuzüglich neapolitanischer Lieder ab.

    Carusos Karriere fiel in eine musikalisch interessante Zeit. Der schon von Verdi 'aufgeweichte' klassische Belcanto trat immer mehr in den Hintergrund und der 'Verismo' wurde die bestimmende Kunst- und auch Stilrichtung in Italien. Das spiegelt sich im Gesang und in seinen Interpretationen auch wieder. War sein Stil zunächst noch vom Belcanto geprägt, reduzierte er stilistisch später die entsprechenden Rollen immer stärker in Richtung des Verismo und war dadurch durchaus ein 'trendsetter', entsprach damit genau dem Stil seiner Zeit, was sicherlich auch zu seiner unglaublichen Popularität beigetragen hat. Die Menschen verstanden ihn und die von ihm interpretierten Rollen, auch ohne große musikalische Vorbildung.

    Warum ist Caruso heute noch der Opernsänger schlechthin? Ich weiß es nicht. Ich kann nur von mir sprechen. Natürlich ist da die Legatokultur, die Expression, die Diktion, die scheinbar völlig selbstverständliche Phrasierung, die aufregende Höhe usw. Aber das ist natürlich nur ein ein Teil seiner Faszination. Vor langen, langen Jahren, als man noch in Schallplattengeschäften LP's zum Anhören sich auflegen lassen konnte, hörte ich eine mit Caruso und wäre fast in Tränen ausgebrochen. Es war wohl die Schönheit dieser Kunst, die eine Summe ganz vieler Faktoren ist, die mich so umhaute und immer noch zutiefst trifft. Er muss in mir und in so vielen anderen einen ganz bestimmten Nerv getroffen haben, eine Sehnsucht, vielleicht ein Versprechen, dass man nicht mehr rational erklären kann.

    :wink: Wolfram

    "Wieder versuchen. Wieder scheitern. Besser scheitern." (Samuel Beckett)

    "Rage, rage against the dying of the light" (Dylan Thomas)

  • Zeitbedingt gibt es natürlich keine Gesamtaufnahmen mit Caruso, nur unendlich viele Arien. Von daher ist dieser Überblick vielleicht ein lohnender Einstieg.

    Ein Überblick über seine Aufnahmen von 1904 bis 1920.

    :wink: Wolfram

    "Wieder versuchen. Wieder scheitern. Besser scheitern." (Samuel Beckett)

    "Rage, rage against the dying of the light" (Dylan Thomas)

  • Ein Überblick über seine Aufnahmen von 1904 bis 1920.

    Das ist annähernd die komplette Diskographie aller seiner Aufnahmen (Victor komplett). Es fehlen nur die frühen Aufnahmen von 1902-1903 (G&T, Zonophone, Pathé - insgesamt 30 Seiten).


    Die alte Box von RCA Victor umfaßte auch die frühen Aufnahmen:


    ACHTUNG: die Erstausgabe von 1990 hatte Bronzingprobleme - es gab aber auch eine spätere Pressung, die in Ordnung war. Die anfälligen CDs haben das RCA Victor-Logo in ROT draufgedruckt - die intakten CDs dagegen in SCHWARZ.


    Wer sicher gehen will, nimmt einfach die Naxos-Box:


    Remastering: Ward Marston

    Die CDs darinnen sind auch einzeln erhältlich.

    "Interpretation ist mein Gemüse." Hudebux

    "Derjenige, der zum ersten Mal anstatt eines Speeres ein Schimpfwort benutzte, war der Begründer der Zivilisation." Jean Paul

    "Manchmal sind drei Punkte auch nur einfach drei Punkte..." jd

  • Schon zu Lebzeiten war er eine Legende, der 'Ritter vom hohen C'.

    Wobei er ja gerade KEIN "Ritter vom hohen C" war, die Vollhöhe war immer sein schwacher Punkt. Aber er hatte ene Stimme, die für das Grammophon ideal geeignet war (das berühmte Diktum von Fred Gaisberg "Caruso made the grammophone - and the grammophone made him") ; er war einer der letzten Tenöre, der mit einer ganzen Reihe bedeutender Komponisten unmittelbar zusammenarbeiten konnte und die Partien nicht zuletzt im Hinblick auf ihn schrieben (ein Jammer, daß es keine Ausschnitte aus "Fanciulla del West" mit ihm gibt)

    “There’s no point in being grown up if you can’t act a little childish sometimes” (Doctor Who, der Vierte Doktor)

  • Wobei er ja gerade KEIN "Ritter vom hohen C" war,

    Aber das war natürlich das, was ihm und seinem Ruf vorauseilte und gegen das er dann immer mehr ansingen musste. Vielleicht ein frühes Opfer der Vermarktung, bzw. der falschen Erwartung, die ein neu aufkommendes Medium weckte.

    :wink: Wolfram

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