Michael Spyres - zwischen den Stühlen
Michael Spyres *1980 in Mansfield, Missoure, USA
Michael Spyres debütierte 2006 in Neapel als Jacquino in Beethovens Fidelio, wurde dann 2008/09 Emseblemitglied an der Deutschen Oper in Berlin, debütierte aber zur selben Zeit schon in Mailand, London und New York. Seine internationale Karriere nahm seit der Zeit immer mehr an Fahrt auf.
Schwerpunkte seines Repertoires waren zunächst v.a. Rossini, französische Komponisten und Mozart, aber auch Verdi (z.B. Traviata) oder Wagner (Steuermann), Bernstein, 9. Beethoven oder Donizetti und Bellini. Seit 2017 gehört auch der Florestan dazu, Puccini ist hinzugetreten - eine Repertoireerweiterung findet statt.
Das ist jetzt alles sehr knapp, ist auch nicht das wirklich Interessante an Michael Spyres. Das findet sich nämlich in seiner Stimme und v.a. darin, wie er die jeweiligen Partien angeht. Spyres versteht sich immer mehr als ein 'Baritenore', was nun besonders durch sein letztes vorgelegtes Album deutlich wird.
Spyres, der vom Bariton kommt, verfügt über die Klangfülle, Durchschlagskraft und Schwere eines tiefen (baritonalen) Registers und gleichzeitig über eine kräftige, sichere, sehr agile Höhe, die Verzierungen exakt ausführen kann, die aber eindeutig dem Tenorbereich zugeordnet werden muss. Dabei sind die Übergänge sehr schön verblendet, benutzt er meistens die Voix mixte, kann aber ebenso die reine Kopfstimme einsetzen. So ist er in der Lage den 'Barbier' ebenso wie den Tonio in Donizettis 'Regimentstochter' zu singen. Die vorherrschende Spezialisierung in Tenor- und Baritonpartien führt wohl in der Regel zu raffinierteren Interpretationen, aber die Mischung, wenn sie denn solche ausgezeichneten Ergebnisse zeigt wie bei Spyres, ist äußerst faszinierend.
Natürlich kann man die Nadir-Arie in den 'Perlenfischern' delikater singen, natürlich gibt es Baritone, die die Parlandopassagen des 'Barbier' schneller und akkurater ausführen. Aber die Mischung ist es eben, die diese Stimme, so faszinierend macht und die übrigens auch dieses bemerkenswerte Timbre bedingt. Sonor und warm in der baritonalen Lage, klar und strahlend in der tenoralen Höhe und insgesamt sehr gut wieder erkennbar. Möglicherweise könnte Spyres noch stärker mit Farben arbeiten, aber er überzeugt halt mit anderen Qualitäten.
Diese scheinen mir nicht die ausgefeilten vokalen, technischen Raffinessen (der Spezialisten) zu sein, sondern der Verweis auf eine Gesangstradition, die doch ziemlich in Vergessenheit geraten ist. Und das dabei in einer Güteklasse, die sich sehen oder hören lassen kann.
Erstmals habe ich ihn (via You Tube) als Ottavio im Salzburger 'Giovanni' gehört und war ja sehr fasziniert von dieser Stimme. Nun habe ich mich (auch wiederum via You Tube) mehr mit ihm beschäftigt und bin (mit den oben geschilderten Einschränkungen) weiterhin sehr begeistert. Eine Stimme, die ich unbedingt einmal live hören möchte. Im ersten Moment fiel mir als Vergleichsgröße durchaus Nicolai Gedda ein, aber das greift eben zu kurz. Vielleicht eher noch Lauri-Volpi, der aber diese Agilität und extreme Höhe nicht besaß. Bonisolli hatte wiederum durchaus die Höhe, auch den baritonalen Klang, aber nicht die Fähigkeit zum verzierten Gesang. Spyres ist das schon besonders und jedenfalls etwas zum Entdecken.
Wolfram