Josquin Desprez - Ein Fürst unter den Komponisten
Es ist nun 500 Jahre her, daß Josquin Desprez verstarb. Er hatte seinen Lebensabend in Condé-sur-l'Escaut verbracht, einer kleinen Stadt am Zusammenfluß von Henne und Schelde. Sein Tod wurde wohl in allen musikalischen Zentren Europas betrauert, war er doch der berühmteste und verehrteste aller Tonsetzer seiner Zeit. Seine knapp zwanzig Messen und gut sechzig Motetten, die vielen Messesätze und Chansons begründeten seinen Ruhm, und seine Werke gehörten damals zu den am Meisten verbreitetsten in Europa. Er war auch der erste Komponist, dem ein ganzer Druck nur seinen Stücken gewidmet wurde, was damals nicht üblich war.
Man weiß nicht ganz genau, wann und wo er zur Welt kam, aber die Vermutung liegt nahe, daß er aus der Picardie (Nordfrankreich) stammte - die Umgebung von Saint-Quentin gilt zur Zeit als der wahrscheinlichste Geburtsort; geboren wurde er zwischen 1450 und 1455. Sein Name war eigentlich Jossequin Lebloitte dit Desprez; häufig aber wurde er später einfach Josquin genannt.
Über seine Kinder- und Jugendzeit ist wenig bekannt. Er war als Chorknabe an der Kollegiatkirche von Saint-Quentin, doch weitere Angaben zur musikalischen und geistlichen Ausbildung sind nicht vorhanden. Im Jahre 1466 wird er in einem Testament erwähnt, welches aufgrund des Todes seines Vaters aufgesetzt wurde. Aber erst 1477 gibt es einen Beleg über eine Anstellung: er war Sänger in der Hofkapelle von René von Anjou. Nach dessem Tod 1480 wechselte er zu jener von Ludwig XI. von Frankreich und war somit in einem musikalischen Zentrum höchster Güte. Zu dem Zeitpunkt hatte er sich eine enorme Reputation aufgebaut, die sicher auch das Komponieren beinhaltete. Kontakte zu Jean Mouton, Loyset Compére und besonders zu Johannes Ockeghem werden bestanden haben, und sein Ruf eilte ihm weiter voraus.
Um 1484 ging er nach Italien in die Dienste von Kardinal Ascanio Sforza; als dieser nach Rom übersiedelte, bekam Josquin die Gelegenheit, in der päpstlichen Kapelle mitzuwirken - in den Jahren 1489 bis 1494 war er dort festes Mitglied. Nach vielen weiteren Anstellungen gelangte er 1503 in die Dienste von Herzog Ercole I. d'Este in Ferrara. Dort blieb er auch nur ein knappes Jahr als Kappelmeister - es ist gut möglich, daß er vor der Pest floh, die damals in Ferrara wütete.
Sein Weg führte ihn zurück in die Heimat, nach Condé-sur-l'Escaut. Am 03. Mai 1504 erreichte er die Stadt und nahm den Posten als Propst der dortigen Kollegiatkirche auf. Damit hatte er eine hohe Verwaltungsstelle inne, die er bis zu seinem Tod ausübte. In den dreißig Jahren zuvor hatte er verschiedene Stellungen innegehabt, war unglaublich viel gereist, viele Briefe geschrieben und viele Verhandlungen geführt. Nun blieb er trotz verschiedener Bemühungen ihn abzuwerben nur noch in Condé, regelte seinen Nachlaß und machte sein Testament.
Als er am 27. August 1521 verstarb, wurde er vor dem Hochaltar in der Kollegiatkirche beigesetzt; sein Grab verschwand mitsamt der Kirche, als im Jahre 1793 während der Französischen Revolution ein Heer von Briten und Österreichern die Stadt belagerte und einnahm. In seinem Testament bestimmte er, daß regelmäßige Gedächtnisgottesdienste ihm zu Ehren abgehalten werden sollten, die aus seinen vererbten Besitztümern finanziert wurden.
Josquin hatte in seinem Leben viel erreicht, und sein Nachruhm hielt bis ins 17. Jahrhundert hinein; erst mit Beginn des Barockzeitalters verschwand sein Name wie der vieler anderer Komponisten der Frankoflämischen Schule hinter denjenigen Palestrinas, dessen vollendete Technik alles übertünchte. Im 18. und 19. Jahrhundert war er nahezu vergessen. Erst im 20. Jahrhundert stieg seine Reputation wieder, als Musikhistoriker alte Quellen erschlossen und seine Bedeutung erkannten. Heute gilt er als der bedeutendste Komponist seiner Zeit, der wichtige Impulse besonders in Italien weitergab und damit die weitere Musikentwicklung beeinflußte.
So möchte ich an einen großen Komponisten erinnern, der seine Kunst einfallsreich und gekonnt einsetzte, der eine reiche Musik schrieb, die eine Finesse und Tiefe besitzt wie selten anderes. In unserer heutigen Zeit ist es schwer, ihre Einmaligkeit deutlich zu machen, weil sich die Hörgewohnheiten sowie die kompositorischen Schwerpunkte immens verlagert haben. Man braucht Zeit, um sie zu verinnerlichen, aber irgendwann kommt der Punkt, an dem man eintaucht in eine Welt voller Form und Phantasie.